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Open Air 08 - Inside

Geschrieben von thomas t , 22 August 2008 · 456 Aufrufe

Inside
Inside, das bedeutet, ich war an Planung, Organisation und Durchführung dieses Events beteiligt. Das stellt mich natürlich vor ein Dilemma, denn zum einen kann ich jedem einen 1A-Blick aus allererster Hand hinter die Kulissen eines solchen Großprojektes bieten, zum anderen darf ich natürlich keine internen Geheimnisse verraten. Mal sehen wie ich diesen Spagat schaffe wink.gif

Ich hörte Anfang Jänner zum ersten Mal, dass wir dieses Jahr ein zehntägiges Festival veranstalten. Meine erste Reaktion war schlicht und ergreifend: „Seid ihr wahnsinnig?!“
Aber es bot sich an. Unser normales Open Air sollte von 8. bis 9. August stattfinden. Das Space Farm Ahoi Festival am Wochenende darauf. Was lag da näher als sich auf ein Packerl werfen (wie es bei uns so schön heißt), das Risiko zu teilen und die Woche dazwischen auch noch zu füllen, zumal der 15. ein Feiertag war. „So viel Mehraufwand wird es schon nicht sein“, war der einhellige Tenor.
Wir sollten uns gründlich irren.

Vorbereitungen

Das Organisieren der Bands im Vorfeld war ja noch Halbwegs leicht, sieht man von den üblichen Problemen mit den Managern ab. Wir vom Kulturvogel besorgten das erste Wochenende und die Leute von Space Farm das zweite.
Mit Bands wie Attwenger (Österreichs bekannteste Alternativfolkband), MAUF (österreichische Beatboxmeister), A geh wirklich (eine Wiener Hip Hop Formation, die derzeit bei FM4 rauf und runter gespielt wird) und Shakadelix (den Local Heros) sollte das erste Wochenende das Kommerzielle werden. Das Zweite sollte mit absolut unbekannten Bands, die Rock im Stil der späten 60er / frühen 70er sowie psychodelisches spielen, das Geile werden. Die bekannteste Band hier war wohl Colour Haze.
Wir schafften einen bunten Stilmix, geradezu ideal für den Kulturvogel. Denn eine unserer Agenden ist es möglichst viele Menschen unterschiedlichsten Alters und Subkulturen zusammenzubringen.
Unter einem ähnlichen Gesichtspunkt wurde das Lesungsprogramm zusammengestellt. Phantasten neben „normalen“ Literaten (Belletristik, Poetry Slam und Spoken Word).
Bei den Workshops, die vor allem die Woche füllen sollten, haben wir geschlampt. Wir haben es verabsäumt Kollaborationen mit anderen Vereinen zu starten. Vor allem mit der hiesigen Jungkünstlervereinigung. So gab es an Workshops „nur“ Beatbox, Trommeln, Cajongas und Didgeridoo.
Auch ein Kinderprogramm haben wir organisiert. Schließlich sind in unserem Zielpublikum viele junge Familien.

Wir würden 1000 Gäste benötigen um bare zu sein, das heißt, dass die Gagen rein vom Eintritt bezahlt werden konnten. So viele wie noch nie. Ein normales Open Air von drei Tagen verschlingt bereits ein Drittel unseres Jahresbudgets und dieses hier ... nun man kann es sich ausrechnen. Da eine meiner Hauptaufgaben die Verwaltung des Vereinsgeldes ist, wurde ich immer nervöser je näher das Festival kam.

Die Woche vor dem Festival war rein dem Aufbau gewidmet. Wir waren jeden Abend überrascht, wie schnell wir immer das Tagespensum schafften. Trotzdem war uns klar, dass der Freitag stressig werden würde. Denn das Wichtigste (Anlage, Verkabelung, Zäune,...) kann immer erst kurz vor Beginn gemacht werden.

Das erste Wochenende

Die Nacht von Donnerstag auf Freitag habe ich so gut wie gar nicht geschlafen. Mich plagten Alpträume. Noch nicht einmal vor meiner Matura war ich so nervös.

Der Freitag begann um zehn Uhr morgens natürlich mit Aufbau. Wir mussten unter anderem schnell eine wetterfeste Open Air Galerie improvisieren, da sich kurzfristig eine Künstlerin mit der Ausstellung „Muschis On Tour“ angekündigt hatte. Eine Aktion, die im Rahmen des niederösterreichischen Viertelfestivals stattfand.
Um 15 Uhr begann das, was wir alle befürchtet hatten: Regen, der bis zwei Uhr nachts nicht aufhörte. Wir trösteten uns damit, dass es der hässlichste Tag bis zum nächsten Freitag sein würde und so war es auch. Am Samstag schien schon wieder die Sonne.
Um 17 Uhr wurde das Festival offiziell eröffnet und um 18 Uhr konnte ich endlich frühstücken und mein erstes Bier genießen.

