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Was ist der "postmoderne Roman" in der Phantastik?


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12 Antworten in diesem Thema

#1 Beverly

Beverly

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Geschrieben 09 Oktober 2006 - 18:35

Die Frage nach dem "postmodernen Roman" bzw. neuen formalen und inhaltlichen Formen stelle ich auch im Zusammenhang mit einem Schreibprojekt von mir. Als Romane, in denen bezüglich Aufbau und Struktur vom herkömmlichen Schema abgewichen wird, kenne ich vor allem SCHAFE BLICKEN AUF und MORGENWELT von John Brunner (beide schon älter). In beiden Romanen gibt es viele kurze Episoden, in denen verschiedene Protagonisten agieren, zwischen denen es keine direkte Beziehung gibt. Die Beziehung besteht darin, dann Brunner an ihren Schicksalen Aspekte seiner dystopischen Zukunftswelten aufzeigt. Im Zusammenhang mit MORPHOGENESIS von Michael Marrak wurde schon mal vom "postmodernen" Roman gesprochen. Ich selbst denke dabei neben den skurrilen Inhalten vor allem an die verschiedenen Handlungsebenen.Bei meinem eigenen Schreibprojekt macht sich die literarische Postmoderne in mehreren Handlungsebenen mit insgesamt ca. 50 kurzen Kapiteln bemerkbar. Da Zeitreisen vorkommen, liegt manchmal das Ende eines Handlungsstranges vor dem Anfang.

#2 eRDe7

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Geschrieben 09 Oktober 2006 - 20:24

Tach.Nettes Thema, zumal sich die Leute ja streiten, was dieses schöne Wörtchen "postmodern" überhaupt bedeuten mag.Eine Frage, die mir gerade so aufstößt ist: Kann es etwas wie einen postmodernen SF-Roman überhaupt geben? Schließlich ist ja gerade auch die Spielerei mit Genres ein (mögliches) Merkmal des postmodernen Romans. Und wenn man mit einem Genre spielt, nimmt man es meistens nicht ernst. Und dann fällt das Werk meistens nicht mehr in dieses Genre.Ansonsten denke ich, dass erste Anfänge bei Dick zu finden sind. Allein seine Themen reizen zu dieser Vermutung, aber auch Spielereien wie in DER DUNKLE SCHIRM (Zitate aus anderen Werken) oder in VALIS oder DIE WIEDERGEBURT DES TIMOTHY ARCHER. Andererseits widerespricht dem ein wenig, dass Dick an eine Theorie "Dahinter" glaubte, auch wenn er sie nicht unbedingt gefunden hat. Dafür wiederum spricht, dass in den 60ern, vor allem zwischen DAS ORAKEL VOM BERGE und SIMULACRA, keine Hauptfigur mehr existiert, bzw. immer weiter nach hinten gedrängt wird, zu Gunsten eines Figurenpanoramas aus gleichberechtigten Charakteren.Weiter könnte man nennen: Vonnegut natürlich. Pynchon natürlich, aber da nennt sich das schon nicht mehr "Phantastik".DER WOLKENATLAS von Mitchell - je nach lesart, um ein neues Beispiel zu bringen.Julio Cortázar könnte man auch noch anführen. Und natürlich der Vater aller postmodernen Literaturspielereien: Borges.Weiterführende Literatur:Christopher Palmer: Philip K. Dick. Exhilaration and Terror of the PostmodernMichaela Kopp-Marx: Zwischen Petrarca und Madonna. Der Roman der PostmoderneGrüße,Ralph

R. C. Doege: Ende der Nacht. Erzählungen (2010)

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#3 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 09 Oktober 2006 - 23:27

Reden wir jetzt nur über SF oder breiter? (Breiter wäre mir etwas zu breit!)

