Ich möchte im folgenden allen Interessierten meinen Roman "RAUMKRANK" vorstellen.
Das Buch (318 Standardseiten A4) handelt von den amüsanten bis absurden Erlebnissen eines menschlichen Arztes an Bord eines außerirdischen Weltraumkrankenhauses.
Sicherlich ist die Geschichte weder spektakulär noch hochaktuell, aber hoffentlich trotzdem unterhaltsam.
Gerade hierfür wäre ich für jede schonungslose Kritik dankbar (eben solche gibt es hier ja!

Um zu sehen, wie der Anfang der Geschichte so ankommt, habe ich im Folgenden als Auszug Prolog und erstes Kapitel eingestellt - bewußt ohne weitere Erläuterungen (Ich denke, wenn die Leser nur mit "Hilfe" Einstieg in die Geschichte finden, ist sie wohl schlecht geschrieben - und gerade das möchte ich herausfinden...)
Also dann:
Viel Spaß?!
***RAUMKRANK***
Prolog _____________________________
"So ein Mist!"
Mojib Ramachandran, Klimatechniker des ostasiatischen Raumfahrtkombinats, war stinksauer.
Er raste mit seinem elektrobetriebenen Radfahrzeug über staubig-steinigen Untergrund und hatte sich vor Wut beinahe verfahren.
Das konnte schnell passieren, wenn man den Navigationsbildschirm nicht im Blick behielt, denn Straßen gab es hier keine.
"Hier" - das war die recht karge Oberfläche des Planeten HD73-0815-b, der seit knapp 30 Monaten Mojibs Heimat war.
Allerdings war "Heimat" nicht gerade das Wort, das er für diesen tristen Platz gewählt hätte.
Hiroyuki Yamamoto, sein japanischer Schichtkollege, hatte den Planenten "Yugechiri" getauft, was wohl soviel bedeutete wie "dampfender Staub" - eine immer noch viel zu nette Beschreibung, wie Mojib fand.
Auf seinen japanischen Kollegen war er ohnehin gerade schlecht zu sprechen.
Hiroyuki hatte ihn beim Go-Spielen wieder einmal um Längen geschlagen, weshalb Mojib nun die „Ehre“ zuteil wurde, diese nervige Kontrollfahrt durchzuführen.
Einer der Klimasensoren an der südlichen Hügelkette hatte vor etwa einer Stunde einen plötzlichen Temperaturanstieg um 30 Kelvin angezeigt - entweder eine Fehlfunktion, oder ein neuer Lavaaustritt, wie er in diesem Teil des Kontinents aufgrund der hohen tektonischen Aktivität häufiger vorkam.
Der Vulkanismus segnete diese Region des sonst größtenteils unter Eis liegenden Planeten mit etwas wärmeren Temperaturen und spektakulären Geysiren.
Deshalb gab es hier auch Leben - allerdings nur in Form einer Vielzahl von Moosen und Flechten, die jedoch genug Photosynthese betrieben, um die Atmosphäre mit etwas Sauerstoff anzureichern.
Das Raumfahrtkombinat unterhielt hier eine Forschungsstation, die das Terraforming-Potential des Planeten untersuchen und Vorbereitungen für eine mögliche Besiedlung treffen sollte.
Das Forscherteam hatte begonnen, die vorhandene Vegetation gentechnisch zu optimieren und einige Arten neu anzusiedeln, um die natürliche Sauerstoffproduktion zu erhöhen.
Bisher sah es gut aus, allerdings würde es noch einige Jahrzehnte dauern, bis man ohne Sauerstoffmaske im Freien herumlaufen konnte.
Bis dahin hatte man viel Zeit - zum Beispiel für Go.
Dieses verdammte Spiel!
Mojib hatte es zwar erst kurz nach seiner Ankunft gelernt, aber auch mit einigen Spielsteinen Vorsprung, die ihm stets gewährt wurden, gelang es ihm nur äußerst selten, einen der japanischen Kollegen zu schlagen.
Dies war der eigentliche Grund für seinen Ärger.
Kontrollfahrten waren zwar auch nicht gerade angenehm, brachten aber wenigstens etwas Abwechslung in den sonst eher tristen Stationsalltag.
Leider hatte er bisher keine Schachfiguren auftreiben, geschweige denn selbst bauen können - sonst hätte er es diesen schlitzäugigen Inselbewohnern schon längst gezeigt!
