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Oliver Henkel: Die Fahrt des LEVIATHAN


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71 Antworten in diesem Thema

#1 Gast_Guido Latz_*

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Geschrieben 10 Juli 2010 - 08:06

Oliver Henkels neuer Roman, “Die Fahrt des LEVIATHAN†, erscheint im Atlantis Verlag. Um einen Eindruck zu vermitteln, worum es in seinem neuen Roman geht, habe ich heute heute eine Textstelle online gestellt. Wir weisen darauf hin, dass der Roman noch nicht fertig ist und es sich bei dieser Szene um eine noch unbearbeitete handelt. Der Roman erscheint als Paperback und Hardcover in der Edition Atlantis. Wilhelm Pfeyfer ging mit schnellen, festen Schritten die Pennsylvania Avenue hinab. Er war in Eile. Im Navy Yard, wo er mit dem eigens für ihn abgestellten Aviso Libelle eingetroffen war, hatte ihm niemand ein Pferd zur Verfügung stellen wollen, und kein Droschkenkutscher hatte ihn auch nur eines Blickes gewürdigt. Also musste er zu Fuß an sein Ziel gelangen, und das so rasch wie möglich. Seinen König warten zu lassen, war für ihn undenkbar. Das Capitol mit seiner noch immer unvollendeten Kuppel hatte Pfeyfer kaum im Vorübergehen eines beiläufigen Blickes gewürdigt. Für das müßige Bestaunen von Sehenswürdigkeiten fehlte ihm nicht alleine die Zeit, sondern auch jeglicher Sinn. Ein exakt ausgeführter Schwenk einer Infanteriekompanie im Parademarsch beeindruckte ihn mehr als architektonische Feinheiten, die sich vollkommen seinem Verständnis entzogen. So gut es ging, wich er den zahllosen lehmigen Pfützen aus, ohne dabei sein Tempo zu verlangsamen. Er hatte für diesen Anlass selbstverständlich seine Paradeuniform mit der weißen Hose angelegt, die er nun mühevoll vor jedem noch so kleinen Dreckspritzer schützen musste. Die Pennsylvania Avenue mochte schnurgerade und verschwenderisch breit angelegt sein, aber obwohl sie das Parlament mit dem Palast des Präsidenten verband und von repräsentativen Regierungsbauten und luxuriösen Residenzen gesäumt wurde, war sie unbegreiflicherweise nicht gepflastert. Jeder kleine Regenschauer verwandelte die Prachtstraße in einen gigantischen Schlammpfad. Und es hatte in der vorangegangenen Nacht reichlich geregnet. Natürlich hätte Pfeyfer auch auf den besser befestigten Bürgersteigen gehen können. Doch dort war das Gedränge so groß, dass er mit Sicherheit doppelt so lange gebraucht hätte, um das Weiße Haus zu erreichen. Er zog den Kampf gegen den Schmutz dem Kampf gegen die Menschenmassen vor.Dass er auffiel, war ihm natürlich bewusst. Er maß deutlich über sechs Fuß, trug zudem eine vor blanken Messingbeschlägen glänzende Pickelhaube auf dem Kopf und war ein Neger. Sein Aussehen zog unweigerlich alle Blicke auf ihn. Manche dieser Blicke waren bewundernd, manche einfach nur neugierig, andere aber unverhohlen feindselig. Die bewundernden Blicke kamen ausschließlich von den zahlreichen ehemaligen Sklaven, die nach wie vor untergeordnete schwere Arbeiten verrichteten. Washington mochte als Hauptstadt des Nordens Zentrum des Kampfes gegen die Sklavenhalterstaaten des aufständischen Südens sein; doch im Bundesdistrikt selbst war die Sklaverei erst im zurückliegenden April eher widerstrebend aufgehoben worden. Ebenso klar war Pfeyfer, dass die feindseligen Blicke vorwiegend von den eingesessenen weißen Bürgern Washingtons ausgingen. Wenn er in seiner preußischen Uniform, die den meisten von ihnen zumindest von respektlosen Zeitungskarikaturen her bestens vertraut war, durch Washington ging, dann war er für diese Leute die Verkörperung Karolinas. Und das ließ ihn in den Augen vieler unter ihnen unweigerlich zum Objekt ihres eisigen Widerwillens, ja sogar ihres Hasses werden. Sie hatten nicht vergessen, dass Karolina einmal South Carolina gewesen war und ohne Zweifel als dreizehnter Gründungsstaat ein Teil ihrer Nation geworden wäre, hätte nicht der Bruder Friedrichs des Großen seinerzeit die aufständische britische Kolonie für Preußen in Besitz genommen, ehe sie sich dem neuen Staatenbund anschließen konnte. Zwar war die unanfechtbare Rechtmäßigkeit dieser Erwerbung in Verträgen zwischen Preußen und den Vereinigten Staaten ausdrücklich festgestellt worden, doch mit Schriftstücken und Paragraphen hatte sich noch nie eine verletzte Volksseele beschwichtigen lassen. Sogar die Unterschrift des als nahezu unfehlbar verehrten George Washington hatte daran wenig zu ändern vermocht. Natürlich schwanden die antipreußischen Ressentiments in Amerika dahin, je weiter diese Ereignisse in die Vergangenheit rückten. Die meisten Menschen im Norden empfanden das Stück Preußen auf amerikanischem Boden nicht mehr als Fremdkörper. Doch im Süden hielt sich noch die Ansicht, Karolina sei Diebesgut und die bloße Existenz der preußischen Provinz eine permanente Provokation. In Major Pfeyfer gewann diese Provokation gleich doppelt Gestalt. Er repräsentierte nicht nur das preußische Karolina, er war auch noch schwarz. Somit vereinte er in seiner Person in konzentrierter Form alles, was der Süden an Karolina verabscheute. Und Washington war, ungeachtet seiner Rolle als Hauptstadt des Nordens, nicht nur geographisch eine Stadt des Südens. Pfeyfer war gar nicht wohl in seiner Haut. Aber er ließ es sich nicht anmerken. (Auszug aus “Die Fahrt des LEVIATHAN† von Oliver Henkel)

