
✧✧✧ Musik zur Rekapitulation & Prolepsis ✧✧✧

Wow, das war er also: Der größte Marburg-Con aller Zeiten. Jedenfalls der größte bis jetzt. 41 Aussteller konnte der Marburger Verein für Phantastik auf seinem 42. Con begrüßen. Über 200 Besucher sollen es gewesen sein. Und wer sich jetzt fragt, ob wir im Bürgerhaus in Niederweimar wie die Ölsardinen aneinandergepresst worden waren, der weiß nichts von der geheimen Sporthalle im Bürgerhaus. Ehrlich wahr: Ich kam rein und riss verblüfft die Augen auf. Dort, wo sonst die braune hölzerne Wand die Rückseite der Ausstellungshalle bildete, tat sich nun eine weite Sporthalle auf, deren Boden sorgfältig mit Gummimatten abgeklebt war, damit wir ihn mit unseren Straßenschuhen nicht beschädigten. Es war, als sei man jahrelang nach Hogwarts gefahren, ohne zu wissen, dass es dort noch einen riesengroßen Tagungsraum für Dumbledores Armee gab. Wie ich von den Marburgern erfuhr, war die Turnhalle tatsächlich schon immer da, aber bisher war es immer zu aufwendig und zu teuer gewesen, den Boden abzudecken, daher blieb die Trennwand zu. Doch jetzt gibt es eben diese relativ leicht zu handhabenden Gummimatten, und da schlug der Verein zu. Die Ausstellungsfläche hatte sich damit mehr als verdoppelt, obwohl wir nur die Hälfte der Halle nutzten. Also: Da ist noch Luft drin. Allerdings, ob der Marburg-Con noch weiter wachsen sollte und damit auch seine kuschelige, familiäre Atmosphäre verlieren könnte, das müsste halt überlegt werden.
Ich war morgens grausam früh in Sillium aufgebrochen. Mein Wecker klingelte um 5 Uhr. Für die Tour von Sillium nach Marburg hatte ich mir das Hörbuch zum ersten "Dune"-Roman von Frank Herbert, gelesen von Mark Bremer und Uta Dänekamp, mitgenommen. Für die 30 Stunden Laufzeit reichte die Strecke freilich nicht, ich habe also noch Stoff für weitere Fahrten in Reserve.
In Marburg angekommen, gegen 8.30 Uhr, fand ich schnell meinen Tisch 26H in der neuen Zauberhalle und stellte fest, dass ich als Tischnachbarn Eric Hantsch hatte. Hauptgewinn. Er hatte mir ein großes Paket mit meinen Belegexemplaren des "Intergalaktischen Bestiariums" mitgebracht, das auf diesem Con seine Premiere feiert. Eine absolute Punktlandung, wie Eric mir verriet: Die Bücher waren erst am Mittwoch aus der Druckerei gekommen. Ich war im siebten Bücherhimmel. Das Buch ist tatsächlich noch schöner, als ich es mir vorgestellt hatte, und eigentlich wollte ich gar keins meiner Belegexemplare wieder hergeben. Einfach horten und im Safe aufbewahren und immer wieder herausholen und anschaun. Naja, es gibt schon Leute, die sich um mich verdient gemacht haben und denen ich ein Bestiarium zukommen lassen werde.
Wenig später traf Thomas Hofmann, mein Partner bei den bestialischen Erkundungen, ein, der für die Zeichnungen im Buch verantwortlich ist. Dass der Mann tatsächlich alles selbst und von Hand zeichnet und keine KI braucht, stellte er später beim Signieren der Bücher unter Beweis: Er zeichnete live und in Farbe wunderwuselige Pelztierchen vorne ins Buch. Leider hat mein Akku beim ersten Fotoversuch schlapp gemacht, daher gibt es keine Fotos davon.
Mein anderer Tischnachbar war das Duo Nadine Muriel und Rainer Wüst, an deren Tisch unter anderem die legendäre Anthologie "Met-Magie" zu haben war, zu der ich eine Movenna-Geschichte beigesteuert hatte. Wir haben uns gegenseitig bei unseren Lesungen vertreten und auf die Büchertische aufgepasst. Wobei ich mich schon sehr beherrschen musste, um nicht eine schöne Flasche Weihnachts-Met verschwinden zu lassen ...
