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Der Niedergang


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10 Antworten in diesem Thema

#1 Martin Stottmeister

Martin Stottmeister

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Geschrieben 20 Februar 2022 - 12:52

Ihr habt es auch schon bemerkt, oder?

In meiner Buchhandlung wird die linke Hälfte von Krimis eingenommen. Dann kommen ein paar Lebensweisheiten und Ernährungsbücher, gefolgt von Duftkerzen und kleinen Kühlschrankmagneten. Vielleicht noch ein paar Historische Romane. Und in einer schlecht beleuchteten Ecke gibt es dann ein Regal, indem man Fantasy und SF findet. Wobei sich nur das untere Drittel den Geschichten aus der Zukunft, der Wissenschaft und den Aliens widmet. Dort findet man dann ein paar Star Wars Bücher, ein wenig Star Trek und Stephen Baxter oder John Scalzi. Eine obligatorische Ausgabe von TERRA und ein Buch von Andreas Brandhorst.

Sollte ich also noch weiterschreiben? Interessiert das noch irgendjemanden?

Ein Buch zu lesen, erfordert Zeit. Und davon gibt es immer weniger. Warum eigentlich? Es gibt doch bahnbrechende Erfindungen, die uns die zeitintensive Arbeit abnehmen. Die Frage ist aber, was wir mit der Zeit anstellen, die uns gegeben wurde (ist nicht von mir). Viele Menschen verbringen sie mit dem Warten auf Nachrichten, die nicht kommen. Warum haben wir eigentlich einen so großen Kopf, wenn wir uns ohnehin nur noch drei Sekunden lang konzentrieren können? Muss man nun Geschichten auf RTL2 Niveau scheiben?

Fakt ist, 30% der Deutschen lesen gar nicht. Und diese Zahl steigt langsam, aber beständig. Und lediglich 8% lesen täglich, wobei diese Zahl jährlich abnimmt.

Und gerade SF ist eher ein Genre, dass man sich vorzugsweise in Comics oder Filmen ansieht. Star Wars und Star Trek wurden nun einmal auf der Leinwand dem Publikum nahegebracht. Aber als Buch hätte das wohl nicht funktioniert. Heute schon gar nicht. Weil man zunächst einmal das Setting beschreiben muss (was bei einem Krimi in der Eiffel nicht der Fall ist), und da hat man viele Leser schon verloren (Warum kann der Baum sprechen?).

Wir wollen wieder einen größeren Anteil an der bereits schwindenden Leserschaft, ich denke, da sind wir uns einig. Und weniger Menschen, die sagen »Ich lese grundsätzlich keine Science-Fiction Bücher«, denn wie kann man eine Geschichte bereits nach dem Genre vorverurteilen? Sie sind ebenso vielschichtig wie die Autoren, die sie zu Papier bringen. Ich mag auch nicht alles, wo SF draufsteht, und ich lese auch andere Bücher.

Was können wir tun?

Dies soll nur ein kleiner Denkanstoß sein. Mir persönlich missfällt der Gedanke, einen Jahresbeitrag zu entrichten, um einer klandestinen Vereinigung beizutreten. Es gibt bereits eine (sagen wir mal) beachtliche Anzahl von Foren, Webseiten und Diskussionsgruppen. Kann man das nicht zusammenführen? Müssen wir alle Einzelkämpfer sein? Hilft uns ein Buchblogger mit einer Abonnentenanzahl von zehn? Eher nicht. Aber eintausend Blogger mit einer kleinen Anzahl dagegen schon.
Habt ihr noch andere Ideen?

Mir ist auch klar, dass das schon wieder Arbeit bedeutet, die keiner machen möchte. Eventuell findet sich aber doch jemand mit ausreichend intrinsischer und sozialer Motivation.

 



#2 T. Lagemann

T. Lagemann

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Geschrieben 22 Februar 2022 - 14:43

Hallo Martin,

 

ach, ja, toll waren die Zeiten, als Suhrkamp noch SF verlegt hat. Daran werde ich dieser Tage beim Lesen des von Michael Haitel & Jörg Weigand anlässlich des 80. Geburtstag von Franz Rottensteiner herausgegebenen Band "Gespiegelte Fantasie" erinnert. Allein die Farbe des Umschlags weckt Erinnerungen an spannende, interessante, erhellende Lesestunden, die im Buch abgedruckten Titelbilder Rottensteiners Herausgeberkünste tun ihr Übriges. Suhrkamps Reihe ist da bei mir auf echt fruchtbaren Boden gefallen. Das war SF, die ich toll fand, die mich zu begeistern wusste. Ich habe natürlich auch sonst SF & Fantasy gelesen, eigentlich alles, was sich in dem großen Regal in unserer Stadtteilbibliothek fand (und manches auch 2-3x ... Flusswelt der Zeit z.B.).

