
"Solaris" von Stanislaw Lem wurde bereits einmal verfilmt (Tarkovskij, 1972), und dieser Film wird von Kennern bis heute gerühmt als Meilenstein der Filmgeschichte. Es gehört also schon etwas Mut dazu, diesen doch etwas trockenen Stoff noch einmal auf die Leinwand bringen zu wollen.
Ich habe mir den Film auf DVD angesehen (er ist ja schon vor über einem Jahr in die Kinos gekommen), und habe daher unvermeidlich vorher schon Stimmen darüber gehört -- weitgehend kritische, wie es scheint. Mir hat er dagegen ausserordentlich gut gefallen. Aber: Wenn Lems Buch eine Symphonie wäre, dann wäre Tarkovskis Film eine Transkription für Klavier -- und Soderberghs Film eine "Variation über ein Thema von Stanislaw Lem".
Es ist klar: Ein Buch wie Solaris kann man nicht literaturnah verfilmen. Der Regisseur muss sich auf einen Teilaspekt konzentrieren, den er darstellen kann. Bei Soderbergh ist das klar die Liebesgeschichte zwischen Kris Kelvin und seiner Frau Rheya (im Buch Harey/Hari) unter diesen surrealen Umständen. Alle Philosophie des Originals bleibt aussen vor.
Tatsächlich: Soderberghs "Solaris" ist (auch) ein Liebesfilm (unter diesen Umständen überrascht auch die Besetzung mit Frauenschwarm George Clooney als Kris Kelvin nicht mehr so sehr). Man kann das als Zugeständnis an Hollywood sehen, aber: Obwohl (oder gerade weil) ich langjähriger Lem-Leser und Solaris-Liebhaber bin, finde ich es absolut legitim, diese Geschichte auch aus dieser Perspektive zu betrachen (auch wenn Lem das explizit nicht beabsichtigte). Dass das Ende des Films dafür völlig umgeschrieben wurde, ist für den Kenner des Buchs etwas schmerzhaft (und für Lem selbst wohl noch mehr), aber im Kontext wohl nur folgerichtig. Ansonsten bleibt der Verlauf der Geschehnisse weitgehend bei dem aus dem Buch.
Was sofort auffällt: Der Film ist visuell überwältigend gut gelungen. Der Planet, die Station (absichtliche Parallelen zu Tarkovskis Station sind erkennbar), die ungeheuer überzeugende Ausstattung, die realistische Beleuchtung ... hier passt einfach alles. Eine derart perfekte Kulisse sieht man leider sehr selten, mir fällt als Vergleich hier nur Kubricks "2001" ein.
Dazu kommt die überragende schauspielerische Leistung: Clooney als Kelvin macht seine Sache sehr überzeugend, Natascha McElhone passt mit ihren großen, staunenden Augen ebenso in ihre Rolle der desorientierten Rheya, und um Jeremy Davies als Snow (im Buch Snaut/Snauth) zu beschreiben, fehlen mir die Worte -- das muss man gesehen haben!
Nun kenne ich das Buch, wie gesagt, schon lange, und habe auch den Tarkovski-Film mehrfach gesehen. Ich weiss deshalb nicht, wie der Film wirkt, wenn man diesen Hintergrund nicht hat. Ich könnte mir vorstellen, dass die Geschichte dann vielleicht etwas dünn wirken könnte.
Meine Empfehlung:
1. Erst das Buch lesen, dann den Film sehen! Beide ist die Zeit absolut wert! Und im Gegensatz zu anderen Büchern nimmt man sich dadurch nicht den Spass am Film.
2. Die DVD-Version nehmen und auch einmal die von Soderbergh und Cameron kommentierte Tonspur anhören, die fand ich sehr aufschlussreich.
3. Man kann diesen Film auch mit seiner Freundin/Frau ansehen, selbst wenn die sonst nicht so sehr für SciFi zu haben ist!

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Stanislaw Lems offizielle Site
-- tichy
Bearbeitet von tichy, 19 Dezember 2003 - 09:06.