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Kultur wird immer mehr zu Müll - Gegenbeispiele


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42 Antworten in diesem Thema

#31 MoiN

MoiN

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Geschrieben 26 April 2015 - 18:11

Über Vor- und Nachbereitung im Unterricht heute kann ich nichts sagen, aber mit dem Hinkarren ist es natürlich nicht getan. Ich nannte den Stilmix als ein Beispiel dafür, wie der Zugang erschwert wird.

 

Dank DVD gibt es aber heute Möglichkeiten, Aufführungen zu sehen, die man früher wohl nie zu Gesicht bekommen hätte.  Auch so manche moderne Inszenierung, die sogar Opernabstinenzler durchaus zu begeistern vermag (Beispiel unter vielen: Il sogno di Scipione)


Bearbeitet von MoiN, 26 April 2015 - 18:12.

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#32 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 26 April 2015 - 19:39

Übertriebene Generalisierungen finde ich auch problematisch, daher habe ich solche auch vermieden. Anzüge mit Schlips sind (noch) nicht die Welt der Jugend. Über Vor- und Nachbereitung im Unterricht heute kann ich nichts sagen, aber mit dem Hinkarren ist es natürlich nicht getan. Ich nannte den Stilmix als ein Beispiel dafür, wie der Zugang erschwert wird.

 

Wie gesagt: Ich finde eine Diskussion auf diesem Niveau schwierig. Man müsste schon eine konkrete Inszenierung anschauen, wobei sich dann freilich die Frage stellen würde, inwiefern diese repräsentativ für die aktuelle Inszenierungs-Praxis ist.

 

Aber eigentlich sollte man vor allem die Jugendlichen fragen, was sie von der spezifischen Inszenierung gehalten haben. Vielleicht stellt man dann ja fest, dass das, was in deinen Augen eine Erschwerung ist, gar nicht als solche wahrgenommen wird. Vielleicht aber auch nicht (spontan sehe ich allerdings nicht, warum Jugendliche, die in einer von Sampling, Re-Mix und postmodernem Crossover geprägten Kultur aufwachsen, mit Stilmix - Mixe? Mixen? - per se Schwierigkeiten haben sollen).


Bearbeitet von simifilm, 26 April 2015 - 19:40.

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#33 Sierra

Sierra

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Geschrieben 30 April 2015 - 09:20

Ist jetzt eine Abschweifung von der Abschweifung: Zum einen ist Altneuland ein spätes Werk Herzls, das er schrieb, als er schon ganz Organisator und Anführer der zionistischen Bewegung war. Also keiner der Texte, für die er berühmt wurde. Zum anderen ist es interessant, dass heute eigentlich niemand mehr den Roman liest. Seltsamerweise ist Herzl sogar innerhalb der Utopieforschung ein erstaunlich unbeschriebenes Blatt (wenn man von der Studie von Clemens Peck absieht, die diesbezüglich Pionierarbeit geleistet hat). Obwohl man argumentieren könnte, dass hier eine der wenigen Utopien vorliegt, die tatsächlich umgesetzt wurden, wird Herzls Werk in der Utopieforschung bestenfalls am Rande erwähnt.  

 

Ja, in der Tat erstaunlich! Aber wenn man nicht in erster Linie die "Betriebsblindheit" oder "Moden" als Erklärung bemühen will - die es in der Utopieforschung wohl wie in jedem anderen Forschungszweig gab - frage ich mich: müsste man gerade bei Herzl nicht den Antisemitismus  in Mitteleuropa, die NS-Zeit als Zäsur, die Bücherverbrennung (bei Herzl: sämtliche Schriften) als Ereignisse in den Blick nehmen, die die Rezeption des Werks / Wirkungsgeschichte womöglich "gestört" haben. Vielleicht sieht es in der Israel anders aus: wie wird Herzl und seine Utopie dort erinnert? Welche Rolle spielt dort für die Wirkungsgeschichte, dass die Utopie ursprünglich in deutscher Sprache erschienen ist? 

