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Politische Gesinnung Heinleins


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99 Antworten in diesem Thema

#91 Lomax

Lomax

    Illuminaut

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Geschrieben 31 Juli 2010 - 16:38

Wenn es ein Verfahren ist, bei dem von vorneherein klar ist, dass gewisse Leute es nicht bestehen können, weil sie beispielsweise körperlich nicht dazu in der Lage sind, würde ich das schon für einen prinzipiellen Unterschied halten, der dem Egalitätsgedanken, der eben durchaus Teil moderner Demokratien ist, widerspricht.

Wenn dem so ist, dann erfüllen wir diese hohen Kriterien für Demokratie selbst nicht - denn auch zum Einbürgerungsverfahren, das man durchlaufen muss, wenn man nicht "von Geburt an" deutscher Staatsbürger ist, zählen Kriterien, die nicht jeder erfüllen kann. Die Hindernisse sind dann eher geistiger als körperlicher Natur - aber auch da kommt ein Faktor hinzu, der in einer Demokratie eigentlich gar nichts verloren hat.
Ich erinnere mich da nämlich an eine Bekannte, die als Italienerin hier in Deutschland geboren ist, hier gelebt und gearbeitet hat und mit Italien nichts weiter zu tun hatte - die aber bis zu ihrer Heirat trotzdem nicht die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hat, weil die finanzielle Hürde ihr schlicht zu hoch lag ;)
Körperliche, geistige oder finanzielle Hürden ... ist für mich kein prinzipieller Unterschied. Dabei darf man nicht vergessen, dass selbst das Frauenwahlrecht bis in die Moderne hinein in vielen Demokratien nicht vorhanden war, ohne dass dadurch die Einordnung des Systems als Demokratie in Frage gestellt wurde. Es fällt mir schwer, einen prinzipiellen Unterschied im Ausschluss durch Geschlecht oder durch körperliche Eignung zu erkennen - außer dass die körperliche Eignung egalitären Prinzipien noch mehr gerecht wird, weil das "von vornherein klar" nicht gar so klar ist wie das Geschlecht und innerhalb gewisser Grenzen durchaus beeinflussbar.

Beides erscheint uns heute vermutlich "undemokratisch". Aber wenn man den Details der Ausgestaltung von Demokratie einen gewissen zeitlichen Wandel zubilligt, muss man auch feststellen, dass Starship Troopers keine zeitgenössische Demokratie schilderte. Demokratien waren mal anders, als wir es uns heute vorstellen. Sie werden in Zukunft anders sein. Wenn ich mir den zeitlichen Wandel demokratischer Systeme vor Augen halte, finde ich nicht, dass ST herausfällt. Jedenfalls nicht zwangsläufig wegen der Kriterien der Bürgerrechtsvergabe.
Wenn man das Ganze vor dem Hintergrund der "politischen Gesinnung Heinleins" betrachtet und das dargestellte System dementsprechend als Kommentar eines Zeitgenossen zum gegenwärtigen Demokratieverständnis betrachtet, dann bekommt der Vorgang womöglich eine pikante und zweifelhafte Note. Aber, wie gesagt, dass will ich eigentlich nicht. Den Bonus gebe ich der SF gerne, dass ich den Büchern zubillige, dass sie Gesellschaften beschreiben, die von den unseren so weit entfernt sind wie die attische Demokratie in die andere Richtung. Das verhindert nicht, dass ich mir Gedanken mache, was ich von den dargestellten Dingen halte; es sorgt aber zumindest dafür, dass ich das, was dargestellt wird, nicht automatisch in unseren zeitgenössischen Bezugsrahmen einordne, sondern in die komplette Bandbreite historischer Vorbilder.

Ich hatte auch das zweifelhafte Vergnügen, Militärdienst zu leisten, und halte diese Zeit für die grösste Verschwendung von Zeit und Energie, die ich bislang erleben durfte.