Mojib war jetzt etwa eine halbe Stunde unterwegs und das Ziel seiner Fahrt kam allmählich in Sichtweite.
Die Hügelkette war zwar nicht besonders hoch, aber Staub und Dampf schränkten die Sichtweite erheblich ein.
Kurz vor den ersten Hügelausläufern stoppte er und schaltete den Motor ab.
Unter kurzem Zischen trennte er die Steckverbindung seiner Atemmaske von der Fahrzeugversorgung, schloss den Schlauch an die tragbare Flasche an seinem Tragegurt an und stieg aus.
Sofort schlug ihm spürbar warme Luft entgegen, was ein Indiz dafür war, dass der Klimasensor offenbar keine Fehlfunktion hatte.
Trotzdem würde er das Gerät überprüfen müssen - so wollte es das Protokoll.
Unter zunehmendem Schnaufen und Schwitzen stieg Mojib den Hang hinauf, bis gleich einem skurrilen Kunstwerk die Silhouette des Sensors auf der Hügelkuppe auftauchte.
Bisher war kein unmittelbarer Hinweis auf einen nahen Magmaaustritt zu sehen. Die Skalenwerte, die sein mobiler Sensor auf das Schutzvisier der Atemmaske projizierte, zeigten für die hiesigen Verhältnisse atmosphärische Normalwerte - bis auf grenzwertig erhöhtes Kohlendioxid und die angestiegene Temperatur.
Knapp 310 Kelvin - entsprechend ungefähr 35 Grad Celsius - waren schon erstaunlich warm.
Kopfschüttelnd erreichte Mojib den äußerlich unversehrten Sensor und öffnete die Zugriffsklappe.
Völlig vertieft in die elektronischen Innereien, entging es zunächst seiner Aufmerksamkeit, dass er von einer Schar fremdartiger Gestalten umringt wurde, die plötzlich aus den Dampfschwaden auftauchten.
Erst als ihm die leise schmatzenden Klicklaute auffielen, die offenkundig weder aus dem Sensorgehäuse, noch aus seinen eigenen Eingeweiden stammten, blickte er auf.
Seine erste - wenn auch recht ungenaue - Assoziation verglich die um ihn herumstehenden Kreaturen mit überdimensionierten, von bunten Spaghetti umwickelten Küchenschaben.
Mojib verharrte kurz erschrocken, doch dann siegte die Neugier über die Angst und er wagte es, sich langsam zu erheben.
Die fremden Wesen waren etwa einen Meter groß, so dass er sie, nun stehend, deutlich überragte.
Dieser Umstand löste eine gewisse Änderung in der Gruppendynamik der Neuankömmlinge aus, die nun sichtlich unruhiger und lauter klickend durcheinander wuselten.
Da Mojib die Fremdlinge keinesfalls verängstigen wollte, hob er beschwichtigend die Arme, was jedoch leider nicht den gewünschten Effekt erzielte, da die Wesen nun laut quiekend und zischend plötzlich kleine metallische Geräte emporrissen und diese auf ihn richteten.
Diese überraschende Wendung der Ereignisse löste bei Mojib verständlicher Weise eine nicht unbeträchtliche Panik aus und als ihm dann auch noch aus allen Richtungen Lichtblitze entgegenschlugen, die zweifelsohne dem Mündungsfeuer fremdartiger Strahlenwaffen entsprechen mussten, tat Mojib das einzig sinnvolle, was ihm in dieser Situation zu tun blieb - er wurde ohnmächtig.
Noch während er zusammensackte und sein Augenlicht sich langsam trübte, kreuzte der fast schon lächerliche Gedanke sein Bewusstsein, dass die blitzenden Geräte der fremden Wesen ihn irgendwie an Fotoapparate erinnerten.
Postprolog - Geschichtsstunde __________
Dieser denkwürdige Augenblick am dreiundzwanzigsten Juni 2113 kennzeichnete den Erstkontakt eines Menschen mit einer außerirdischen Zivilisation.
Nachdem Mojib Ramachandran wieder zu sich gekommen war und herausgefunden hatte, dass er noch lebte, kam es zu den ersten - erstaunlich erfolgreichen - Kommunikationsversuchen mit den Angehörigen einer nichtmenschlichen Rasse, die sich selbst KKhrrsqueeetch (oder so ähnlich) nannten.
Bei den blitzenden Geräten handelte es sich übrigens tatsächlich um Bildaufzeichnungsgeräte, doch hierzu später mehr.
