
Cyberpunk-News: Militär

Innerhalb des Rahmens der 60. Zerbster Kulturfesttage gab es die Möglichkeit, sich mit jeweils zwei Bildern an einer Gemeinschaftsausstellung zu beteiligen. Einige Kreative unseres Skizzenclubs ergriffen die Chance und stellten ihre Werke im dortigen Museum aus.
Am 14. Februar 2025 fand nun die Vernissage statt. Ellen Norten und ich haben sie besucht.
Neben Gisela Kalow mit ihrem umfangreichen Werk waren auch viele andere mit ihren Arbeiten vertreten.
Schon bei den Reden der Organisatoren fiel mir ein Bild auf, das genau in meiner Blickrichtung hing. Es drückte etwas besonderes, fast nicht Greifbares aus. Man könnte in diesen Farben und der Anordnung seiner Elemente eine ganze Geschichte entdecken, wenn man es denn wollte.
So erging es mir bei mehreren Werken. Manche haben mich regelrecht angezogen, so stark wirkten sie auf mich.
Das ist für mich echte Kunst. Wie ein gutes Buch, das mich durch Sprache und Inhalt gleichermaßen fesselt oder Musik, die Emotionen weckt und mich tief berührt.
Nun gut! Zurück zur SF. Eine Info: Auch Lutz Weilands Bilder zu Romanen des Genres hängen dort aus. Und zwar genau bis zum 16. März 2025.
Tammer Abboud ist Syrer, der nun in Goslar lebt. In seinem Lyrikband "Ich schulde meinen Träumen noch ein Leben" hielt er Erinnerungen an seine Heimat fest, Bilder aus seiner Kindheit und Jugend, schreibt über den Verlust seines Landes und über einen Jungen aus Assads Foltergefängnissen. Das Buch ist bereits 2019 erschienen. Inzwischen hat der Autor mit neuen Versen auf den Sturz des Assad-Regimes reagiert, die aber bisher nur im privaten Rahmen vorgetragen wurden.
Tammer Abboud war auf der Flucht vor Assads Schergen von einem betrügerischen Schlepper nicht nach Europa, sondern nach Ägypten gebracht worden, wo er ins Gefängnis gesteckt wurde. "Was er dort erlebt hat, bringt ihn zum Schweigen, er spricht nicht mehr. Ein Arzt rät ihm zu schreiben. So schreibt er Gedichte", schildert Co-Autorin Helga Hass im Vorwort seine Erlebnisse und die Entstehung dieses Buchs. Sie selbst war weniger als Übersetzerin tätig, die deutsche Fassung erstellte der Dichter, nachdem er die Sprache erlernt hatte, selbst. Vielmehr war ihre Aufgabe, im Gespräch mit dem Autor, dessen deutsche Fassung zu glätten und bei unverständlichen Versen im Gespräch mit dem Autor die eigentliche Aussage herauszuarbeiten.
Abboud trauert um ein Land, von dem er glaubte, dass er es nicht wiedersehen würde. "Kindheitsfarben" heißt eines der Gedichte. Der Autor erinnert sich an Träume unter einem Weidenbaum, seine Holzpuppe, Spiele mit Freunden auf grünen Wiesen. "Meine Kindheit ist voller Farben", heißt es in dem Gedicht. Aber:
Doch dann
werde ich heimgesucht
Vom Schmerz meiner Erinnerungen
Ich will schreien, will weinen
Schrei und Tränen
Lassen mich aufwachen.
Es hat geregnet in mir.
Ein anderer Text, diesmal in Prosa, aber durch Absätze zu Strophen strukturiert, handelt von einem Schmetterling, den der Ich-Erzähler gefangen hatte und dann fliegen ließ. Abboud schildert die Farben, die Trauer des Kindes, als das Tier wegflog, die Erinnerung: "Niemals würde ich seine sanften Farben aus meinem Gedächtnis streichen", schreibt er. "Ich habe sie versteckt in den Nischen meiner Seele, weit weg von den Falschheiten meines Lebens."