Bei SF kommt mir sofort ein Name: Geoff Ryman! Besonders 253 kommt mir in den Sinn, und die Novelle Unconquered Country. Aus New-Wave-Zeiten neben Brunner auch Edmund Cooper (z.B. Kronk) und J.G. Ballard. Um von Übersee nicht Beatnik-und-mehr Samuel Delany (z.B. In meinen Taschen die Sterne wie Staub) zu vergessen. Letzter meinte u.a. (laut Wikipedia.de):

Poststrukturalistisch orientierte Autoren wie Samuel R. Delany vertreten sogar die Ansicht, dass die Undefinierbarkeit ein wesentliches Merkmal von SF ist.

Ergo: Wenn SF nichts oder alles sein kann, kann sie auch postmodern sein! :thumb:

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 09 Oktober 2006 - 23:37.

/KB

Yay! Fantasy-Dialog Ende Januar...
Prof.: Dies sind die Bedingungen meiner Vormundschaft. (schiebt 2 Seiten über den Tisch) [..]

Junge: (schockiert, aber er nickt)

Prof.: Sehr gut... Noch eine Sache. Es fällt auf, dass du noch keinen Namen hast. Du benötigst einen.

Junge: Ich habe einen! -...

Prof.: Nein, das genügt nicht. Kein Engländer kann das aussprechen. Hatte Fräulein Slate dir einen gegeben?

Junge: ... Robin.

Prof.: Und einen Nachnamen. [..]

Junge: Einen [anderen] Nachnamen... aussuchen?

Prof.: Englische Leute erfinden sich namentlich ständig neu.

(Studierter Brite in besten Jahren, vs. dem Jungen, den er vor kurzem vorm Verenden in einem chinesischen Slum rettete, grob übersetzt aus Babel, im Harper-Voyager-Verlag, S. 11, by Kuang)


#4 molosovsky

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Geschrieben 10 Oktober 2006 - 09:20

Erstmal: vieles was als merkmale des postmodernen schreibens und erzählens gilt, hat der gute Laurence Sterne in seinem »Tristram Shandy« (erschienen 1759-1767) schon verbraten. †” Anhand dieses problems nun die frage: ist die postmoderne eine geschichtliche oder eine auf eigenschaften gründende gattungsbezeichnung? Ja, ist ›postmoderne‹ vielleicht so glitschig und universell anwendbar, wie zB auch solche vermeindlichen gattungen wie eben ›phantastik‹? Hmmmm, ich denk mir schon lang, daß der hase eher in die zweite richtung läuft. Universell ist der ›gigantenstreit um das sein‹, seit der olle platon die virtuelle realität der ideenwelt installiert hat :-) Seitdem eiern irgendwelche denker, programmatiker, ideologen usw mit begriffen wie ›die ewifgkeit‹, oder ›das gute‹ herum, und tun so, als ob die über ihre zeichen- und zeigerhaftigkeit hinaus irgndwelche ›realiter‹-qualitäten hätten (siehe aktuelle auch ›seele‹, ›freier wille‹).

Was sagt denn mein litwiss-häschenschulebuch »Grundzüge der Literaturwissenschaft« (Fischer-TB, H. L. Arnold & H. Detering). Da wird postmoderne erwähnt als <i>›postmoderne-diskusion der achziger jahre‹</i> im kapitel <i>»Sozialgeschichtliche Zugänge«</i> (Abteilung: »Verfahren der Textanalyse«). Wir erinnern uns, das war die zeit des historikerstreits und der rückkehr des mittelalters (Ecos »Name der Rose« 1981). Es war auch die zeit von Reagan und Thatcher!

Also: erster satz im Fischer-buch: <i>»Geht man von einem Literaturverständnis aus, das den historischen Wandel von Literatur berücksichtigt, so stellt sich die Frage nach den Gründen des Wandels.«</i> Da sind wir bei metamorphose, mutation, revolution, reformation. †” Autonomie der literatur, wie seit nachkriegszeit postuliert, wird von junger studi-generation angezweifelt. Empirische literatursoziologie erlebt eine renaissance; literatur als ›widerspiegelung der wirklichkeit‹ (oder in meinem modell: ALLE literatur arbeitet erstmal im phantastischen modus, denn keine erzählende literatur legts auf nichtvorstellbarkeit/nichtverständlichkeit an; und täte sie es, wäre dies ein projekt ambitionierten scheiterns; siehe extremistenwerke wie »Finnegans Wake«).