Leider existieren keine genauen Aufzeichnungen über dieses erste "Gespräch", so dass hierbei auf Ramachandrans eigenen offiziellen Bericht, sowie Aussagen seiner Kollegen zurückgegriffen werden musste, die ihr Wissen aus Lautäußerungen des am folgenden Abend stark alkoholisierten Klimatechnikers bezogen hatten.
(Spätere Anfragen an die Botschaft der KKhrrsqueeetch ergaben, dass von deren Seite überhaupt keine weitere Dokumentation erfolgte, bis auf zahlreiche private Fotos und den Tagebucheintrag eines jungen KKhrrsqueeetch, der übersetzt soviel bedeutete, wie: "Mein Bild ist doof geworden, weil das komische Tier so gewackelt hat.")
Offenbar bestand das Hauptproblem zunächst darin, dass Mojib Ramachandran den Fremden klarmachen musste, dass er nicht der in Form eines Nagetiers reinkarnierte Geist einer KKhrrsqueeetchianischen Berühmtheit war (seine erhobenen Arme wurden von den KKhrrsqueeetch missverständlicher Weise für Ohren gehalten, was ihm plötzlich frappierende Ähnlichkeit mit einer dort heimischen Tierart verlieh).
Die genannte Berühmtheit war der eigentliche Grund für die Anwesenheit der Kkhrrsqueeetch auf dem Planeten, der von den Menschen die langweilige Bezeichnung HD73-0815-b erhalten hatte.
Die KKhrrsqueeetch selbst hatten dieser Welt einen für Menschen gänzlich unaussprechlichen Namen gegeben, der in seiner Übersetzung am ehesten als "Der kurze Dicke neben dem Grünen" zu bezeichnen wäre. Dies erscheint für menschliche Verhältnisse allerdings immer noch nicht besonders sinnvoll - insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass in der Umgebung des Planeten keinerlei kosmische Objekte existieren, die auch nur annähernd grün sind.
Doch zurück zu der "Berühmtheit":
Etwa 170 Erdenjahre zuvor hatte ein KKhrrsqueeetchianischer Forschungssatellit den Planeten überflogen und die Oberfläche fotografiert. Durch Lichteinfall, Schattenbildung und eine extrem schlechte Bildauflösung kam es dazu, dass eine bestimmte Hügelformation (auf der später der beschriebene Erstkontakt stattfand) auf den Fotos eine starke Ähnlichkeit zu den primären Geschlechtsorganen eines beliebten verstorbenen Schauspielers aufwies.
Die Filme, die diesen Schauspieler berühmt gemacht hatten, als "pornographisch" zu bezeichnen, wäre weder angemessen noch sinnvoll, da für die KKhrrsqueeetch die bildliche Darstellung des Sexualaktes keineswegs obszön oder anrüchig war, sondern vielmehr eine der kulturell am höchsten angesehenen Kunstformen darstellte.
Auch als spätere Forschungsflüge zeigten, dass die Hügel bei genauerer Betrachtung nicht einmal entfernte Ähnlichkeit zu KKhrrsqueeetchianischen Genitalien aufwiesen, war der Kult um diesen Ort bereits so weit gereift, dass der Planet zu einem beliebten Ausflugsziel wurde.
Tatsächlich hatte sich inzwischen der Aberglaube festgesetzt, dass der Besuch dieses Hügels Glück und Fruchtbarkeit bescheren sollte, wenn man sich dessen Staub während des zweiten Reifezyklus auf die Eiertaschen pinselte und dabei mit seinem Fruchtknoten... nun... ohne detaillierte Kenntnisse der KKhrrsqueeetchianischen Anatomie, Physiologie, sowie einer guten Portion soziokulturellen Hintergrundwissens sind die genauen Abläufe dieses Rituals kaum nachvollziehbar, weshalb an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden soll.
Es genügt sicherlich, zu wissen, dass diese Gruppe von Außerirdischen weder aus Forschern, noch aus Kriegern bestand, sondern einfach eine Schar angeheiterter Touristen war.
Und ähnlich den menschlichen Gepflogenheiten reichte es auch den KKhrrsqueeetch nicht aus, eine Sehenswürdigkeit nur zu besuchen. Beinahe noch wichtiger war die entsprechende Fotodokumentation der eigenen Person in unmittelbarer Nähe des berühmten Ortes.
