Dieser Satz steht am Anfang der Story von Matthias Falke im neuen phantastisch!. Keine Erstveröffentlichung, die Geschichte habe ich früher schon einmal gelesen und zwar hier. Ist da eventuell mehr an der Geschichte dran, als sich auf den ersten Blick zeigt ? Ich brauchte nur den ersten Satz zu lesen, schon stand mir die gesamte Story wieder plastisch vor Augen. Passiert mir selten in dieser Eindringlichkeit, von daher bemerkenswert.
Aber besonders gut kam sie in der Besprechung nicht weg, oder täusche ich mich da?
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Ich kenne Matthias Falke eher als Autor langer Werke. Er hat mir schon zwei Trilogien angeboten, aber wie allseits bekannt sein dürfte, habe ich keine Möglichkeit, in absehbarer Zeit noch weitere Buchtitel ins Programm zu nehmen. Trotzdem werde ich ihn im Auge behalten. Da Armin für die Kurzgeschichten bei phantastisch! zuständig ist, wird er sich bei der Auswahl schon etwas gedacht haben.
Auf besonderen Wunsch von Alfred sage ich auch was, auch wenn's gar nicht so viel zu sagen gibt: Mir hat die Story gefallen. Allerdings ist mir entgangen, dass sie bereits veröffentlicht war - obwohl ich "Die rote Kammer" gelesen habe; offensichtlich habe ich da etwas verdrängt. Ob das am neuen Titel der Story liegt oder an meinem schlechter werdenden Gedächtnis oder daran, dass ich die Antwort des Autors auf meine Frage, ob die Story noch unveröffentlicht sei, falsch interpretiert habe, weiß ich nicht. Die Geschichte gefällt mir aber immer noch.
Karlsruhe/Baden, den 30. Januar 2010
Jetzt ist tatsächlich einem Leser aufgefallen, dass das „Sanduhrzimmer“ und „Klio“ im Prinzip der gleiche Text sind. Sie sind es nicht ganz: die ältere Version war stark gekürzt, die neuere ist deutlich länger und leicht überarbeitet. Das sind Fassungen. Mit den Details werden sich die Germanisten beschäftigen, die in 80 oder 100 Jahren die Historisch-Kritische Ausgabe meiner Sämtlichen Schriften erarbeiten werden.
Darüber hinaus fungierte die nämliche Erzählung als Titelgeschichte meines Bandes „In den Kammern jenseits der Zeit“, der bereits 2007 erschien. Als BoD, also „uneigentlich“. Bis heute ist auch nicht ein einziges Exemplar verkauft. Ist das also eine „Veröffentlichung“?
Der Text scheint Kopfzerbrechen zu bereiten, genauer: seine Aufnahme in das neue „phantastisch!“. Immerhin unterstellt man dem Herausgeber, sich dabei „etwas gedacht“ zu haben.
Ob man das auch dem Autor konzedieren dürfe, scheint zumindest ungewiss. Besagter Rezensent, AK aus HH - mein treuester Sammler und Leser! -, hat sich angesichts der Anthologie „Das Experiment“ schon gefragt, ob ihm bei der Klio-Geschichte irgendein „tieferer Sinn“ verborgen geblieben sei. Sonderbarerweise ist er dem anscheinend nicht weiter nachgegangen. Man ahnt, dass da eine Nuss zu knacken wäre, lässt es aber lieber sein. Es ist wohl zu beschwerlich? Dabei liefert der Text genügend Anhaltspunkte und offene Fäden, an denen man doch einmal ziehen könnte.
Die Protagonisten heißen Klio und Teiresias. Wenn einem die Namen nicht gleich präsent sind, kann man sie heute bequem bei Wikipedia nachschlagen. Klio war die Muse der Geschichtsschreibung, Teiresias der blinde Seher, bildungsfroheren Zeitaltern aus Sophokles†™ „König Ödipus“ geläufig. Es geht also um Geschichte und um den Verdacht, dass diese nicht logisch und linear verlaufe. Der Fluss der ZEIT ist ja offenbar etwas durcheinander. Die vielen Uhren könnten an Ernst Jüngers „Sanduhrbuch“ denken lassen, in dem der Unterschied zwischen Elementar- und Räderuhren als fundamentale Differenz zwischen Antike und Neuzeit herausgearbeitet wurde. Dann taucht ein Skarabäus auf, das alte ägyptische Symbol des Todes, aber auch der Unsterblichkeit. Er zerfällt selbst zu Staub. Der Tod stirbt. Er betrifft immer nur das Individuum, aber die Geschichte geht über es hinweg. „Der“ Mensch ist unsterblich. Die Geschichte geht, Fukuyama zum Trotz, immer weiter.