Für sozialgeschichtlich orientierte lit-forschung (komplexe ideologiekritische methoden analysieren ästhetische umsetzung sozialer erfahrungen) ist die kategorie geschichte aussschlaggebend; entsprechend die zentrale fragestellung nach dem verhältnis von ›literarischem wandel‹ zum ›geschichtlichen prozess‹.

Soweit die nützlichen ausszüge aus Arnolds/Deterings sachbuch.

†¢†¢†¢
Was das ganze reden über postmoderne nun heikel macht ist (wie auch in wikipedia korrekt vermerkt), daß für die einen die postmoderne eine zurückweisung der moderne ist (oder zumindest ein kritisches gegenprogramm), für die anderen ist sie deren vollendung (oder zumindest fortsetzung).

Ganz knapp findet sich immer wieder diese definition: dass die postmodernen künste weniger auf innovation setzten, denn vielmehr auf neuarrangement und neu-aufgreifen von bekannnten. Da sagen zum beispiel einige, daß seit ca., der nachkriegszeit NICHTS neues mehr gemacht wird, sondern moden, techniken usw die in den ersten 30 jahren des 20. jhds. alle aufgeblühten wiederholt, neuzusammengesetzt und variiert werden (superhelden-comics und seriealien sind da markante beispiele, und die monomythos-schreibpraxis ist ein konkretes routineverfahren). Also die alte schoose, daß es nichts neues unter der sonne gäbe.

Ganz richtig mußte ja der postmoderne erstmal die moderne vorangehen. Die moderne, das ist ja dieses bündel an entwicklungen, die man mit industrieller revolutionen und sekularer emanzipation von traditionellen religiösen großphantastischen ideologien umschreibt. Kritisch dabei, daß sich diese moderne schnell ihre eigenen großphantastischen ideologie-karrotten als anspornende erzählungen vor die nase spannte. ›Idealismus‹ (im gegensatz zum materialismus), ›die Geschichte‹ (wiedermal) und ›aufklärung‹ werden da z.B. als solche metaerzählungen der moderne genannt. Mir fällt noch ›fortschritt‹, ›nationalismus‹ und ›emanzipation‹ ein (und ›subversion‹). †” Nun: die postmoderne mit ihren unterschiedlichsten ansätzen ist imho schlicht eine reaktion auf die (irr)-wege der moderne. Aus utopie wird utopie-kritik, aus aufklärung wird dialektik der aufklärung usw. Allenthalben beginnen die leut mit schrecken oder neugierde zu entdecken, daß literatur und ihre formen/inhalte arg vom gesellschaftlichen umfeld/zusammenhang bestimmt werden, bzw. ihre batrchtung davon abhängen.

Zuletzt an dieser stelle der hinweis, daß am verschwommenen übergang vom moderne zur postmoderne viele werke zu finden sind, die mal als abschlußsteine der moderne gelten (Joyce, Musil, Benjamin und Co), mal als pionierwerke der postmoderne (siehe meine Sterne-erwähnung oben!). †” Postmoderne ist für mich erstmal eine haltung, die zur kenntnis nimmt, daß mit der moderne die monohierarchischen wirklichkeits-folien ihren anspruch auf absolute gültigkeit einbüßten (siehe geistige emenzipation) und ein vitaler pluralismus der perspektiven, interessen und ideen sich breit macht.