(Sicherlich ein weites Feld - neugierig geworden, möchte ich mir das Werk bald zulegen, sobald ich es irgendwo in einer brauchbaren Fassung zu Gesicht kriege. ;-)

 

 

Übertriebene Generalisierungen finde ich auch problematisch, daher habe ich solche auch vermieden. Anzüge mit Schlips sind (noch) nicht die Welt der Jugend. Über Vor- und Nachbereitung im Unterricht heute kann ich nichts sagen, aber mit dem Hinkarren ist es natürlich nicht getan. Ich nannte den Stilmix als ein Beispiel dafür, wie der Zugang erschwert wird. Eventkultur war Oper wohl auch schon in den vergangenen Jahrhunderten. Ach ja: Show, don't tell - natürlich trägt die Optik zum Verständnis oder erstmal zum Erkennen bei. Wer ist der König, wer ist der Gefangene? Roter und blauer Schlips? (Nur leicht übertrieben. )

 

Valerie, weil Du den schulischen Vermittlungsaspekt nochmal aufgegriffen hast: Theater - ganz allgemein - als althergebrachte und erhaltenswerte Kulturform ist m.E. nicht in der Krise und sicherlich auch nicht vom Aussterben bedroht. Der Trend geht in den letzten zwei, drei Jahrzehnten sogar in eine andere Richtung: Theater ist in der Schule seit geraumer Zeit Teil der Lehrpläne (schon in meiner eigenen Schulzeit gab es das Fach Literatur; seit etlichen Jahren gibt es zudem vielerorts das Fach "Darstellen und Gestalten" schon in der Sek. I*) und des Schullebens (Z.B. Aula als Ort, in dem Schüler selbst mit Inszenierungen experimentieren, ganze Theaterstücke einüben, ihren Eltern vorspielen; aber auch professionelle Schauspieler zu Gesicht bekommen, die mit eigenen Stücken gastieren).

Das Bild von Schülern, die zur Oper,zum Theater "hingekarrt" werden, ist so gesehen - aus der breiten Perspekte der Schullentwicklung - kaum haltbar: Denn das "Theater" ist bereits vor Ort und der Schüler lernt es kennen, teilweise indem er selbst Theater spielt. 

 

Und was die im Einzelfall eigenwillige Ästhetik heutiger professioneller Theaterstücke betrifft (Stilmix oder Fragen, warum jemand welchen "Schlips" trägt oder warum jetzt in Berlin auch noch Grönemeyer den "Faust" vertonen musste etc.): Dies sind mit Blick auf junge Leser / Zuschauer vermutlich vernachlässigbare Probleme - die sicherlich in der Nachbesprechung eines Stücks ausgeräumt bzw. eingeordnet werden (müssen). Gerade auch vor dem Hintergrund konkreter und wichtiger - weil immer wieder abiturrelevanter - Stücke wie z.B. Goethes Iphigenie auf Tauris.

Die eigentlich Arbeit der Vermittlung beginnt vielmehr im Vorfeld, es gilt eine Vorstellung für eine bestimmte Epoche (Epochenumbrüche) zu wecken, die Sprache ansatzweise zu verstehen, Goethe als Stückeschreiber kennenzulernen und und ...

 

 

*Siehe zum Beispiel hier:

http://www.gesamtsch...ubid=1&bsubid=3


Bearbeitet von Sierra, 30 April 2015 - 09:29.

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#34 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 30 April 2015 - 10:17

Ja, in der Tat erstaunlich! Aber wenn man nicht in erster Linie die "Betriebsblindheit" oder "Moden" als Erklärung bemühen will - die es in der Utopieforschung wohl wie in jedem anderen Forschungszweig gab - frage ich mich: müsste man gerade bei Herzl nicht den Antisemitismus  in Mitteleuropa, die NS-Zeit als Zäsur, die Bücherverbrennung (bei Herzl: sämtliche Schriften) als Ereignisse in den Blick nehmen, die die Rezeption des Werks / Wirkungsgeschichte womöglich "gestört" haben. Vielleicht sieht es in der Israel anders aus: wie wird Herzl und seine Utopie dort erinnert? Welche Rolle spielt dort für die Wirkungsgeschichte, dass die Utopie ursprünglich in deutscher Sprache erschienen ist?  (Sicherlich ein weites Feld - neugierig geworden, möchte ich mir das Werk bald zulegen, sobald ich es irgendwo in einer brauchbaren Fassung zu Gesicht kriege. ;-)

Es gibt in der Herzl-Rezeption verschiedene Stränge, die kaum miteinander in Berührung stehen (ich gebe hier im Wesentlichen wieder, was Clemens Peck in Im Labor der Utopie schreibt. Siehe dazu meine Rezension). Insbesondere die Zionismus-Forschung hat Mühe mit dem Schriftsteller Herzl. Die "offizielle" Leseweise ist hier, dass der Autor mittelmässiger und leichtgewichtiger Theaterstücke durch den Dreyfus-Prozess, über den er von Paris aus berichtet hat, eine eigentliche Bekehrung erlebt hat und auf einen Schlag zum zionistischen Überzeugungstäter wurde. Entsprechend ist für diesen Teil der Forschung der Schriftsteller Herzl nicht interessant, er scheint ihr geradezu peinlich. Peck kann allerdings überzeugend nachweisen, dass diese Darstellung nicht korrekt ist. Das Thema Judenfrage/Assimilation hat Herzl schon vorher beschäftigt und in gewissem Sinne kann auch seine ganze Arbeit für die zionistische Sache als literarisches Projekt verstanden werden (das ist nun allerdings meine sehr zugespitzte Formulierung).

