Alle Jahre wieder mache ich mir für den Poll der Dutch Progressive Rock Pages (www.dprp.net) Gedanken über die besten Prog-Platten des vergangenen Jahres (falls ich den Poll nicht vergesse, was auch vorkommen kann ...). Das ist gar nicht so einfach - ein Jahr ist lang, und wer weiß am Ende schon noch, welche Platte wann erschienen ist. Beispiel: Spontan hätte ich Pendragons sehr überzeugende Pure unter 2009 eingereiht. War aber leider schon 2008, darf also nicht genannt werden. Zum Glück haben die DPRP-Jungs eine Releases-Seite, die einen hoffentlich halbwegs vollständigen Überblick über 2009 bietet (da auch Live-Alben und Rereleases aufgeführt sind, darf ich anmerken, dass die Van-der-Graaf-Generator-Live-Scheibe Live at the Paradiso fehlt; auch Insurgentes von Steven Wilson steht nicht drauf - da gab's aber wohl schon eine Ultra-Limited-Vorveröffentlichung). Mir hat die Liste aber trotzdem ordentlich geholfen.
Ich benenne dann mal folgende Top Ten, wobei die Grenzen da sehr fließend sind, am einen Tag gefällt mir die eine Platte besser, am anderen die andere. Man kennt das ja. Aber irgendwie muss ich ja entscheiden. Also:
1. Porcupine Tree - The Incident
Die Band, die mich - seit ich sie 2000 oder 2001 für mich entdeckt habe - kein einziges Mal enttäuscht hat. Dieses Mal ging das neue Album wieder etwas schneller ins Ohr, als das bei Fear of a blank Planet der Fall war. Abgenutzt hat es sich trotzdem noch nicht.
2. IQ - Frequency
Das ist knapp. Auch Frequency ist ein tolles Album geworden, macht den mäßigen Vorgänger Dark Matter vergessen und knüpft an The Seventh House und noch frühere Glanzzeiten an. Dass der Limited Edition eine DVD mit einem kompletten Konzert-Mitschnitt beiliegt, ist auch ein nettes Schmankerl.
3. Van der Graaf Generator - Live at the Paradiso
Die erste Live-Platte schon auf Platz drei - das spricht nicht unbedingt für die Qualität des Jahrgangs (der tatsächlich auch nicht so herausragend war). Andererseits können VdGG, auch als Trio, bei mir einfach nur wenig falsch machen. Die Aufnahme stammt vom 14. April 2007 (Paradiso, Amsterdam), ich selbst hatte die Band auf dieser Tour elf Tage vorher in Stuttgart gesehen und war beeindruckt wie lange vorher und hinterher nicht mehr. Die CD fängt diese Faszination, die die drei älteren Herren vermitteln, ganz gut ein - die begleitende DVD liegt auch hier, ich habe sie mir aber mangels Zeit noch nicht angesehen.
4. Steven Wilson - Insurgentes
Wie langweilig - schon wieder Herr Wilson, diesmal mit seinem Solo-Album, das - wie oben erwähnt - als Deluxe-Version schon im November 2008 erschienen ist, für die Normalsterblichen mit dem normalen Geldbeutel dann aber erst im Februar 2009. Dass die Platte nicht weiter vorne steht, verhindert ihre Uneinheitlichkeit - Insurgentes kommt eigentlich nicht wirklich als Album daher, sondern mehr als Ansammlung von Songs (die, wenn man Herrn Wilson böse will, vielleicht von irgendwelchen seiner zahllosen anderen Projekte übrig geblieben sind). Auch wenn ich Porcupine Tree, No-Man und Blackfield allesamt sehr gerne höre - hier passt das nicht immer überzeugend zusammen; einige tolle Stücke sind aber trotzdem dabei.