†¢†¢†¢
Meine lesart der SF ist so, daß sich spätestens mit der new wave eben viel postmoderne strömungen in der SF uf den weg machen.

eRDe7 schrieb:

Und wenn man mit einem Genre spielt, nimmt man es meistens nicht ernst. Und dann fällt das Werk meistens nicht mehr in dieses Genre.

Oh, ich wähne fatales ›genre-reinheits‹-denken hinter diesem argument; das ich übrigens für ziemlich schwach halte. Lem ist also keine SF und Pratchett keine fantasy. Soso. Interessant. Also wieder raus mit »Rocky Horror« und »Wallace und Gromit« aus der SF-schublade!

Ich stimme aber zu, daß Dick mit seinen ideen oft postmoderne themen aufgreift (relativität von wirklichkeit usw); allerdings ist Dick in seinen formen eher traditionell. Aber z.B. Delany, Bester, Moorcock, Wilson/Shea (Ruff!) geben exemplarische beispiele, wie postmodere formen in der SF wohl daherkommen.

Es gibt meiner meinung nach eine wildere postmoderne (†” mehr formexperimente die vor den kopf stoßen, mehr kritik an zeitläuften und ›klassen-konflikten‹ †”) und eine zahmere postmoderne (†” die auch für diskurs-abholde geister lockeres lektürevergnügen zuläßt, weil man nicht unbedingt die postmoderne diskrus-ebene mitnehmen muß, um das werk genießen zu können. Siehe z.B. die (einige) werke von Stephenson, Ruff, Eco und Krausser; auch solche autorinnen wie Susanna Clarke oder Antonia S. Byatt zähle ich zur ›zahmen‹ postmoderne).

†¢†¢†¢
Mir persönlich war die spielerische, doppelbödige postmoderne immer ziemlich sympathisch. Andererseits hab ich so meine liebe not, mich von den ›lastern einer gutmenschen-postmoderne‹, mit ihren regeln des politischen korrekten sprechens und benennens, nicht nerven zu lassen,

Soviel im augenblick. Die länge meines stegreif-beitrags ist (wie so oft) zeichen meiner begeisterung fürs gestellte thema.

Grüße
Alex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 10 Oktober 2006 - 09:40.

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#5 Gast_Jorge_*

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Geschrieben 10 Oktober 2006 - 16:11

Die Frage nach dem "postmodernen Roman" bzw. neuen formalen und inhaltlichen Formen stelle ich auch im Zusammenhang mit einem Schreibprojekt von mir.
Romane, in denen bezüglich Aufbau und Struktur vom herkömmlichen Schema abgewichen wird

In dem Zusammenhang zu erwähnen wäre neben den erwähnten Autoren und Büchern auch der Roman "Space War Blues"(Space War Blues) von Richard A. Lupoff:

