ich habe mir heute vorgenommen, Euch mit einigen sehr interessanten Problemen und Fragestellungen, die sich aus der "harmlosen" Anwendung von phantastischen Technologien wie Teleportationsmaschinen oder Bewusstseinskopien ergeben, zu verwirren.
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Sie beleuchten Aspekte, die im Grunde philosophischer Natur sind: Was ist Bewußtsein? Was ist Identität? Was heisst Ich?
Obwohl es hierzu bereits einen ähnlichen Thread gibt, habe mich entschlossen einen neuen Thread aufzumachen, weil mich das Thema weniger unter dem technischen Gesichtspunkt (sind derartige Technologien möglich oder nicht) interessiert, sondern mehr unter dem Blickwinkel der subjektiven Konsequenzen: was wäre, wenn das alles wahr wäre, welche Auswirkungen hätte das für uns/mich.
:baaa:
Teleportationsmaschinen, wie das Beamen bei Star Trek, sind was die Tragweite ihrer philosophischen Konsequenzen angeht recht interessant. Sie transportieren ja nicht den Körper selbst, seine Materie, sondern nur die Information die dieser erhält, quasi seine atomare Struktur. Am Zielort wird eine perfekte Kopie aus dieser Srukturinformation erzeugt und ein genauer Doppelgänger tritt an die Stelle des Originals. Das Original selbst verschwindet während des Teleportationsvorgangs, stirbt gewissermassen. Dadurch erhält man die Illusion aufrecht, die Person würde am Zielort ankommen. Der ganze Schwindel fliegt erst auf, wenn aufgrund eines Fehlers das Original nicht verschwindet, oder wenn zwei Kopien erzeugt werden. Es existieren auf einmal zwei identische Personen. Im Grunde gibt es dann keine Möglichkeit zu entscheiden wer Original und wer Kopie ist, schlimmer noch: die Frage ist sogar sinnlos. Ein ähnliches Phänomen gibt es übrigens in der Mikrowelt. Da sind ebenfalls alle Elementarteilchen identisch (was ihre beobachtbaren Eigenschaften angeht). Perfekte Kopien sind sozusagen eine Art makroskopisches Quantenphänomen.
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Solange wir uns nur auf die Aussenperspektive beschränken, können wir die Frage was mit dem Original passiert, verdrängen. Aber aus der Innensicht sieht die Geschichte schon anders aus. Da interessiert es mich schon, ob es mich noch weiter gibt, oder ob ich bei der Teleportation verschwinde oder sterbe oder was ich bei der Teleportation erlebe. Es könnte ja zum Beispiel sein, dass ich bei der Teleportation z.B. beim Scannen, grauenhafte Schmerzen erleiden muß (bevor ich sterbe), die aber die Kopie nie mitbekommt (weil die Sterbeemotionen von der Maschine weggefiltert werden). Würden wir uns unter diesen Bedingungen solchen Maschinen einfach anvertrauen?
Kann ich, das heißt mein originales Selbst, tatsächlich in der neu erzeugten Kopie wiederauferstehen? Oder bin ich für immer tot, wenn man meinen Originalkörper zerstört und nur eine Kopie von mir weiterexistiert? Ein ziemlich gruselige Vorstellung, die bei Star Trek völlig ignoriert wird.
Eng verwandt mit dem diesem Problem sind Vorstellungen von Computerwissenschaftlern, wie Hans Moravec oder in der SF (Greg Egan), die glauben, dass sich das menschliche Bewusstsein irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft auf eine Computerhardware übertragen lassen wird und dort ein virtuelles potentiell unsterbliches Leben führen kann.
Kann man aber unsterblich werden, indem man seine Bewusstsein mitsamt seinen Erinnerungen in einen Computer oder einfach in eine jüngere Ausgabe seines Körpers transferiert. Was genau wird denn da übertragen? Mein Bewusstsein? Oder nur die Gesamtheit meiner Erinnerungen? Ist das Bewusstsein die Summe der menschlichen Erinnerungen oder mehr? Wird das Ich oder das Bewusstsein, tatsächlich ohne Verlust in einen anderen Körper oder sogar eine Maschine downgeloaded? Wenn ja, befinde ich mich dann wirklich in dem anderen Körper oder in der Maschine? Oder erzeugt man eher nur Kopie von mir, die denkt sie wäre ich, während mein originales Ich im sterblichen, alten Körper zurückbleibt?
