Im Board ist dieser bald 50 Jahre alte Godard-Film - der auf dt. Lemmy Caution gegen Alpha 60 heißt - bisher kaum besprochen worden. Ich hab ihn gestern zum 1. Mal gesehen.
Als Vorbereitung hab ich mich ein wenig schlau gemacht zu Lemmy Caution - Eddy Constantine hatte diese Rolle schon mehrere Male in franz. Filmen dargestellt, und war zum Zeitpunkt seines letzten Auftritts als Lemmy (in diesem Film hier) bereits Kult.
Es gibt mindestens 2 Ebenen des Films: Eben als Parodie auf die Caution-Rolle in den anderen Filmen (dazu kann ich wenig sagen, hab mir aber langfristig vorgenommen, mal den ein oder anderen davon anzusehen); ich denke das war für die Caution-Fans ein ziemlicher Schock. Und als absurdes noir "social fiction", zum Angriff auf eine Welt, die meint Ordnung & "Sauberkeit" sei alles, und der Übercomputer Alpha 60 könne die ganze Stadt - "Hauptstadt der Milchstraße" - steuern.
Caution ist hier ein kaputter & abgebrühter Spion, der immer erst schießt - das hielte ihn am Leben, meint er. Er trägt den klassischen knittrigen Mantel (oder hat dieser Film dieses Film-Image hier erfunden?). Außer Kontext (also heute, ohne Vorkenntnisse der Caution-Figur) also eher ein Unsympath.
Die blendend hübsche Anna Karina als Natascha Vonbraun, deren Vater der Hauptprogrammierer des Monstercomputers ist (Anspielung auf Wernher v.B.? - im Film wird erwähnt, dass er vorher bei Los Alamos gearbeitet hätte), "rettet" Caution, weil er sie beschützen will & am Ende mit ihr aus der kollabierenden Metropole im Auto wegrast. Sie & andere Frauen im Film stehen scheinbar für die Emotion - obwohl sie es völlig normal findet, dass Menschen in Alphaville hingerichtet werden, sobald sie etwas "Unlogisches" tun.
Interessant ist, dass aus heutiger Sicht, es eine Folge der computerisierten Allmacht zu sein scheint, dass Frauen sehr verächtlich behandelt werden - sie sind fast nur verdeckt oder offen Huren. Ob das damals Absicht war?
Was mir v.a. gefiel ist, wie zackig Godard die Szenen aneinander reiht - der FIlm rast förmlich durch seine Story; auch die Spiele mit hell & dunkel gefallen mir. Hier und da ist außerdem erkennbar, dass er mit Aufnahmetechnik & langen Schnitten experimentiert - z.B. als die Kamera Caution in den Aufzug verfolgt, und dann "mitfährt".
Auch wird ja durch die Beleuchtung plus viel kühle Architektur (& natürlich die Dialoge*) das SFige an dem Rahmen nur suggeriert. Das klappt aber sehr gut! Da hilft wahrscheinlich, dass es ein Schwarzweißfilm ist. Besonders die Nachtszenen von/auf Straßen wirken futuristisch/dystopisch entrückt.
Was meint ihr dazu? (Der Film ist für €4 bei Arte.de als VOD streambar, allerdings dann wohl im Original mit Untertiteln...)
P.S.: Aus heutiger Sicht ist dieses Hochhalten von "Logik" als Absolut m.E. lächerlich. Nach der Sechziger-Phase der o so erstrebbaren Logik, kam ja in den 70ern & 80ern in dt. bewegten Bildern immer wieder mal die "Vernunft" vor - ich erinnere mich an den Spruch aus einem TATORT, wo die Kommissarin meinte, leider sei die Vernunft ja nicht parteipolitisch vertreten. Dabei wird weder das Eine noch das Andere je genauer definiert - es ist nur irgendwie immer klar, was gemeint ist. Pf!
(* ich las erst im Wikipedia-Beitrag NACH dem Ansehen der dt. Fassung, dass im Original sogar die Sprache von Godard "verneusprecht" wurde - muss es mir also nochmal ausleihen und mein Schulfranzösisch anschmeißen...)
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 24 Januar 2015 - 12:56.