Hinter dem Tresen diesmal: ein "neues Gesicht". Michael Gierse mit dem T-Shirt-Aufdruck "Aushilfs-Thekenschlampe" vertrat Dirk van den Boom würdig. Obwohl ich Dirks Lästereien über meinen noch immer nicht erschienenen SF-Roman "Der Weltraum-Planet" auch irgendwie vermisst habe. Immerhin, diesmal hatte ich schließlich ein dickes Buch mit Außerirdischen, Raumschiffen und jeder Menge Space-Kreaturen anzubieten.
Ein paar Mitbringsel habe ich auf kurzen Einkaufstouren zu den anderen Büchertischen natürlich auch erworben.
Ein besonderer Schatz ist "Angst im Empire" aus der Edition Dunkelgestirn, ein richtiges Kleinod und ultradick.
Bei Shadodex war der erste Band von "Das Pegasos-Gen" von Eve Gras fällig. Das hatte ich bei Bettina Ickelsheimer-Förster ja schon auf der Leipziger Buchmesse geordert.
"Carl, der Henker von Poel" von Anke Brandt musste natürlich auch mit. Der Vorgängerband "Lucy, die Hexe von Poel" hatte mir damals so gut gefallen.
Bei "Saphir im Stahl" erstand ich "Fledermäuse", eine Sammlung mit Erzählungen von Gustav Meyrink, sowie den SF-Band "Die Galaxis steht offen" von Alfred Ph. König.
Drei Hefte aus der Reihe "BunTes Abenteuer" wurden ebenfalls meins: Rolf Krohn: "Adlerwind über Vicus Herculanius", J. H. Rosny Aine: "Die junge Vampirin" und Stanley G. Weinbaum: "Eine Frage der Sicht".
Pflicht war natürlich der Sammelband "Spuk im Weltraum" des Marburger Vereins für Phantastik. Er enthält die Beiträge zum Marburg-Award, und es sollen ein paar tolle Texte dabei sein.
Beim Verlag Torsten Low erstand ich eine Anthologie mit phantastischen Geschichten aus Griechenland und den Sammelband "Das Schaukelpferd" von Arndt Ellmer.
"Das Galgenmännlein" von Friedrich de la Motte Fouqué in der sehr schönen Ausgabe des JMB-Verlags gehörte ebenfalls zu meiner Beute, dazu Holger Muchs Wechselwesen Weisheiten aus dem Leseratten-Verlag und "Verführerisches Aztekengold" von Rainer Wüst.
Ich hatte schwer an meinen Einkäufen zu tragen, als ich sie am Abend in mein Auto schleppte ...
Unsere Lesung im "Raum Arkham" (Konferenzraum) hat Spaß gemacht. Ich hatte zu Hause anhand meines Textausdrucks geübt, aber jetzt las ich das erste Mal aus dem richtigen Buch vor. Ein erhebendes Gefühl. Ausgesucht hatte ich die Geschichte "Die Parasiten". Eine Hommage an oder Parodie auf Lovecraft und Cthulhu, in der ich den urbösen, unheiligen, blasphemischen, widergöttlichen, monströsen vergessenen Urgott des Planeten Lost Glory wiederauferstehen ließ zu einem bestialischen, furchtbaren, gewalttätigen, unheiligen, schrecklichen Leben. Eric hatte Thomas' Zeichnungen auf Din-A-3-Plakate drucken lassen, und meine beiden "Nummern-Boys" hoben abwechselnd die jeweiligen Bilder zu der Geschichte hoch. Das Publikum hatte eine Menge Fragen, die aber vor allem an Thomas gingen. Und Thomas schlug vor, einen Disclaimer auf dem Buch anzubringen wegen der doch manchmal etwas heftigen Schimpfwörter, mit denen Fahrer Roderic in der Geschichte die anderen Verkehrsteilnehmer bedachte.
