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Starship Troopers


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10 Antworten in diesem Thema

#1 tichy

tichy

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Geschrieben 08 Januar 2004 - 11:30

Starship Troopers
Robert Heinlein

Lübbe
Eingefügtes Bild

Auf dem Umschlag der von mir erworbenen Ausgabe steht da doch tatsächlich: "Der Roman zum Film". Den Roman hat Heinlein 1959 geschrieben, so eben mal 38 Jahre vor Verhoevens Verfilmung ...

Nun gut, ich war gewarnt worden vor dem glorofizierten Militarismus und der "faschistioden" Gesellschaft, die in diesem Buch dargestellt werden. Warum habe ich es trotzdem gelesen? Einerseits wurde ich neugierig durch Haldemans "Ewigen Krieg", der ja angeblich als eine Art Antwort auf "Starship Troopers" gedacht war. Ein bisschen dachte ich mir aber auch: Umstritten kann nur sein, was auch seine Qualitäten hat (sonst würde man sich ja nicht darüber streiten).

Und Qualitäten hat der Roman zweifellos. Heinlein lässt den Ich-Erzähler Johnny Rico von dramatischen Begebenheiten auf eine seltsam abgeklärte Weise berichten, die, obwohl sie keine Spannung erzeugt, den Leser unaufdringlich bei der Stange hält. Das ist ein bewusstes Stilmittel, mit dem der Autor wohl andeuten will, wie weit sich Rico seit diesen zurückliegenden Episoden entwickelt hat, denn bei der entscheidenden Schlacht auf den letzten 30 der 330 Seiten kommt durchaus Spannung auf.

Kurz zur Handlung: Johnny Rico meldet sich freiwillig zur "Mobilen Infanterie", vielleicht vergleichbar mit den heutigen Fallschirmjägern. Zu Beginn seiner Ausbildung herrscht Frieden, aber bald wird die Erde in einen Krieg mit den "Bugs" und einer weiteren Rasse verwickelt, und aus der harten Ausbildung wird ein harter Fronteinsatz.

Den weitaus größten Teil des Buches machen aber nicht die Schlachten aus (eigentlich nur die ersten und die letzten Seiten, vielleicht 20%), sondern die Schilderung des militärischen Systems und der Gesellschaft. Beides wird in die persönliche Geschichte Johnny Ricos eingeflochten, so dass nur wenige Längen entstehen. Diese gesellschaftlich-politische Zukunftsvision ist ganz offensichtlich Heinleins Schwerpunkt in diesem Werk und wird an vielen Beispielen beleuchtet:

Die Demokratien des 20ten Jahrhunderts werden als wohlmeinende Verirrungen beschrieben, die zwangsläufig an inneren Problemen scheitern mussten. Aus dem folgenden Chaos entstand eine neue Ordnung, in der man nur dann ein Wahlrecht erhält, wenn man "gedient" hat. Es wird deutlich, dass das die einzige Einschränkung ist: Ricos Vater war nicht beim Militär, ist aber ein reicher und angesehener Unternehmer, der auch öffentliche Aufträge erhält.

Ansonsten herrschen anscheinend weitgehend demokratische Verhältnisse, aber auch "Law and Order": Sowohl als Soldat als auch als Zivilist kann man für Vergehen mit öffentlicher Auspeitschung bestraft werden, und Kapitalverbrechen werden mit der Todesstrafe bedacht. Diese Aspekte werden übrigens durchaus kritisch behandelt, aber letztlich als zwangsläufige Entwicklung mit segensreichen Folgen dargestellt (die Menschen sind zufrieden, Produktivität und Fortschritt boomen, die Verbrechensrate ist minimal, die Menschheit ist friedlich geeint).

