Mir ist es schon bei Ian McDonalds "Chaga" aufgefallen. Die Grundstory bzw. den Hintergrund hatte er schon in "Tendeleos Story" ausgearbeitet, auf etwas mehr als 100 Seiten. Die Geschichte fand ich grandios. Bei "Chaga" dann wurde es länger...aber auch um einiges fader.
Eher umgekehrt. "Tandeleo's Story", obwohl stellenweise recht gut, ist nur ein zweiter Aufguß der
Chaga-Thematik. McDonald, der sonst eine starke Prosa schreibt, hat hier gelegentlich so stark
durchgehangen, daß es unter seinem Niveau ist. Als ich den Roman "Chaga" gelesen habe, habe
ich erleichtert aufgeatmet, daß es so etwas noch gibt: Endlich mal wieder ein SF-Autor, den man
neben gute Mainstream-Autoren halten kann, ohne daß die SF sich dabei blamiert. Mir hat's besonders
gefallen, wie er über 400 Seiten immer wieder neue Perspektiven und Szeneneinstiege findet, um seine
Story weiterzuspinnen. Sehr solide Arbeit.
"Chaga" ist natürlich viel zugänglicher als "Necroville", aber von unüberwindlichen Schwierigkeiten oder
gar Unlesbarkeit kann bei "Necroville" wirklich nicht die Rede sein. Ich habe mich, obwohl es keine
einfache Lektüre war, sofort zurechtgefunden und wüßte nicht, welche Schwierigkeiten ein erfahrener
SF-Leser hier haben sollte. Der Roman war gerade in der ersten Hälfte grandios und fällt in der zweiten
deutlich ab, als McDonald die Handlung in Action im großen Stil ausufern läßt. Von der Gesamtkonzeption
her ist es nicht sein bester Roman, aber besonders in der ersten Hälfte enthält er sehr starke Szenen.
Ich erinnere mich besonders an den Typen, der vom Balkon seines Apartments springt und sich dabei
in eine Art menschliche Fledermaus verwandelt.
Es macht mich traurig, daß McDonald, einer der drei oder vier besten lebenden SF-Autoren, von der
SF-Leserschaft so wenig geschätzt wird. Es geht ihm wohl wie vielen anderen vor ihm: für das Gros
der SF-Leserschaft ist er zu gut. Wenn ein moderat schwieriger Roman wie "Necroville" schon als
unlesbar bezeichnet wird, kann ich nur vermuten, daß der durchschnittliche SF-Leser nichts gewohnt
ist. Man schaue sich zum Vergleich einige Mainstream-Romane von DeLillo, Pynchon oder Powers
an. Das sind wesentlich härtere Brocken.
Gruß
MKI
Bearbeitet von Michael Iwoleit, 27 August 2008 - 19:20.