 

Und damit bin ich bei dem Problem, dass ich mit der heutigen SF habe. Keine Ahnung, ob das RTL2 Niveau in der SF angekommen ist, aber sprachlich und stilistisch, ganz zu schweigen von der Geschichte selbst, vermisse ich an dem, was sich in den Regalen der Großbuchhandlung in unserer Nachbarstadt finden lasse, so gut wie alles, was mich vor 40 Jahren für die SF begeistert hat. Erfreulicherweise findet sich aber inzwischen viel SF und Phantastik fernab der mit SF etc. gelabelten Buchregale. Ist nicht Suhrkamp, aber ist toll. Zumindest finde ich das toll. Und da und dort habe ich für eben diese Bücher Begeisterung zu wecken versucht. Mhm, möglicherweise hätte ich das etwas dezenter tun sollen, also keine Vergleiche zu den Größen der deutschsprachigen SF ziehen dürfen.

 

Worauf ich hinauswill? Natürlich sind wir alle Einzelkämpfer, denn die SF ist viel zu vielseitig, als das wir alle an einem Strang ziehen können. Star Wars? Dafür mag ich nicht ins Kino gehen. Star Trek? Bleib mir weg damit, ob als Fernsehserie oder Roman. Und auch auf die Gefahr hin, dass mir da jemand verbal zwischen die Zeilen grätscht - Eschbachs "NSA" ist für mich gerade mal ein annehmbares Jugendbuch. Aber auf Michael K. Iwoleit fahre ich ab - also auf seinen literarischen Output. Kurz gesagt: Mir ist bewusst, was mich kickt, kickt andere raus - und umgekehrt.

 

Was also soll eine "Zusammenführung" der Foren, Webseiten und Diskussionsgruppen bewirken? Da würde doch nur bestätigt, was wir alle eh schon wissen, wir sind sehr verschieden. Und an dem, was sich in den Buchhandlungen an SF findet, wird die Bestätigung dieser Erkenntnis wohl kaum etwas ändern. Da ist wahrscheinlich der Algorithmus eines großen Online-Händlers wirksamer ...

 

Ach ja, den gibt es ja auch noch. Hey, wenn da wer was für die SF tun will, möge er/sie/es sich dort als Rezensent einbringen. Und wenn ich "Rezensent" schreibe, dann meine ich "Rezensent" und nicht das, was sich dort zuhauf tummelt. Ansonsten bleibt ja auch noch das Feuilleton ... Autsch, da habe ich das (p)Fuiwort benutzt. Denn was da vorgestellt wird, das ist natürlich langweilig, bestenfalls etwas für Germanistikseminare. Tja, aber genau derlei finde ich spannend, nämlich Texte, die neben einer vielschichtigen, innovativen Geschichte auch die Möglichkeiten der Sprache nutzen (z.B. Juan S. Guse). Und damit bin ich wieder Suhrkamp, und im Bewusstsein, mich im Kreis gedreht zu haben, wünsche ich viel Erfolg bei der Rettung der SF.

 

Viele Grüße

Tobias


"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."

(James Corey, Calibans Krieg)

"Sentences are stumbling blocks to language."

(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)

"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"

(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")
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#3 J. A. Hagen

J. A. Hagen

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Geschrieben 22 Februar 2022 - 15:10

Ganz scheint die Science-Fiction nicht am Feuilleton vorbeizugehen:

https://www.faz.net/...n-13993294.html

 

Der ästhetische Hauptausdruck dieses Erkenntnisspiels in der klassischen SF, also im „Gernsback-Kontinuum“ (William Gibson), wird sense of wonder genannt, Dies meint das Staunen, das ausgelöst wird, wenn sich das Hirn von einer einzigen großen verfremdenden Idee überwältigt sieht. Klassische SF geht also meist genau einen Schritt über das Bekannte hinaus - zu einer von einer neuen Erfindung umgekrempelten irdischen Zivilisation, auf einen fremden Planeten, in die Zukunft oder in einen ausgesuchten Moment eines zum bekannten alternativen Geschichtsverlaufs.