Es ist heute leicht, dieses Buch am Ende zur Seite zu legen in dem Bewusstsein, dass Heinlein sich geirrt hat. Unsere Demokratien sind nicht kollabiert, und werden es, wenn das einmal geschehen sollte, sicher nicht in der Weise und aus den Gründen tun, die im Buch beschrieben werden. Die geschilderte "neue" Gesellschaft enthält im übrigen heute offensichtliche Fehlkonstuktionen, anhand derer sie leicht in den Bereich der Utopien eingeordnet werden kann. Zur Entstehungszeit des Romans mag das aber durchaus eine realistische Zukunftsvision gewesen sein.

Es ist schriftstellerisch schlüssig, dass Heinlein seinen Ich-Erzähler diese Gesellschaft überwiegend positiv schildern lässt: Schliesslich ist Rico einer der zufriedenen Bürger und einer der stolzen Elitekämpfer; es wäre wenig glaubwürdig, wenn er in dieser Position als von politischen Zweifeln angenager Dissident dargestellt würde. Dadurch, dass Heinlein aber eben diese Perspektive wählt, ergreift er zu einem gewissen Grad Partei. Auch wenn man niemals die Ansichten eines fiktive Ich-Erzählers mit denen des Autors verwecheln darf, ist es also nicht unangemessen anzunehmen, dass Heinlein einer solchen Law-and-Order-Gesellschaft positiv gegenüber stand.

Ist dieses System "faschistoid", wie überall zu lesen? Im Gegensatz zum Begriff "faschistisch", der eindeutig definiert ist und auf Heinleins Vision sicher nicht zutrifft, ist das Derivat "faschistoid" eine schwammige Aussage, die oft und gerne als Totschlagargument benutzt wird. Was ist an der Gesellschaft "faschismus-ähnlich"?

    [*]Das rigide Strafrecht? Das finden wir in vielen Ländern der heutigen Erde, die man deshalb noch nicht als faschistoid bezeichnen würde. In Singapur kann man für Graffitischmierereien zu Stockhieben verurteilt werden.
    [*]Das Veteranen-Wahlrecht? Auch hierzu finden sich Entsprechungen: In Liechtenstein kann man meines Wissens nur dann Beamter werden, wenn man "gedient" hat. Sind die Liechtensteiner deshalb "faschistoid"? Und bei uns wird mit den Kindern ebenfalls ein großer Teil der Bevölkerung vom Wahlrecht ausgeschlossen, was regelmäßig für Diskussionen sorgt.
    [/list]Ich lehne diese Einordnung daher ab. Heinleins Vision einer zukünftigen Gesellschaft ist mir schlicht politisch unsympathisch und erscheint mir zudem recht unrealistisch.

    Bleibt die Frage, wie mir das Buch insgesamt gefallen hat. Schulnote 2-, würde ich sagen. Ich finde es faszinierend, wie Heinlein es schafft, diese doch recht trockene Vision auf eine Weise zu servieren, dass sie nie langweilig wird -- und das, ohne auf billige Weise künstlich Spannung zu erzeugen. Von dieser Vision abgesehen bleibt aber nur eine mäßig interessante Geschichte übrig, die ohne Heinleins schriftstellerisches Können kaum ein müdes Gähnen erzeugen würde.

    Überraschend ist, wie "frisch" das Werke nach 45 Jahren immer noch wirkt. Abgesehen vom Zusammenbruch der Demokratien, der für das Ende des 20ten Jahrhunderts vorhergesagt wird, hat es kein "eingebautes Verfallsdatum" und keine bedeutenden technischen Schnitzer -- bis auf die fehlende Berücksichtigung der relativistischen Effekte, die Haldeman in seinem (atmosphärisch sonst sehr ähnlichen, aber von der Ausrichtung deutlich militärkritischeren) Werk "Der ewige Krieg" thematisiert hat.

    -- tichy

    Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 06 April 2008 - 00:36.

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#2 Jürgen

Jürgen

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Geschrieben 08 Januar 2004 - 13:24

Hallo tichy Eine gute Einschätzung über diesen Roman. Über Für und Wieder zu Heinlein und seinen Romanen hatten wir hier Anfang letzten Jahres eine lebhafte Diskussion im Forum von Alien Contact. Falls es dich interessiert, guckst du hier bis denne Jürgen

Bearbeitet von Jürgen, 08 Januar 2004 - 13:25.