Bearbeitet von Guido Latz, 10 Juli 2010 - 08:09.


#2 Uwe Post

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Geschrieben 12 Juli 2010 - 09:12

Ein schwarzer Pickelhaubenträger aus einem preußischen Staat auf amerikanischem Boden :( Da hat sich Kollege Henkel ja mal wieder eine famose Alternativhistorie ausgedacht. Ich kann es kaum erwarten, das Buch zu lesen.
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#3 Gast_Guido Latz_*

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Geschrieben 20 September 2010 - 07:14

Anmerken sollte ich vielleicht noch, dass der Roman auch als eBook erscheinen wird. Ferner habe ich bereits vor geraumer Zeit eine Karte in den Blog gestellt, anhand der mehr sich etwas mehr orientieren kann...

Eingefügtes Bild

Eine Nummer größer? Hier:
http://www.phantasti...iathankarte.jpg

Bearbeitet von Guido Latz, 20 September 2010 - 07:15.


#4 Uwe Post

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Geschrieben 20 September 2010 - 12:19

Ich muss sagen, dass ich mal wieder sehr gespannt auf Henkels neuesten Streich bin.
Nicht zuletzt, weil ich oft die spannenden Visionen in der zeitgenössischen SF vermisse. Vielleicht haben wir auf tausend TV-Kanälen schon alles gesehen, inklusive Neon-Rauschen und Rauschebärten an wichtigen Zauberern. Vielleicht ist nicht die Zukunft jenes reizvolle unentdeckte Land. Vielleicht sollten wir nach links und rechts blicken, wo sich ununterbrochen Wirklichkeit verzweigt.
Alternativwelten enthalten unendlich viele phantastische Geschichten, die bislang unerzählt sind. Das beste daran: Sie könnten wirklich sein (im Gegensatz zu oben genanntem Rauschen/bärtigen Zauberern). Die Historie hat sich nur knapp anders entschieden.

Für mich der beste SF-Roman des Jahres bisher? Kaiserkrieger.

In diesem Sinne, auf in weitere parallele Welten!

:P

Bearbeitet von Uwe Post, 20 September 2010 - 12:22.

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#5 Gast_Guido Latz_*

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Geschrieben 15 August 2011 - 20:33

Das Manuskript ist heute bei mir eingetroffen.

#6 Uwe Post

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Geschrieben 15 August 2011 - 21:31

Es geschehen noch Zeichen und Bücher.
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#7 Gast_Guido Latz_*

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Geschrieben 15 August 2011 - 21:33

Es sind genau gesagt über 1 Millionen Zeichen...