Ein Höhepunkt des Cons war sicher die Verleihung des Vincent-Preises für herausragende Veröffentlichungen im Bereich der Horror-Literatur. Ausgezeichnet wurden:
Bester Roman national
1. Platz: Julia A. Jorges - Hochmoor (Blitz Verlag)
2. Platz: Michael Blihall - Die Brücke (Blitz Verlag)
3. Platz: Tobias Bachmann - DrEAmeD -Totgeträumt (Nectu Verlag)
4. Melanie Vogltanz - Backstage- Tote geben keine Zugabe (Verlag Ohneohren)
5. Marie Erikson - Sterbendes Blut (Drachenmond Verlag)
Beste Kurzgeschichte:
1. Platz: Julia A. Jorges - Zwischen zwölf und Mittag (Zwielicht 20)
2. Platz: Thomas Karg - Baphomets Opfer (Seelenfurcht)
3. Platz: Michael Blihall - Warten auf GODO (Gespenster-Krimi 162)
4. Platz: Erik Hauser - Das Mädchen von nebenan (Zwielicht 21)
5. Platz: Vincent Voss - Amducias (Rock Planet)
Beste Anthologie/Magazin
1. Platz: Achim Hildebrand und Michael Schmidt (Hrsg.) - Zwielicht 21 (Zwielicht)
2. Platz: Sabine Brandl und Gisela Weinhändler (Hrsg.) - Dunkle Gestalten: Geschichten aus dem Dorf (muc Verlag)
3. Platz: Tobias Reckermann (Hrsg.) - Hellbound (Nighttrain)
4. Platz: Moe Teratos und Thomas Karg - Seelenfurcht - Geisterhafte Geschichten (Eigenverlag)
5. Platz: Alexander Klymchuk - Schattenseiten (RediromaVerlag)
6. Platz: Thomas Karg - Hardcore - Kranke Storys (Eigenverlag)
Beste Horror-Grafik
1. Platz: Detlef Klewer - Weltenportal Vampire (Weltenportal)
2. Platz: Azrael ap Cwanderay - Das Grauen schleicht durch Wien (Eigenverlag)
3. Platz: Mario Heyer - 40 Jahre Der Hexer (Bastei)
4. Platz: Timo Kümmel - Seelenfurcht (Eigenverlag)
5. Platz: Björn Ian Craig - Zwielicht 20 (Zwielicht)
Bester Heftroman
1. Platz: Alexander Weisheit - Die Formel der Hölle (Gespenster-Krimi 138)
2. Platz: Adrian Doyle - Der Fluch von Saint-Cyriac (Professor Zamorra 1305)
3. Platz: Michael Blihall - Wiener Wahnsinn (Gespenster-Krimi 141)
4. Platz: Ulrich Gilga - Die Vampir-Allianz (Isaac Kane 7)
5. Platz: Veronique Wille - Der Teufel kommt an Halloween (Professor Zamorra 1315)
Beim Marburg-Award hatten insgesamt 41 Autoren ihre Geschichten zum Thema "Spuk im Weltraum" eingereicht.
Auf dem Siegertreppchen landeten:
Platz 1: "Der tote Raumfahrer" von Tobias Lagemann
Platz 2: "Ewig verbunden" von Roswitha Böhm
Platz 3 (punktgleich): "Zum Frühstück sind wir wieder zurück" von Felix M. Hummel sowie "Das Erwachen" von Torsten Scheib
Nach der Verleihung räumten wir die Tische ab, packten unsere Bücher ein und konnten dabei zuschauen, wie die Schutzmatten eingerollt wurden und der Hallenfußboden wieder zum Vorschein kam. Bei einer gemütlichen Pizza ließen wir den Abend langsam ausklingen. Die Klugen und Reichen hatten ja für die Nacht noch ein Zimmer in Marburg gebucht, aber ich machte mich auf den Heimweg nach Sillium. Begleitet von "Dune" und dem unguten Gefühl, vielleicht nicht auf dem richtigen Weg zu sein, war ich noch etwas über drei Stunden unterwegs, von denen ich nach einem offenbar neuen Autobahnschwenk einen Großteil im Nirvana verbrachte. Mein Navi signalisierte mir jedenfalls rund eine Stunde lang, ich sei auf einer nicht digitalisierten Strecke. Aber die blauen Schilder nach Kassel und Hannover konnte ich als analog aufgewachsener Mensch ja zum Glück noch lesen. Gegen Mitternacht kam ich zu Hause an, guckte noch ein wenig im Netz herum um zu lesen, was die anderen schon über den Con geschrieben hatten, dann schlief ich ein, tief, fest und traumlos. Was für ein Samstag.
© Text: Petra Hartmann, Fotos: Joerg Ritter, Petra Hartmann
Von einigen Autoren weiß ich, dass sie neben dem Schreiben auch malen. Interessant dabei ist die unterschiedliche Vorgehensweise bei diesen Tätigkeiten. Bei beiden wird aus dem eigenen Ideenpool geschöpft und doch kann ein guter Autor ein schlechter Maler sein oder umgekehrt, was nicht unbedingt mit dem handwerklichen Können zusammenhängen muss.