Die Kirche auf der „mexikanischen“ Plaza gleicht im Inneren dem Palast der Gorgo Medusa, die die Eindringlinge durch ihren bloßen Blick versteint. Die Religion ist keine Zuflucht mehr, sondern wartet, seit „Gott tot ist“, selbst mit unaussprechlichem Entsetzen auf: dem Nichts, der Leere. Klio selbst versteint. Mexiko ist ein alter Inbegriff für besonders grausame Kulte und Rituale, also abermals für die Nachtseite von Kultur und Religion. Auf der Plaza steht ein ewig strömender Brunnen. Das „Wasser des Lebens“? Aber man kann es nicht trinken. Es gibt das „ewige Leben“ nicht, um dessentwillen die Menschheit seit Jahrtausenden die absurdesten Dinge auf sich genommen hat.
Am Ende scheint es zurück auf „Los“ zu gehen. Doch auch das ist trügerisch. Es kommen die Fliegen. (Frank Haubold wollte den Schlusssatz streichen. Ich bestand auf ihm. Er ist wichtig!) Die Fliegen nähern sich, wo Aas und Verwesung locken. Auch wenn DIE Menschheit unsterblich ist, bin ich es nicht. Ich muss mich mit dem Ende abfinden. Philosophie, das steht schon bei Montaigne, heißt: sterben lernen. Nachdem Klio erstarrt ist und die „klassische Geschichte“ der Großen Kulturen im Sinne Spenglers endet, finden wir uns im Zwielicht des posthistoire wieder, das Geschichte ist und auch wieder nicht. Es geht weiter, aber man weiß nicht wie. Die Zukunft ist offen. Was sie für einen „Seher“ ja eigentlich nicht ist! Ist das „tieferer Sinn“ genug?
Das aber nur als Bruchstücke einer möglichen Selbst-Interpretation, nicht im Sinne einer verbindlichen Deutung. Literatur ist kein Rebus, bei dem am Ende ein Lösungswort herauskommt. Es geht nur um Andeutungen, Anspielungen, „Allusionen“. Um ein SPIEL mit Versatzstücken, Bildern, Namen, ein Glasperlenspiel meinetwegen.
Es freut mich zu hören, dass der Kollege Wurdack mich „im Auge behalten“ will. In der Tat habe ich auch von ihm schon einige hübsche Absagen im Archiv. Er kann sich aber beruhigen: ich werde ihn nicht mehr mit unverlangt eingesandten Manuskripten belästigen. Ich schreibe jetzt für die TITAN. (Meine bis jetzt aus drei (!) Trilogien bestehende ENTHYMESIS-Saga werde ich auf eigene Faust weiter vorantreiben.)
Interessant ist, um darauf noch einmal zurückzukommen, dass man sich öffentlich fragt, was denn der HERAUSGEBER sich dabei gedacht habe, einen solchen Text in sein Heftchen aufzunehmen. Warum fragt man nicht den Autor, ob und was er sich dabei gedacht habe? Er wäre ja greifbar! (Mein erster Erzählband hieß „Werben um Echo“. Er hat in vier Jahren keines erhalten.) Unsere Gesellschaft scheint generell den Herausgeber, den Interpreten, den Publizisten zu bevorzugen, nicht den Dichter, Schriftsteller oder Autor. Sie stellt den Schlagersänger höher als den Komponisten. Das Medium rangiert über dem „content“.
Immerhin werte ich es als Kompliment, dass Freund Kruse nach dem Lesen des ersten Satzes sofort die ganze Story wieder präsent hatte. Solche Leser wünscht der Autor sich.
Mit herzlichem Gruß in die Runde
Matthias Falke
Jetzt ist tatsächlich einem Leser aufgefallen, dass das „Sanduhrzimmer“ und „Klio“ im Prinzip der gleiche Text sind. Sie sind es nicht ganz: die ältere Version war stark gekürzt, die neuere ist deutlich länger und leicht überarbeitet. Das sind Fassungen. Mit den Details werden sich die Germanisten beschäftigen, die in 80 oder 100 Jahren die Historisch-Kritische Ausgabe meiner Sämtlichen Schriften erarbeiten werden.
Darüber hinaus fungierte die nämliche Erzählung als Titelgeschichte meines Bandes „In den Kammern jenseits der Zeit“, der bereits 2007 erschien. Als BoD, also „uneigentlich“. Bis heute ist auch nicht ein einziges Exemplar verkauft. Ist das also eine „Veröffentlichung“?
Der Text scheint Kopfzerbrechen zu bereiten, genauer: seine Aufnahme in das neue „phantastisch!“. Immerhin unterstellt man dem Herausgeber, sich dabei „etwas gedacht“ zu haben.
Ob man das auch dem Autor konzedieren dürfe, scheint zumindest ungewiss. Besagter Rezensent, AK aus HH - mein treuester Sammler und Leser! -, hat sich angesichts der Anthologie „Das Experiment“ schon gefragt, ob ihm bei der Klio-Geschichte irgendein „tieferer Sinn“ verborgen geblieben sei. Sonderbarerweise ist er dem anscheinend nicht weiter nachgegangen. Man ahnt, dass da eine Nuss zu knacken wäre, lässt es aber lieber sein. Es ist wohl zu beschwerlich? Dabei liefert der Text genügend Anhaltspunkte und offene Fäden, an denen man doch einmal ziehen könnte.