#8 Uwe Post

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Geschrieben 15 August 2011 - 21:35

Es sind genau gesagt über 1 Millionen Zeichen...


Ui! :(
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#9 Gast_Guido Latz_*

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Geschrieben 15 August 2011 - 21:41

Ja. Dachte ich auch.

#10 Uwe Post

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Geschrieben 15 August 2011 - 22:43

Jetzt wissen wir wenigstens, wieso's so lange gedauert hat :(
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#11 Scriptor

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Geschrieben 20 August 2011 - 22:30

Gut Ding will Weile haben. Und manchmal sehr, sehr viel Weile... :)

#12 Casaloki

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Geschrieben 29 August 2011 - 07:04

Hallo, ich oute mich als Harry Turtledove Fan und natürlich erinnert mich diese Leseprobe an seine The Great War-Serie. Die Idee find ich sehr spannend, dass Preussen einen Fuß in die amerikanische Tür bekommen hat. Eine Frage habe ich, und zwar hab ich anhand der Leseprobe nicht ganz verstanden, ob der Sezzessions-Krieg bereits stattgefunden hat. Anhand der Karte würde ich sagen, es gibt nur einen Staat, aber ist mir nicht ganz klar, auch wenn das jetzt vielleicht noch nicht so wichtig ist. Und noch eine Frage zur Karte, wie spricht man diesen komischen Schnörkel vor dem "s" in einigen Namen aus?
Ansonsten drück ich die Daumen, da halt ich mal ein Auge drauf. Gibts vielleicht als Leckerli noch mehr Leseproben, um die Wartezeit zu verkürzen? ;)
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#13 TheFallenAngel

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Geschrieben 29 August 2011 - 08:16

der komische schnörkel mit anschließendem normalen S wird wohl insgesamt ein ß (s-zet) sein, denke ich

Bearbeitet von TheFallenAngel, 29 August 2011 - 08:17.


#14 Casaloki

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Geschrieben 29 August 2011 - 08:38

der komische schnörkel mit anschließendem normalen S wird wohl insgesamt ein ß (s-zet) sein, denke ich


Ok, würde passen und Sinn machen. Danke. ;)
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#15 lapismont

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Geschrieben 29 August 2011 - 10:40

ah, ich hab das Buch noch nicht verpasst. Man bräuchte hier im forum eine Merkzettelfunktion wie in Papyrus.
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#16 Lucardus

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Geschrieben 29 August 2011 - 16:26

Eine Frage habe ich, und zwar hab ich anhand der Leseprobe nicht ganz verstanden, ob der Sezzessions-Krieg bereits stattgefunden hat.


Ich würde mal behaupten, der "Sezessionskrieg" läuft noch:

Washington mochte als Hauptstadt des Nordens Zentrum des Kampfes gegen die Sklavenhalterstaaten des aufständischen Südens sein; doch im Bundesdistrikt selbst war die Sklaverei erst im zurückliegenden April eher widerstrebend aufgehoben worden.


Goodreads: Ich lese gerade" (sorry, nur für "Mitglieder" sichtbar)
Wer mal reinschauen will: http://www.goodreads.com/

#17 Ulrich

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Geschrieben 29 August 2011 - 16:37

Ok, würde passen und Sinn machen. Danke. :lol:

als Ergänzung: Der Staat wird "Preußen" geschrieben und nicht mit doppeltem "s"

#18 Scriptor

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Geschrieben 30 August 2011 - 18:15

als Ergänzung: Der Staat wird "Preußen" geschrieben und nicht mit doppeltem "s"

Korrekt. Aber wenn ich mich als Autor kurz einschalten darf: Wir befinden uns runde vier Jahrzehnte vor der Rechtschreibregulierung von 1901. Feste Regeln für die ß/ss-Anwendung gab es noch nicht. Bei meiner Recherche traf ich in zeitgenössischen Quellen, die in Fraktur gesetzt waren, meist auf die ß-Lignatur. Im Antiqua-Satz hingegen wurde für das ß gerne eine Kombination "langes s"+"rundes s" verwendet. Für heutige Augen irritierend, weil es eher nach fs aussieht, war das 1862 eine gängige Schreibweise.