 

Warum Herzl in der allgemeinen Utopieforschung nicht gross beachtet wird, ist mir allerdings nach wie vor nicht klar.


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#35 Typus

Typus

    Bambinaut

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Geschrieben 30 April 2015 - 19:08

Hallo zusammen,

 

bevor ich meine Gedanken zum Essay wiedergebe, möchte ich mich kurz vorstellen.

 

An und auch für sich heiße ich Martin, nehme mir jetzt endlich die Zeit, in diesem wunderbaren Forum zu lesen und zu diskutieren, obwohl ich schon einige Jahre angemeldet bin, und freue mich auch auf meine ersten Lesezirkel.

 

Den Artikel fand ich ziemlich interessant und lesenswert. Typisch Essay, spiegelt er wunderbar die Meinung des Autors, teils überspitz, wider und hat mich auf jeden Fall schün zum sinnieren angeregt, auch wenn ich anderer Meinung bin.

Wie schon etliche geschrieben haben, sehe ich Kulturgut ebenfalls als etwas an, was nicht persönlich aufgenommen oder aufgestellt wird, sondern als Konsens einer großen Gruppe oder gar Gesellschaft, die gleiche Werte leben, die eben in den zahlreichen Schaffenswerken, eben der Kulturgüter, resultieren.

 

Interessant finde ich zum Thema Kultur grundsätzlich immer, den Unterschied, aber auch die Gemeinsamkeiten zwischen Kultur und Zivilisation. Im Deutschen sind die Leistungen einer Zivilisation ja zunächst mal wertungsfrei zu betrachten, wie beispielsweise naturwissenschaftliche Erkenntnisse, Bauwerke ganz aus der Sicht der Ingenieure betrachtet, auch Geschichte als Fachwissenschaft gesehen und ähnliches. Erst die Kultur erstellt doch eine Wertung dieser Dinge und innerhalb einer Lebensgemeinschaft wie einer Gesellschaft, wird bewertet, wie und ob diese Errungenschaften verwendet werden. Als enormes Beispiel sehe ich hier immer die Kernphysik. Zivilisatorisches gesehen zunächst einmal Erkenntnisgewinn. Erst die Kultur einer Gesellschaft macht sie zu etwas vermeindlich bösem oder gutem. Und auch werten unterschiedliche Kulturen das gleiche womöglich vollkommen unterschiedlich. Ob die Atombombe gut oder schlecht ist, lässt sich doch eigentlich nur im Kontext bewerten. Wer ihre Folgen direkt erlebt hat, urteilt doch höchst wahrscheinlich anders, als derjenige, der durch die Bedrohung für den Gegner sich in Sicherheit wähnt. Als meine Frau vor etlichen Jahren an Krebs erkrankte, waren wir jedenfalls sehr froh darüber, dass die Cobaltstrahlung soweit erforscht wurde, um zu heilen.

In den meisten anderen Sprachen, zumindest aber im Englischen sind die Bedeutungen der Begriffe Kultur - Zivilisation bzw. culture - civilization, im Vergleich zum Deutschen ja vertauscht, was auch immer wieder zu Übersetzungsfehlern führt. Der "Clash of Civilizations" ist eben der "Kampf der Kulturen".

 

Ich jedenfalls verstehe unter Kulturgütern eben jene Werke, welcher Art auch immer, die Werte und auch Normen, auch wenn letzterer Begriff ja oft ungern verwendet wird, einer Gesellschaft als Kultur widerspiegeln oder dazu anregen, zu entwickeln, in welche Richtung auch immer. Kulturell wertvoll bedeutet in diesem Sinne für mich, dass das Werk (Literatur, Gemälde, Komposition, was auch immer) mich oder denjenigen, der sich mit ihm auseinandersetzt, bildet. Und dieser Begriff der Bildung ist ja ebenso schwer wieder zu beschreiben. Ein Roman, der unterhalten soll, bildet doch letztendlich den Leser nicht - was den Roman überhaupt nicht bewerten soll - bedeutet doch überspitz, wenn man diesen Roman liest, ist man letztlich noch der selbe Mensch, geistig und philosophisch gesehen. Ein Bildungsroman, als Teil welcher Kultur auch immer, verändert den Leser nachhaltig, in seiner Haltung, in seiner Wertung der Dinge, in seiner Moral,in seinem künftigen Handeln.