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#3 tichy

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Geschrieben 08 Januar 2004 - 15:26

Ich dachte mir doch, dass dieses Buch hier irgendwo besprochen sein muss ... aber in diesem Unterforum habe ich es nicht gesucht ^_^

Es spricht für die Qualität des Forums, dass dieses Thema diskutiert werden kann, ohne in einen Flamewar auszubrechen.

Gefallen hat mir auch dieser Link.

-- tichy
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#4 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 09 Januar 2004 - 19:04

@tichy: Da ich derjenige war (glaub ich) der in deinem "Ewige Krieg"-Thread vor ST "gewarnt hat", möchte ich zu deinem genau und gut argumentierten Eindruck hier und da etwas bemerken:

Warum habe ich es trotzdem gelesen?

Ich halte ST auf jeden Fall für lesenswert. Es gibt m.E. wenige SF-Romane die hochgelobt (und in alle Abgründe verdammt) werden, und gleichzeitig das eigene Politikverständnis herausfordern. Letzteres tut dieser. Also: Man lese ihn!

Ich bin als ich ihn vor einiger Zeit las auch zu Freunden hingegangen und hab sie gefragt warum denn dieser Roman immer so falsch dargestellt würde. Es handele sich doch um einen Vorschlag für eine Gesellschaftsform, die Heinlein mit einigem Chutzpah versucht zu verkaufen. Man müsse sich mal argumentativ damit auseinander setzen. Ich denke das sehen du und ich ähnlich.

Ich fand auch die AC-Forum-Diskussion in diesem Sinne interessant (habe aber das letzte Drittel noch nicht durchgelesen). Ich stimme mit Hardy Kettlitz auf jeden Fall in einem Punkt überein: Der Roman sagt die aktuellen USA-Verhältnisse (was Außenpolitik und Wählerbevormundung angeht) ansatzweise voraus.

Ist dieses System "faschistoid", wie überall zu lesen?


Da ich nicht vor habe z.Zt. den Roman nochmal zu lesen, kann ich dir nur etwas vage beschreiben warum ich beim Lesen diesen Eindruck hatte:

    [*]Die relativ unkritische Begeisterung am Militär - wie schon im AC-Forum erwähnt wurde, ist das Militär auch m.E. keine moralische Instanz, niemals;
    [*]die klare Trivialisierung nicht-konformer ("empfindungsfähiger") Lebewesen (Zivilisten/Bugs);
    [*]letztendlich Szenen wie diese Auspeitscherei des Soldaten (habe vergessen was sein Vergehen war).
    [/list]Die ersten 2 Punkte erschienen mir beim Lesen auch so geschrieben als ob die Zielleserschaft junge Männer bzw. Jungen wären, und diesen Gedanken fand ich besonders perfide. War nur so ein Gefühl.

    Auch ich habe damals versucht, das Buch ohne Rücksicht auf Hintergrundwissen über den Autor zu beurteilen (was nicht so schwer war, da dieses Buch erst zu mehr Heinlein-Recherche meinerseits führte - davor hatte ich nur Stranger in a strange land gelesen, und habe es sehr "gegrokt" Eingefügtes Bild ). Ich finde ein Buch sollte vor allem Anderen für sich stehen. Meine Begründungen oben sind also in diesem Sinne gemeint.

    Sorry dass das etwas spärlich als Basis für den "faschistoiden" Vorwurf geworden ist. Man trifft z.Zt. des Lesens / damaligen Diskutierens eine Entscheidung und merkt sich dann nicht für immer die Gründe. (Ein Grund mehr sich auch positive/negative Klassiker immer mal wieder vorzunehmen! Eingefügtes Bild )

    Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 30 Juni 2013 - 14:38.

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Yay! Fantasy-Reimerei Mitte August...
[..] Verzweiflung beschlich sie im Stillen.