5. Transatlantic - The Whirlwind
Was war ich skeptisch ... Neal Morse, ehemals Spock's Beard, dem Gott gesagt hat, er solle die Band verlassen, hat mich in den letzten Jahren gehörig mit seinem Gospel-Prog verprellt (es braucht bei mir immer ein paar schlechte Platten hintereinander, bis ich nicht mehr in den Laden gehe). Als dann die Transatlantic-Reunion (mit Mike Portnoy, Pete Trewavas und Roine Stolt) angekündigt wurde, habe ich zunächst das Schlimmste befürchtet. Das ist - Gott (?) sei Dank - nicht eingetreten. Zwar bin ich mit dem eigentlichen Album bis jetzt noch nicht so richtig warm geworden. Aber die Bonus-CD ist der Knaller: Vier eigene Songs (alle hörenswert, keinesfalls Abfall-Material), vier richtig gute Cover-Version (Stücke von Genesis, Procol Harum, America & den Beatles sowie Santana). Ich hab's noch nicht erlebt, aber hier ist tatsächlich mal die Bonus-CD besser als das eigentliche Album. Eine Making-of-DVD gibt's auch noch. Wenn ich mal 104 Minuten lang Zeit dafür finde, werde ich vielleicht darüber berichten ...
6. UKZ - Radiation
Noch eine Überraschung: Eddie Jobson kehrt aus dem musikalischen Früh-Ruhestand zurück. Nachdem aus einer mal geplanten UK-Reunion nichts wurde, gibt es jetzt also mit einem Bandprojekt namens UKZ ein Lebenszeichen. Eine EP mit vier Stücken, die ein bisschen wie die moderneren King Crimson klingen (Trey Gunn ist bei UKZ auch mit dabei ...). Kann man sich anhören - von Plänen für ein komplettes Album habe ich aber bislang noch nichts gehört.
7. Pendragon - Concerto Maximo
Die zweite Live-Scheibe auf dieser Liste, diesmal von Pendragon. Wenn ich schon ihre Pure-CD nicht nehmen darf, muss halt die jüngste Live-Aufnahme dran glauben. Das Konzert fand am 13. Oktober 2008 in Kattowitz/Polen statt, ich habe die Band auf der betreffenden Tour (zum 30-jährigen Bestehen) acht Tage später in Aschaffenburg gesehen. Damals wie auch auf der CD konnte ich mich davon überzeugen, dass der neue Schlagzeuger Scott Higham ein wirklich guter Griff ist. Die Setliste bietet zudem einen schönen Querschnitt durchs Schaffen der Band.
8. Nektar - Fortyfied
Und noch ein Live-Album, diesmal gar zum 40-jährigen Bandbestehen: So lange sind zwar nur Roye Albrighton und Ron Howden (dem man's auch ansieht) Mitglieder von Nektar, aber auch die beiden "Neuen" - Peter Pichl und Klaus Henatsch - sind richtig gute Musiker. Die Doppel-CD, auf verschiedenen Konzerten 2008 aufgenommen, ist praktisch eine Best-of-Zusammenstellung: von Dream Nebula (vom Debüt Journey to the Centre of the Eye) bis zu Doctor Kool (vom 2008er Album Book of Days) ist alles vertreten, was vertreten sein muss. Gutes Teil!
9. Riverside - Anno Domini High Definition
Die älteren Alben dieser polnischen Band sind mir ehrlich gesagt besser ins Ohr gegangen. Das wird vielleicht hier auch noch, momentan herrscht aber eher der Eindruck eines soliden, leider nicht herausragenden Albums vor. Eine Live-DVD ist übrigens auch dabei. Man ahnt es: Ich habe sie noch nicht gesehen (steht seit Juni im Regal ...).
10. The Tangent - Down And Out In Paris And London
Diese CD ist noch zu neu (November), um wirklich viel über sie sagen zu können - ich hatte einfach noch nicht oft die Gelegenheit, sie mir anzuhören. Was ich bis jetzt gehört habe, gefällt mir ganz gut, reißt mich aber auch nicht vom Hocker. Da bleibt's wohl dabei, dass die ersten beiden Tangent-CDs auch die besten Alben der Band um Andy Tillison waren. Trotzdem ist das immer noch besser als vieles andere, was ich mir im letzten Jahr gekauft oder auch nur angehört habe ...
Keinen Platz im Ranking gibt's beispielsweise für Marillion (Less is more - so ein Schrott), die Agents of Mercy (The Fading Ghosts Of Twilight - eins der ungezählten Roine-Stolt-Projekte, leider auch eins der schwächsten) und ein paar andere. Ich will ja hier niemanden langweilen ...