  • (Buch) gerade am lesen:David Weber: Honor Among Enemies; Exodus 44
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#4 Dyrnberg

Dyrnberg

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Geschrieben 22 Februar 2022 - 15:18

Ich antworte mal polemisch - bitte aber darum, dieses Posting nicht persönlich zu nehmen. Aber es hieß ja "Denkanstoß" - und da dienen polemische Zuspitzungen meist besser.

 

(1) Die Beschreibung des Buchgeschäfts im ersten Post klingt für mich nach 1980er. Nicht nach Gegenwart. Ich glaube, dass Phantastik heute mehr gelesen wird denn je. Ja, da ist viel Fantasy dabei. Aber eben auch viele Genres, die es früher gar nicht gab. Wenn ich darauf schaue, was meine Kinder und die Teenager (die ich kenne) lesen, ist das fast nur Phantastik. Während ich früher als Teenager quasi nur Thriller und Krimis las.

 

(2) Eine bestimmte Art der Science Fiction ist sicherlich heute weniger präsent als früher. Jetzt wird es ganz hart polemisch: Es hat aber auch teilweise gute Gründe, warum dem so ist und kaum jemand - außer den Gründervätern - dieses Genre vermisst.

 

(3) Schriftsteller sollten sich als Künstler verstehen - nicht als Kämpfer. Oder verstehe ich da etwas nicht? Kämpfen für was? Dass mehr Leute lesen? Gefühlt sind es vor allem Autoren, die beklagen, dass Leute zu wenig lesen. Und dabei schreiben dann diese Autoren selbst mehr Bücher als sie lesen.

 

(4) Pessimismus à la "Früher haben die Leute noch gerne gelesen, heute schauen leider alle nur noch Netflix" steht gerade dem Genre "Science Fiction" schlecht zu Gesicht. Was ist schlecht daran? Warum ist eine Geschichte, die filmisch erzählt wird, weniger wert, als eine, die in gedruckten Buchstaben erzählt wird? Diese Nostalgie würde besser zu anderen Genres passen.



#5 J. A. Hagen

J. A. Hagen

    Cybernaut

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Geschrieben 22 Februar 2022 - 15:45

Vielleicht kommunizieren wir falsch. Eventuell muss man das tun, was Sylvia Englert in ihrem Autorenhandbuch vorschlägt: Buchtrailer drehen und auf Youtube einstellen. Dazu benötigt man aber Leute, die das können, und die wollen in der Regel bezahlt werden. Zudem machen das dann Autoren oder Autorinnen, die Verkaufsförderung betreiben wollen.

Hier ginge es aber darum, ein Genre insgesamt zu bewerben - ohne Verdiensterwartung.

Vielleicht muss so etwas nicht perfekt sein, sondern nur Lust machen.

 

Neil Armstrong betrat 1969 den Mond.

Jules Verne war bereits 1873 dort - in seinem Roman "Von der Erde zum Mond".

 

Der Zeit voraus - Science-Fiction lesen.

 

Science Fiction Club Deutschland

 

oder:

 

Heute schon dem Universum "Guten Tag" gesagt?

 

Der Zeit voraus - Science-Fiction lesen.

 

Science Fiction Club Deutschland

 

oder:

 

Kopf zu vom Binge Watching?

 

Lies mal wieder.

 

 

Vielleicht lässt sich so etwas in Textform als animiertes GIF erstellen.


Bearbeitet von J. A. Hagen, 22 Februar 2022 - 15:48.

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#6 Peter-in-Space

Peter-in-Space

    Kenonaut

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Geschrieben 22 Februar 2022 - 15:48

Ich antworte mal polemisch - bitte aber darum, dieses Posting nicht persönlich zu nehmen. Aber es hieß ja "Denkanstoß" - und da dienen polemische Zuspitzungen meist besser.

 

(1) Die Beschreibung des Buchgeschäfts im ersten Post klingt für mich nach 1980er. Nicht nach Gegenwart. Ich glaube, dass Phantastik heute mehr gelesen wird denn je. Ja, da ist viel Fantasy dabei. Aber eben auch viele Genres, die es früher gar nicht gab. Wenn ich darauf schaue, was meine Kinder und die Teenager (die ich kenne) lesen, ist das fast nur Phantastik. Während ich früher als Teenager quasi nur Thriller und Krimis las.

 

(2) Eine bestimmte Art der Science Fiction ist sicherlich heute weniger präsent als früher. Jetzt wird es ganz hart polemisch: Es hat aber auch teilweise gute Gründe, warum dem so ist und kaum jemand - außer den Gründervätern - dieses Genre vermisst.