So gesehen hat Gelfert recht, wenn er schreibt, dass in den letzten Jahrzehnten die Kultur von der Mehrheit konsumiert wird, also nichts oder wenig hängen bleibt, die Leute eben nicht sich bilden konnten. Übrig bleibt nach diesem Konsum nur Unverwertbares, also Müll. So weit so gut.

 

Aber: war das denn jemals anders? Ich glaube kaum, dass Mozarts Zeitgenossen seine Musik besser oder anders verstanden haben, ebenso wenig wie ich. Ich versuche bis heute dahinter zukommen, was genau damit gemeint ist, eine Musik zu verstehen. Im Moment glaube ich, dass verstehen bedeutet, dass man gelernt haben muss, sie aufzunehmen, ihre verschiedenen Klänge zu unterscheiden, um sie zu mögen oder sie abzulehnen. Trotzdem liebe ich Mozarts Musik. Und mit gutem Heavy Metal ist es eigentlich nicht anders, aber nun endlich zurück zum Thema.

 

Ich kann mir also beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Zeitgenossen von, aus heutiger Sicht, hoher Kultur schaffender Menschen, sich mehr mit den Werken ernsthaft beschäftigt haben, als heute. Glaubt Gelfert denn, dass die Bauern Preußens am Abendtische über Kants Abhandlungen oder Sachsens Bergleute über Goethes Werther diskutiert haben?

Dass etliche Musikaufführungen damaliger Zeit auch schon ein Event darstellten, haben ja schon viele geschrieben.

 

Ich glaube, dass viele in den Medien Tätige - wer Wortspiele mag, spricht vielleicht auch von Tätern - vergangene Zeiten gerne überhöhen, indem sie die paar wenigen, die damals herausragten, noch weiter emporheben. In diesem Fall die angeblichen Massen, die sich kulturell gebildet haben, statt nur zu konsumieren. Das zum Einen.

 

Zum Anderen denke ich, dass uns westlichen Gesellschaften einfach auch der historisch herausragende, aktuelle Anlass fehlt, um hohe Kulturgüter zu schaffen. Ohne die Gegenwart herunterspielen zu wollen, aber was ist denn in den letzten Jahrzehnten Großartiges geschehen. Na klar, uns Deutschen wurde die Wiedervereinigung beschert, letztlich das große politische und gesellschaftliche Ereignis. Aber was ist sie denn gegen Ereignisse oder Prozesse, wie die Französische Revolution, die Aufklärung und die Befreiung der Stände. Im 19. Jahrhundert und bis zur ersten Hälfte des 20. gab es doch weit größere Umwälzungen, als die der letzten Jahrzehnte, da wäre doch eine Wiedervereinigung zwischen einem Teil der deutschsprachigen Staaten nur ein Ereignis von vielen gewesen. Gelfert schreibt von Kafka und Brecht, außer Acht lässt er einfach mal die gesellschaftlichen Umstände deren Zeit. Exzessive Monarchien, ein verkrüppelter Versuch der Demokratie und ein beispielloses Führertum und fast wie nebenbei zwei Weltkriege. Die Bedeutung der Wiedervereinigung und auch Kriege wie in Afghanistan, deren Opfer ebenso beklagenwert sind, kann nicht nur im Vergleich mit der von Gelfert herangezogenen Zeit heruntergespielt werden, sie erledigen das durch ihr Wirken von ganz allein.

Solch eine vergleichsweise reizarme Zeit schafft bringt einfach keine bedeutsamen kulturellen Werke hervor, denke ich.

 

Zu dieser Denkweise hat mich mein früherer Geschichtslehrer geprägt, der in den Neunziger Jahren sagte, dass die damals aktuellen Krawalle und Ausschreitungen rechter und linker Gruppierungen, wie Kinderspiele gegen die regelrechten Schlachten gleicher Parteien in den Zwanzigern wirkten, und er froh sei, in der heutigen Zeit zu leben.

 

Vielleicht Herr Gelfert, ist die Zeit, in der wir Leben, gar nicht so schlecht, man muss jedoch auch erkennen.