"
:gigantische Schatten riesig umreißen eine andere Jimmie O. neben der James O. neben einer geisterhaft wabernden Eastland hinter einem größerngrößerngrößern Kampfschiff verkünden leuchtende fette Buchstaben James O. Eastland auf einer glühenden schimmernden Phantom-J.O. Eastland umgeben von einem ganzen Schwarm von JamesJamesJames O.O.O. EastlandEastlandEastlands manche solide manche fadenscheinig & dahinter kann Gord ne Bilbo sehn & noch eine, wogend, tanzend, flitzend & blitzend + Longs + Lees + Faubuse + Maddoxe + eine Lurleen, zwei drei, wirbeln:
:weit wech, weit wech, weit wech hinter den Holos wird endlich die scheißdreckige N`Haitianische Niggahflotte sichtbar:
Schiffe + Schiffe + Schiffe
Schiffe + Schiffe + Schiffe
Schiffe + Schiffe + Schiffe
Schiffe + Schiffe + Schiffe
sie feuern, feuern
stürzen sich rab & täuschen
Strahlen, Geschosse, Raketen kommen vonne Niggahschiffe, kommen vonne N`Ala-Schiffe.
Lärm in den Kopfhörern. Worte & anderes, und jetzt laut HEILJE JUNKFRAU schreien & jetzt ne Pause, jetzt ne Sekunde ohne Lärm & dann kommt endlich Lt. Rainies Stimme (wird endlich fortgesetzt) über Kopfhörer durch -Soldaten, weiße Männer, der Zeitpunkt ist gekommen, auf sie mit Gebrüll, Waffen gezückt, los, los, Bewegung!- befehlsgewohnt wie immer, Gord, der ist trainiert, er gehorcht, er knallt die Hacken zamm Schlopp! Und weg vom Deck und zum Loche raus, e-vau-a-Zeit, raus/rauf/runter auf/in schwarze Tiefe/Fläche schlingern/trudeln & ne rasche Drehung, fast n Mini-Orbit & schepperdipepper! auf die Hülle, auf ihrn Bauch, aufschaun, durch die Holos (ihr Männer seid geübt!) die Ein-Mann-Laseraxt bereit die Feuerkraft des Schiffes zu unterstützen, aufschaun zu n Niggahschiffen, Jemineh! Wie viele das sind die müssen auch Holos ham aber selbst wenn wie viele das sind die müssen uns fünf-zu vier haben, vier-zu-drei, drei-zu-zwei & jetzt vermischen sich die beiden Flotten und:
:flitzen blitzen Kreuzfeuer, singen zingen, der Äther selbst ist singgt und klinggt, rote Lichtblitze zucken, gelbe, orangene, gleißendes Magenta, Blutfarben, Fleischfarben, Geschosse sausen vorbei, treffen unserschiffe, ihreschiffe, lautlos blendende Detonationen, Treffer & Beschädigungen und:
:die Eastland kriegte irgendwo noch n Treffer ab Gord konnte nicht sehn wo sondern spürte nur wie die ganze abgewichste Hülle unter ihm erzitterte und erbebte & gerade als s Schiff sich wieder beruhigt hat & Gordon seine Laseraxt neu justiert sieht er das unglaublichste:
:E-R-B-L-Ü-H-E-N:
:ist die Lurleen McQueen die muß n direkten volle Pulle Treffer genau ins Lebenswichtige gekriegt haben, sie zerstäubt explodierend in alle Richtungen, Schwaden von Rauch Trümmer und Eingeweiden Hülle & Ausrüstung, Kanonen & Kontrollen, Kraftwerk & Treibstofftanks (diese Lady hatte die größten verdammten Eier in der ganzen Flotte - prall voll mit entarteter Materie!). Soldaten mit versiegelten Anzügen werden rausgeschleudert & wirbeln treiben durchs Vakuum das wo schwarz is manche ganz klar tot, manche auch noch unversehrt & jetzt:

"

Bearbeitet von Jorge, 10 Oktober 2006 - 16:17.


#6 Thomas Sebesta

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Geschrieben 10 Oktober 2006 - 16:38

Mal so eine ganz blöde Frage von einem absoluten Nichtwisser zu den Begriffen "Moderne" und "Postmoderne":Was ist "Moderne" - ist das nicht ständig wechselnd? Oder hat das mit Modern nichts zu tun? Da wäre dann das "Postmoderne" ja auch immer was anderes- u.U dann auf einmal sogar das "Moderne"? Was ist aber dann danach das Postmoderne?Huch - Laien habens da wohl schwer?GrußThomas

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#7 eRDe7

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Geschrieben 10 Oktober 2006 - 18:16

@t.sebesta Am besten liest Du den wikipedia-Artikel zur Postmoderne. Es gibt seit über 20 Jahren eine rege Diskussion über den Begriff, der sich immer wieder an Slogans wie "anything goes" oder "das Ende der großen Erzählung" und dem "Scheitern des Projekts 'Moderne' durch Auschwitz" usw. festmacht. ---- @Yippie Delany, natürlich. Wie konnte ich ihn und Ballard vergessen? @Alex und Rest Natürlich kann Sf postmodern sein - zumindest bei einem weiter gefassten SF-Begriff. Solange man nicht davon ausgeht, dass sie an ein Paradigma der Moderne gebunden ist, wie Technisierung der Welt oder stetige Verbesserung durch Technik etc. Siehe Alex' Posting.