 

(3) Schriftsteller sollten sich als Künstler verstehen - nicht als Kämpfer. Oder verstehe ich da etwas nicht? Kämpfen für was? Dass mehr Leute lesen? Gefühlt sind es vor allem Autoren, die beklagen, dass Leute zu wenig lesen. Und dabei schreiben dann diese Autoren selbst mehr Bücher als sie lesen.

 

(4) Pessimismus à la "Früher haben die Leute noch gerne gelesen, heute schauen leider alle nur noch Netflix" steht gerade dem Genre "Science Fiction" schlecht zu Gesicht. Was ist schlecht daran? Warum ist eine Geschichte, die filmisch erzählt wird, weniger wert, als eine, die in gedruckten Buchstaben erzählt wird? Diese Nostalgie würde besser zu anderen Genres passen.

so polemisch finde ich Diene Einlassung gar nicht. Trotzdem will ich darauf antworten.

 

zu 1) durch den immerwährenden Ringzyklus und befeuert durch den Erfolg von Harry Potter ist das Lesevergnügen an Fantasyromanen sichtbar geworden, teilweise hat es sich auch in die Erwachsenenwelt verlagert. 

 

zu 2) diese Schubladen exisitieren meiner Meinung kaum noch: military SF und space opera verschwammen irgendwann, Heute kommen dystopische Elemente dazu, ohne gelcih nur Dystopien zu sein. Wir lesen heute SF, die viele teile von allem enthält, auch auf einem sprachlich sehr hohen Niveau. Schau auf die heutigen Genrebezeichnungen (GrimDark etc.).

 

zu 3) beklagenswerterweise existieren nicht zu viele Geschichten, sondern zu viele schlechte Geschichten, die z. B. grundlegende Gesezte der Physik außer acht lassen. Dieses kann man spätestens noch in die hochspekulative Ecke von Science Fantasy subsummieren, aber man begibt sich auf ganz dünnes Eis - und bricht im Nu ein.

 

zu 4) ich glaube nicht, dass Bücher aussterben. Sie werden nur anders, z. B: in elektronischer Form, gelesen. Dass sich der Buchhandel nicht darauf eingestellt hat und hier vielleicht etwas den Anschluss verloren hat, ist nicht die Schuld der Autoren und schon gar nicht der Leser.Es erinnert eher an das Verhalten der Musikindustrie.


Bearbeitet von Peter-in-Space, 22 Februar 2022 - 15:52.

Wenn es eine Krisensituation gibt, sucht der intelligente Mensch nach einer Lösung,

der dumme Mensch nach Schuldigen.

(Verfasser unbekannt)

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#7 T. Lagemann

T. Lagemann

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Geschrieben 23 Februar 2022 - 09:55

Hallo J.A.,

Ganz scheint die Science-Fiction nicht am Feuilleton vorbeizugehen:

https://www.faz.net/...n-13993294.html

natürlich geht das Feuilleton nicht an der SF vorbei, aber die Gralshüter der SF am Feuilleton.

 

Es gab doch in den letzten Jahren zuhauf Romane (die als SF betrachtet werden können), die durch die Kulturteile wirbelten, in den einschlägigen Foren hingegen bestenfalls erwähnt wurden. Raphaela Edelbauers Roman "Dave" fand z.B. im Feuilleton großen Widerhall, man befand den Roman dann sogar für preiswürdig (Österreichischer Buchpreis). Hier im Forum war die Resonanz dann leider eher mau.

 

Ja, ich weiß, es gab Ausnahmen und es wird auch weiterhin Ausnahmen geben. Manchmal wummst etwas durch bis zur SF-Szene. Aber mir scheint es eben gewisse Berührungsängste zu geben, was "Literatur" anbelangt. Aber dabei ist die SF doch durchsetzt mit dem, was das Feuilleton aufjauchzen lässt, Autor*innen, die Sprache zu benutzen und zudem auch interessante - weil andere - Geschichten (anders) zu erzählen wissen. K. Le Guin, Atwood, Ballard, Tiptree. Lem! Und dennoch habe ich dann doch zu oft etwas über "verschwurbelte Sprache" und "germanistische Seminare" lesen dürfen, weshalb das Werk dann eben nix sei. Und, äh, dann gibt es ja noch die Unterscheidung zwischen SF und Literatur, die lediglich SF-Versatzstücke nutzt.

 

Was ich damit sagen will?

 

Es wird im Feuilleton mit sehr scharfer Klinge für die SF & Phantastik gefochten, d.h. es findet Werbung für das Thema statt. Nur wird das teils nicht wahrgenommen bzw. hat scheinbar die falsche Zielrichtung. Aber würde ein Brandhorst im Deutschlandfunk die Verkaufszahlen oder den Platz (für SF) in den Regalen der Buchhandlungen erhöhen?

