Der Plan hinter dem Plan
Zunächst natürlich das große Eingeständnis: Ich hab das Buch verwechselt!
Wiederlesen wollte ich "Blinde Passagiere im Raum 100" von Peter Lorenz.
Tja, der wird dann erstmal warten müssen.
Aber vermutlich sind die Schwarzen Blumen auch der spannendere Teil der Entdeckungsreise. Warum?
Diese Sprache, diese Bedeutungsschwere, diese Andersartigkeit!
Alfred Leman schreibt mit naturalistischer Blicklust. Die Sätze triefen vor Bilder und unmöglichen Wendungen, nur selten begegnet man dem Normalen. Der Leser wird gezwungen sich ganz auf diese besondere Sichtweise einzulassen.
Vielleicht ist dieser extravagante Stil ein Tarnnetz wider die Zensur gewesen, jedoch bedarf es schon einer ausgefeilten Stilistik und Sprachbeherrschung, um so etwas durch zu ziehen.
Tatsächlich erschließt sich die Handlung erst spät und auch bis zur Hälfte, wo ich gerade bin, nicht vollständig. Ein Zensor dürfte schon kapituliert haben, der Lektor fleht nach jedem Satz um Gnade.
Das Schöne aber an alten DDR-Büchern ist, dass man immer nach versteckten Kritiken suchen kann und natürlich fündig wird. Eine himmlische Stelle will ich mal zitieren:
Dieser Absatz gehört zu einer längeren Auslassung und steht einem der Biographie-Kapitel vor, mit denen Leman nach und nach seine Figuren erklärt. Fast genau in der Hälfte des Romans, als ersichtlich wird, dass der Plan an der Wirklichkeit zu scheitern beginnt, obwohl alle daran arbeiten, ihn zu erfüllen.
Die Station, deren Aufgabe hauptsächlich in der Erfüllung des Plans besteht, scheint mir immer mehr zum Synonym für die DDR zu werden. Die Welt jenseits der Schleusen ist fremd, aber verheißungsvoll, nicht umsonst locken die Schwarzen Blumen, empfinden die Frauen ihre tänzerischen Berührungen als erregend.
Hach, es macht einfach Spaß in eine so symbolträchtige Lektüre einzutauchen.
Und es erstaunt mich immer wieder, wie selten man auf ähnliche Freuden in aktuellen Romanen stößt.