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Der Vorleser

Geschrieben von Armin , 01 März 2009 · 496 Aufrufe

FILM
Bernhard Schlinks Roman „Der Vorleser“ (1995) war das erste deutsche Buch, das es auf Platz eins der Bestsellerliste der New York Times schaffte. Kein Wunder, dass sich für diesen erfolgreichen Roman auch Hollywood interessierte: Der Film wurde unter der Regie von Stephen Daldry („The Hours“) überwiegend in Berlin und Görlitz (das die Kulisse für das Nachkriegs-Heidelberg bildete) gedreht. Kate Winslet erhielt für ihre Rolle der Hanna Schmitz sowohl den Oscar als auch den Golden Globe, zudem war das Drama mehrfach für beide Preise nominiert. Oft genug entpuppen sich derartige Vorschusslorbeeren als heiße Luft, aber hier ist das nicht der Fall: „Der Vorleser“ ist, nicht nur dank der überzeugenden Kate Winslet, ein sehr sehenswerter Film geworden.

1958: Der 15-jährige Michael Berg (David Kross) begegnet der 20 Jahre älteren Schaffnerin Hanna Schmitz (Kate Winslet). Zwischen den beiden entwickelt sich eine Liebesbeziehung, die mit dem Ritual verknüpft wird, dass Michael der Frau aus Büchern vorliest. Eines Tages verschwindet Hanna aus seinem Leben und ihn quält die Frage nach dem Warum. Das prägt sein weiteres Leben, in dem er sich schwertut, engere Beziehungen zu anderen Menschen zu knüpfen. Zehn Jahre, nachdem sie ihn verlassen hat, sieht Michael Hanna wieder: Als Jurastudent beobachtet er einen Prozess gegen ehemalige KZ-Aufseherinnen. Hanna wird am Ende als vermeintlich Hauptverantwortliche für den Tod von 300 jüdischen Häftlingen zu lebenslanger Haft verurteilt. Michael begreift derweil, dass er den Schlüssel zu vielen seltsam erscheinenden Handlungen Hannas gefunden hat. Sie ist Analphabetin und schämt sich dafür so sehr, dass sie alles in Kauf nimmt, damit es niemand merkt. Erzählt wird die ganze Geschichte rückblickend aus dem Jahr 1995 vom gealterten Rechtsanwalt Michael (Ralph Fiennes), der Hanna nur noch einmal wiedertrifft, sie aber während der ganzen Zeit ihrer Haft mit Kassetten versorgt, auf denen er ihr vorliest.

Der Vorwurf, der Film (oder auch das Buch) verharmlose den Holocaust, trifft nicht zu. Stattdessen greift „Der Vorleser“ überraschend feinfühlig das Dilemma der deutschen Nachkriegsgesellschaft auf, gibt zwar keine klaren Antworten auf die komplexe Frage nach der persönlichen Schuld, zeigt aber die vielen, vielen Schattierungen zwischen Schwarz und Weiß auf, die damit verknüpft sind. Dass Regisseur Daldry von Schlinks chronologischer Erzählweise abrückt, macht ebenfalls Sinn: So stehen die ersten beiden Teile des Romans im Mittelpunkt der Filmhandlung, der dritte, etwas ereignis-ärmere Teil bildet den Rahmen. Letztlich liefert „Der Vorleser“ natürlich keine neuen Erkenntnisse, aber sehr wohl Stoff zum Nachdenken.



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ShockWaveRider
Mär 01 2009 11:32
Gestern auch drin gewesen. Hmm...

Die allgemeine Begeisterung für den Roman kann ich bereits nicht teilen. Ich halte vor allem den Mittelteil (der Prozess gegen die Aufseherinnen) für künstlerisch misslungen. Verkopft, explizit, analytisch. Man könnte die entsprechenden Teile heraustrennen und daraus ein hervorragendes Essay über "Die 68er und ihre bigotte Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit ihrer Eltern" machen. Aber in einem Roman haben solche Passagen nichts zu suchen.

Gerade diesen Teil behandelt der Film wesentlich eindringlicher und sinnlicher als das Buch. Auch in den Seminargesprächen widersteht Daldry der Versuchung zu dozieren. Allerdings fehlt dadurch genau dieses Thema. Eine gute Literaturverfilmung zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie die richtigen Stellen weglässt.

Kate Winslet kann insgesamt überzeugen. Allerdings fand ich Hannas Figur schon im Buch relativ platt. Wenn man die Bildergalerie auf filmstarts.de durchklickt, stellt man fest: zumeist hat Kate ein und dasselbe Gesicht aufgesetzt - unverständiger Ernst bzw. ernsthaftes Unverständnis. Wie gesagt: der Figur angemessen. Aber nicht sonderlich variantenreich.

War das wirklich oscarreif? Angelina Jolie konnte in "Changeling" wirklich alle Register ziehen und brillierte in ausnahmslos jeder Szene. Ich fand ihre Christine Collins deutlich besser als Kate Winslets Hanna Schmitz.

Insgesamt bleibt eine gelungene Literaturverfilmung, die streckenweise sogar die Buchvorlage übertrifft, ein feinsinnig inszenierter Film und insgesamt überzeugende Leistungen der Schauspieler. Rundum gut. Aber nicht überragend.

Bewertung: 7 von 10 bemalte Teedosen

Gruß
Ralf

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Sorry, Ralf, ich hab die Antwort verbummelt. Danke für deine ausführliche Einschätzung - wir sind ja gern mal unterschiedlicher Meinung laugh.gif

ZITAT(ShockWaveRider @ 01.03.2009, 11:32)
Kate Winslet kann insgesamt überzeugen. Allerdings fand ich Hannas Figur schon im Buch relativ platt. Wenn man die Bildergalerie auf filmstarts.de durchklickt, stellt man fest: zumeist hat Kate ein und dasselbe Gesicht aufgesetzt - unverständiger Ernst bzw. ernsthaftes Unverständnis. Wie gesagt: der Figur angemessen. Aber nicht sonderlich variantenreich.

War das wirklich oscarreif? Angelina Jolie konnte in "Changeling" wirklich alle Register ziehen und brillierte in ausnahmslos jeder Szene. Ich fand ihre Christine Collins deutlich besser als Kate Winslets Hanna Schmitz.


Wie bei allen Preisen kann man da immer trefflich streiten - "Changeling" hab ich allerdings nicht gesehen, da fehlt mir der Vergleich. Aber mehr als einen Gesichtsausdruck hatte Kate Winslet schon drauf ...
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