Geschrieben 19 Juli 2005 - 12:43
In diesem Posting gibt es SPOILER (auch bezueglich der vorhergehendes KG); es sollte also die KG gelesen worden sein, bevor jemand dies liest. Smiths Ideenvielfalt zeigt sich auch wieder in dieser KG, wie ich finde, besser herausgearbeitet als in V+S. Aus dieser KG weiss man, dass der titelgebende Planet ein Strafplanet ist. Die Verhaeltnisse werden m.E. sehr eindringlich beschrieben. Mein Interesse an weiteren Geschichten von Smith (insbesondere ueber die Instrumentalitaet) wurde noch weiter gesteigert. Wie sich herausstellt, sind die Gefangene dort nicht nur Strafgefangene, sondern auch politische Gefangene oder sogar solche, die einfach aus Angst vor einem Putsch dorthin abgeschoben wurden. Die Gefangenen werden dort wie Nutztiere gehalten, die Produkte zum Wohl der ganzen Menschheit liefern, was die Unmenschlichkeit der Bestrafung noch einmal unterstreicht. Der Hirte jener "Herden" ist dann auch bezeichnenderweise ein aus einem Rind geschaffener Homunkulus. (Da frage ich mich, ob Cordwainer Smith Vegetarier war. Ich muss demnaechst doch mal die Biographie auf epilog.de lesen.) Es scheint mir, dass er als eine Art Sklave gehalten wird, der sich durch diese Arbeit ("1000 Dienstjahre"), seine Freiheit und auch die seiner Familie verdient. Das Kaiserreich scheint gegenueber der Instrumentalitaet eine gewisse Souveraenitaet zu besitzen, der Strafplanet Shayol gehoert zum Kaiserreich, das mit dieser Einrichtung eine "allerschaerfste Form der Bestraffung schaffen" wollte. Die Instrumentalitaet hat "insgeheim" eingegriffen, um den Gefangenen das Leid durch die Verabreichung einer Droge zu verringern. Die Instrumentalitaet wusste also von den Verhaeltnissen, hat sie aber weder abgeschafft noch ging das Eingreifen so weit, dass die Droge so oft verabreicht wird, dass die Schmerzen fuer die Gefangenen nie zu spueren sind. B†™dikkat berichtet, dass die Gefangenen nur aus dem Kaiserreich kommen. Dem widerspricht die Erzaehlung aus V+S, da Suzdal zur Bestrafung von der Instrumentalitaet nach Shayol geschickt wurde. Wir wir jetzt wissen, ist er tatsaechlich dort. Also hat sie dies auch als Mittel zur Bestrafung genutzt. Umso mehr ueberrascht mich, dass die Vetreterin der Intrumentalitaet ueber die tatsaechlichen Verhaeltnisse auf Shayol keine Ahnung hat. Wurde das im Laufe der Zeit einfach nur vergessen? Die hauptsaechlichen Themen der KG scheinen mir Justiz und vor allem Bestrafung der Verurteilten zu sein. Mercer muss schuldig sein, da er ein "weißes, teuflisches Gesicht" hat (ein Kommentar zur Diskriminierung Schwarzer in der US-Justiz?). So jemand wie er muss einfach "in jedem Punkt schuldig" sein. Ueber sein Verbrechen wird nicht nachgeforscht, es scheint keine Verteidigung zu geben. Ueber sein Verbrechen kann man nur Vermutungen anstellen. Ich schaetze, es koennte darin bestehen, dass er Katzen gestreichelt oder gefuettert hat, die sich vor dem kaiserlichen Palast aufhielten. Was meint Ihr? Jede Bestrafung scheint nur aus Schmerzen oder Folter fuer den Verurteilten zu bestehen. (Es werden noch zwei weitere Arten genannt, Straftraeume und Schmerzstationen.) Abschreckung scheint ein zentraler Punkt der "Verbrechens"vorsorge zu sein; die Schreie der Shayolgefangenen werden an einem Tag ausgestrahlt. (Auch dies scheint mir ein Hinweis darauf zu sein, dass die Instrumentalitaet von den tatsaechlichen Verhaeltnissen auf Shayol wissen sollte, oder?) Es gibt fuer sie die Moeglichkeit, das Gedaechtnis loeschen und die Augen entfernen zu lassen. Ersteres scheint auf Lobotomie hinauszulaufen. Es wird von einer der Personen die Frage aufgeworfen, wer besser dran sei, die Lobotomierten oder diejenigen, die sich gegen diese Moeglichkeit entschieden hatten. Eine gute Frage, wer ist besser dran? Am Ende erfaehrt man, dass die Bestrafung durch Schmerzen abgeschafft worden sei. Stattdessen werden Verurteilte jetzt "geheilt", was auch immer darunter zu verstehen ist. Dem Beamten und dem Arzt, deren Verhalten die Ausloeser fuer die Schliessung von Shayol ist, ist schliesslich nach der Heilung noch das Gedaechtnis geloescht worden, damit sie nicht mit der "Scham und Trauer an ihre Handlung" leben muessen. Hier frage ich mich, ob das nicht auch auf eine Lobotomie hinauslaeuft. Das waere m.E. dann auch nicht wirklich besser. Beim Supercondamin und bei den Kappen frage ich mich, ob sie nicht eigentlich den Zweck haben, Ausbruchsversuche, Revolten und allgemein Versuche, etwas aendern zu wollen, zu unterbinden. Zumindest das Zuerstgenannte hat hier Erfolg. Die Gefangenen wollen nicht mal von Shayol weg, nachdem sie es duerfen. Die in Stein gekratzte Ueberlieferung eines Gefangenen endet mit den Saetzen: "Glaubt doch nicht, dass ich hier bestraft werde. Dies ist kein Ort der Strafe. Es ist ganz etwas anderes." Was meint er damit? Das Paradies? Aufgrund einer drogeninduzierten, zeitweiligen Glueckseligkeit und einer Art Unsterblichkeit? Oder stirbt tatsaechlich jeder irgendwann?