Da ergriff eins der kleinsten das Wort:

"Wenn sich all unsere Wünsche erfüllen,

dann wünschen wir einfach mit Willen

die Wünsche-Erfüllung fort!"

Sie befolgten den Rat und von Stund an war

wieder spannend das Leben und heiter.

Die Kinder war'n froh wie vor Tag und Jahr

und vielleicht gar ein wenig gescheiter.

(BewohnerInnen der Stadt der Kinder, aus der "Geschichte vom Wunsch aller Wünsche", aus Die Zauberschule & andere Geschichten, Neuauflage im Thienemann-Verlag, S. 93, von Ende)


#5 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 09 Januar 2004 - 19:43

In meiner damaligen Nachlese ragte ein Essay von SF-Autor T.M. Disch besonders hervor. Ich habe nach erneuter (kurzer) Recherche diesen Auszug daraus im Web gefunden. Ich hab das Eine oder Andere davon beim Lesen von ST eher nur gespürt als erkannt, muss ich zugeben...

What is embarrassing to me about this book is not its politics as such but rather its naivete, its seeming unawareness of what it is really about. Leaving politics aside and turning to that great gushing source of our richest embarrassments, sex, I find ST to be, in this respect as well, a veritable treasury of unconscious revelations. The hero is a homosexual of a very identifiable breed. By his own self-caressing descriptions one recognizes the swaggering leather boy in his most flamboyant form. There is even a skull-and-crossbones earring in his left ear. On four separate occasions when it is hinted in the book that women have sexual attractions, the only such instances in the book, each time within a single page the hero picks a gratuitous fistfight with other servicemen --- and he always insists what a lark it was. The association is reflexive and invariable. Sexual arousal leads to fighting. At the end of the book the hero has become a captain and his father is a sergeant serving under him. This is possible because his mother died in the bombing of Buenos Aires by the Bugs, who are the spiritual doppel-gangers of the human warriors. In an earlier captain-sergeant relation there is a scene, intended to be heart-warming, in which the two men make a date to have a boxing match. Twice the hero makes much of the benefits to be derived from seeing or suffering a lashing. Now all of this taken together is so transparent as to challenge the possibility of its being an unconscious revelation. Yet I'm sure that it was, and that moreover any admirer of the book would insist that it's just my dirty mind that has sullied a fine and patriotic paean to the military life.

So why bring it up at all? For two reasons. The first is that such sexual confusions make the politics of the book more dangerous by infusing them with the energies of repressed sexual desires. It may be that what turns you on isn't the life of an infantryman, but his uniform. A friend of mine has assured me he knew several enlistments directly inspired by a reading of ST. How much simpler it would have been for those lads just to go and have their ears pierced. . . .


(Ach so, was ich noch sagen wollte - er ist in englisch... Eingefügtes Bild (Hey, mein 42ster Beitrag! Yippeeyay! Und, ist er die ANTWORT? - Endlose Stille...))

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#6 tichy

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Geschrieben 10 Januar 2004 - 16:17

Die relativ unkritische Begeisterung am Militär

Das ist unsympathisch, hat aber für sich genommen nichts Faschistoides an sich. Das gibt es (leider) überall -- ebenso wie die fundamentalistische Ablehnung alles militärischen, die auch in Heinleins Gesellschaft weit verbreitet und durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist.

die klare Trivialisierung nicht-konformer ("empfindungsfähiger") Lebewesen (Zivilisten/Bugs);

Bei den Bugs kommen wir noch am ehesten an einen wunden Punkt. Wobei diese, so wie sie beschrieben werden, tatsächlich mehrheitlich keine empfindungsfähigen Wesen sind. Verräterisch ist aber, dass Heinlein eine ausserirdische Art eben so wählt, dass sie so ist -- er nimmt die "Entmenschlichung des Gegeners" die für alle unsere irdischen Kriege so typisch ist, sozusagen durch die Erschaffung eines un-menschlichen Gegners vorweg. Auch auf diese "Entmenschlichung" hat der Faschismus aber kein Urheberrecht, wenngleich er es darin zu einer ekelhaften Perfektion gebracht hat.

letztendlich Szenen wie diese Auspeitscherei des Soldaten (habe vergessen was sein Vergehen war).

