Gerade zu Beginn, quasi die gesamte erste Hälfte, hatte ich keinen Plan, worum es in den Buch ging oder wo der Autor mit mir hin will. Aber die grandiose Sprache verhinderte ein vorzeitiges Abbrechen.
Inzwischen hab ich das Buch richtig liebgewonnen. Und die vielen Figuren. Und den ganzen Sex.
Dennoch kann ich schon sagen, dass Pynchon mehrere Sachen bei mir erreichte. Zum einen schreib ich weniger. Klar das kann auch andere Gründe haben, aber wenn man beständig vor Augen hat, was alles möglich ist und wie wenig man davon selbst beherrscht, dann motiviert mich das nicht so. Das betrifft allerdings nur die Prosa. Ich glaube, bei der Lyrik, hat mich der Roman doch stark weirtergebracht. Unten findet sich dann auch ein Text zum Buch.
Was anderes ist eine neue Art von Geschichte-Sehen. Zwar hantiert Pynchon mit der Historie recht frei und es gibt eine breite Parallelverschiebung, aber er zeigt auch eher Prozesse und Vernetzungen, die man aus punktuellem Geschichtsstudium so nicht entdeckt. Gerade die amerikanische Gewerkschaftsbewegung oder das Balkan-Feeling, hat mir Pynchon sehr ins Bewusstsein geschrieben. Da liest man dann andere Bücher komplett anders.
Und natürlich liegt der nächste Pynchon schon bereit, aber hundert Seiten Pynchon können sich gern auf mehrere Monate verteilen.
Ich bin schon gespannt.
Gegen den Tag
Während der Bahnhof zerfällt
schlingt sich der Untergrundwurm
durch die Löcher der Städte
Wer spricht da?
Im Spalt des Buches
ein Faden wie Blut
Lianengewebe
für das Springen in Sätze
Sieh die befeindeten Reiche
Wortvektoren mit Mörsern aus Spatzen
am Rande der Tage
noch Explosionen
„In Liebe“
vielleicht
ein Kreuz, ein Grabsteinspruch
ein Wedeln der Zeit
beim Gassengehen
das Queren der Kinder
im saftigen Schatten der Anarchie
Gefährten des Luftballons
Einmal durch die Erde
Tauchfahrt im Sand
mathematische Pfade
ein Tritt daneben auf der Blitzableiter
In kleinen Schlucken
der schwere Liqueur Lektüre
Eine Jagd für die Söhne
im Dreck dreier Länder
gibt sich die Schwester den Mördern hin
und ein Schuss im Genick
oder das tröstende Tornadoauge
bewachen das junge Glück
Wechselnde Seiten
Zahlen, Zahlen!
und die ewige Mitte
hauchweicher Häute
Während der Bahnhof zerfällt
schlingt der ausgedörrte Untergrundbach
durch die Höhlung der Stadt
explizieren ihre Klag',
demonstrieren gegen's Wetter,
für die Nacht, gegen den Tag.
Lieber Vornamensvetter,
Deine Lyrik ist ausgereift, steckt voller Bilder und Assoziationen und spricht tiefe Schichten im Leser an.
Danke für das schöne Gedicht!
Wenn der Pynchon Dich zu solchen lyrischen Höchtsleistungen inspiriert, muss das Buch was taugen.
Gruß
Ralf