(Wobei das Posieren hier üblicherweise sekundäre Geschlechtsorgane, eine Form von zeremoniellem Salzgebäck, sowie die bunt eingefärbten Gedärme domestizierter Nagetiere einschloss - doch lassen wir das...).
Für die wissenschaftlich Interessierten sei hier noch erwähnt, dass der lokale Temperaturanstieg durch die Triebwerke des Raumschiffs hervorgerufen wurde, mit welchem die KKhrrsqueeetch angereist waren. Da dieser Planet nur ein Zwischenstopp auf einer galaktischen Rundreise war, hatte der Pilot einfach den Motor laufen lassen (Der Anlasser war schon etwas störanfällig und da der Reiseveranstalter lieber Geld in alkoholische Getränke als in die Wartung seiner Transportschiffe steckte, war dieses Vorgehen nicht unüblich).
Es war schließlich nicht vorhersehbar, dass sich der sonst sehr kurze Aufenthalt durch small-talk mit einer unterpriveligierten Spezies in die Länge ziehen würde.
Tatsächlich dauerten diese Gespräche fast zehn Stunden, wonach durch Triebwerksabgase die lokale Temperatur dermaßen angestiegen war, dass die meisten der von den menschlichen Forschern angezüchteten Moosarten eingingen - aber dies war ein Verlust, den die Menschheit bereitwillig hinnahm (bis auf den Vorstandsvorsitzenden des ostasiatischen Raumfahrtkombinats, der aufgrund der finanziellen Verluste keinen zweiten Golfplatz auf seiner Luxusyacht bauen lassen konnte - ein Umstand, der ihn tatsächlich sehr viel mehr verärgerte, als es dem Durchschnittsmenschen plausibel erscheinen mag).
Als Abschiedsgeschenk wurde Mojib Ramachandran von den KKhrrsqueeetch ein digitales Kommunikationsverzeichnis überlassen, also etwas in der Art eines intergalaktischen Telefonbuchs, mit dem man allerdings auch direkt "telefonieren" konnte.
Nach anfänglichen technischen und bürokratischen Hindernissen (die Arbeitszeiten der intergalaktischen Auskunft sind traditionell an das klassische Kalmanorische Behördensystem angelehnt, was bedeutet, dass nach jeweils drei Sekunden die Arbeit für eine fünfsekündige Pause unterbrochen wird), gelang der Menschheit der Kontakt und schließlich auch die Aufnahme in die intergalaktische Völkergemeinschaft.
Für Einzelheiten dieses Integrationsprozesses sei hier auf einschlägige historische Literatur verwiesen.
Von Bedeutung ist an dieser Stelle nur der Umstand, dass ein Teil des Eingliederungsverfahrens vorsah, dass menschliche Ärzte und andere Wissenschaftler speziesübergreifende Krankenanstalten besuchten, um so einen fachlichen Informationsaustausch zwischen den Kulturen zu ermöglichen.
Dies ist der Punkt, an dem die eigentliche Geschichte ihren Anfang nehmen soll...
Kapitel 1 - Ankunft im Wunderland _________
Nero Antimon traute seinen Augen nicht.
Je weiter sich das kleine Raumschiff, in dem er saß, der Station näherte, um so mehr erkannte er erst, wie riesig sie tatsächlich war.
Zwar hatte Nero bereits als Bordarzt auf verschiedenen Handelsschiffen gedient und dabei fast alle der menschlichen Raumbasen und Werften gesehen, doch keine dieser Einrichtungen war auch nur annähernd so groß - wobei Größe bekanntermaßen etwas sehr relatives war.
Insbesondere einzelne Objekte im freien Raum zählten zu den Dingen, deren Größeneinschätzung die recht beschränkte menschliche Wahrnehmungsfähigkeit regelmäßig an ihre Grenzen trieb.
Allerdings erzeugten die zunehmend erkennbaren zahlreichen Raumfahrzeuge, die die Station gleich einem betrunkenen Bienenschwarm umschwirrten, inzwischen eine rechte genaue Vorstellung der räumlichen Verhältnisse - zumindest unter der mutigen Annahme, dass fremde Spezies ihre Schiffe nicht gerade in der Größe von Streichholzschachteln zu bauen pflegten.
Das Ergebnis dieser Schätzung lieferte Nero unverändert die Information, dass die Raumstation gigantische Ausmaße haben musste.
Umso unvorstellbarer erschien es ihm, dass die Einrichtung einzig und allein als Krankenhaus dienen sollte.