Nun: die postmoderne mit ihren unterschiedlichsten ansätzen ist imho schlicht eine reaktion auf die (irr)-wege der moderne. Aus utopie wird utopie-kritik, aus aufklärung wird dialektik der aufklärung usw. Allenthalben beginnen die leut mit schrecken oder neugierde zu entdecken, daß literatur und ihre formen/inhalte arg vom gesellschaftlichen umfeld/zusammenhang bestimmt werden, bzw. ihre batrchtung davon abhängen.

Ja, nur, denke ich, dass die Gegenentwürfe der Postmoderne keinen Paradigmencharakter haben; es ist eher konstruktivistisch zu verstehen, nicht ein "so ist es!", sondern ein: "so könnte es sein und so und so und so und so". Während die Moderne eher ein "So und nicht anders" anstrebt(e). Außerdem sollte man nicht Feyerabends "anything goes" vergessen, also die Aufforderung, über den Tellerand der gängigen Wissenschaftsmethoden (u.a.) hinaus zu schauen.

Postmoderne ist für mich erstmal eine haltung, die zur kenntnis nimmt, daß mit der moderne die monohierarchischen wirklichkeits-folien ihren anspruch auf absolute gültigkeit einbüßten (siehe geistige emenzipation) und ein vitaler pluralismus der perspektiven, interessen und ideen sich breit macht.

genau.

eRDe7 schrieb: ZITAT Und wenn man mit einem Genre spielt, nimmt man es meistens nicht ernst. Und dann fällt das Werk meistens nicht mehr in dieses Genre. Oh, ich wähne fatales ›genre-reinheits‹-denken hinter diesem argument; das ich übrigens für ziemlich schwach halte. Lem ist also keine SF und Pratchett keine fantasy. Soso. Interessant. Also wieder raus mit »Rocky Horror« und »Wallace und Gromit« aus der SF-schublade!

Na, ich dachte, Du kennst mich ein wenig. Das war ein Gedanke, und als solcher eine Möglichkeit, etwas zu sehen. Genres und deren Grenzen sind mir ansonsten völlig schnurz.

Ich stimme aber zu, daß Dick mit seinen ideen oft postmoderne themen aufgreift (relativität von wirklichkeit usw); allerdings ist Dick in seinen formen eher traditionell. Aber z.B. Delany, Bester, Moorcock, Wilson/Shea (Ruff!) geben exemplarische beispiele, wie postmodere formen in der SF wohl daherkommen.

Alex, hast Du denn inzwischen Romane von Dick gelesen? Lies mal VALIS und Transmigration of Timothy Archer. Aber natürlich ist das nicht zu vergleichen mit Ballard oder dergleichen. Jetzt ohne mich in die Reihe der genannten Autoren einschleichen zu wollen, so schrieb doch eine Kritikerin im Heyne SF-Jahrbuch über eine Geschichte von mir von "einem postmodernen Experiment". Hm, vielleicht bin ich also auch ein moderner Postmoderner? :rofl1: Grüße, Ralph

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#8 molosovsky

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Geschrieben 10 Oktober 2006 - 18:59

Gebt Jorge einen preis fürs ›abtippen von ausgeflippten stellen‹! Also ich kann ihm zumindest die ›verbale plakette für amÅ“nokratische fleissarbeit‹ geben: Bitteschön. Ralph (eRDe7) fragt ganz richtig nach meinen bildungslücken: nein, ich hab immer noch keinen roman von Dick gelesen; und ja richtig, die sind postmoderner in stil und aufbau als das gro seiner kurzgeschichten. Da hab ich wieder mal schneller dahergeredet als mein hirn gebildet ist. Super, daß Du Paul Feyerabend erwähnst: enorm anregender autor. »Wider den Methodenzwang« ist sehr empfehlenswert. Mein ›diss‹ wegen dem humor, nicht ernst nehmen und so ist keineswegs mäkelnd gemeint. Solange wir was diese aussage betrifft †¦