Das sei dir unbenommen. ;) Aber da muss man immer noch unterscheiden zwischen dem Wert, dem man der Zeit für die persönliche Entwicklung zumisst, und dem ideellen Wert für die Gesellschaft an sich - das persönliche Erleben ist da also gewiss nicht das einzige Kriterium relevante Kriterium für die Wertschätzung.
Aber gut, ich für meinen Teil kann auch keine persönlich schlechten Erfahrungen beisteuern, außer dem gelegentlichen Gefühl bei Geländeübungen, dass ich eigentlich schon zu alt bin für solche "Liverollenspiele" in der freien Natur (nur dass ich damals noch gar keine LARPs kannte). Aber dafür habe ich jede Schulung mitgenommen, die ich kriegen konnte, und da waren eine Menge Sachen dabei, von denen ich nicht wüsste, wie man so was sonst lernen sollte ;).
Ob das jetzt allerdings wichtig war für die staatsbürgerliche Eignung, darüber mag man dann streiten. Aber es beeinflusst womöglich die persönliche Wertung literarischer Darstellungen.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#92 leibowitz

leibowitz

    Giganaut

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Geschrieben 31 Juli 2010 - 17:04

Auf die Schnelle fällt mir eigentlich kein halbwegs demokratisches Land ein, in dem einem Vorbestraften weniger Rechte zustehen, wenn er seine Strafe verbüsst hat.


Es gibt einige US-Bundesstaaten, in denen als Schwerverbrechern Verurteilten das Wahlrecht auf Lebenszeit entzogen wird.

"Weil eine strafrechtliche Verurteilung in den USA zur Aberkennung der Bürgerrechte führt (in 14 Bundesstaaten verlieren Exhäftlinge sogar auf Lebenszeit ihr Wahlrecht), waren bei der letzten Wahl zwei Prozent der potenziellen Wähler (vier Millionen) und 15 Prozent der männlichen Schwarzen (in Florida, dem wahlentscheidenden Bundesstaat, waren es 31 Prozent) nicht mehr wahlberechtigt. " Quelle: http://www.igkultur....2475/1088492944
Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben. (P.K.Dick)

#93 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 31 Juli 2010 - 17:05

Wenn dem so ist, dann erfüllen wir diese hohen Kriterien für Demokratie selbst nicht - denn auch zum Einbürgerungsverfahren, das man durchlaufen muss, wenn man nicht "von Geburt an" deutscher Staatsbürger ist, zählen Kriterien, die nicht jeder erfüllen kann. Die Hindernisse sind dann eher geistiger als körperlicher Natur - aber auch da kommt ein Faktor hinzu, der in einer Demokratie eigentlich gar nichts verloren hat.
Ich erinnere mich da nämlich an eine Bekannte, die als Italienerin hier in Deutschland geboren ist, hier gelebt und gearbeitet hat und mit Italien nichts weiter zu tun hatte - die aber bis zu ihrer Heirat trotzdem nicht die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hat, weil die finanzielle Hürde ihr schlicht zu hoch lag ;)


Wenn es tatsächlich so ist, dass besagte Bekannte einzig darum auf die Staatsbürgerschaft verzichten musste, weil sie sich nicht leisten konnte, würde ich das in der Tat als deutliches demokratisches Defizit bezeichnen. Ebenso würde ich Demokratien, in denen Frauen kein Wahl- und Stimmrecht haben, vor dem Hintergrund eines modernen Demokratieverständnisses als nur beschränkt demokratisch bezeichnen (und das sage ich als Einwohner des Landes, das als letztes in Europa das Frauenstimmrecht eingeführt hat). - Wobei natürlich auch hier die historische Perspektive nicht ausser Acht gelassen darf. Wenn eine Kultur der Auffassung ist, dass Schwarze oder Frauen oder Leute mit grossen Nasen eigentlich gar keine vernünftigen Menschen sind, dann ist das aus unserer Perspektive zwar eine Fehleinschätzung, die Folgerung, ihnen das Stimmrecht nicht zu gewähren, hat aber eine innere Logik. Wenn aber - wie in der Schweiz bis 1977 - Frauen längst als "vernünftige Wesen" gelten, ist es in meinen Augen in der Tat sehr undemokratisch, ihnen das Wahlrecht zu versagen. Dass tatsächlich existierende Demokratien nicht 100% dem Ideal einer Demokratie entsprechen, ist wohl so. Die Tatsache, dass derartige Defizite existieren, ist aber keine Rechtfertigung für andere - noch grössere - Mängel.