Die "Frage aller Fragen", so ist ein anderes Gedicht überschrieben, ist die Frage danach, wie man Kinder in den Krieg schicken kann. "Sie fallen wie Blitze / Fallen in ihrer Morgenröte / Sind schon am Ende / Gefallene Meteore / Gefallen aus der Galaxie ihrer Träume". Immer wieder sind es die Kinder, über die Abboud schreibt, deren Schicksal er beklagt. Da ist der Junge in Assads Gefängnis, über den ihm ein Freund berichtete. Ein 13 Jahre alter Junge, der weint, doch es nicht der Hunger und Durst, das ihn zum Weinen bringt. Hunger und Durst haben alle. Er weint auch nicht, weil sein Rücken voller Wunden von Verbrennungen ist, verursacht durch Folter mit Zigaretten. Er weint nur immer: "Ich will meine Mama!" Helfen können ihm seine Mitgefangenen nicht. "Alles, was ich in diesem Stück Hölle / für ihn tun konnte, war mit ihm zu weinen", schreibt Abboud. In einem anderen Gedicht erzählt er von einem fünfjährigen Kind, das von der Mutter aus dem Kindergarten abgeholt wird, während in der Ferne Bomben fallen. Es sagt zur Mutter:
Ich habe Angst
Dass du sterben wirst
Und ich nicht
Auch sterben kann
Zerrissene Herzen, blutige Träume, eine lähmende Leere und Sprachlosigkeit - das ist die eine Seite. Doch Abboud kennt auch andere Töne, lernte sie wieder anschlagen. Er schildert seine Erfahrungen mit dem neuen Land, mit neuen Chancen. Er beschreibt das "Land des Schnees" und stellt fest: "Das Leben wird weitergehen". Der Abschied vom Jahr 2016 enthält die Aufforderung, das scheidende Jahr möge auch die Last der Erinnerung an verlorene Jahre, unerfüllte Träume und gescheiterte Ideen mit sich nehmen. Den Blick für Menschen in Armut und Unterdrückung aber wolle er behalten und sich nicht daran gewöhnen, den Kampf gegen Not und Unrecht weiterführen.
Sehr weise und gelassen heißt es im Gedicht "Die Zeit geht weiter":
Die toten Rosen
Können wir nicht
Wieder aufblühen lassen
Doch wir können
Schöne neue Rosen pflanzen
Auch nach Enttäuschungen
Hört das Leben nicht auf
Die Zeit geht weiter
Auch wenn die Uhr stehen bleibt
Tammer Abboud schreibt sehr detailreich, immer ganz nah an den eigenen Erinnerungen, die Bilder vor Augen. Seine Verse sind einfach, wenig gedrechselt, entstanden aus dem eigenen Erleben. Bei einigen Gedichten ist der arabische Originaltext mit abgedruckt, sodass Sprachkundige die Chance zum Vergleichen haben. Die Verse sind schlicht, doch nicht banal. Wer wissen möchte, wie es ist, aus Damaskus zur fliehen und sein Heimatland zurückzulassen, um im Harz ein neues zu Hause zu finden, wird hier viel darüber erfahren. Keine große Kunst, sondern authentische, autobiografische Eindrücke, eine Suche nach der eigenen Sprache und ein Wiederfinden in der Poesie.
Fazit: Geschichte einer Flucht und eines Ankommens. Schlichte, einfache Verse, in denen sich das eigene Erleben von Flucht, Gefängnis und Erinnerung manifestiert. Lesenswertes, hochinteressantes Zeitdokument aus einer Epoche Syriens, die seit wenigen Wochen beendet scheint.
Tammer Abboud und Helga Lass: Ich schulde meinen Träumen noch ein Leben. Arabisch deutsche Sprachreise. Norderstedt: Book on Demand, 2019. 103 S., Euro 9.
© Petra Hartmann
Jeder 6. Mensch in Deutschland liest keine Bücher.
Das geht aus einer Umfrage (2024) hervor (DACH-Länder, Frankreich,Italien; 5000 Befragte) , die im Auftrag des Onlinebuchhändlers Galaxus in Auftrag erstellt und Anfang diesen Jahres veröffentlicht wurde .
Demnach kommen hierzulande 1/3 der Befragten auf 1-3 Bücher im Jahr. Nur die Hälfte will künftig mehr lesen – was den niedrigsten Wert darstellt. Ähnlich Lesefaul zeigt sich höchstens noch Frankreich.
Deutsche benutzen vergleichsweise häufiger ebooks (19%) - und Hörbücher (11%). Zur Lesefaulheit der Deutschen passt letzteres wiederum, dass sie im europäischen Vergleich die meisten Hörbücher konsumieren – jede zehnte Person in der Bundesrepublik lässt sich Bücher vorlesen.
Das Lieblingsgenre was Spekulative Fiction anbelangt ist bei Deutschen die Fantasy – Franzosen stehen eher auf Science-Fiction (s. 2. Grafik).
Frauen lesen dagegen häufiger Romane: in Deutschland beispielsweise 3 von 5 Frauen und nur 2 von 5 Männern.