Nun, das ist, wie ich schon sagte, nun wirklich keine faschistoide Eigenheit, aber natürlich ebenfalls ziemlich unsympathisch. Der betreffende Soldat hat übrigens einen Vorgesetzen geschlagen (was auch in den Armeen demokratischer Länder empfindlich bestraft wird).

Allgemein: Man muss ein bisschen aufpassen, wenn man das Buch nach dem Film liest. Die in Verhoevens Verfilmung geschilderte Gesellschaft hat fast nichts mit Heinleins Vision gemein.

The hero is a homosexual of a very identifiable breed. By his own self-caressing descriptions one recognizes the swaggering leather boy in his most flamboyant form.

Mit Verlaub: So ein Schwachsinn. :lol::confused::rolleyes:

-- tichy
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#7 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 10 Januar 2004 - 17:59

Naja, jedem seine Meinung. Ich teilte Disch's nach Lektüre des Buchs zum größten Teil; die Lektüre ist aber schon wieder etwas zu lange her als dass ich die genauen Textabschnitte nachvollziehen kann.

Uns bleibt evtl. nichts übrig als die F.-Begriffe genauer zu definieren. Es kann ja sein dass ich "faschistoid" bisher immer falsch benutzt habe: Ich meine damit einen angedeuteten oder verdeckten Faschismus in Sprache/Text/Bild/Gestik, gewollt oder ungewollt. Es gilt zu besprechen inwiefern dies zu offenem Faschismus führen kann. (Und Faschismus hat für mich immer als Kern "begründete" Verachtung/Beseitigung von trivial kategorisierten Teilen der Gesellschaft.)

Also enthält m.E. die permanente Verherrlichung des Soldaten / der Armee Faschistoides, inkl. der impliziten Ablehnung von Randgruppen wie "Angsthasen" (im Kampf) oder "Pazifisten" (davor). Im realen Leben kann Letzteres z.B. zu einer Illegalisierung führen - genauergesagt, lehnt man die Einziehung ab, kommt man in den Knast. Ich habe früher in einem Land gelebt wo es so war und ich fühlte mich damals in meiner sich über Jahre bildenden Ablehnung sehr wohl verachtet/trivialisiert.

Glorifizierung des Militärs als Ideal, eben als moralische Instanz, ist auf jeden Fall irgendetwas, und dieses Adjektiv trifft genau das im naiv-vernünftigen Schreibstil von ST was ich ablehne - genauso, z.B., wie ich Ähnliches in der preußischen Weltsicht um 1900 ablehne, wenn meine Eindrücke aus Quellen dazu (z.Zt. Strachan's First World War) stimmen.

Ich streite wie gesagt nicht ab, dass ST ein wichtiger Roman ist, und dass er einen erstaunlich potenten und geradlinigen Eindruck auf mich gemacht hat. Ich finde auch man sollte über das vorgestellte Gesellschaftsmodell diskutieren, denn es ist klar dass Heinlein dieses Modell wichtig ist. (Es ist nicht nur irgendein Hintergrund für die Story, es ist seine "Message". Aber meine Argumente hier beziehen sich auch darauf wie Heinlein in Verbindung damit das Militär darstellt.)

Nichtsdestotrotz meine ich mich zu erinnern dass nach Zuklappen des Buches der Junge in mir losstürmen und Soldat werden und auch so Power-Anzüge anziehen wollte (genau diese Anzüge hat meines Wissens Haldeman im Ewigen Krieg in einer Szene parodiert, oder?). Dass Disch's Bekannter also von einigen Freunden wisse die sich dann gleich nach dem Lesen von ST zum Dienst gemeldet hätten, finde ich nachvollziehbar.