Nero suchte vergeblich nach einem roten Kreuz, besann sich dann aber darauf, dass dies ein rein menschliches Symbol war und musste über seine eigene Naivität lächeln.
Er war jedoch etwas verwundert, auch sonst keinerlei Hinweis auf die medizinische Funktion der Station ausmachen zu können.
Wahrscheinlich war die Klinik einfach so bekannt, dass eine sichtbare Kennzeichnung nicht erforderlich war, denn wer erst einmal den Weg in dieses Sonnensystem gefunden hatte, wusste sicher auch, wo er hinwollte.
Möglicherweise entsprach ja auch die äußere Form der Station bereits einem intergalaktischen Symbol für medizinische Hilfe, obwohl die Konstruktion eher strikt funktionell wirkte.
Von weitem sah man zunächst nur die spindelförmige Form des Rumpfes, die am ehesten zwei an der Basis verbundenen Kegeln ähnelte, an deren beiden Spitzen die gewaltigen, runden Solarsegel leicht abgekippt ihre glitzernden Flächen dem orangen Zentralgestirn zuwandten.
Nach einiger Zeit ließen sich jedoch weitere Details ausmachen, wie zum Beispiel, dass die beiden kegelförmigen Hälften des Stationskörpers in mehrere einzelne Segmente unterteilt waren, die stufenartig aufeinandersaßen.
Die Station drehte sich dabei langsam entlang der Längsachse, was zunächst nicht aufgefallen war, da die abgekippten Sonnensegel durch eine entgegengesetzte Rotation wirkten, als ob sie still ständen.
Nero hätte erwartet, mehr Lichter auf der Außenfläche des Rumpfes zu sehen, bis er sich überlegte, dass die Rotation zur Erzeugung einer künstlichen Schwerkraft dienen musste. Damit entsprach die gesamte Außenfläche dem Fußboden - und Fenster im Fußboden waren sicher nicht besonders praktisch.
Die Fähre, in der Nero saß, flog auf den mittleren Teil der Station zu, wo sich als Verbindungsstück zwischen den beiden Kegeln ein gestreiftes Zylindersegment kleineren Umfanges befand.
Je näher sie kamen, desto mehr andere Raumfahrzeuge gesellten sich zu ihnen. Nero bewunderte die vielgestalten Varianten, in denen die diversen Spezies ihre Raumschiffe konstruiert hatten. Die Palette reichte von einfachen geometrischen Formen bis zu gänzlich unförmigen Objekten, die mehr an mit Draht umwickelte Komposthaufen als an Raumschiffe erinnerten.
Nero erschrak kurz, als sie ein Netz aus kanonenbewehrten Satelliten passierten, die wie aus dem nichts aufzutauchen schienen und die Station in einem kugelförmigen Orbit in alle Richtungen umgaben.
Diese offene Zurschaustellung militärischer Gewalt überraschte Nero etwas und passte nicht so recht zu seiner Grundvorstellung eines Krankenhauses.
Bevor er diesem Gedanken jedoch weiter nachgehen konnte, stoppte die Fähre plötzlich, als sich von den drei nächsten Satelliten wie Insektenschwärme kleine runde Objekte lösten und rasch näherten.
Der Pilot der Fähre, der Neros Unruhe bemerkte, wandte sich zu ihm um.
"Ist alles in Ordnung. Das sind nur die Lotsendrohnen. Die übernehmen den Anflug auf die Station. Uns Piloten trauen die ein sauberes Andocken wohl nicht zu. Na ja, ist ja auch sehr bequem so."
Mit dumpfem "klonk-klonk", wie Regentropfen auf einem Blechdach, verankerten sich die kleinen Flugkörper auf dem Rumpf der Fähre und begannen, sanft zu ziehen.
"Warum werden wir nicht einfach per Fernsteuerung über unseren Autopiloten hereingeholt?", fragte Nero verwundert.
Der Pilot verschränkte die Arme und atmete hörbar aus.
"Ganz einfach: Die Computer und Steuerungssysteme der verschiedenen Rassen sind so unterschiedlich, dass eine
direkte Fernsteuerung viel zu kompliziert wäre.
Und das Risiko, alle manuell fliegen zu lassen, wäre natürlich bei so vielen Schiffen und möglichen Andockplätzen enorm. Da ist diese Lösung mit den Drohnen deutlich sicherer. Die werden alle über die zentrale Anflugkontrolle gesteuert und wenn mal eine defekt sein sollte, sind genug andere da, um einen Unfall zu vermeiden. Klappt offenbar recht gut."