Bei diesem Wetter hatten wir gar nicht mit einem Ansturm gerechnet, und die Crew am Eintritt kam auch nie in Stress, trotzdem kamen unerwartet viele. Schon nach den ersten beiden Tagen waren wir halb bare.
Wir hatten auch Deutsche, Italiener, Engländer und Norweger hier. Die Norweger hab ich zwar nicht gesehen, aber ich weiß das sie da waren. Sie haben schließlich eine der wenigen Vorverkaufskarten bezahlt. Man sprang also sprachtechnisch immer zwischen Österreichisch, Deutsch und Englisch hin und her.
Sogar ein Gothic-Pärchen war anwesend. Auch wenn ich nicht weiß, wie die sich zu uns verirrt haben wink.gif
An dieser Stelle möchte ich mich gleich bei den Gästen bedanken. Ein derart freundliches, gemütliches, verständnisvolles und engagiertes Publikum ist echt selten. Wir hatten keine einzige Schlägerei. Zum Glück haben sich die Securities bereits daran gewöhnt, dass sie bei uns kaum etwas zu tun haben wink.gif

Die Lesungen gingen bei dem Wetter naturgemäß unter. Wir mussten sie Indoor verlegen, anstatt - wie geplant - sie im Hof abzuhalten, bei dem es jede Menge Laufpublikum gegeben hätte. So hatten sie nicht das Publikum, dass sie eigentlich verdient hätten.

Die Bands waren alle fantastisch. Obwohl eine eher unbekannte Gruppe starke Anzeichen von Starallüren zeigte haben auch sie ein geiles Programm abgezogen. Auch die Aftershows (am ersten Tag Reggae, am zweiten Hip Hop) waren mehr als nur gut besucht.

Das zweite Wochenende

Was unter der Woche (für uns Sonntag, Montag und Dienstag) geschah weiß ich nicht. An diesen Tagen gab es keine Lesungen und keinen Eintritt, ich hatte also frei und habe die Zeit genutzt um mich zu regenerieren, was mir nicht ganz gelang. Ich habe aber gehört, dass fleißig auf der Hauptbühne gejamt wurde. Die Workshops, die von Montag bis zum Freitag dauerten waren auch gut besucht.
Auch habe ich gehört, dass es am Sonntag Probleme mit der Barorganisation gab und unsere Geschäftsführerin deswegen 72 Stunden durchgemacht hat. Da die Verantwortung für die Bar bei der Location lag und nicht bei uns, hätte sie das nicht machen müssen. Aber natürlich haben die Gäste Vorrang. Hier zeigt sich bereits, dass wir die Dauer des Festivals unterschätzt hatten.

Am Mittwoch fing unser Wochenende wieder an. Das Lineup zog vor allem Hippies - Entschuldigung: Alternative - an. Kurz tauchten auch ein paar Goas auf, die drehten aber sofort wieder um, als sie Livemusik hörten, keine Elektronik.

Ein Highlight war am Donnerstag das Konzert des Trios Manu Delago, Axel Mayer und Klaus Falschlunger. Sie stellten ein neues Schlaginstrument vor: Das Hang (im Dialekt von Bern: Hand). Das Ding sieht aus wie ein UFO und man kann damit sowohl Rhythmen, als auch Melodien spielen. Die restlichen Instrumente (Didg und Sitar) waren daneben fast schon konventionell. Es war das Konzert, auf das ich mich persönlich am meisten gefreut habe.

Dann kam der zweite Freitag, der Fünfunddreißig-Liter-pro-Quadratmeter-pro-Stunde-Freitag. Er wird mir wohl ewig in Erinnerung bleiben. Einmal, weil wir mit niemanden gerechnet haben und dann doch 80 zahlende Tagesgäste kamen, und vor allem wegen dem Konzert von Colour Haze.
Aufgrund des Tiefdruckgebietes, das mit voller Härte über uns herein brach, wurden alle Konzerte in die Räumlichkeiten des Böllerbauern verlegt und das geplante 24-Stunden-Open-Air-DJ-Lineup abgesagt.
Die Verlegung war kein Problem, die Location ist schließlich bestens ausgestattet und verfügt über einen großen offenen Kamin. Aber als Colour Haze loslegen sollte hat das Publikum geschlossen darauf bestanden, dass sie draußen auf der großen Bühne spielen. Als es soweit war sind alle vor der Bühne gestanden und haben im Regen und Schlamm getanzt. Jetzt weiß ich, dass es kein mieses Festivalwetter gibt. Nur miese Ausrüstung und Publikum.