Und genau das erschreckt so sehr und erinnert an den Effekt ähnlich "einfacher" Erklärungen der Faschisten (z.B. dass die Juden die Welt finanziell manipulieren und es uns deshalb allen so schlecht geht - zuletzt wieder hier und da herausgehört im Nachhallen von "9/11").

P.S.: Ja, wir reden hier über das Buch. Ich sah mir den Film auch erst auf Video an, nachdem ich das Buch gelesen hatte. Und dann gleich 2mal hintereinander weil mir die Spucke weggeblieben war.

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 10 Januar 2004 - 18:34.

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#8 tichy

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Geschrieben 11 Januar 2004 - 15:18

Ich teilte Disch's nach Lektüre des Buchs zum größten Teil

Ich kenne den Rest seiner Besprechung nicht; hast Du da einen Link für mich? Die These von Ricos Homosexualität halte ich jedenfalls für leicht widerlegbaren Unsinn. Das beginnt schon damit, dass Rico sich ja freiwillig zum Militär meldet, um einem Mädchen zu imponieren und ihr nahe zu sein.

Zu den "F-Begriffen": Die werden für meinen Geschmack einfach zu oft und zu bedenkenlos herausgeholt, um sie als Totschlagargument zu verwenden. Das bedeutet aber unweigerlich eine Trivialisierung des Faschismus, deshalb bin ich damit sehr vorsichtig.

Man kann, wenn man will, natürlich jeden Militarismus als "faschistoid" bezeichnen, weil ein Symtom des Faschismus ja eindeutig die Kriegs- und Militärbegeisterung war. Ein definierendes Kernelement des Faschismus, nämlich die totalitäre Ordnung und der Überwachungsstaat, fehlen in "Starship Troopers" aber völlig. Andere Elemente der Geschichte, z.B. die Gleichberechtigung der Frau und die vorurteilsfreie Kooperation aller Rassen, widersprechen einem faschistischen Modell sogar diametral -- und das ist sicher vom Autor bewusst so eingerichtet, um es seinen Kritikern, die er ja provozieren wollte, nicht zu leicht zu machen.

Alle Argumente, mit denen Kritiker einen Bezug zu einer faschistoiden Einstellung herzustellen versuchen, lassen sich ziemlich direkt auf den Militarismus zurückführen. Es wäre also viel sinniger zu sagen: "Das Gesellschaftsmodell in Starship Troopers ist militaristisch." (Wobei man sich sogar darüber zu einem gewissen Grad streiten kann, denn man kann den "federal service" auch als eine Einrichtung interpretieren, die wesentlich mehr umfasst als nur das Militär; in diesem Punkt bleibt das Buch unklar bis widersprüchlich.)

Dass Disch's Bekannter also von einigen Freunden wisse die sich dann gleich nach dem Lesen von ST zum Dienst gemeldet hätten, finde ich nachvollziehbar.

Klingt für mich eher nach einem extrapolierten Gerücht, dessen wahrer Kern sein dürfte, dass jemandem, der bereits militaristisch veranlagt ist, natürlich auch dieses Buch gefallen wird. Diese Leute wären auch ohne das Buch beim Militär gelandet ...

Ich sah mir den Film auch erst auf Video an, nachdem ich das Buch gelesen hatte. Und dann gleich 2mal hintereinander weil mir die Spucke weggeblieben war.

Wie, das Buch fandest Du zu militaristisch, aber den Film gut?

-- tichy
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#9 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 11 Januar 2004 - 16:59

(Darf ich hiermit andeuten, dass ich meinerseits diesen Dialog zu einem Schluss bringen will, da ich denke dass alles Wesentliche hier und im anderen Thread gesagt wurde? Auch habe ich im Moment keine Zeit das Buch nur wegen dieser Diskussion nochmal zu lesen, sorry. So wichtig ist es mir nicht.)

Nein, mir blieb nicht die Spucke weg weil ich den Film toll fand, sondern weil er mich noch wesentlich mehr erschreckte als das Buch. Allerdings gibt es darin eben auch parodistische Elemente... Die Hauptfrage, die mich am Ende bewegt hat ihn nochmal zu sehen, war: Ist das Kunst ("Frechheit siegt") oder einfach nur Scheiße?