Beides erscheint uns heute vermutlich "undemokratisch". Aber wenn man den Details der Ausgestaltung von Demokratie einen gewissen zeitlichen Wandel zubilligt, muss man auch feststellen, dass Starship Troopers keine zeitgenössische Demokratie schilderte. Demokratien waren mal anders, als wir es uns heute vorstellen. Sie werden in Zukunft anders sein. Wenn ich mir den zeitlichen Wandel demokratischer Systeme vor Augen halte, finde ich nicht, dass ST herausfällt. Jedenfalls nicht zwangsläufig wegen der Kriterien der Bürgerrechtsvergabe.

Wenn man das Ganze vor dem Hintergrund der "politischen Gesinnung Heinleins" betrachtet und das dargestellte System dementsprechend als Kommentar eines Zeitgenossen zum gegenwärtigen Demokratieverständnis betrachtet, dann bekommt der Vorgang womöglich eine pikante und zweifelhafte Note. Aber, wie gesagt, dass will ich eigentlich nicht. Den Bonus gebe ich der SF gerne, dass ich den Büchern zubillige, dass sie Gesellschaften beschreiben, die von den unseren so weit entfernt sind wie die attische Demokratie in die andere Richtung. Das verhindert nicht, dass ich mir Gedanken mache, was ich von den dargestellten Dingen halte; es sorgt aber zumindest dafür, dass ich das, was dargestellt wird, nicht automatisch in unseren zeitgenössischen Bezugsrahmen einordne, sondern in die komplette Bandbreite historischer Vorbilder.


Wie schon gesagt: Es ist für mich keineswegs ausgemacht, dass moderne Demokratien tatsächlich die beste aller Staatsformen darstellen (wobei "beste" ja hier sehr unterschiedliche Ebenen meinen kann); und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sich andere nicht-demokratische Staatsformen entwickeln. Eine Staatsform, die die aktiv Wahlberechtigten derart einschränkt wie in ST, mag vielleicht leistungsfähiger oder stabiler sein (wobei ich auch das bezweifeln würde), demokratietechnisch wäre sie aber ein klarer Rückschritt.

EDIT: Vielleicht noch zur Ergänzung. Es erscheint mir sinnvoll, zwischen einem politischen System als Ganzem und einzelnen Aspekten dieses Systems zu unterscheiden. Will sagen: Dass Länder wie die BRD oder die USA grundsätzlich demokratisch aufgebaut sind, würde wohl niemand bestreiten. Das heisst aber nicht, dass es in diesen Demokratien nicht durchaus undemokratische Elemente geben kann (wie etwa die bereits genannten). Wenn wir als Grundprinzip der Demokratie die Teilhabe des Volkes an der Macht verstehen, sind auch die meisten Staaten undemoraktischer als die Schweiz, in der prinzipiell jeder Regierungsentscheid via Volksabstimmung geändert werden kann. Das heisst aber nicht, dass es im Schweizer System nicht ebenso undemokratische Elemente gibt und dass alle anderen Staaten deswegen undemokratisch wären. Jedes Element, das die Teilhabe des Volkes an der Demokratie einschränkt, ist undemokratisch (was nicht heisst, dass es per se schlecht ist. Auch das Schweizer System der dauernden Volksabstimmungen hat klare Schwächen. Und es gehört ebenfalls zum Konzept des modernen Rechtsstaates, dass gewisse Dinge nicht dem Volkswillen unterstehen - etwa das zwingende Völkerrecht). In diesem Sinne ist die Gesellschaftsform in ST eine Demokratie mit einem sehr prägnanten undemokratischen Element, welches das demokratische Prinzip der Teilhabe des Volkes an der Macht massiv einschränkt.

Bearbeitet von simifilm, 31 Juli 2010 - 18:48.

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#94 simifilm

simifilm

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Geschrieben 31 Juli 2010 - 17:07

Es gibt einige US-Bundesstaaten, in denen als Schwerverbrechern Verurteilten das Wahlrecht auf Lebenszeit entzogen wird.

