Robert Heinlein
Lübbe
Auf dem Umschlag der von mir erworbenen Ausgabe steht da doch tatsächlich: "Der Roman zum Film". Den Roman hat Heinlein 1959 geschrieben, so eben mal 38 Jahre vor Verhoevens Verfilmung ...
Nun gut, ich war gewarnt worden vor dem glorofizierten Militarismus und der "faschistioden" Gesellschaft, die in diesem Buch dargestellt werden. Warum habe ich es trotzdem gelesen? Einerseits wurde ich neugierig durch Haldemans "Ewigen Krieg", der ja angeblich als eine Art Antwort auf "Starship Troopers" gedacht war. Ein bisschen dachte ich mir aber auch: Umstritten kann nur sein, was auch seine Qualitäten hat (sonst würde man sich ja nicht darüber streiten).
Und Qualitäten hat der Roman zweifellos. Heinlein lässt den Ich-Erzähler Johnny Rico von dramatischen Begebenheiten auf eine seltsam abgeklärte Weise berichten, die, obwohl sie keine Spannung erzeugt, den Leser unaufdringlich bei der Stange hält. Das ist ein bewusstes Stilmittel, mit dem der Autor wohl andeuten will, wie weit sich Rico seit diesen zurückliegenden Episoden entwickelt hat, denn bei der entscheidenden Schlacht auf den letzten 30 der 330 Seiten kommt durchaus Spannung auf.
Kurz zur Handlung: Johnny Rico meldet sich freiwillig zur "Mobilen Infanterie", vielleicht vergleichbar mit den heutigen Fallschirmjägern. Zu Beginn seiner Ausbildung herrscht Frieden, aber bald wird die Erde in einen Krieg mit den "Bugs" und einer weiteren Rasse verwickelt, und aus der harten Ausbildung wird ein harter Fronteinsatz.
Den weitaus größten Teil des Buches machen aber nicht die Schlachten aus (eigentlich nur die ersten und die letzten Seiten, vielleicht 20%), sondern die Schilderung des militärischen Systems und der Gesellschaft. Beides wird in die persönliche Geschichte Johnny Ricos eingeflochten, so dass nur wenige Längen entstehen. Diese gesellschaftlich-politische Zukunftsvision ist ganz offensichtlich Heinleins Schwerpunkt in diesem Werk und wird an vielen Beispielen beleuchtet:
Die Demokratien des 20ten Jahrhunderts werden als wohlmeinende Verirrungen beschrieben, die zwangsläufig an inneren Problemen scheitern mussten. Aus dem folgenden Chaos entstand eine neue Ordnung, in der man nur dann ein Wahlrecht erhält, wenn man "gedient" hat. Es wird deutlich, dass das die einzige Einschränkung ist: Ricos Vater war nicht beim Militär, ist aber ein reicher und angesehener Unternehmer, der auch öffentliche Aufträge erhält.
Ansonsten herrschen anscheinend weitgehend demokratische Verhältnisse, aber auch "Law and Order": Sowohl als Soldat als auch als Zivilist kann man für Vergehen mit öffentlicher Auspeitschung bestraft werden, und Kapitalverbrechen werden mit der Todesstrafe bedacht. Diese Aspekte werden übrigens durchaus kritisch behandelt, aber letztlich als zwangsläufige Entwicklung mit segensreichen Folgen dargestellt (die Menschen sind zufrieden, Produktivität und Fortschritt boomen, die Verbrechensrate ist minimal, die Menschheit ist friedlich geeint).
Es ist heute leicht, dieses Buch am Ende zur Seite zu legen in dem Bewusstsein, dass Heinlein sich geirrt hat. Unsere Demokratien sind nicht kollabiert, und werden es, wenn das einmal geschehen sollte, sicher nicht in der Weise und aus den Gründen tun, die im Buch beschrieben werden. Die geschilderte "neue" Gesellschaft enthält im übrigen heute offensichtliche Fehlkonstuktionen, anhand derer sie leicht in den Bereich der Utopien eingeordnet werden kann. Zur Entstehungszeit des Romans mag das aber durchaus eine realistische Zukunftsvision gewesen sein.
Es ist schriftstellerisch schlüssig, dass Heinlein seinen Ich-Erzähler diese Gesellschaft überwiegend positiv schildern lässt: Schliesslich ist Rico einer der zufriedenen Bürger und einer der stolzen Elitekämpfer; es wäre wenig glaubwürdig, wenn er in dieser Position als von politischen Zweifeln angenager Dissident dargestellt würde. Dadurch, dass Heinlein aber eben diese Perspektive wählt, ergreift er zu einem gewissen Grad Partei. Auch wenn man niemals die Ansichten eines fiktive Ich-Erzählers mit denen des Autors verwecheln darf, ist es also nicht unangemessen anzunehmen, dass Heinlein einer solchen Law-and-Order-Gesellschaft positiv gegenüber stand.
Ist dieses System "faschistoid", wie überall zu lesen? Im Gegensatz zum Begriff "faschistisch", der eindeutig definiert ist und auf Heinleins Vision sicher nicht zutrifft, ist das Derivat "faschistoid" eine schwammige Aussage, die oft und gerne als Totschlagargument benutzt wird. Was ist an der Gesellschaft "faschismus-ähnlich"?
[*]Das rigide Strafrecht? Das finden wir in vielen Ländern der heutigen Erde, die man deshalb noch nicht als faschistoid bezeichnen würde. In Singapur kann man für Graffitischmierereien zu Stockhieben verurteilt werden.
[*]Das Veteranen-Wahlrecht? Auch hierzu finden sich Entsprechungen: In Liechtenstein kann man meines Wissens nur dann Beamter werden, wenn man "gedient" hat. Sind die Liechtensteiner deshalb "faschistoid"? Und bei uns wird mit den Kindern ebenfalls ein großer Teil der Bevölkerung vom Wahlrecht ausgeschlossen, was regelmäßig für Diskussionen sorgt.
[/list]Ich lehne diese Einordnung daher ab. Heinleins Vision einer zukünftigen Gesellschaft ist mir schlicht politisch unsympathisch und erscheint mir zudem recht unrealistisch.
Bleibt die Frage, wie mir das Buch insgesamt gefallen hat. Schulnote 2-, würde ich sagen. Ich finde es faszinierend, wie Heinlein es schafft, diese doch recht trockene Vision auf eine Weise zu servieren, dass sie nie langweilig wird -- und das, ohne auf billige Weise künstlich Spannung zu erzeugen. Von dieser Vision abgesehen bleibt aber nur eine mäßig interessante Geschichte übrig, die ohne Heinleins schriftstellerisches Können kaum ein müdes Gähnen erzeugen würde.
Überraschend ist, wie "frisch" das Werke nach 45 Jahren immer noch wirkt. Abgesehen vom Zusammenbruch der Demokratien, der für das Ende des 20ten Jahrhunderts vorhergesagt wird, hat es kein "eingebautes Verfallsdatum" und keine bedeutenden technischen Schnitzer -- bis auf die fehlende Berücksichtigung der relativistischen Effekte, die Haldeman in seinem (atmosphärisch sonst sehr ähnlichen, aber von der Ausrichtung deutlich militärkritischeren) Werk "Der ewige Krieg" thematisiert hat.
-- tichy
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 06 April 2008 - 00:36.