 

Und Buchtrailer? Ja, sind gewiss eine Möglichkeit, auf Bücher aufmerksam gemacht zu werden. Aber diese Buchtrailer muss man ja auch erst mal finden ... Und wo hat man die größe, zielgruppenorientierte Reichweite? Die Arbeit muss sich ja irgendwie auch rechnen, also wohl in SF-affinen Gruppen in sozialen Medien und den einschlägigen Foren. Aber da finden sich Infos über die Neuerscheinungen eigentlich schon automatisch ein und sind vor allem ohne die Mehrarbeit des Buchtrailers wirksam. Ja, natürlich kann man auch fernab der Genresitzgruppen solche Trailer einstellen, aber das kostet ... (zumindest Zeit)

 

Und da schließe ich mal den Kreis zu Raphaela Edelbauers Roman "Dave". Trotz Feuilleton und Preis hat es bei einem großen Online-Versender bislang nur zu 250 Bewertungen gereicht, ein etwa gleichzeitig erschienener Roman Andreas Brandhorsts ("Mars Discovery") hat es ohne die große mediale Aufmerksamkeit 221 geschafft. Und Eschbachs NSA? Ist ein Jahr früher erschienen und steht bei 1600 Bewertungen ... Das sagt natürlich nichts über die Verkaufszahlen aus.

 

Ich habe die Umfrage jetzt nicht gefunden, aber auf fb wurde vor ein paar Wochen in einer SF/Phantasik Gruppe danach gefragt, ob man Dietmar Dath kennt. Mhm, wen? Oder anders formuliert: Etwas vn ihm gelesen hatte nur ein kleiner Teil der antwortenden. Und dabei ist Dath doch ein wundervolles Scharnier zwischen Genre und Feuilleton. Er ist ein beiden Welten beheimatet und zeigt damit, dassd es eigentlich eine Welt ist. Die des Lesens. Die der Geschichten. Die der Unterhaltung.

 

Viele Grüße

Tobias


"Wir sind jetzt alle Verräter."
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(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)

"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"

(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")
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#8 Gast_audionaut_*

Gast_audionaut_*
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Geschrieben 24 Februar 2022 - 00:06

Ohne vom Buchhandel Ahnung zu haben, stelle ich als Leser eigentlich schon seit Jahrzehnten den Rückzug des intellektuell Anspruchsvolleren aus den Regalen fest.

Irgendwann fing Hugendubel an, allerhand Deko-Zeug zu platzieren, wo eben noch Suhrkamp u.ä. residierte.

Ich stelle auch fest durch den Austausch in meinem Haus-Ressort 'Hörspiel', dass sich das Bekenntnis zum Trivialen heute infolge social media viel stolzer und selbstbewusster artikuliert. Da kriegt man auch mal von Forenleitern das Wort "Kunstkacke" um die Ohren gehauen, wenn man anmerkt, dass es doch noch mehr gibt als gut verkäufliche Massenware.

Ich stehe übrigens dazu, dass Fantasy in allen Schattierungen seinen Platz und Respekt haben soll, aber ein Lem wäre heute schon unverkäuflich. 



#9 Uwe Post

Uwe Post

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Geschrieben 24 Februar 2022 - 08:43

Zeiten ändern sich. Willkommen in der Gegenwart.


Herausgeber Future Fiction Magazine (deutsche Ausgabe) ||| Aktueller Roman: ERRUNGENSCHAFT FREIGESCHALTET ||| uwepost.de ||| deutsche-science-fiction.de

#10 J. A. Hagen

J. A. Hagen

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Geschrieben 24 Februar 2022 - 09:50

Da kriegt man auch mal von Forenleitern das Wort "Kunstkacke" um die Ohren gehauen, wenn man anmerkt, dass es doch noch mehr gibt als gut verkäufliche Massenware.

 

Aus meiner Sicht ist das ein Nase-hoch-Gehabe.

 

Ohne vom Buchhandel Ahnung zu haben, stelle ich als Leser eigentlich schon seit Jahrzehnten den Rückzug des intellektuell Anspruchsvolleren aus den Regalen fest.

 

Was ist für Dich intellektuell anspruchsvoll?


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#11 Gast_audionaut_*

Gast_audionaut_*
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Geschrieben 26 Februar 2022 - 16:41

Was mein Hirn fordert.




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