Die Protagonisten heißen Klio und Teiresias. Wenn einem die Namen nicht gleich präsent sind, kann man sie heute bequem bei Wikipedia nachschlagen. Klio war die Muse der Geschichtsschreibung, Teiresias der blinde Seher, bildungsfroheren Zeitaltern aus Sophokles†™ „König Ödipus“ geläufig. Es geht also um Geschichte und um den Verdacht, dass diese nicht logisch und linear verlaufe. Der Fluss der ZEIT ist ja offenbar etwas durcheinander. Die vielen Uhren könnten an Ernst Jüngers „Sanduhrbuch“ denken lassen, in dem der Unterschied zwischen Elementar- und Räderuhren als fundamentale Differenz zwischen Antike und Neuzeit herausgearbeitet wurde. Dann taucht ein Skarabäus auf, das alte ägyptische Symbol des Todes, aber auch der Unsterblichkeit. Er zerfällt selbst zu Staub. Der Tod stirbt. Er betrifft immer nur das Individuum, aber die Geschichte geht über es hinweg. „Der“ Mensch ist unsterblich. Die Geschichte geht, Fukuyama zum Trotz, immer weiter.
Die Kirche auf der „mexikanischen“ Plaza gleicht im Inneren dem Palast der Gorgo Medusa, die die Eindringlinge durch ihren bloßen Blick versteint. Die Religion ist keine Zuflucht mehr, sondern wartet, seit „Gott tot ist“, selbst mit unaussprechlichem Entsetzen auf: dem Nichts, der Leere. Klio selbst versteint. Mexiko ist ein alter Inbegriff für besonders grausame Kulte und Rituale, also abermals für die Nachtseite von Kultur und Religion. Auf der Plaza steht ein ewig strömender Brunnen. Das „Wasser des Lebens“? Aber man kann es nicht trinken. Es gibt das „ewige Leben“ nicht, um dessentwillen die Menschheit seit Jahrtausenden die absurdesten Dinge auf sich genommen hat.
Am Ende scheint es zurück auf „Los“ zu gehen. Doch auch das ist trügerisch. Es kommen die Fliegen. (Frank Haubold wollte den Schlusssatz streichen. Ich bestand auf ihm. Er ist wichtig!) Die Fliegen nähern sich, wo Aas und Verwesung locken. Auch wenn DIE Menschheit unsterblich ist, bin ich es nicht. Ich muss mich mit dem Ende abfinden. Philosophie, das steht schon bei Montaigne, heißt: sterben lernen. Nachdem Klio erstarrt ist und die „klassische Geschichte“ der Großen Kulturen im Sinne Spenglers endet, finden wir uns im Zwielicht des posthistoire wieder, das Geschichte ist und auch wieder nicht. Es geht weiter, aber man weiß nicht wie. Die Zukunft ist offen. Was sie für einen „Seher“ ja eigentlich nicht ist! Ist das „tieferer Sinn“ genug?
Das aber nur als Bruchstücke einer möglichen Selbst-Interpretation, nicht im Sinne einer verbindlichen Deutung. Literatur ist kein Rebus, bei dem am Ende ein Lösungswort herauskommt. Es geht nur um Andeutungen, Anspielungen, „Allusionen“. Um ein SPIEL mit Versatzstücken, Bildern, Namen, ein Glasperlenspiel meinetwegen.
Es freut mich zu hören, dass der Kollege Wurdack mich „im Auge behalten“ will. In der Tat habe ich auch von ihm schon einige hübsche Absagen im Archiv. Er kann sich aber beruhigen: ich werde ihn nicht mehr mit unverlangt eingesandten Manuskripten belästigen. Ich schreibe jetzt für die TITAN. (Meine bis jetzt aus drei (!) Trilogien bestehende ENTHYMESIS-Saga werde ich auf eigene Faust weiter vorantreiben.)
Interessant ist, um darauf noch einmal zurückzukommen, dass man sich öffentlich fragt, was denn der HERAUSGEBER sich dabei gedacht habe, einen solchen Text in sein Heftchen aufzunehmen. Warum fragt man nicht den Autor, ob und was er sich dabei gedacht habe? Er wäre ja greifbar! (Mein erster Erzählband hieß „Werben um Echo“. Er hat in vier Jahren keines erhalten.) Unsere Gesellschaft scheint generell den Herausgeber, den Interpreten, den Publizisten zu bevorzugen, nicht den Dichter, Schriftsteller oder Autor. Sie stellt den Schlagersänger höher als den Komponisten. Das Medium rangiert über dem „content“.
Immerhin werte ich es als Kompliment, dass Freund Kruse nach dem Lesen des ersten Satzes sofort die ganze Story wieder präsent hatte. Solche Leser wünscht der Autor sich.
Mit herzlichem Gruß in die Runde
Matthias Falke
Absolut einverstanden!
Matthias, danke für die Aufklärung. Auch mir ist das nicht geläufig, und zur Ehrenrettung aller ITler hat das weniger mit unserem Berufsfeld zu tun, als vielmehr wohl damit, daß wir viel Zeit mit Dingen zubringen, die so ganz anders gelagert sind.
My.
My.
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