Wer jetzt meint, der kleine Ausflug nach Wien sei eine Enttäuschung gewesen, täuscht sich trotzdem. Ganz im Gegenteil: Der 35-Stunden-Trip (davon schlappe 13 Stunden auf der Autobahn) hat sich gelohnt, das hat richtig Spaß gemacht. Wäre da nicht dieses lästige Fußballspiel gewesen, wär†™s vermutlich sogar noch besser geworden. Im Zeitraffer: sechs Stunden Hinfahrt (das lief trotz drei ausgedehnten Zigarettenpausen mal richtig gut), auf dem Campingplatz (der irgendwo ziemlich neu sein muss - sämtliche Taxifahrer kannten ihn nämlich nicht) schnell das Zelt hinter dem Wohnmobil aufgebaut, mit dem vor uns schon die Alten Herren des VfB Wiesloch eingetroffen waren, den strahlenden Sonnenschein in Wien genossen und ab mit Bus und U-Bahn in die Innenstadt. Rund um den Stephansdom waren die deutschen Fans klar in der Überzahl und sangen sich schon mal für den Abend warm - die meisten, die wir getroffen haben, hatten keine Tickets, sondern wollten sich das Spiel auf der Fanmeile anschauen. Natürlich waren auch überall die „Need Tickets“-Schilder zu sehen. Einer wollte 1000 Euro für zwei Karten bezahlen, unterwegs hatte uns schon auf einer Autobahnraststätte ein kartenloser Münchner berichtet, bei eBay stünden die Tickets schon bei 800 Euro und er wolle jetzt vor Ort mal sein Glück für möglichst weniger Kohle versuchen. Vom Stephansdom ging†™s weiter in den Prater (lustig, dass das Riesenrad ausgerechnet von einem überdimensionalen Petr Cech, der am Abend zuvor so derb gepatzt hatte, geschmückt wird) und dort in den Biergarten. Zum Wiener Schnitzel wird dort seltsamerweise Budweiser (das tschechische) serviert - aber egal. Dort gibt†™s auch Gelegenheit mit den österreichischen Gastgebern in ihren „Cordoba 2008“-T-Shirts freundlich ein wenig Spott auszutauschen (der beste Spruch war definitiv „a bisserl weiß, a bisserl rot, schon schaust aus wie ein Idiot“) - tolle Atmosphäre, das lief alles sehr friedlich und humorvoll ab, in der ganzen Stadt und später auch im Stadion.
Der Spruch „zum Stadion ist es nicht mehr weit“ leitete dann einen etwas ausgedehnteren Fußmarsch ein. Die Plätze im Happel-Stadion waren gut, beste Sicht trotz Tartanbahn. Und so ein Länderspiel, zumal bei einem Turnier, hat ja schon seine besonderen Momente: die Hymnen, das offizielle UEFA-Gedöns, die euphorisierten Fans, die im Gegensatz zu den Mannschaften wirklich alles gegeben haben. Prima. Der Kick selbst war natürlich grausam. Zwei Aufreger gab†™s in der ersten Halbzeit: die vergebene Großchance von Pommes-Gomez (peinlich) und Jogis Tribünengang. In der zweiten Hälfte war†™s dann ein bisschen besser, aber auch nicht so gut, dass man in überschwänglicher Stimmung aus dem Stadion marschiert wäre. „Marschiert“ ist dann auch das Stichwort: Da irgendwann keine U-Bahnen und Busse mehr fuhren, ging†™s per pedes über die Donau zurück zum Campingplatz - der reinste Wanderurlaub. Und morgens pünktlich kurz nach neun (nachdem unser letzter Mitfahrer, der die Nacht in der Innenstadt durchgefeiert hatte, dann auch schon eingetroffen war) gen Heimat. Auf der Rückfahrt war deutlich mehr Verkehr, sodass es dann doch sieben Stunden wurden. Meine Tochter hat sich über den Fußball im EURO-Design (gibt†™s an den österreichischen BP-Tankstellen für 5,99) so sehr gefreut, dass wir erst mal noch ein halbes Stündchen rumgebolzt haben. Und dann war ich nach insgesamt 13 Stunden am Steuer und wenig Schlaf doch ziemlich müde, viel zu müde, um diesen Nachbericht gestern Abend noch zu tippen. Irgendwann in der zweiten Halbzeit von Italien gegen Frankreich muss ich eingenickt sein †¦ Für die Italiener gibt†™s übrigens eine freundlichere Prognose: Die rumpeln sich meiner Meinung nach jetzt jeweils mit einem 1:0 gegen Spanien und Holland bis ins Finale. Und treffen dort †¦ Nein, den Optimismus wollte ich mir ja verkneifen.
gr.
V.