0
Attacke
Geschrieben von
schnei17
,
21 Oktober 2007
·
383 Aufrufe
Es ist Samstagnachmittag. Ich fege den Bürgersteig vor unserem Haus. Wie immer bei montonen Tätigkeiten versinke ich schnell in Phantasiegebilden, in Geschichten. Innerhalb weniger Minuten habe ich meinen Helden in eine auswegslose Situation manvöriert und jetzt gilt es, ihn da wieder herauszuholen, ohne den verehrungswürdigen Gott der Autoren, den Zufall, allzu sehr zu strapazieren. Ich fege, kehre, denke, grüble, während das U-Boot mit meinem Helden an Bord wegen ausgefallener Steuersysteme immer tiefer sinkt. Lassen sich die Tanks anblasen? Nein, der Computer weigert sich, die Pressluftventile zu öffnen. Zu gefährlich in dieser Tiefe. Als wenn es sicherer wäre darauf zu warten, dass der steigende Wasserdruck die stählerne Hülle zerquescht wir eine Konservendose. Jetzt streikt auch noch die Sauerstoffversorgung. Und es geht weiter Richtung Meeresgrund, abwärts wie in einem Fahrstuhl. Plötzlich schießt eine Thöle auf mich zu, eine Art Zottelbär mit Halsband. Ehe ich mich versehe, beißt mir das Vieh ins Bein. Ich bin verärgert, hat man denn nie seine Ruhe? Ich schüttle den Kläffer von mir ab, fege weiter und frage mich, ob ich die restliche Energie auf den Sekundärbus umleiten kann, um wenigstens die Elektromotoren in Gang zu setzen. Blut tropft mir durch das Hosenbein in den Schuh. Die Hundebesitzerin kommt aufgeregt angerannt, faselt irgendwas von Notarzt und Versicherung. Jetzt bin ich völlig sauer. Noch ein Störenfried. Ich murmle etwas von "keine Zeit jetzt" und "später" und erkenne, dass ich für die Stromumleitung zwei Sicherungen überbrücken muss. Die Frau ist immer noch hysterisch, gestikuliert wild mit den Armen und sagt mir ständig, wie furchtbar leid ihr das alles tue. Mir platzt der Kragen, kapiere ich doch, dass ich keine Ahnung habe, wie man einen Hochspannungsschaltautomaten überbrückt. Ich blaffe die Frau an, sie solle mich in Ruhe lassen und ich hätte ganz andere Probleme. Minutenlang starrt sie mich entgeistert an, während ich weiterfege und vor mich hinbrabble. Wo zum Teufel laufen die Stromschienen,? Gibt es irgendwo Pläne in diesem verdammten Boot? Schließlich dreht sich die Frau wortlos um und trollt sich, im Schlepptau ihr beißwütiger Flohteppich, der mir noch einmal zuknurrt, so als wolle er mir sagen, dass ich beim nächsten Mal richtig dran wäre. Eine halbe Stunde später ist mein Held wieder an der Oberfläche, glücklich, auch wenn es Verluste gab. Das Bein tut noch etwas weh, aber der Bürgersteig ist sauber, bis auf ein paar Blutflecken. Alles ist gut, nur habe ich jetzt eine Nachbarin mehr, die mich zumindest für etwas ... exzentrisch hält. Muss ich mir Sorgen machen?