Zum Szenario: Der Sezessionskrieg zwischen Norden und Süden ist, wie aus unserer Geschichte bekannt, planmäßig 1861 ausgebrochen. Die großen Strömungen der Historie wurden nicht wesentlich dadurch aus der Bahn geworfen, dass South Carolina kein Staat der USA wurde. Die Karte im Buch stammt angenommenerweise von 1860 - ein Jahr vor Ausbruch des Bürgerkriegs.

Für Fragen bin ich natürlich jederzeit offen. Nur zu! :D

Grüße,
Oliver

#19 ShockWaveRider

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Geschrieben 30 August 2011 - 18:52

Hallo Oliver, schön, dass Du Dich hier im Thread den Fragen der potenziellen Leserschaft stellst. Du hast ja schon häufiger Preußisch-Karolina in Deine Texte eingebaut. "Lincoln fährt nach Gettysburg" war so eine faszinierende Sache; ich meine, im "Kaisertag" wurde das auch kurz erwähnt. Wie bist Du auf eine preußische Kolonie in Nordamerika gekommen? Gibt es historische Quellen, die auf entsprechende Pläne Preußens hinweisen? Gruß Ralf

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#20 Scriptor

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Geschrieben 30 August 2011 - 19:22

Hallo Ralf,

ich habe eine Weile gebraucht, meine Schüchternheit zu überwinden, aber nun bin ich hier :devil:

In "Kaisertag" spielt das Motiv einer preußischen Überseeprovinz noch keine Rolle - da liegt der Point of Divergence nämlich erst im Jahre 1914. Die Welt von Preußisch-Karolina hat sich (nach meiner Vorstellung) aus einer Abspaltung entwickelt, die im Jahr 1777 liegt. "Die Fahrt des Leviathan" ist eigentlich der zweite Band einer Trilogie - ich habe mich nämlich entschieden, die Mitte des großen Geschichtenbogens zuerst zu erzählen. Wenn der Roman gut ankommt und auch Guido hinreichend erfreut ist, möchte ich als nächstes den ersten Band schreiben, in dem erzählt wird, wie es eigentlich dazu kam, dass South Carolina zu Preußisch-Karolina wurde.

Die Kurzgeschichte "Mr. Lincoln fährt nach Friedrichsburg" erzählt die unmittelbare Vorgeschichte des "Leviathan" - aber man muss die Short Story nicht kennen, will man den Roman lesen, wenn es auch zu verstehen hilft, was Abraham Lincoln widerfahren ist und um wen es sich bei Wilhelm Pfeyfer handelt.

Aber jetzt endlich zu deinen eigentlichen Fragen. Auf die konkrete Idee kam ich schon vor Jahren, als ich zur Verleihung des DSFP gerade in Dresden war. Mir war schon längere Zeit vage die Vorstellung im Kopf herumgeschwirrt, Deutschland (bzw. einen deutschen Staat) irgendwie auf den amerikanischen Kontinent zu bringen - aber halt zu einem relativ frühen Zeitpunkt, nicht durch seltsame Nazi-Pläne oder wilhelminischen Großmachtdrang. Es sollte so früh sein, dass da im Verlauf der Zeit tatsächlich ein Stück Amerika heranwachsen konnte, das kulturell ähnlich vom "Mutterland" geprägt war wie die USA von England. Nur fehlte mir lange Zeit eine gute Idee. Bis ich dann in Dresden bei einer Fragerunde darauf angesprochen wurde, welches Szenario ich gerne verarbeiten würde - und da hatte ich spontan das Grundgerüst: South Carolina fällt während des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs an Preußen und wird nie Teil der USA. Erst später merkte ich, wie gut die Wahl gerade South Carolinas war: Dieses Stückchen Amerika ist unbedeutend genug, um die Weltgeschichte nicht zu verändern, aber es wird unvermeidlich in seiner ganz eigenen Rolle in die historischen Ereignisse hineingezogen werden.