Ich habe nicht gesagt dass das Buch faschistisch ist, sondern "faschistoid" - es zeigt m.E. Elemente auf, die LeserInnen Stützen für eine faschistische Weltsicht bieten. Dazu stehe ich; ich sag's nochmal: Ich finde das Buch nicht nur militaristisch, sondern faschistoid, wobei es mir nicht so sehr um das Gesellschaftsmodell geht sondern um die begeisterte und (basierend auf dem Modell) moralisch überlegene bzw. chauvinistische Art wie es das Militär darstellt. ("Militaristisch" kann auch jemand sein, der jeden Tag todernst seine Zinnsoldaten aufstellt; das Buch offeriert da Einiges mehr an Emotionen.)

Ich habe schon mal weiter oben (zugegebenermaßen vage) versucht, die Gesellschaftsform etwas auszuklammern, als ich schrieb es ginge wohl "um einen Vorschlag für eine Gesellschaftsform, die Heinlein mit einigem Chutzpah versucht zu verkaufen. Man müsse sich mal argumentativ damit auseinander setzen." Dazu müsste ich's allerdings nochmal lesen, denn man sollte die Details des Modells vor Augen haben.

Mein bleibender Eindruck vom Buch ist aber z.Zt. die Art wie Veteranen als Quelle gesellschaftlicher Vernunft präsentiert wurden, verbunden mit dem entspr. naiv-bezuckerten Loblied (eines Nicht-Veteranen, wie sich bei Recherchen herausstellt) aufs Militär.

Und ich wiederhole: Das Buch sollte jedeR, d. sich für politische SF interessiert, lesen. Ich trete hier nur für meine Bewertung ein. Ich finde übrigens dass der Film eine völlig getrennte Sache ist - wäre das Buch eine Nagelfeile, müsste der Film ein Säbel sein (evtl. mit Verhoeven's handschriftlichem Vermerk "Vorsicht: Kunst!" :rolleyes:).

P.S.: Zu Disch's Essay ist Obiges alles was ich vor einigen Tagen nach 15 Minuten Suche fand; weitere Minuten hatte ich dann noch investiert, um es in eine für diesen Quote lesbare Form zu bringen (Einrückungen und Abtippfehler entfernt). Es ist meines Wissens ein Ausschnitt aus einer relativ bekannten Rede die er vor längerer Zeit hielt, und in der er verschiedene Arten SF zu schreiben thematisierte. Wenn du willst, bitte ich einen Freund, der sie glaub ich in Papierform hat, um eine Kopie und schicke sie dir.

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 11 Januar 2004 - 17:31.

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#10 tichy

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Geschrieben 12 Januar 2004 - 08:35

Hallo yippie,hast recht, beenden wir das. Wir sind uns ohnehin weitgehend einig, abgesehen von der Definition der "F-Begriffe". (Und der Sache mit der Homosexualität Ricos natürlich, aber das ist eher eine Kuriosität am Rande, wohl ausgelöst durch die Erwähnung der Ohrringe. :rolleyes:)-- tichy
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#11 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 11 Dezember 2004 - 23:15

Hallo, da der Film desselben Namens jetzt in die Film-DB eingepflegt wurde, wollte ich hiermit darauf aufmerksam machen. Ich habe den Diskussions-Link dort auf diesen Thread gelinkt, da es keinen eigenen Forum-Thread dazu gibt.

Sehr zu empfehlen ist auf jeden Fall der ältere Thread zum Buch zu dem Jürgen oben verlinkt; der Thread diskutiert ob das Buch seinen damaligen Hugo verdient hat. Dabei wurden durchaus ähnliche Argumente und Gegenargumente geführt wie im oben erwähnten Haldeman-Thread und hier (schade dass wir den alten Thread nicht genauer gelesen hatten). The more things change... :lookaround:

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 11 Dezember 2004 - 23:39.

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