Schade dass ich wegen eines Aufenthalts im Ausland mit wenig westlicher Berichterstattung verpasst habe, etwas zum Tod von Joseph Weizenbaum zu posten, der schon vor über 2 Wochen (am 5.3.) in Berlin starb. Hiermit nun nachgeholt...
Weizenbaum war Informatiker am MIT, hauptverantwortlich u.a. für die Programmserie ELIZA, deren "psychoanalytische" Variante in den Sechzigern für großes Aufsehen sorgte, weil die meisten Kommentatoren es für einen ersten Beweis dafür hielten, dass künstliche Intelligenz in greifbare Nähe gerückt war. Einige Psychologen wollten das Programm sogar in ihren Praxen einsetzen. Dabei hatte das Team um Weizenbaum eigentlich nur versucht, auf einfache Art & Weise bestimmte Dialogformen hin zu kriegen, die Menschen animieren würden, mit dem Programm zu "sprechen". Ich spekuliere jetzt mal, dass der gewaltige (Miss-) Erfolg von ELIZA auch die Sicht von denkenden/sprechenden Maschinen in der SF der Zeit (bis heute) stark beeinflusste.
Zeit seines Lebens hat Weizenbaum u.a. versucht diesem populären Missverständnis - dass ELIZA "intelligent" ist - entgegen zu wirken; das stärkste Plädoyer ist m.E. sein sehr empfehlenswertes Buch Macht der Computer und Ohnmacht der Vernunft. Wer Zweifel an der Rationalität einer Turing-testbaren Androidenzukunft hat, und im Allgemeinen Zweifel daran hat, dass wir immer mehr Elemente unseres Lebens, insbesonders Lebenswichtiges, irgendeiner Software anvertrauen sollten, sollte dieses Buch nicht missen.
Zuletzt erlebte ich den Professor vor ein paar Jahren bei einem Urania-Vortrag in Berlin; er referierte in beeindruckend gutem Deutsch darüber, wie wenig Sinn es macht, Kinder/Teenager "so früh wie möglich" und irgendwie mit Computern in Kontakt zu bringen.
Schade dass diese mächtige Stimme für Vorsicht und Zweifel an technologischer Machbarkeit, bei gleichzeitigem angstlosen Umgang des Insiders mit der Materie "K.I.", nun nicht mehr zu hören sein wird.
P.S.: Wer eine dt. - allerdings etwas aufgepeppte - Version von ELIZA mal ausprobieren möchte, findet online u.a. eine bei den schweizerischen "Denkwerkzeugen"... Wenn ich mich richtig erinnere, war der einfachste Weg ELIZA aus zu tricksen, ihr Fragen zu stellen.
P.P.S.: Den SPIEGEL-Online-Nachruf finde ich gut.
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 29 Januar 2017 - 18:54.