Postmoderne ist für mich erstmal eine haltung, die zur kenntnis nimmt, daß mit der moderne die monohierarchischen wirklichkeits-folien ihren anspruch auf absolute gültigkeit einbüßten (siehe geistige emenzipation) und ein vitaler pluralismus der perspektiven, interessen und ideen sich breit macht.

genau.

†¦ uns eins sein können. Ach ja: Shakespeare, »Hamlet«*, das stück im stück ist ja eine nette vorführung des kritischen effekts von parodie. Also mit humor nimmt man nicht nur die regeln eines ›genres‹ (oder sonst einer sache) nicht ernst, sondern man kann mit humor auch zu aufklärerischen/kritischen/anklagenden (usw) zwecken ›aus dem rahmen springen‹, um auf etwas zu zeigen, auf das man von innerhalb des rahmens nicht hätte zeigen können. <†” dieser absatz ist typisch postmoderne (rahmen, kontext und so) <<†” diese anmerkung (selbst-kommentierung) ist doppelt postmodern. Könnt ich nun ›endlos‹ steigern (bis ich halt vom stuhl kipp). Grüße Alex / molosovsky * siehe auch »Rosenkranz und Guldenstern Are Dead« von Tom Stoppart, der vielleicht beste postmoderne dramatiker/autor, wo lebt (drehbuch »Brazil«! <†” ist sehr postmoderne SF!)

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#9 eRDe7

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Geschrieben 10 Oktober 2006 - 19:12

Hi Alex.In der Stelle, die Du von Dir zitierst, indem Du mich zitierst, sind wir uns eins. :rofl1:Grüße,RalphUnd mit einem P.S. möchte ich meine Freude darüber ausdrücken, dass im Dezember ein neuer Thomas Pynchon erscheint!P.s.!

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#10 Naut

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Geschrieben 11 Oktober 2006 - 08:39

Ich denke, dass ein "postmoderner" Roman in erster Line das Kriterium zu erfüllen hat, sich seiner Form oder seines Inhalts bewusst zu sein. Die Moderne ist ja ein Versuch, eine gültige Regelhaftigkeit von Kunst (oder hier Literatur) zu erforschen, in der Postmoderne kommt dann die Erkenntnis dazu, dass alles Literatur/Kunst sein kann, sofern es irgendwie glaubhaft versichert, sich seiner Aussage/Form bewusst zu sein. Das klingt jetzt schwafelig, daher versuche ich mal, das auszumalen: "Buffy the Vampireslayer" ist eine Fernsehserie, die sich oberflächlich nicht groß von "Sailor Moon" unterscheidet. Es geht eben um Schulmädchen, die mittels irgendwelcher Superkräfte dämonische Gegner bekämpfen. "Buffy" aber trägt in ihrer Erzählstruktur Verweise auf größere Zusammenhänge in der - äh - Popkultur, dies kann durch ironische Bezugnahme geschehen, durch Zitate, oder indem immer wieder konsequent auf die Serie selbst verwiesen wird (quasi als Autopoiesis). Bei "Sailor Moon" ist das nicht der Fall (oder ich hab's nicht bemerkt, weil ich mir das japanische Original nicht angesehen habe), es ist mehr eine Serie, die ihren Plot von A nach B gerade durcherzählt, ohne das eine oder andere in Frage zu stellen. Postmodern ist also mehr als ein bloßes "anything goes", es ist eher "anything goes as long as it refers to itself".

