Ryan Thornier war einst ein erfolgreicher Schauspieler - heute stehen jedoch im sogenannten „Autodrama“ programmierbare Puppen auf der Bühne, die menschlichen Akteure werden nicht mehr gebraucht. Thornier schafft es nicht, vom Theater loszukommen, und arbeitet dort heute als Hausmeister. Dann schlägt doch überraschend noch seine große Stunde und er darf für einen letzten großen Auftritt auf die Bühne.
Alles in allem eine immer noch gute, lesenswerte Geschichte von Walter M. Miller Jr., den man ja hauptsächlich für seinen einzigen Roman („Lobgesang für Leibowitz“) kennt. Meinen Unmut über die holprige Übersetzung habe ich schon oben kund getan - wirklich schade, dass es heute keinen Markt für Kurzgeschichten mehr gibt, sonst wäre das hier ein ernsthafter Kandidat für eine angemessene Neuübersetzung.
Reden könnten wir über den Titel der Geschichte: Unser Thread ist ja „Der Schauspieler“ betitelt, diesen deutschen Titel wählen nur Mommers/Krauß, in der wohl ersten deutschen Übersetzung (1967). Sonst ist immer vom „Darfsteller“ die Rede, einem Wort, das es im Englischen gar nicht zu geben scheint, also einem von Miller geschaffenen Kunstwort. Bei der Suche danach bin ich über den Wikipedia-Eintrag zur Story gestolpert, die einen interessanten Erklärungsansatz liefert. Da steht als mögliche Definition für „Darfsteller“:
darfsteller (likely a portmanteau of "Darsteller", German for "actor/actress", with "darf", inflected form of "dürfen", "to be at liberty to do something" which the narrator explains was a "self-directed actor... the undirectable portrayer whose acting welled from unconscious sources with no external strings", generally hated by directors even when they performed excellently. The meaning of the story comes from the point that he cannot just walk onto the stage and deliver lines; as a "Darfsteller", he must live them, and transform himself into his role, and once that process begins, it is difficult to stop it.
In meiner Ausgabe (Heyne SF Jahresband 1982) steht dazu auf Seite 397:
„Sie waren die Porträtisten, deren Kunst in der Verinnerlichung lag, die ihre Rollen nicht nur spielten, sondern auch lebten“ - ein Grund dafür, warum Thornier nicht wie einige seiner (dadurch zu Wohlstand gekommenen) Kollegen dereinst einfach durch eine der Puppen hatte ersetzt werden können.
Seine einstige Kollegin Mela Stone sagt außerdem zu ihm (Seite 408):
„Du bist Charakterdarsteller, Idealist, ein Magengeschwür für jeden Theaterdirektor. Du kannst keine Rolle spielen, ohne sie zu leben, und du kannst sie nicht leben, ohne an sie zu glauben.“
Den Thread-Titel sollten wir also wohl ändern: „Der Darfsteller“, nicht „Der Schauspieler“. Das sind eindeutig zwei Paar Stiefel.