Cantals Tränen: Rezension in der Rhein-Neckar-Zeitung
Spannung in einem feindseligen Universum
RNZ-Redakteur Armin Rößler legt seine neue Kurzgeschichtensammlung „Cantals Tränen“ vor
Rauenberg. (seb) Neun Science-Fiction-Erzählungen voller Spannung und fantastischer Ideen: „Cantals Tränen“ heißt das neue Buch von RNZ-Redakteur Armin Rößler (Foto: Lerche). Sie gestalten sein „Argona-Universum“ aus, in dem bereits die Romane „Entheete“, „Andrade“ und „Argona“ spielen. Sechs der Geschichten in „Cantals Tränen“ wurden zwischen 2005 und 2014 in Anthologien und Online-Magazinen veröffentlicht, drei wurden exklusiv für das Buch geschrieben.
Schlaglichtartig werden verschiedene Aspekte eines gewaltigen, unversöhnlichen Universums erhellt. Die erste Erzählung, die Originalveröffentlichung „Schwärzer als die Nacht, dunkler als der Tod“, stimmt bereits auf die vorherrschende Atmosphäre ein: Die ehrgeizigen Protagonisten haben keine Freunde, sie schmieden Zweckbündnisse. Die „Lotsen“ genannten Aliens, auf die die Menschheit für insterstellare Reisen angewiesen ist, sind keine Verbündeten - kein Gedanke an eine Föderation àla Star Trek: Man kann ihnen nicht trauen, es gilt, ihnen die Kontrolle zu entreißen.
Gegenseitiges Misstrauen und Aggressivität sind angesichts einer überwältigenden Bedrohung nicht unbegründet: Mittelpunkt oder zumindest bestimmender Faktor der Handlung der meisten Geschichten (wie auch der drei erwähnten Romane) ist der galaxisweite Krieg gegen einen schier unüberwindbaren Feind, der eine Schneise der Verwüstung hinterlässt: die „Kotmun“.
Nicht, dass selbst die bewohnbaren Welten dieses Universums wohnlich wären: Ihre komplexen Ökosysteme sind nicht wirklich mit der menschlichen Natur vereinbar, sie bergen Gefahren wie Gifte, Parasiten oder unberechenbare Wetterphänomene. Klares Zeichen von Hard-Science-Fiction und Ausgangspunkt fesselnder Entwicklungen. Ähnlich sieht es mit neuen Technologien aus: Freilich bieten sie Schutz, bergen aber Risiken. In „Der große See“ wird das auf die Spitze getrieben, die „volle Immersion“, die virtuelle Realitäten heute schon versprechen, wird buchstäblich zur Sucht. Übrigens: Die Geschichte bietet ein Wiedersehen mit Senso-Tech Magellan Crefeldt und dem Roboter Vickers, die auch im Roman „Entheete“ auftauchen.
Absolute Effizienz, harte, schnelle Entscheidungen und emotionale Distanz werden von den Protagonisten verlangt, sie machen aber Fehler, haben Bedürfnisse und Gefühle und leiden unter der Gewalt - der Gewalt, die sie erleiden, ebenso wie der, die sie ausüben müssen. Armin Rößler lenkt den Blick betont auch auf die Konsequenzen, etwa in „Heimkehr“: Nicht nur die Verwüstung des Kotmun-Angriffs bleibt in Erinnerung, sondern auch, was der Krieg aus Veteran Wanchomur Pe Eik gemacht hat.
Natürlich werden in Kurzgeschichten Charaktere und Hintergrund eher mit dem breiten Pinsel gemalt. Und doch versteht es Rößler, einprägsame Besonderheiten einzuflechten. In der Erzählung „Cantals Tränen“ kommt die Hauptfigur, Sklave in einer intergalaktischen Entertainment-Industrie, in eine fremdartige Pubertät. Auch sprachlich weiß Rößler durch Vielseitigkeit zu überzeugen, findet inmitten präziser, nüchterner Sätze Gelegenheit für Poesie.
Nicht unerwähnt bleiben soll „Barrieren“, laut dem Autor die Keimzelle des Argona-Universums. Hier spielen die übersinnlich begabten „Ments“ die Hauptrolle, die wichtigsten und zugleich Furcht erregendsten Waffen im Krieg gegen die Kotmun. Empfohlen sei auch die anrührende Geschichte „Martys Weg“.
Passend zum Erscheinen von „Cantals Tränen“ werden im Wurdack Verlag auch die drei Argona-Romane neu aufgelegt. „Entheete“, 2007 als „bester Roman des Jahres“ sowohl für den Deutschen Science Fiction Preis als auch den Kurd Laßwitz Preis nominiert, ist bereits erschienen. „Andrade“ und „Argona“ folgen im Januar und Februar.
Mit „Die Nadir-Variante“ hat der Autor für 2017 einen neuen Roman geplant. Auch als Herausgeber ist Rößler weiter aktiv: So hat er gemeinsam mit André Skora und Frank Hebben die Science-Fiction-Anthologie „Gamer“ zum Thema Computerspiele zusammengestellt: 15 Geschichten renommierter deutscher Autoren (unter anderem Michael K. Iwoleit, Constantin Gillies oder Uwe Post) finden sich darin. Rößler selbst hat die Satire „Katar 2022“ beigesteuert, die auf humoristische Weise die Skandale um die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft aufarbeitet und mit einem fiktiven Computerspiel und einer Zeitreise verbindet.
Info: Armin Rößler. „Cantals Tränen“. Wurdack Verlag, ISBN 978-3-95556-096-6.
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