"Weil eine strafrechtliche Verurteilung in den USA zur Aberkennung der Bürgerrechte führt (in 14 Bundesstaaten verlieren Exhäftlinge sogar auf Lebenszeit ihr Wahlrecht), waren bei der letzten Wahl zwei Prozent der potenziellen Wähler (vier Millionen) und 15 Prozent der männlichen Schwarzen (in Florida, dem wahlentscheidenden Bundesstaat, waren es 31 Prozent) nicht mehr wahlberechtigt. " Quelle: http://www.igkultur....2475/1088492944


Danke für die Info. Das steht nach meinem Dafürhalten in der Tat ziemlich quer zu einer modernen Rechtsauffassung; aber derartige antiquierte Überbleibsel gibt's in den USA ja einige †¦

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Geschrieben 31 Juli 2010 - 21:05

Bundeswahlrecht
§ 13 Ausschluß vom Wahlrecht
Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist,

1. wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt,
2. derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten nicht erfaßt,
3. wer sich auf Grund einer Anordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 des Strafgesetzbuches in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet.
4. (weggefallen)

Nuhr

#96 simifilm

simifilm

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Geschrieben 01 August 2010 - 06:26

1. wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt,


wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt ≠ jeder verurteilte Straftäter geht des Wahlrechts verlustig

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#97 UdoTascher

UdoTascher

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Geschrieben 03 August 2010 - 15:30

Das Problem ist nicht, mehr zu verdienen, sondern eher, mehr zu bekommen ;)


So ist es.. - Da ist wohl Ver.di gefragt... Ist ja nit einfach im Wechselschicht-Zack-Zack einfach so mal "mehr zu bekommen"... Oder weisst du bessere Wege?

Bei ST ist es - zumindest im Falle Ricos - sehr viel mehr als bloss ein lockeres "Durchlaufen eines formal festgelegten Procederes". Der Militärdienst, den er absolvieren muss, ist äusserst hart, viele stehen ihn nicht durch, und es wird immer wieder betont, dass das so auch gut, weil eben auch das Wahlrecht nichts für Weicheier sein soll. Der Militärdienst in ST - und damit auch das Recht auf volle citizenship - ist nur etwas für den typischen kompetenten Mann (und auch Frau) im Sinne Heinleins. Auch Alfreds Beispiele von Krankenpflegern und Soldaten sind nicht bloss graduell etwas anderes als die formalen Kriterien, die Du nennst. Da ist ein eindeutiger qualitativer Unterschied.


Sehe ich auch so, man sollte bei Heinlein nicht zu sehr an seinem schönen Leben hängen:
Da das souveräne Wahlrecht die höchste menschliche Autorität darstellt, sorgen wir dafür, daß alle, die es ausüben, auch die höchste soziale Verantwortung übernehmen - wir verlangen, daß jede Person, die Kontrolle über den Staat auszuüben wünscht, ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt - und es verliert, falls das nötig sein sollte - um das Leben des Staates zu retten. Die höchste Verantwortung, die ein Mensch übernehmen kann, ist so der höchsten Autorität, die ein Mensch ausüben kann, gleichgesetzt. Yin und Yan, perfekt und gleich.
(Heinleins ST)

Insgesamt gesehen liest sich Heinleins düsterer ST-Roman für mich eher wie ein literarisches Bad-practice-Beispiel, dass Bürgerrechte wie das Wahlrrecht niemals an irgendwelche Verdienste gekoppelt werden sollten, die - in der Regel - nur sogenannte "Priviligierte" bewerkstelligen können (bei den harten Starship-Pistolen-Männern: höchstes Maß an körperlicher Tüchtigkeit + Fähigkeit, Militär-Sadismus auszuhalten + das nötige Quäntchen Wahnsinn und Lebensmüdigkeit, in den Angriffskrieg mit den bugs zu ziehen...). Das - wie hier schon geschrieben wurde - schwerlich zu überblickende Staatssystem in ST kulminiert dabei eher in einer chauvinistischen (für wen stehen eigentlich die Starship Troopers? Für wen stehen die BUGS?) Militärdiktatur als in irgendwas Demokratischem... Wer möchte denn in so einer Welt leben, das taugt nur als Dystopie.