Nero hatte den Eindruck, dass der Pilot nicht ganz so glücklich mit seiner aktuellen Untätigkeit war, wie er vorgab.
"Und wenn man einfach manuell weiterfliegt?", fragte Nero weiter, etwas überrascht über seinen eigenen wagemutigen Gedanken.
Der Pilot zuckte nur mit den Achseln.
"Die Kanonen auf den Perimetersatelliten haben Sie ja sicher gesehen..."
Das sprach wohl für sich selbst.
Offenbar hielten sich auch alle Ankömmlinge an diese Prozedur, denn Kanonenfeuer hatte er bisher nirgendwo sehen können.
Ihr Raumschiff bewegte sich nun wieder schneller auf die Station zu, während die Drohnen allmählich beschleunigten.
Die Satelliten schrumpften zu winzigen Punkten, die sie hinter sich zurückließen.
Die Fähre hielt weiter auf den gestreiften Mittelzylinder zu, dessen Streifenmuster - wie man nun sah - durch eine Unterteilung in weitere Ringe verschiedenen Umfangs zustande kam, an deren Seiten wie kleine Parasiten unzählige Raumfahrzeuge in Andockposition verankert waren.
Einige größere Schiffe flogen direkt in breite beleuchtete Hangars, deren Öffnungen sich seitlich an jedem zweiten der Ringe auftaten.
Neros Fähre steuerte allerdings auf keinen der Hangars zu, sondern befand sich im Anflug auf eine der zahlreichen außen gelegenen Andockschleusen.
Während die Lotsendrohnen langsam die Bewegung der Fähre mit dem Andockring synchronsierten, fühlte Nero wie die Schwerkraft zunahm. Seine Beine wurden schwerer und er spürte, wie sein eigenes Körpergewicht ihn in den Sitz presste. Die letztlich resultierende Gewichtskraft entsprach noch längst nicht irdischen Verhältnissen, dennoch fühlte es sich nach längerer Zeit in Schwerelosigkeit so an, als würde sich ein Elefant auf ihn setzen.
Mit einem sanften Stoß vollendete die Fähre das Andockmanöver. Nero hörte das Surren der Servomotoren, die den beweglichen Schleusengang herausfuhren, um schließlich unter Dröhnen und Zischen einen Druckausgleich herzustellen.
Nero fragte sich, welche Art von atmosphärischem Gasgemisch wohl gerade in die Schleuse gepumpt wurde.
"Brauchen wir Atemgeräte oder Druckanzüge?", wandte er sich unsicher an den Piloten.
Dieser schüttelte den Kopf.
"Nein. Dieser Schleusenring ist für sauerstoffatmende Spezies eingerichtet. Luftdruck und Schwerkraft sind zwar etwas geringer, als wir es gewohnt sind, ist aber unproblematisch."
Erst jetzt wurde Nero allmählich bewußt, was ihm bevorstand. Er würde gleich eine Raumstation betreten, die nicht von Menschenhand gebaut wurde.
Eine Station, die von unzähligen fremden Lebensformen bevölkert war, Lebensformen mit fremdartigen Körpern und noch fremdartigeren Krankheiten.
Bei dem Gedanken daran wurde ihm schwindelig und sogar etwas übel - wobei dies natürlich auch Folge der Schwerkraft hätte sein können.
Wie all diese Wesen wohl aussahen? Und wie sie wohl erst rochen?
Es gab kaum einen Anblick, der Nero wirklich aus der Fassung brachte, nur bei Gerüchen war er sehr empfindlich.
Er bildete sich gerne ein, dass dies einfach daran lag, dass er einen so feinen Geruchssinn hatte. Vielleicht war er aber auch einfach nur zu verwöhnt.
Jetzt gab es ohnehin kein zurück mehr. Er würde sich diese einmalige Chance nicht durch den Ekel vor fremdartigen Ausdünstungen verderben lassen.
Nach kurzer Zeit erhielten sie die Freigabe, von Bord gehen zu dürfen. Nero schulterte seinen Rucksack, den er als Handgepäck mitgenommen hatte, und stand auf. Wie von einer Sprungfeder angetrieben, hob er kurz ab, konnte aber gerade noch rechtzeitig einen Haltegriff erhaschen und damit seinen Sprung bremsen.