Ein paar Inspirationen hatte ich dafür, aber sie waren eher indirekt. Ich las einmal eine amerikanische Zeitreise-/Parallelwelt-Kurzgeschichte, in der ein Zeitreisender in einer Welt strandet, in der die 13 Kolonien sich nach der erkämpften Unabhängigkeit von Großbritannien nicht zu den USA zusammenfanden, sondern souveräne Einzelstaaten blieben. Und Pennsylvania war dort ein kulturell deutsch geprägtes Land. Dann gab es da noch eine Episode der realen Geschichte, deren Authentizität aber unter Historikern umstritten ist: Dem Bruder Friedrichs des Großen, Prinz Heinrich, soll 1784 allen Ernstes von führenden Männern der jungen USA nahegelegt worden sein, nach Amerika zu kommen und König des neuen Staatenbundes, der eine parlamentarische Monarchie britischen Musters werden sollte, zu werden. Aus solchen kleinen Versatzstücken formt sich nach und nach eine Geschichte.

Historisch hat Preußen nie Ambitionen in Amerika gehegt. Die preußische Kolonialgeschichte endete schon früh nach dem kurzen Gastspiel in Westafrika zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Und als englische Diplomaten vorsichtig bei Friedrich dem Großen anfragten, ob er nicht auch wie etwa die Fürsten von Hessen oder Ansbach Truppen für den Einsatz gegen die rebellischen amerikanischen Kolonisten vermieten würde, reagierte er sehr unwirsch und zynisch auf dieses Ansinnen. Was aber, wenn man ihm ein Angebot unterbreitet hätte, das seinen Ambitionen eher entsprochen hätte? Und hier beginnt meine Version der Geschichte...

Übrigens ist es nicht ganz unwichtig, dass Karolina eben keine Kolonie ist - sondern eine Provinz, genau wie Brandenburg, Westpreußen oder Schlesien. Ein vollgültiger Teil des Staates Preußen, nur halt sehr weit entfernt von Berlin.

Bearbeitet von Scriptor, 30 August 2011 - 19:25.


#21 Casaloki

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Geschrieben 31 August 2011 - 06:58

Danke für die Infos. Jetzt bin ich noch gespannter drauf. Kann man zu diesem Zeitpunkt absehen, wann wir denn ungefähr mit einer Veröffentlichung rechnen können? Sorry, ich kenn mich halt im Produktionsprozess von Romanen nicht aus, deshalb die Frage. Und ein Dreiteiler soll es werden, das wird ja immer besser. Her mit dem Stoff!!!!
Und nochmal sorry, wenn ich wieder mit dem Großmeister anfange, aber könnte es sich bei der Geschichte um "The Disunited States of America" von H.Turtledove handeln? Ich hab leider seine "Crosstime Traffic Serie" nicht gelesen, da ich zwar der englischen Sprache mächtig bin, es aber immer seine Zeit braucht, bis ich ein Buch vom ihm durch habe. So stehen einige seiner Bücher bei mir noch auf der Wunschliste. Mich freut es, wenn solche Themen jetzt auch vermehrt in Deutschland heraus kommen, da Herr Turtledove zwar gerne über Deutschland schreibt, aber nicht vor hat, wie ich es verstanden habe, hier zu veröffentlichen. Das ist dann die große Chance, einen fast noch jungfräulichen Markt zu erschließen. :devil:
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#22 Diboo

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Geschrieben 31 August 2011 - 07:33

da Herr Turtledove zwar gerne über Deutschland schreibt, aber nicht vor hat, wie ich es verstanden habe, hier zu veröffentlichen.


Um genau zu sein: er hat deutsche Übersetzungen seiner Werke ausdrücklich untersagt.

Das ist dann die große Chance, einen fast noch jungfräulichen Markt zu erschließen. :devil:


Aber auch nur noch fast :-)

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(13. Erwerbsregel)

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#23 †  a3kHH

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Geschrieben 31 August 2011 - 11:32

ich habe eine Weile gebraucht, meine Schüchternheit zu überwinden, aber nun bin ich hier :band:

Man nannte es auch : "The Big Mistake"
*ItaloWesternMusikimHintergrund*

#24 Scriptor

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Geschrieben 31 August 2011 - 15:32

Und nochmal sorry, wenn ich wieder mit dem Großmeister anfange, aber könnte es sich bei der Geschichte um "The Disunited States of America" von H.Turtledove handeln?

Ich habe noch einmal mein Bücherregal befragt. Bei der Geschichte handelte es sich um "The Forest of Time" von Michael F. Flynn, erschienen unter anderem in der Anthologie "Roads not taken" (Del Rey, 1998). Lesenswert, wenn ich mich auch bis heute frage, welcher seltsame Dienstgrad ein "Hexmajor" sein soll.