 

Es grüßt Euch,

 

Martin


Bearbeitet von Typus, 30 April 2015 - 19:11.


#36 Typus

Typus

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Geschrieben 30 April 2015 - 21:42

Ich weiß, ist viel, so wird es bestimmt nicht immer...



#37 Seti

Seti

    Zeitreisebegleiter durch die Windener Höhlen

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Geschrieben 02 Mai 2015 - 21:39

Ich weiß, ist viel, so wird es bestimmt nicht immer...

 

Hallo Martin, erstmal ein herzliches Willkommen in unserem Forum!

 

Also dir brauch das keinesfalls peinlich sein, dass du soviel geschrieben hast. Gegen lange Wortmeldungen hat hier niemand etwas, solange sie on-topic sind - aber das ist dein Beitrag ja. Es kann aber manchmal einige Zeit dauern, bis jemand darauf antwortet, schließlich kostet das Zeit, und manchmal kommt es auch vor, dass ein Thema schon "fertig diskutiert" wurde (so was ist aber eher bei älteren Themen der Fall).

 

Du solltest es jedenfalls nicht persönlich nehmen, falls du keine Antwort auf deinen Beitrag bekommst. Nicht, dass du denkst, du wärst hier nicht erwünscht. Ganz im Gegenteil! Du glaubst nicht, wie oft ich schon längere Beiträge verfasst habe, die dann unbeantwortet blieben. Mich ärgert es dann zwar immer ein wenig, wegen der ganzen Mühe, die ich in diesen Beitrag gesteckt habe, aber letztendlich kann niemand hellsehen und weiß, worüber der Rest des Forums gerne diskutieren möchte. Anderen der "Alteingesessenen" ist das bestimmt ebenfalls schon passiert.

 

Dein Beitrag ist aber durchaus interessant. Ich bin jedoch sicher der falsche Ansprechpartner, da ich mich bisher auch nicht an dieser Diskussion beteiligt habe. Ehrlich gesagt habe ich erst jetzt das einleitende Essay gelesen und weiß nicht, was ich davon halten soll. Wenn ich Gelfert mit eigenen Worten in einem Satz zusammenfassen müsste, würde dieser lauten: "Hoch auf dem gelben Wagen" ist kulturell bedeutsamer als "Rock me Amadeus". Mmmh, ich glaube, da bin ich anderer Meinung. Und ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte, Gelfert zu widersprechen. Das heißt, ein paar Ideen hätte ich schon, aber vorher muss ich mir erstmal den ganzen Thread durchlesen, damit ich nicht Dinge anführe, die jemand anderes schon besser dargelegt hat...


"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"

- The Talos Principle


#38 lapismont

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Geschrieben 02 Mai 2015 - 22:22

Bei Bauwerken fällt mir wieder ein, dass ich den Großteil aktueller Architektur hasse, mir aber gewiss bin, dass sie schneller wieder abgerissen wird, als ich drüber nachdenken kann. Allerdings urteile ich hier rein ästhetesierend. 

Musiker loben etwa den Klang in der Philharnie von Hans Scharoun in Berlin. Aussehen tuts leider wie ein Käseattentat. Aber genau hier liegt die Erklärung, warum Kultur kein Gemeingut sein kann. Es gibt keine Kultur für jederman.


Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
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#39 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 02 Mai 2015 - 22:45

Den letzten Satz aus dem Vorpost unterschreibe ich! :thumb:

 

Letzten Sonntag schrieb regelmäßiger Kolumnist Martenstein eine Art von Replik in der gleichen Zeitung.

 

P.S. @Typus: Auch ich finde lange Beiträge gut. Muss deinen noch zu Ende lesen, dann fällt mir evtl. etwas ein in punkto einer Antwort. (Weiter so! :) q:)d)


Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 02 Mai 2015 - 22:45.

/KB

Yay! Fantasy-Dialog Ende Januar...
Prof.: Dies sind die Bedingungen meiner Vormundschaft. (schiebt 2 Seiten über den Tisch) [..]

Junge: (schockiert, aber er nickt)

Prof.: Sehr gut... Noch eine Sache. Es fällt auf, dass du noch keinen Namen hast. Du benötigst einen.

Junge: Ich habe einen! -...

Prof.: Nein, das genügt nicht. Kein Engländer kann das aussprechen. Hatte Fräulein Slate dir einen gegeben?

Junge: ... Robin.

Prof.: Und einen Nachnamen. [..]

