Ich gebe zu, den Vorteil einer Kryptowährung habe ich auch nie verstanden. Mag die Grundidee anders sein, unter dem Strich ist so eine Währung genauso anfällig wie alle anderen.
Bitcoin ist im Kern ein libertäres Projekt, das auf der Überzeugung beruht, dass es besser ist, wenn eine Währung nicht über eine staatliche Institution, sondern über den Markt gesteuert wird. Damit verbunden ist die irrige Annahme, dass Geld im Grunde eine Ware ist, deren Wert durch Angebot und Nachfrage gesteuert wird. Das ist aber ein Irrtum – Geld ist per se politisch. Um den früheren griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis in dem Interview, das ich mit ihm geführt habe, zu zitieren:
Die Leute, die hinter Bitcoin stehen, haben ein grundlegend falsches Verständnis von Geld. Sie sind der Überzeugung, dass Geld seinen Wert durch Knappheit erhält. Aber das ist schlicht und ergreifend falsch. Der Wert von Geld gründet in dem Umstand, dass ich damit meine Steuern bezahlen kann. Geld ist inhärent politisch, und das muss auch so sein. Insbesondere, wenn kapitalistische Produktionsbedingungen herrschen, denn in einem solchen System muss die Möglichkeit bestehen, die Geldmenge zu regulieren. Bitcoin ist im Grunde nichts anderes als eine digitale Version des Goldstandards. Der Goldstandard war aber bereits in den 1920er-Jahren eine schlechte Idee, und daran hat sich bis heute nichts geändert.
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In diesem Thread ging es ja um Bitcoin, und das ist Proof-of-Work (und wird es vermutlich auch immer sein).
Ich habe mit meinem Post indirekt auf Mammut reagiert, der allgemein von Kryptowährungen sprach.
Aber das Grundproblem, da gebe ich Dir Recht, ist, dass Krytowährungen nach wie vor nicht als Währungen verwendet werden, sondern nur als Spekulationsobjekte (mal abgesehen von Erpressungen und Geldwäsche).
Es ist ja eine grundsätzliche Frage, ob es tatsächlich erstrebenswert ist, dass eine Währung keiner politischen Kontrolle mehr unterliegt, sondern einzig durch den Markt – was konkret heisst: den grössten Playern am Markt – gesteuert wird. Man kann das Gebaren der verschiedenen Nationalbanken angesichts der aktuellen Inflationsraten sicher kritisieren, aber ohne ihr entscheidendes Eingreifen wären die diversen Krisen der vergangenen Jahre ohne Zweifel noch weitaus verheerender ausgefallen. Ich möchte mir nicht vorstellen, was mit dem Euro passiert wäre, wenn dessen Wert nur vom Markt bestimmt würde.
Bearbeitet von simifilm, 19 Oktober 2022 - 12:24.