Und was bringt mir das in dem Fall? Unsterblichkeit? Aber für wen? Doch nur für meinen virtuellen (oder materiellen) Doppelgänger. Wenn ich mir vorstelle, dass ich sterben muss, kann mich auch der Gedanke, dass es einen perfekten Nachfolger von gibt, der meinen Tod überlebt, nicht wirklich aufheitern, denn in meinem Körper bin ich es der stirbt und nicht der andere.
Andererseits kann man diese Gedankenspielereien in eine andere Richtung weiterspinnen, die zeigen, dass die Unterscheidung zwischen Original und Kopie, sowie die Vorstellung einer ununterbrochenen Identität zwischen früherem und jetzigem Selbst möglicherweise auch nur eine Illusion ist.
Stellen wir uns vor, ich sterbe, ein tragischer Unfall. Ich bin für einen Tag oder noch länger tot, der Zellverfall hat schon eingesetzt und einige Zellen unwiderruflich zerstört, aber Dank fortgeschrittener Nano-Technologie ist es möglich meinen Körper auf zellularer Ebene zu reparieren und mich wieder zu beleben. Die Schäden, die ich an meinem Gedächtnis erlitten habe, können Dank einer Gedächtnisaufzeichnung kurz vor meinem Tod rekonstruiert werden, wodurch ich mich nach meiner Wiederbelebung genauso frisch und munter fühle wie gewohnt. Bin ich dann immer noch der Selbe wie zuvor, obwohl zerstörte Teile von mir durch neue ersetzt wurden?
Intuitiv würde man sagen ja, da ich ja immer noch in demselben Körper aufgewacht bin, in dem ich gestorben bin. Niemand, auch ich nicht, hätte einen Zweifel daran, dass nicht ich es sei der wieder belebt wurde.
Das Spiel lässt sich noch weiter treiben. Gesetzt den Fall, die Medizin wäre in der Lage meinen fast völlig verwesten Körper wiederherzustellen, sowie meine Gedächtnisinhalte zu rekonstruieren, wäre ich dann immer noch derselbe oder schon etwas anderes, eine Kopie oder ein Doppelgänger?
Hmmm..., die Frage ist jetzt nicht mehr so leicht zu beantworten. Irgendwo inmitten der vielen kleinen Reparaturschritte, ab einem bestimmten Umfang der Rekonstruktionsmaßnahmen, die jetzt eher einer Neukonstruktion gleichen, findet eine heimliche Transformation statt, ein schleichender Übergang zwischen dem Original und einer Kopie. Die völlige Neukonstruktion, ist dann nur noch ein letzter Schritt.
Das berührt das Wesen der Kontinuität unseres Selbst. Was lässt uns so hartnäckig daran glauben, dass wir immer dieselbe Person bleiben? Tatsächlich verändern wir uns physisch sekündlich, die Moleküle unseres Körpers werden ständig ausgetauscht, defacto haben wir nicht ein Atom mehr in dem Körper, den wir vor 10 Jahren hatten. Die atomare oder molekulare Identität ist es also nicht, also die strukturelle Identität? Sind es unsere Erinnerungen? Das, was wir unter Identität verstehen ist möglicherweise ein Konstrukt, eine Illusion, basierend auf unseren Erinnerungen, die uns vorspielen derselbe Mensch zu sein wie vor einer Minute, gestern oder wie vor zehn Jahren. Aber Menschen verändern sich, Erinnerungen lassen sich fälschen. Der Gedanke, dass unsere Identität fragil und relativ ist, hat etwas Beunruhigendes.
Und was ist mit meinem Ich-Bewußtsein. Jemand stellt von mir, während ich schlafe, eine perfekte Kopie her. Morgens wache ich neben meinem perfekten Doppelgänger auf. Wo ist nun mein wahres Ich lokalisiert? Ein perfekt kopierter Körper hat ununterscheidbar die gleiche Innenperspektive, die exakt gleichen Gedanken, wie ich. Objektiv gibt es darauf keine Antwort, schon die Frage ist sinnlos. Aber welche Bedeutung hat mein Bild vom unteilbaren Ich das nur mir gehört dann noch? Die reduktionistische Sichtweise von Ich, Bewusstsein und Identität ist irritierend, und kollidiert mit dem starken subjektiven Eindruck, dass mein Ich nur auf mich, nämlich meinen eigenen Körper beschränkt ist und nicht gleichzeitig in einem anderen Körper entstehen kann.
Vielleicht hat ja der eine oder andere Lust hierzu weitere Gedanken anzufügen.
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Trurl