Lesenswert sind die Ansichten des Malers Max Liebermann, dessen Buch Die Phantasie in der Malerei spannende Einblicke in das damalige und vielleicht auch jetzige Künstlerleben erlaubt.
Aber das nur nebenbei. Eigentlich will ich bloß über eine neue Ausstellung unserer Künstlergruppe Skizzenclub informieren. Seit dem 29. April 2025 kann man sich die Bilder in der Roßlauer Bibliothek anschauen. Sie bleiben da voraussichtlich bis zum 8. August 2025.
Die kleineren Arbeiten befinden sich gleich gegenüber der Annahme in einem Regal. Die größeren Bilder erhielten einen Platz im nächsten Stockwerk. Dort, in der Abteilung für Kinder und Jugendliche, über den Star Wars Bänden, über Gullivers Reisen und über dem Buch von Juli Zeh Socke und Sophie hängen unsere kreativen Werke. Sie befinden sich in guter Gesellschaft, denke ich.
Unter einem meiner Bilder stehen neben Percy Jacksons Romane auch einige Harry Potter Bände.
Ich jedoch werde in den nächsten Tagen weiter den Gedanken von Liebermann folgen, die mir bereits jetzt viel Wissenswertes vermittelt haben.
PS. Der Beitrag von gestern wurde heute noch ausführlicher gestaltet.
Und eine weitere Info: Im Rahmen der Ausstellung findet dort am 27.5.2025 um 16.00 Uhr eine Veranstaltung für Kinder ab sechs Jahren statt. Eine Geschichte wird vorgelesen und danach werden unter Anleitung von Monique Heinze passende Lesezeichen gemalt. Material und Eintritt frei. Mit Anmeldung, 20 Plätze sind vorhanden.
Meine Lektüre - März bis kurz vor Ostern.
Das Bild hat - wie so oft - nichts mit den gelesenen Büchern zu tun. Eigentlich noch nicht mal mit Ostern, denn es enthält weder Hase, noch Ei. Macht aber nix, oder?
Ist eine ältere Zeichnung (von 2001) für ein Rollenspielbuch. Damals habe ich fast im Akkord gezeichnet. - Na ja, müsste mal wieder (aber keineswegs im Akkord!) ...
Kurt Vonnegut: „Der taubenblaue Drache“
(erster von drei Bänden mit Erzählungen aus dem Nachlass des Autors bei Kein & Abel, übersetzt von Harry Rowohlt)
Eine tolle Story-Sammlung! In der es sehr oft um den Krieg geht, in denen der Autor seine traumatischen Kriegserlebnisse verarbeitet hat. Er war ja nach kurzem Einsatz in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und hat dadurch die Bombardierung von Dresden miterleben müssen.
Stories sind aus “Armageddon in Retrospect” und “Bagambo Snuff Box”
Beginnt mit einem “Brief nach Hause“ und einer „Ansprache“, in der V. über seine persönlichen Erlebnisse im Krieg spricht. Er verurteilt die Bombardierung der Kulturstadt Dresden, teilt ziemlich scharf aus gegen die eigenen Landsleute.
Zum Schluss gibt es noch eine Art Nachwort, über das Schreiben von Short Stories und über seine Heimat Indiana.
Zum (für mich und andere, die es wie ich brauchen) Erinnern ein paar Stichpunkte. In den Stories geht es um …
Jörg Herbig: „Die dunkle Romantik einer Stadt“
Eigenproduktion, 2024
Nach Fanzines, Heften nun also „richtiges“ Buch. Hardcover, ca. 90 Seiten, dunkel-abstraktes Covermotiv. Ein echter Herbig, möchte ich hinzufügen. Es sind Geschichten, die keine Titel tragen, nur „Fragment“ soundso. Das erweckt den Eindruck eines Romans, eines Mosaik-Romans.
Jörg faszinierte mich immer durch seinen Mix aus persönlichen Erinnerungen, Berichten über Reisen und Veranstaltungsbesuche und urbanen, gegenwärtigen Horrorgeschichten. So auch hier. Die Stories sind mitunter Milieustudien vom Rand der Stadtgesellschaft. Und an diesen Rändern spukt es eben auch, auf dem Friedhof, bei einer Punk-Band, bei Obdachlosen.