Das war knapp!
Um ein Haar hätte er sich an der Decke den Kopf gestoßen.
Etwas ungewohnt.
Neros Schätzung nach musste die Schwerkraft hier bei ungefähr 0,6 G liegen.
Mit federnden Schritten begab er sich in Richtung Ausgangsschleuse, die Hände dabei nun stets an den Handläufen.
Mit ihm waren noch fünf weitere Passagiere an Bord, darunter zwei weitere Ärzte, zwei Biologen und ein Psychologe.
Sie alle warteten nun gespannt vor der Schleusentür. Bedauerlicherweise verfügte diese über keinerlei Fenster, so dass man nicht sehen konnte, was sich dahinter verbarg.
Nach einigen schier endlosen Minuten öffnete sich endlich das irisartig geteilte Schott und gab den Blick frei auf...
...einen leeren Raum mit glatten, grauen Wänden, an dessen Ende sich ein weiteres Schott befand.
Sehr spannend...
Nero war enttäuscht. Er hatte gehofft, dass ihn hinter den fremden Toren sofort eine bunte, fremdartige Welt erwarten würde, die von drängendem Leben angefüllt war.
Dieser kahle Raum war das strikte Gegenteil davon.
Als die Gruppe den Raum betreten hatten, öffnete sich eine Klappe an der Decke und eine Art Bildschirm kam herausgefahren. Auf dem Boden leuchteten in der Mitte des Raumes plötzlich sieben gelbgrüne Kreise auf. Der Bildschirm zeigte nun das Bild einer humanoiden Lebensform.
Nero war überrascht, wie menschlich die Gestalt aussah, bis ihm auffiel, dass die Gestalt ein Mensch war. Und zwar handelte es sich um das Abbild eines der anderen Passagiere - komplett mit Kleidung und Gepäck, so wie er gerade aus der Schleuse gekommen war. Vor dessen Füßen tauchte auf dem Fußboden ein leuchtender Punkt auf, der sich blinkend zu einem der Kreise bewegte. Als der Leuchtpunkt den Kreis berührte ertönte ein Brummton, der Kreis blinkte kurz etwas heller und das ganze begann von vorn. Staunend blickten die Passagiere auf den wandernden Leuchtpunkt am Boden, als sei es das spektakulärste, was sie je gesehen hatten.
Hinter sich hörte Nero das genervte Schnaufen des Piloten, der inzwischen nachgekommen war.
"Meine Güte! Was meinen Sie wohl, was das bedeuten könnte?? Wollen Sie morgen noch hier stehen??"
Aufgeschreckt blickte sich der betroffene Biologe um und folgte dann zügig dem Leuchtpunkt zu dem für ihn bestimmten Kreis.
Kopfschüttelnd ging nun der Pilot nach vorne, ein gemurmeltes "Wissenschaftler!" von sich gebend.
So taten es ihm nach und nach alle gleich, bis jeder in einem der Kreise stand.
Dann geschah eine zeitlang gar nichts.
So schien es zumindest.
"Was passiert denn jetzt?", fragte Nero ungeduldig.
Der Pilot wirkte sichtlich ungehalten, antwortete aber dennoch:
"Wir werden alle auf Kontamination oder sonstiges Gefahrenpotential untersucht und gegebenenfalls dekontaminiert."
Nero blickte sich mehrfach um und lauschte.
"Und wann geht das los?"
"Läuft doch schon!", brummte der Pilot. "Nur weil Sie nichts hören, heißt das ja nicht zwingend, dass auch nichts passiert!"
"War ja nur 'ne Frage", murmelte Nero, mehr zu sich selbst.
Wieder vergingen einige lange Minuten.
Wie aus heiterem Himmel verdunkelte sich plötzlich der Raum und unter dem Dröhnen einer Alarmsirene fuhren rot blinkende Signalleuchten aus der Decke.
Der Kreis unter dem Psychologen begann, in einem hektischen rot zu blinken.
Aus dem Boden schossen daraufhin dünne, spinnenartige Greifarme hervor, die anfingen, an den Taschen des Psychologen herumzuzupfen, bis sie plötzlich etwas zu Tage förderten, was aus Neros Entfernung aussah, wie ein leicht gammliges Leberwurstbrot.
Dieses wurde schwungvoll in eine Ecke des Raumes geworfen, wo sofort eine transparente Röhre aus der Decke über das Brot gestülpt wurde und ein dumpfes Sauggeräusch einen hermetischen Abschluss vermuten ließ.