Junge: Einen [anderen] Nachnamen... aussuchen?

Prof.: Englische Leute erfinden sich namentlich ständig neu.

(Studierter Brite in besten Jahren, vs. dem Jungen, den er vor kurzem vorm Verenden in einem chinesischen Slum rettete, grob übersetzt aus Babel, im Harper-Voyager-Verlag, S. 11, by Kuang)


#40 valgard

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Geschrieben 03 Mai 2015 - 07:13

Bei Bauwerken fällt mir wieder ein, dass ich den Großteil aktueller Architektur hasse, mir aber gewiss bin, dass sie schneller wieder abgerissen wird, als ich drüber nachdenken kann. Allerdings urteile ich hier rein ästhetesierend. 

 

Mit der jetzigen Architektur, auch im "Kleinen" z.B. viele Wohnhäuser, kann ich Dir nur zustimmen. Zuviel Einheitsbrei und Eintöniges.


  • • (Film) als nächstes geplant: Equi

#41 Typus

Typus

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Geschrieben 04 Mai 2015 - 09:07

Bei Bauwerken fällt mir wieder ein, dass ich den Großteil aktueller Architektur hasse, mir aber gewiss bin, dass sie schneller wieder abgerissen wird, als ich drüber nachdenken kann. Allerdings urteile ich hier rein ästhetesierend.  Musiker loben etwa den Klang in der Philharnie von Hans Scharoun in Berlin. Aussehen tuts leider wie ein Käseattentat. Aber genau hier liegt die Erklärung, warum Kultur kein Gemeingut sein kann. Es gibt keine Kultur für jederman.

Hm, das bringt mich weiter. Bisher war ich soweit mit Gelfert übereinstimmend, dass ich Kulturgüter auch für lang während angesehen habe. Eine "aktuelle" Kultur ist mir bis gerade nicht in den Sinn gekommen. Andererseits bestätigen abgerissene Bauwerke Gelfert ja geradezu. Es bleibt hier auch materiell nur Müll übrig. Und das prangert er an, dass nämlich Kultur produziert, gebraucht und weggeworfen wird, wie ein Bauwerk gebaut, kurz verwendet und dann abgerissen wird. Allerdings kennzeichnet das Abrissbeispiel doch auch eine funktionierende Kultur, Fehler zu verbessern, und bei Bauwerken kommt man nachträglich ja auch mangels Bauplatz nicht umhin, sie abzureißen. Auf Literatur bezogen käme das einer Bücherverbrennung gleich und bei diesem Gedanken beginnen auch zugleich mein Herz und mein Verstand an zu brennen.

#42 MoiN

MoiN

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Geschrieben 02 Juni 2018 - 14:52

Zu Kate Bush ...

Kate Bush - jaaaaa - diese Frau gehört dazu. Alles was sie getan hat, stammte von ihr - Komposition, Gesang, Tanzeinlagen, Fairlight CMI usw. Sie gehört aus den wenigen Autorenkünstler in der Musik. Der einzige Cover-Song, den ich von ihr kenne, ist Rocket Man von Elton John.

 

Vielleicht von Interesse für Fans von Kate?

 

"Kate Bush at the BBC"

 

"Between 1978 and 1994, Kate Bush appeared on a variety of BBC programmes including Saturday Night at the Mill, Ask Aspel, the Leo Sayer Show, Wogan and Top of the Pops. This compilation showcases her performances of hit songs such as Wuthering Heights, Babooshka, Running up That Hill and Hounds of Love alongside other intriguing and lesser-known material in the BBC studios."


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#43 Schlomo

Schlomo

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Geschrieben 21 Januar 2022 - 21:37

Ich mag Kunst im Kleinen, Kunst für sich selbst. Ohne kommerziellen Hintergedanken. Ich kenn da einen (Amateur-) Musiker, der nur für sich selbst spielt, einfach weil ihm die Inhalte wichtig sind. Heute hab ich etwas Neues von ihm gefunden, und es gefällt mir tierisch gut:

 

Ludwig Fuchs: Das Jahr des Tigers.

https://www.youtube....h?v=qiqDACniJao

Bayrisch mit deutschen Untertiteln.


#no13

  • (Buch) gerade am lesen:Unitall 24: Der Flug der SPACE QUEEN
  • (Buch) als nächstes geplant:Ren Dhark 46: Geheimsache Schweres Wasser
  • • (Buch) Neuerwerbung: RD46 und U24
  • • (Film) gerade gesehen: Quiqueck & Hämat: PROLL OUT


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