Bei aller Bodenständigkeit und dem deutlichen Interesse an den sozialen Tiefpunkten, mit denen seine Mitmenschen leben müssen, existiert er auch als Bücher-Mensch, als Lesender und Schreibender. Am Ende gibt es eine Art Autobiografie – seine Lebensabschnitte als Leser-Karriere. Faszinierend! Der Stil ist lakonisch, wird von kurzen,. Prägnanten Sätzen dominiert und ich nehme mal an, am Stil der Beatniks orientiert.
9 / 10 Punkte
Jörg Herbig & Sybille Lengauer: „Ungebrochen und mutig“
Eigenverlag, 2025
Jörg hat den Kosmos „Die dunkle Romantik einer Stadt“ erweitert, schrieb er mir. Na klar, war ich neugierig. Jörgs Stadt heißt Ploogfurt. Eine fiktive Stadt, die aber – davon gehe ich mal stark aus – eine gemeinsame Schnittmenge mit der Heimat des Autors hat. Ploogfurt ist das, was z.B. für den Halleschen Autor Peter Schünemann Hallberg ist.
Der band enthält 5 Stories, wobei eine davon, die letzte und längste, eine Kooperation zwischen Jörg und Sybille Lengauer ist.
Wieder hatte ich beim Lesen durchaus den Eindruck, dass Jörg Selbsterlebtes verbreitet. Mitunter haben die Stories nicht wirklich eine überzeugende Pointe. Dafür spiegeln sie aber wider, was und vor allem wie er so Sachen erlebt und wahrnimmt. Also: mehr Situationsberichte, als erfundene Geschichten?
In „Öffnungszeiten“ berichtet er über eine Vernissage, in der interessante Leute im Publikum auftauchen. Vielleicht entsprechend der ausgestellten – dunkel-romantischen – Bilder entpuppen sie sich als „Kinder der Nacht“. Aber es bleibt alles friedlich, keine Angst.
Hier taucht auch das erste Mal jemand im Rollstuhl auf. Vielleicht ist dies ein Grundthema der Stories, die ja den Sammlungstitel „Ungebrochen und mutig“ trägt, in der es aber keine so betitelte Geschichte gibt. Also mehr ein Motto? Und die Helden sind eben auch Menschen mit Behinderung. Ja, warum auch nicht?
Es gibt noch ein zweites „Bild“, das in einigen Texten auftaucht, auch ein Lieblings-Motiv des Autors: Fledermäuse. Aber nur am Rande.
„Das Schlagen seiner Flügel“ ist eine Erinnerung an eine Freundschaft in der Kindheit. Die Freundschaft basiert auf gemeinsamen fantasievollen Spiele, in denen sich die Kinder in exotische Realitäten hineinfantasieren können. Auch hier ist einer der Beiden an den Rollstuhl – aber eben nicht gefesselt. Angst macht beiden Freunden der Donnervogel – das Gewitter.
„Hosentaschen“ ist ein – komischer? – Text. Nee, nicht wirklich komisch, eher skurril, auch wenn der Protagonist ein Clown ist, mit großen Hosentaschen, in denen er viel mit sich herumträgt. Ob ihm das aber dabei hilft, durch den dunklen Wald zu finden? Zumal hier auch beängstigende Rieseninsekten auftauchen. Ja, komischer Text, kann ihn kaum fassen oder einordnen.
„Fröhlicher Gesang“. En kinderloses Ehepaar erkundet gern den Stadtwald von Ploogfurt. Anlass gibt ihnen ihr Hobby, das Geocaching. In einem Versteck, einer Grube, steckt ein Kind, das sie retten. Aufmerksam wurden sie durch einen roten Ballon – klar, nach der Clownsstory hatte ich dann auch gleich so meine Assoziation. Und tatsächlich scheint sich jemand daran zu stören, dass die Leute da das Kind und den Ballon mitnehmen. Ein Kobold, der sie quasi angreift.
„Alien-Jenny“ ist eine waschechte SF—Alien-Entführungsstory. Warum werden da ein paar junge Leute von der Erde durch ein quallenartiges Ding entführt? Es geht um Musik.
Beim Lesen hatte ich Assoziationen zu den Musikalben von Klatuu. Diese Entführungsstory bietet dem versierten SF-Fan kaum Neues. Schön ist, dass es eine utopische Welt ist, in die die Menschen entführt werden und dass ihnen kein Unbill geschieht. So richtig Spannung will nicht aufkommen, der sense of wonder wurde bei mir auch nicht angesprochen. Alles ist recht einfach beschrieben. Aber – ich denke mal, das ist sein Part – Jörg konnte hier seine Punk-Musik-Begeisterung ordentlich ausleben Das liest sich dann durchaus überzeugend.