Quelle:
https://www.galaxus....e-buecher-36136
bitte auf Grafiken klicken zum vergrössern:
Nils Wiesner: „Axis Mundi. 1. Buch: Die geschiedene Welt“
Dieses Buch gibt es (noch) gar nicht. Sollte es aber geben! Der „Verlag“ heißt daher auch selbstironisch „Edition Schublade“. Somit hatte ich ein ziemlich exklusives Lese-Erlebnis. D.h., nicht ganz exklusiv; meine Club-Kollegen & -Freunde aus dem Andromeda SF Club haben es mitunter auch schon gelesen, denn das Manuskript, in Form von sorgfältig in festen Pappschachteln gelegten DIN A 4-Papierstapeln gehen anlässlich unserer SF-Stammtische von Hand zu Hand. Na ja und jetzt bin ich halt dran. Bernd Wiese hat den bisherigen Zyklus z.B. recht ausführlich in unserem NEUEN STERN 92 vorgestellt.
Ich habe mich etwas dagegen gewehrt, ein paar Monate lang, denn ich bin der Meinung, dass das Buch auch als Buch veröffentlicht gehört und ich es dann gern lesen würde. Dazu muss aber erst alles fertig werden; ich habe nun den 1. Band gelesen.
Ich bin ja Wiesner-Fan, zumindest von dem, was ich bisher von ihm gelesen habe – siehe meine Rezi hier:
Das Gralprogramm
Das Haus der Lügen und Träume
Das wird des Autors Mammut-Werk. Er begibt sich in die Welten der Mythen und Sagen, konfrontiert sie mit Menschen der Gegenwart, die uns Lesern als Identifikationsfiguren zur Verfügung stehen. Und es geht ums Ganze. Ich hätte es natürlich wissen müssen, dass ich nach diesem 1. Band noch kein „Ergebnis“ vorgelegt bekomme. Das alles ist nix für Ungeduldige, zu denen ich mich durchaus zähle; ich bin eigentlich kein Freund von Endlos-Serien (in Buchform. Auch nicht in Filmform, wie ich inzwischen merke; sog. Mini-Serien, mit 6 oder 8 Teilen finde ich sehr angenehm, aber wenn dann schon 5 Staffeln davon existieren, steige ich doch aus.) Aber hier muss ich wohl am Ball bleiben.
In diesem 1. Teil bildet sich mühsam die Reisegemeinschaft heraus. Es gibt den uralten Heiler, einen feschen, aber narbenübersäten Mann mit Schwert, das aber gar kein Schwert sein soll, sondern ein Symbol. Der Mann wird, von einem Auto überfahren, in ein sächsisches Krankenhaus eingeliefert, niemand kann sagen, wer er ist. Wie auch, der Mann ist ein aus der Anderen Welt, aber durchaus auch für unsere Welt zuständiges Kind der Urmutter, namens Lazarus. All das lernt seine Krankenschwester Maria, die mehr oder weniger unfreiwillig mit auf die Lazarus‘ Queste geht, auf die harte Tour kennen.
Dabei ist auch Achmed, so ein „Straßenköter“, ein verwahrloster Jugendlicher, der sich aber als gelehriger Heiler-Eleve entpuppt.
Die Drei sind die Kerntruppe; dazu kommen noch ein kleiner Riese, ein Drache, ein Steampunk-Gelehrter von der Sorte neugieriger, aber nicht allzu mutiger mad scientist.
Wozu das Ganze? Also, es geht ums Ganze! Um die Heilung unserer und anderer Welten. Dazu wird die Achse der Welt gesucht (Titel) und die ist auf einer Insel, die ein gewisser Arnold Böcklin gemalt hatte – weil er sie kannte und gesehen hat? Wer weiß. Ich befürchte, das erfahre ich erst ganz, ganz zu Letzt. Bis dahin gibt es weitere Abenteuer, die die Gefährten erleben dürfen – quer durch die Mythenwelten der Erde.