Das der kleine Kamin im Cafe auch angeheizt wurde war fantastisch. Hier konnte man sich aufwärmen (schon mal einen Menschen dampfen gesehen?), quatschen und die Musik auf einer vernünftigen Lautstärke genießen.

Der Samstag war dann ... den Gästen hat er gefallen, aber wir vom Team waren alle froh, als es zu Ende ging. Am Sonntag gab es zum Glück keinen Eintritt und keine Lesungen, also bin ich gleich nach Kassaschluss nach Hause gefahren um den Sonntag durchzuschlafen.

Lesungen

Wie schon gesagt mussten wir am ersten Wochenende die Lesungen unter Dach, genauer gesagt in den Seminarraum verlegen. Am Mittwoch und Donnerstag konnten wir sie wie geplant Open Air abhalten, doch am zweiten Wochenende mussten wir auch wieder in den Seminarraum wandern. Wie sich zeigte machte das kaum einen Unterschied. Literatur ist auf einem Festival halt nur ein zusätzliches Gimmick, und wir Autoren sind niedrige Zuhörerzahlen ja gewöhnt.

Mir persönlich hat Jan Große am besten gefallen. Ich liebe einfach seine Steampunkwelt. Das Essay von Andreas Gruber über die Autoren war sowohl treffend als auch witzig. In Erinnerung bleiben werden mir auch noch jimi 'river' lend. Er weiß einfach wie er mit einem Publikum umzugehen hat. Ich frage mich ob er nicht nur im Poetry Slam, sondern auch im Hip Hop aktiv ist. Den passenden Stil hätte er. Und dann noch Cornelia Travincek und melamar. Wer glaubt nur im Cyberpunk ließen sich dystopische Entwürfe verwirklichen sollte sich deren Erzählungen zu Gemüte führen. Auch wenn sie „nur“ Belletristik sind.

Abschließendes und Auswirkungen

Wir haben fleißig für die Künstler eingekauft, doch Donnerstag nachts wurde die Backstage entgültig gelehrt. Bier und Red Bull für die Gäste mussten nachgekauft werden. Guarana, Kräuter, Cola und Almdudler gingen ebenfalls aus und konnten nicht aufmunitioniert werden. Wie gesagt, wir haben die Länge des Festival unterschätzt.
Die Schnapsbar hat für mich überraschend durchgehalten, auch wenn die besten Schnäpse (wie Bärenfang) bereits am Mittwoch ausgingen.

Der Hauptkellner verlor von Sonntag auf Montag seine Stimme und fiel damit aus. Gleiches gilt für den Besitzer der Location, auch wen der es sich nicht leisten konnte auszufallen. Eine Kellnerin musste am Dienstag nach Hause geschickt werden, nachdem sie mehrere Tage fast durch gearbeitet hatte und noch immer nicht aufhören wollte / konnte (ihre Kinder wollten da bleiben). Aber schließlich schaffte sie es nach Hause, blieb dort zwei Tage und machte dann nur mehr die Mittagsschicht. Dafür sprangen die Leute von der Space Farm ein, die durchwegs gute Arbeit verrichteten.

Ich selbst ... Nun, anstrengend ist wohl das Wort, das für mich am besten zu dem Festival passt. Man kommt so gut wie gar nicht zum Essen und lebt nur von Bier und Red Bull. Gleichzeitig läuft man herum und steht ständig unter Strom, weil es hier etwas zu tun und dort eine kleine Krise zu lösen gibt. Am Donnerstag begann ich leicht zu stottern, etwas das mir noch nie passiert ist. Ich habe an diesem Wochenende mindestens fünf Kilo verloren und hätte ich keinen Internetzugang gehabt wäre ich wahrscheinlich gestorben. In der ersten Nacht im eigenen Bett lag ich stundenlang wach und habe gleichzeitig geträumt. Wohl weil die zehntägige Anspannung endlich nachgelassen hat.

Andere im Team hat das Festival noch fertiger gemacht. Die Hälfte des Vorstandes liegt derzeit (21. August) mit 38°+ im Bett.
Aber wir sind bare. Wir haben es geschafft. Den Kulturvogel wird es nächstes Jahr auch noch geben. Und wir sind uns einig, dass wir nie wieder ein so großes Festival machen wollen. Nie. Wieder.
Jetzt noch, und in einem halben Jahr?



Ich finde es auf jeden Fall toll, was ihr da auf die Beine gestellt habt! Das Festival war auf jeden Fall gut organisiert. Danke, dass ich in diesem Rahmen eine Lesung abhalten durfte!

Hier übrigens noch ein Bild von Thomas bei einer Open Air Lesung (na ja, wegen momentanem Schlechtwetter eben nicht Open Air, aber am Festivalgelände) für die Leser dieses Blogs:

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