8 / 10 Punkte
David Gray: „Umarmung der Barbaren“
Kleine, aber feine Sammlung kurzer Texte dieses umtriebigen Autors, den man gern auch bei Lesungen trifft. Hier lohtet er die verschiedensten Genres aus, von der Fantasy bis zum Giallo. Jede Story ist einem (Film-) Genre zugeordnet; darüber hinaus könnte man sie aber noch anders sortieren. Mir hat z.B. der historische Krimi um den Marquis de Sade als „Sonderermittler“ sehr gut gefallen. Dafür war die Geschichte um den kleinwüchsigen Charter-Kapitän „für besonders schwere Fälle“ mit den Anleihen an die nordische (norwegische) Mythologie gar nicht so sehr als Fantasy erkennbar. Sie wurde es aber, als so eine Art Troll, der aus der mythischen Nebelzeit überlebt hatte, ins Spiel gebracht wurde. Aber das Ganze könnte man halt auch als Seemannsgarn etikettieren und es ist auch ein poetischer Abgesang auf die große Zeit der Ozean-Clipper. Tolle Story!
Was alle Texte besonders macht und zum Lesegenuss ist der Stil des Autors. Er schwelgt gern in Sprache und Sprach-Bildern. Besonders fiel es mir im längsten, titelgebenden Text auf. Der Genre-Zuordnung nach muss diese Story viel Autobiographisches enthalten; an manchen Stellen hoffe ich nur, dass dies nicht wirklich so der Fall ist. Harsches Nachwende-Leben… Der Autor hat seine Erlebnisse und vor allem seine Eindrücke, die er seit 1988 sammeln durfte(konnte/musste in eine teilweise sehr poetisch, metaphernreich Sprache gepackt. Ich war komplett fasziniert; gut, am Ende vielleicht etwas zu viel Metaphorik etc., aber sicherlich doch der allerbeste Text des Bandes.
Mehr zum Buch im NEUEN STERN.
9,5 / 10 Punkte
Walter Mehring: „Die verlorene Bibliothek“
„Autobiographie einer Kultur“ steht da als Untertitel. Ist sozusagen ein Sachbuch – ein Ritt durch die Literatur und Kultur des „alten Europa“, das mit dem Faschismus der 30er Jahre jäh beendet, oder zumindest unterbrochen wurde.
Der Autor macht seine kleine Literaturgeschichte an der Bibliothek seines Vaters fest, die er selbst auch ergänzte und pflegte – so lange er das konnte, denn er musste fliehen aus Nazideutschland und hat sie am Ende verloren. Aber in Form dieser wortgewaltigen, imposanten, spritzigen, sicher sehr subjektiven Darstellung bleib sie erhalten. Ein faszinierendes Buch, das man bei einem ersten Lesen gar nicht wirklich erfassen kann. Im Grunde kann man es als Nachschlagewerk nutzen; ein paar Autoren und Bücher sind mir auf jeden Fall so näher gebracht worden.
10 / 10 Punkte
Jeder 6. Mensch in Deutschland liest keine Bücher.
Das geht aus einer Umfrage (2024) hervor (DACH-Länder, Frankreich,Italien; 5000 Befragte) , die im Auftrag des Onlinebuchhändlers Galaxus in Auftrag erstellt und Anfang diesen Jahres veröffentlicht wurde .
Demnach kommen hierzulande 1/3 der Befragten auf 1-3 Bücher im Jahr. Nur die Hälfte will künftig mehr lesen – was den niedrigsten Wert darstellt. Ähnlich Lesefaul zeigt sich höchstens noch Frankreich.
Deutsche benutzen vergleichsweise häufiger ebooks (19%) - und Hörbücher (11%). Zur Lesefaulheit der Deutschen passt letzteres wiederum, dass sie im europäischen Vergleich die meisten Hörbücher konsumieren – jede zehnte Person in der Bundesrepublik lässt sich Bücher vorlesen.
Das Lieblingsgenre was Spekulative Fiction anbelangt ist bei Deutschen die Fantasy – Franzosen stehen eher auf Science-Fiction (s. 2. Grafik).
