So, ich versuche einmal, halbwegs geordnet das, was mir bei Collector auffiel und was Uwe kritisiert, aufzuschreiben.
Leider steht mein qualifiziertes Genörgel, das nahe am Text ist, woanders.
Das, was Du da kritisierst, sind theoretische handwerkliche Fehler. Da wird Dir niemand widersprechen. Das sagt aber noch lange nichts über den Text aus, den die Wirkung eines Textes wird nicht durch sprachtheoretische Überlegungen bestimmt. Von daher : Ja, Du hast Recht, es ist aber reines Beckmessertum.
Was macht denn z.B. die Hauptfigur Kris lebendig? Dass er sich "rein zufällig" in die einzige weibliche Figur im Roman verknallt? Ich weiß ja nicht einmal seine Haarfarbe! Kleine Gebrechen oder Ticks machen Figuren lebensnah. Nichts davon hat Kris! Nichtmal die Verlustangst um seine Tochter wirkt echt, weil er das seitenlang zu vergessen scheint. Der Typ ist einfach nur die Hauptfigur im Film. Er erfüllt diesen Zweck. Er lebt nicht.
Präzise hier fängt das an, was ich mit "Snobismus" bezeichne. Das Überangebot an 5000-Seiten-Reihen, in denen auch der letzte Leberfleck am Arsch der unwichtigsten Nebenfigur noch ausführlich mit historischer Herleitung inklusive Ahnenforschung ("So einen hatte schon sein Ururururururgroßvater, als er mit der Keule auf Mammutjagd ging. Der Leberfleck war ein Brandzeichen, aufgedrückt von den Volonen um den Clan der Unwichtigst zu kennzeichnen.") haben hier eine Erwartungshaltung erzeugt, die genau und nur eine Art von SF zulassen : Nämlich die miese Qualität, die ein Schwätzing zu Papier gibt. Oder eben ein Hamilton [wobei ich es immer noch empörend finde, daß Peter F. den gleichen Nachnamen hat wie Edmund]. Ein leichter, einfacher SF-Roman, in dem die Figuren nicht bis in die letzte Haarschuppe ausführlich dargestellt werden, wird - wie hier geschehen - als indiskutabel abgelehnt.
Nein, Kris hat keine "kleinen Gebrechen oder Ticks". Und seine Haarfarbe ist vollkommen irrelevant für den Roman. Er ist schlicht und einfach der Protagonist des Romans. Und er erfüllt diesen Zweck nicht schlecht.
Äh, Fremde in undurchdringlichen Rüstungen, die immer bloß "bedrohte Rasse Mensch" nuscheln, sind lebensnäher als Fremde in Lederkostümen, die immer bloß "Widerstand ist zwecklos" nuscheln? Für mich sind "lebensnahe" Bedrohungen zum Beispiel religiöse Fanatiker, wie der Priester Pretonius in Dirks Kaiserkrieger. Der ist fies, der ist ein Arsch. Die Collectors, wenn sie überhaupt mal auftreten, sind immer freundlich, und sie ermöglichen ihrer Nahrung jedenfalls ein besseres Leben als wir Erdlinge den Hühnern in der Massenhaltung. Klar ballern sie auch mal mit ihren föörchtbaren Lasern durch die Gegend, aber das tut Luke Skywalker auch.
Ja, die Collectors sind realistischer - weil sie sich an diversen klassischen Vorbildern orientieren und deutlich SF-orientierter sind als die Widerstandistzwecklos-Fuzzies. Das Pretonius-Beispiel, das Du anführst, ist irrelevant, weil es sich an einer ganz anderen Spielart der SF orientiert als
Collector. Diese "realistische SF" wird im Augenblick am besten von David Weber mit seinen
Honor Hamilton- und
Nimue Alban-Romanen geschrieben. (Dirks Roman habe ich noch nicht, ich warte noch auf das Hardcover) Diese SF ist aber bei genauerem Hinsehen nichts anderes als die Transposition geschichtlicher Ereignisse (England und Frankreich dienen hier als wenig verhüllte Vorbilder) in eine wenig phantastische Zukunft. Im Gegensatz dazu ist Collector einfach ein phantastischer Zukunftsroman, geschrieben aus der Lust am Fabulieren. Und das merkt man ihm auch deutlich an. Heitz hat drauf geschissen, das letzte Logikloch für Beckmesser zu stopfen. Es interessierte ihn nicht, ob ein Deutschprofessor seine Sprache unkorrekt fand. Er hat ganz einfach eine abgeschlossene Geschichte gradlinig erzählt, ohne sich auf Nebenschauplätzen und mit Nebenfiguren zu verlieren. Diese Kunst ist im Zeitalter der Trilogien als unterste Grenze für einen vernünftigen Genre-Roman ziemlich verlorengegangen, insbesondere auf dem Gebiet der Space Opera.
Was freilich nichts daran ändert, dass ich ihn recht unterhaltsam fand. Aber spannend? Meine Güte... Hyperion ist spannend. Aber Collector? Na ja.
Da sag' ich jetzt nix zu, das scheint extremst Geschmackssache zu sein.
Das ist richtig, aber Faye ist die einzige, zu der Kris relevanten Kontakt hat (sieht man von der Erstepersonplural-Sexbombe ab). Aber ich will da nicht drauf herumreiten - ich persönlich fand diese Beziehung etwas unglaubwürdig, aber ich gebe gern zu, dass man da unterschiedlicher Meinung sein kann.
Die interessanteste Figur, die mir am nachhaltigsten im Kopf geblieben ist, ist übrigens die Bischöfin Bishopness. Zwar fand ich sie in ihrem Fanatismus nicht sympathisch, als eine Art moderne Gotteskriegerin aber sehr klar und nachvollziehbar gezeichnet.
Was mir aufgefallen ist, ist der starke Rollenspiel-Bezug, den Heitz in seinem Roman herstellt. Auch wenn ich es nicht vorher gewusst hätte, wäre mir das in jedem Fall aufgefallen. Damit bin ich als alter Rollenspielhase der 80er aber eine der Zielgruppen dieses Romans - der die Attribute der Spielfiguren inklusive Fähigkeiten, "Spells" und dem dahinterliegendem Rollenspieler intuitiv versteht. Und daher auch einiges nachvollziehen kann, was ansonsten bei Nicht-Rollenspielern auf Irritationen stösst.
Ich habe mit Collector einen netten kleinen schnörkellosen SF-Roman aus dem
Space Opera-Segment gelesen, der auch gar nichts anderes sein wollte. Kein Meister- oder Lebenswerk, sondern nette Unterhaltung für Zwischendurch. Das, was früher Heinlein, Asimov und Anderson bekannt gemacht hat. Und damit auch die SF.
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