Also mit humor nimmt man nicht nur die regeln eines ›genres‹ (oder sonst einer sache) nicht ernst, sondern man kann mit humor auch zu aufklärerischen/kritischen/anklagenden (usw) zwecken ›aus dem rahmen springen‹, um auf etwas zu zeigen, auf das man von innerhalb des rahmens nicht hätte zeigen können. <— dieser absatz ist typisch postmoderne (rahmen, kontext und so) <<— diese anmerkung (selbst-kommentierung) ist doppelt postmodern. Könnt ich nun ›endlos‹ steigern (bis ich halt vom stuhl kipp).

Mitnichten. Eine Reflexion der Reflexion eines Systems ist auch nur eine Reflexion eines System, oder frei nach Wiener: Es gibt keine Kybernetik dritter Stufe. Über die Beobachtung eines Beobachters hinaus gewinnt das Ganze keine zusätzliche Komplexität, es ist demnach nicht doppelt postmodern, sondern schlicht postmodern. (Und ja: Ich weiß, dass Du das nicht ganz ernst gemeint hast :rofl1: ) Niklas

Bearbeitet von Naut, 11 Oktober 2006 - 12:21.

Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#11 molosovsky

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Geschrieben 11 Oktober 2006 - 09:56

Interessantes abgrenzungs-problem. Die ›definition‹ des postmodernen roman find ich gut. Nur: bedeutet das, daß sich moderne oder vormoderne romane ihrer form und ihres inhalts so gar nicht ›bewußt‹ waren? †” Bedeutet es freilich nicht. Beim ›wandel‹ von moderne zu postmoderne ist was anderes los. Nur was?Bevor Niklas mich von Batman zu einem wiener würstchen verbraten läßt, will ich der pixelstickerei hier den merkspruch angedeihen lassen: in der kybernetik darf man nicht bis drei zählen; und witzereißer werden wahrscheinlich deshalb witzereißer, weil sie gaaaar nicht zählen können.(Duck und)GrüßeAlex / m.†”

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#12 Naut

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Geschrieben 11 Oktober 2006 - 12:20

Interessantes abgrenzungs-problem. Die ›definition‹ des postmodernen roman find ich gut. Nur: bedeutet das, daß sich moderne oder vormoderne romane ihrer form und ihres inhalts so gar nicht ›bewußt‹ waren? †” Bedeutet es freilich nicht. Beim ›wandel‹ von moderne zu postmoderne ist was anderes los. Nur was?

Ganz genau. Und ich möchte mein Gestammel über Reflexivität auch nicht als trennscharfe Definition verstanden wissen, sondern vielmehr als Versuch einer Annäherung. Möglicherweise zeichnet sich die Postmoderne dadurch aus, dass es keine Verbote mehr bezüglich der "Wahl der Waffen" gab (oh, das ist schön, denn die Wende zur Postmoderne fällt ja grob zusammen mit dem Aufkommen der "darf alles" Kriegsführung). Suchte man in der Moderne noch nach der (fast wissenschaftlichen) Methode, eine optimale Wirkung oder Aussage zu erzielen, so verneint die Postmoderne vielmehr die bloße Existenz dieses Optimums. Hmm. Ich gerate vom 100sten ins 2^100ste. Lieber nix weiter schreiben ...
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#13 molosovsky

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Geschrieben 22 Oktober 2006 - 12:48

Ein gedanke ist mir die letzten tage gekommen.Es ist - wie ich denke - ein großer unterschied, ob man ›postmoderne‹ versteht als:†¢ technisch-formale haltung, oder eben†¢ als haltung/sensibilität.Ersteres hat zum beispiel mit dem sogenanten ›erweiterten materialbegriff‹ zu tun. Dieser begriff ist üblicherweise in den bildenden künsten etablierter als bei den (vor allem hiesigen) literaten. Formsache.Zweiteres hat was mit dem blick auf die ›großen formen‹ zu tun, also kultur- oder zivilisations-mythen, teleologien, bzw. relativismen. Weltbildsache.GrüßeAlex / m.†”

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