Ich denke mal, dass "Die Fahrt des Leviathan" im November erscheinen wird - zumindest drücke ich sämtliche vorhandenen Daumen dafür. In die Vorfreude mischt sich bei mir ein Hauch von Unsicherheit, weil das Buch ein Experiment ist. Nicht stilistisch, Gott bewahre. Niemand muss befürchten, dass ich plötzlich in sechshebigen Jamben schreibe oder mich dem Dadaismus zuwende. Doch inhaltlich könnte sich mancher SF-Leser betrogen vorkommen: "Leviathan" ist eigentlich ein historischer Roman - nur halt im Rahmen von Geschichte, die nicht geschehen ist. Und das Alternativwelt-Element ist bewusst sorgfältig dosiert; die Welt des Buches eilt der uns bekannten technologisch und gesellschaftlich weder voraus, noch hinkt sie hinterher. Ich wollte weg von den Alternativwelten, in denen große Veränderungen stattgefunden haben, wo Utopien oder Dystopien entstanden, die sich plakativ von unserer Realität unterscheiden. Das Ungewohnte sollte im Detail seine Wirkung entfalten. Ich hoffe, dass dieser Versuch auf Gegenliebe trifft.

Bearbeitet von Scriptor, 31 August 2011 - 15:42.


#25 †  a3kHH

†  a3kHH

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Geschrieben 31 August 2011 - 15:40

Der Roman erscheint als Paperback und Hardcover in der Edition Atlantis.

Da bei Atlantis nur ausgesuchte Werke als Hardcover erscheinen, würde ich mir darum nicht allzu viel Sorgen machen ... :band:

#26 Gast_Guido Latz_*

Gast_Guido Latz_*
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Geschrieben 31 August 2011 - 15:41

Da wo es geht, erscheint ein Titel als HC, PB und eBook. Der Roman ist beim Lektor; was das Cover betrifft, macht Timo vorher noch Illus für "Lasst die Toten ruhen!" und das Cover für den 4. Kaiserkrieger.

Bearbeitet von Guido Latz, 31 August 2011 - 15:44.


#27 klox

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Geschrieben 31 August 2011 - 18:24

Um genau zu sein: er hat deutsche Übersetzungen seiner Werke ausdrücklich untersagt.

Warum?

#28 Scriptor

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Geschrieben 31 August 2011 - 18:57

Warum?

Ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Es könnte damit zu tun haben, dass Turtledove Jude ist und eventuell Ressentiments hegt. Aber das ist Spekulation, die ich durch nichts begründen kann - und im Übrigen kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen, dass eine so klischeehafte Motivation dahintersteckt.

#29 Oliver

Oliver

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Geschrieben 31 August 2011 - 18:58

Das Ungewohnte sollte im Detail seine Wirkung entfalten. Ich hoffe, dass dieser Versuch auf Gegenliebe trifft.

Klingt gut, das spricht mich sehr an. Viele Alternativwelten unterscheiden sich irgendwann so radikal, dass das Alternativ- bzw. Parallelelement völlig flöten geht und man eigentlich einen reinen SF/Fantasy-Stoff liest. Ich freue mich somit auf das Buch, wobei ich einen neuen Henkel sowieso immer lesen würde.
  • (Buch) gerade am lesen:"Tales of the Shadowmen 1", J.-M. Lofficier (ed.)
  • (Buch) als nächstes geplant:"Tales of the Shadowmen 2", J.-M. Lofficier (ed.)
  • • (Buch) Neuerwerbung: Sherlock Holmes - Aus den Geheimakten des Weltdetektivs (Sammelband, 1973, mit 15 Heftromanen (1907/1908))
  • • (Film) gerade gesehen: "Das Testament des Dr. Mabuse" (Fritz Lang)
  • • (Film) als nächstes geplant: "Jurassic World: Dominion" (Dinos!!!!!)
  • • (Film) Neuerwerbung: "Judex" (Louis Feuillade)

#30 klox

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Geschrieben 31 August 2011 - 19:06

Ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Es könnte damit zu tun haben, dass Turtledove Jude ist und eventuell Ressentiments hegt. Aber das ist Spekulation, die ich durch nichts begründen kann - und im Übrigen kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen, dass eine so klischeehafte Motivation dahintersteckt.

Ist das irgendwo belegt das er keine deutsche Ausgabe haben möchte (aus welchen Gründen auch immer)?


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