Und selbst wenn man der Meinung ist, dass das Sich-das-Wahlrrecht-Verdienen doch total urdemokratisch ist: Warum sollten gerade Soldaten den Staat kontrollieren :huh: Diese Setzung erscheint doch sehr willkürlich, warum nicht volle Bürgerrechte für Journalisten oder Kriegsdienstverweigerer? ... Strange Conscientious Objectors in A Strange Land - wann erscheint denn der Science-Fiction-Roman der Afghanistan-Generation?? :unsure:

Bearbeitet von UdoTascher, 03 August 2010 - 15:46.


#98 simifilm

simifilm

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Geschrieben 03 August 2010 - 16:12

Sehe ich auch so, man sollte bei Heinlein nicht zu sehr an seinem schönen Leben hängen:
Da das souveräne Wahlrecht die höchste menschliche Autorität darstellt, sorgen wir dafür, daß alle, die es ausüben, auch die höchste soziale Verantwortung übernehmen - wir verlangen, daß jede Person, die Kontrolle über den Staat auszuüben wünscht, ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt - und es verliert, falls das nötig sein sollte - um das Leben des Staates zu retten. Die höchste Verantwortung, die ein Mensch übernehmen kann, ist so der höchsten Autorität, die ein Mensch ausüben kann, gleichgesetzt. Yin und Yan, perfekt und gleich.
(Heinleins ST)


Dabei wird die Gesellschaft in ST offensichtlich nicht ihren eigenen Ansprüchen gerecht, denn entscheidend ist letztlich gar nicht, ob jemand bereit ist, sein Leben für den Staat aufs Spiel zu setzen - entscheidend ist, ob man den Militärdienst übersteht. Jemand kann noch so sehr bereit sein, sein Leben zu geben, wenn er den Armeedienst körperlich nicht durchsteht, wird seine Bereitschaft irrelevant. - Interessanterweise musste Heinlein selbst seine Armeekarriere ja krankheitsbedingt beenden. Er hätte es in ST somit wohl nicht zu Bürgerrechten gebracht. Ob ihm das wohl bewusst war †¦ ;)

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#99 UdoTascher

UdoTascher

    Infonaut

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Geschrieben 03 August 2010 - 16:37

Dabei wird die Gesellschaft in ST offensichtlich nicht ihren eigenen Ansprüchen gerecht, denn entscheidend ist letztlich gar nicht, ob jemand bereit ist, sein Leben für den Staat aufs Spiel zu setzen - entscheidend ist, ob man den Militärdienst übersteht. Jemand kann noch so sehr bereit sein, sein Leben zu geben, wenn er den Armeedienst körperlich nicht durchsteht, wird seine Bereitschaft irrelevant. - Interessanterweise musste Heinlein selbst seine Armeekarriere ja krankheitsbedingt beenden. Er hätte es in ST somit wohl nicht zu Bürgerrechten gebracht. Ob ihm das wohl bewusst war †¦ ;)


:unsure: Dies muss er wohl verdrängt haben - wie so manch anderes -, um von den Sternenmännern zu schreiben...

Bearbeitet von UdoTascher, 03 August 2010 - 16:38.


#100 alexandermerow

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Geschrieben 20 September 2010 - 22:15

Also ich fand die Verfilmung von Starship Troopers jedenfalls besser als das Buch - auch wenn das vielleicht nach Majestätsbeleidigung klingt...

"Jedes Zeitalter strahlt am hellsten vor seinem Untergang!"
www.alexander-merow.de.tl
https://www.thalia.d...ID33696499.html

https://www.thalia.d...D143787146.html

  • (Buch) gerade am lesen:Timothy Zahn - Der Zorn des Admirals
  • • (Film) gerade gesehen: Black Mass
  • • (Film) als nächstes geplant: Gibt es auch Critters 4?
  • • (Film) Neuerwerbung: Critters 3 (total uncut)


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