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Jagdszenen
Geschrieben von
schnei17
,
16 Dezember 2007
·
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Es gab eine Zeit, da kannte ich Mäuse nur aus der Zoohandlung. Kleine wuschelige Dinger, die entweder vor sich hindösen oder rumflitzen wie auf Ecstasy. Seit wir eine Katze haben, ist meine Beziehung zu den knuddeligen Nagern bedeutend intensiver. Eigentlich hatte ich das Gegenteil erwartet. Auf jedem ordentlichen Bauernhof trifft man auf ein halbes Dutzend Katzen, die Kuhstall, Heuschober und Scheune von Mäusen freihalten. Biologisch-dynamische Schädlingsbekämpfung, politisch völlig korrekt und dazu noch CO2-neutral. Deshalb haben wir uns eine Katze angeschafft. Wegen den Mäusen im Keller. Nicht dass wir welche hatten, aber wir wollten, dass es auch so bleibt. Leider ging der Schuß nach hinten los. Jetzt haben wir nicht nur eine Katze, sondern auch Mäuse. Und die auch noch in ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen. Noch relativ harmlos ist die vom Stubentiger irgendwo in freier Natur erlegte Beute, die aus lauter Liebe und Dankbarkeit in unmittelbarer Nähe des Ehebettes abgelegt wird. Der morgendliche, barfüßige Tritt auf den felligen Leichnam erspart die kalte Dusche zum Wachwerden. In seinen Auswirkungen bedeutend schwerer zu kontrollieren ist der nächtliche Blutrausch des Katzenviehs, der seine hässlichen Spuren in Form zerstückelter Kadaver vorzugsweise auf dem penibel gepflegten Rasen des Nachbarn hinterlässt. Die Köngisdisziplin ist jedoch das lebende Spielzeug. Eine Maus, die sich zur allgemeinen Begeisterung gerne mal in Küche oder Wohnzimmer aus den nachlässig genutzten Fangzähnen windet und ihr Heil in der Flucht sucht. Erstaunlich, dass so ein bereits schwer angeschlagenes Tierchen in der Lage ist, die Tapete hochzulaufen und ein paar Zentimeter über die Decke zu jagen, nur um dann mit der gefühlten Wucht einer Kanonenkugel in den Mittagstisch einzuschlagen. Noch erstaunlicher ist die Verwüstung, die eine Katze hinterlässt, wenn sie Sekundenbruchteile später den exakt gleichen Weg nimmt. Diese Art der Wochenendbelustigung endet jedoch regelmäßig so, wie es kommen muss: Zwischen den Trümmern der letzten IKEA-Schnäppchen haucht das Mäuschen sein armseliges Leben aus, umringt von heulenden Kindern, die durch tausendfaches Kino-, Fernseh- und Computerspielgemetzel offensichtlich noch nicht hinreichend auf die Grausamkeiten des Daseins vorbereitet wurden. Und da soll man noch schreiben ...