Bin ich nun begeistert von dem Werk? Sehr wohl, durchaus, aber ich habe ja schon erwähnt, dass mir Serien nicht so munden. Das ist durchaus beliebig erweiterbar, was mir nicht so gefällt. Aber die Mischung aus interessanten Personenbeschreibungen, witziger und mitunter aber auch epischer Sprache, so viel Infos zu den mythischen Wesen und Welten, die handfesten Abenteuer und kuriosen Begegnungen in unserer und der anderen Welt haben mich gefesselt und wunderbar unterhalten. Nils bereist ja auch gern die Welt und schreibt auch darüber Bücher (Reise-Literatur); man merkt seinen hiesigen Schilderungen an, das er weiß wovon er schreibt. Schon Klasse. 10 / 10 Punkte
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Die Zeichnungen sind von mir, die erste ist aus einer Glückwunschkarte für Nils; die zufällig (?) ziemlich gut zum Inhalt des Romans passt; die zweite ist unverkennbar der Böcklin'schen Toteninsel nachempfunden (Vorzeichnung für mein 2. STERNENSPLITTER-Cover)
Nur was endet, hat bekanntlich einen Sinn: Also ist es Zeit, dass auch dieser Vlog zu Ende geht – alles hat ein Ende, ergo auch das Ende. See you in a better place... ¯\_(ツ)_/¯
Die Leiden des jungen Verlegers
Ich bin mal wieder spät dran*, und tausche außerdem für diesen & den nächsten Eintrag die Neu-/Alt-Reihenfolge. Es handelt sich hier platzhaltend um ein Buch aus der Dr.-Seuss-Reihe, die in den 60ern die Vorgehensweise beim Lesen-Erlernen für Kinder revolutionierte. Außerdem hält sich das Buch an die Nonsens-Tradition von anderen Kinderbüchern seit Alice in Wonderland, was Kindern (& mir, übrigens) sicher so gut wie immer gefällt. (Und: Eine brandneue audiovisuelle Umsetzung erscheint heuer auf Netflix!)
Im Buch erscheint ein frecher Kleinling namens Sam-I-Am, auf einem hund-ähnlichen Wesen vorbei-reitend, der einen älteren, größeren Pelzherren mit hohem schwarzen Hut auf die Nerven geht. Dieser sagt öfter "I do not like", anfangs in Richtung Sam, aber kurz danach auch dem Gericht das ihm Sam unter die Nase hält - Schinken mit grünen Spiegeleiern! Als aber der Schwarzhütige dies das erste Mal nicht mag, schaltet der Rothütige schlauerweise auf die Logikschiene - mag der Ältere das Gericht vielleicht an einem anderen Ort? Denn schließlich isst das Hirn ja mit, und vielleicht fühlt der Andere sich anderswo wohl(gesinnt)er?
Lässt sich der junge bzw. sich nicht alt fühlende Leser darauf ein, ist klar womit das restliche Buch gefüllt wird - den absurdesten Orten & Vehikeln, wo Schinken mit solchen Spiegeleiern vielleicht doch schmecken könnte... Irgendwann gibt der inzwischen durchnässte Schwarzhütler auf - und dann geschieht noch ein kleines Wunder!
Seuss hat wohl damals die altmodischen "anspruchsvolleren" Kinderbücher - wie ev. auch Alice? - in die Ecke gepfeffert und mit jemandem eine Wette ausgemacht, dass er ein besseres erstes Lesebuch mit einem Vokabular von nur 50 Wörtern erstellen könnte. Ein Buch wie dieses locker gereimte war das Ergebnis. (Das hier ist neben dem früheren Cat in the Hat das bekannteste aus seiner langen Serie. Es gibt endlose Marketingumsetzungen davon! Ich behaupte, dass auch Hip-Hopper Will-I-Am sich daraus hat inspirieren lassen.)
Was ich an den Seuss-Büchern so toll finde, ist dass nicht nur die Texte schnell ins Absurde kippen, sondern die Illustrationen das praktisch von Anfang an tun, mit wilderen Aufstellungen mit jeder Seite. Die Protagonisten sind meist Tiere, oft eher unidentifizierbar - aber definitiv "furry" - und die tanzen/schweben/schwimmen in der Weltgeschichte herum, meist irgendwas unmöglich balancierend, umgeben von staunenden - oder selbst irgendwelche Stunts ganz lässig durchführenden - Zuschauern. Seuss stellt seine Welten subversiv gaga dar. (Oder angemessen der Zeitperiode: Dada! Apropos: Ich finde lustig, wie dieses 1. Buch die klassisch-amerikanisch-kapitalistische Rolle des ewigen nie-aufgebenden Verkäufers parsifliert!)
Diese Idee des einfacheren Anfangslernen wurde kurz danach dann auch von Sesame Street im TV fortgesetzt, und von vielen anderen Einrichtungen im Westen angewandt. Die US-TV-Serie wird übrigens im November ein halbes Jahrhundert alt!
Fazit: Am besten VORM Schauen bei Netflix sich mindestens ein Buch aus der Reihe mal reinziehen! Nachher kann man es einer Lieblingsenkelin oder so schenken; wird bestimmt mit großem Dank entgegen genommen.
(* offiziell ist das hier der Juli-Beitrag!!)
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