Dann ertönte ein anschwellender Summton, bis das Brot schließlich in einem grellen Lichtblitz verdampfte.
Das Licht ging wieder an und der Raum umgab die verwunderte Gruppe mit gewohnter Stille.
Merklich wütend fuhr der Pilot den Psychologen an:
"Ich hatte Ihnen doch gesagt: keine unverpackten Lebensmittel!!"
Mit beschämtem Lächeln hob der Psychologe die Achseln und blickte entschuldigend in die Runde.
Nach einer weiteren kurzen Phase des Wartens änderten die Kreise am Boden ihre Farbe in ein freundliches Blau und hinter jedem Passagier tauchte einer der mechanischen Greifarme aus dem Boden auf.
Ängstlich blickten sich die Betroffenen um, bis der Pilot mit fester Stimme sagte: "Einfach ruhig stehen bleiben und nach vorne sehen. Das wird nicht wehtun."
"WAS wird nicht wehtun??", entfuhr es Nero, etwas schriller und panischer im Tonfall, als er beabsichtigt hatte.
Er fühlte eine leichte Berührung in seinem Nacken, die allerdings sofort in ein angenehmes Wärmegefühl umschlug. Nero entspannte sich etwas und nach einem kurzen, leisen Zischen verschwanden die Instrumentenarme wieder im Boden.
"Jeder, der neu an Bord kommt, bekommt zur Begrüßung erstmal 'n PILS, einen persönlichen Identifikations- und Lokalisierungs-Sender", erläuterte der Pilot. "Das ist quasi Ihre Entrittskarte für das Krankenhaus und alle Bereiche, in denen Sie sich aufhalten dürfen. Außerdem kann man Krediteinheiten für die Kantine draufladen."
Instinktiv griff sich Nero in den Nacken, konnte aber außer Haut und Haaren nichts besonderes fühlen.
"Wo genau befindet sich der Sender jetzt?", kam ihm einer der ärztlichen Kollegen mit seiner Frage zuvor.
"Sie sind der Arzt - so genau weiß ich das nicht. Irgendwo zwischen den Nackenmuskeln und dem Schädel. Die Scanner suchen sich wohl bei jeder Spezies je nach den anatomischen Gegebenheiten einen geeigneten Ort aus.
Geeignet heißt in diesem Fall wohl, in einem Bereich des Körpers, den man nicht so ohne weiteres durch eine Verletzung einbüßen kann - zumindest nicht, ohne dabei zu sterben. Außerdem will man wohl verhindern, dass Körperteile gezielt abgetrennt werden, um mit den Sendern irgendwelchen Missbrauch zu betreiben."
Diese Ausführungen erschienen Nero recht makaber, wobei er sich fragte, ob dieses Vorgehen aufgrund rein theoretischer Erwägungen zur Anwendung kam, oder aufgrund praktischer Erfahrungen.
"Aber woher weiß denn der Sender, wer wir eigentlich sind?", fragte der Psychologe in den Raum hinein. "Müssen wir uns denn vorher gar nicht identifizieren?"
Ein leicht angespanntes Schnaufen des Piloten deutete an, dass dieser seine primäre Bestimmung nicht unbedingt darin sah, sich als wandelnde Informationsbörse zu betätigen.
Da jedoch alle übrigen Anwesenden unwissende Neulinge waren, erbarmte er sich:
"Da nach der erfolgten Sicherheitsüberprüfung keiner von Ihnen als Gefahr oder als kranker Patient eingestuft wurde, haben Sie vorerst eine Besucherfreigabe für alle öffentlichen Bereiche. Die nächsthöheren Freigabestufen erhalten Sie später jeweils durch autorisiertes Personal, das sich dann eingehender damit beschäftigen wird, ob Sie wirklich diejenigen sind, die Sie vorgeben, zu sein."
Diese Antwort schien vorerst die Neugier aller Anwesenden zu befriedigen, da - zur sichtlichen Erleichterung des Piloten - keine weiteren Nachfragen folgten.
Als Nero kaum noch darauf zu hoffen wagte, teilte sich endlich das Schott vor ihnen und der Zugang zum Ankunftsbereich der zwölften intergalaktischen Weltraumklinik stand ihnen offen.
Nero Antimon gab sich einen kurzen inneren Ruck und betrat mit leicht federnden Schritten seinen neuen Arbeitsplatz.