Frauen lesen dagegen häufiger Romane: in Deutschland beispielsweise 3 von 5 Frauen und nur 2 von 5 Männern.
Quelle:
https://www.galaxus....e-buecher-36136
bitte auf Grafiken klicken zum vergrössern:
Nur was endet, hat bekanntlich einen Sinn: Also ist es Zeit, dass auch dieser Vlog zu Ende geht – alles hat ein Ende, ergo auch das Ende. See you in a better place... ¯\_(ツ)_/¯
Die Leiden des jungen Verlegers
Ich bin mal wieder spät dran*, und tausche außerdem für diesen & den nächsten Eintrag die Neu-/Alt-Reihenfolge. Es handelt sich hier platzhaltend um ein Buch aus der Dr.-Seuss-Reihe, die in den 60ern die Vorgehensweise beim Lesen-Erlernen für Kinder revolutionierte. Außerdem hält sich das Buch an die Nonsens-Tradition von anderen Kinderbüchern seit Alice in Wonderland, was Kindern (& mir, übrigens) sicher so gut wie immer gefällt. (Und: Eine brandneue audiovisuelle Umsetzung erscheint heuer auf Netflix!)
Im Buch erscheint ein frecher Kleinling namens Sam-I-Am, auf einem hund-ähnlichen Wesen vorbei-reitend, der einen älteren, größeren Pelzherren mit hohem schwarzen Hut auf die Nerven geht. Dieser sagt öfter "I do not like", anfangs in Richtung Sam, aber kurz danach auch dem Gericht das ihm Sam unter die Nase hält - Schinken mit grünen Spiegeleiern! Als aber der Schwarzhütige dies das erste Mal nicht mag, schaltet der Rothütige schlauerweise auf die Logikschiene - mag der Ältere das Gericht vielleicht an einem anderen Ort? Denn schließlich isst das Hirn ja mit, und vielleicht fühlt der Andere sich anderswo wohl(gesinnt)er?
Lässt sich der junge bzw. sich nicht alt fühlende Leser darauf ein, ist klar womit das restliche Buch gefüllt wird - den absurdesten Orten & Vehikeln, wo Schinken mit solchen Spiegeleiern vielleicht doch schmecken könnte... Irgendwann gibt der inzwischen durchnässte Schwarzhütler auf - und dann geschieht noch ein kleines Wunder!
Seuss hat wohl damals die altmodischen "anspruchsvolleren" Kinderbücher - wie ev. auch Alice? - in die Ecke gepfeffert und mit jemandem eine Wette ausgemacht, dass er ein besseres erstes Lesebuch mit einem Vokabular von nur 50 Wörtern erstellen könnte. Ein Buch wie dieses locker gereimte war das Ergebnis. (Das hier ist neben dem früheren Cat in the Hat das bekannteste aus seiner langen Serie. Es gibt endlose Marketingumsetzungen davon! Ich behaupte, dass auch Hip-Hopper Will-I-Am sich daraus hat inspirieren lassen.)
Was ich an den Seuss-Büchern so toll finde, ist dass nicht nur die Texte schnell ins Absurde kippen, sondern die Illustrationen das praktisch von Anfang an tun, mit wilderen Aufstellungen mit jeder Seite. Die Protagonisten sind meist Tiere, oft eher unidentifizierbar - aber definitiv "furry" - und die tanzen/schweben/schwimmen in der Weltgeschichte herum, meist irgendwas unmöglich balancierend, umgeben von staunenden - oder selbst irgendwelche Stunts ganz lässig durchführenden - Zuschauern. Seuss stellt seine Welten subversiv gaga dar. (Oder angemessen der Zeitperiode: Dada! Apropos: Ich finde lustig, wie dieses 1. Buch die klassisch-amerikanisch-kapitalistische Rolle des ewigen nie-aufgebenden Verkäufers parsifliert!)
Diese Idee des einfacheren Anfangslernen wurde kurz danach dann auch von Sesame Street im TV fortgesetzt, und von vielen anderen Einrichtungen im Westen angewandt. Die US-TV-Serie wird übrigens im November ein halbes Jahrhundert alt!
Fazit: Am besten VORM Schauen bei Netflix sich mindestens ein Buch aus der Reihe mal reinziehen! Nachher kann man es einer Lieblingsenkelin oder so schenken; wird bestimmt mit großem Dank entgegen genommen.
(* offiziell ist das hier der Juli-Beitrag!!)
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