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"Vor einem dunklen Hintergrund" - Zivilisationen in Gefangenschaft


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2 Antworten in diesem Thema

#1 Beverly

Beverly

    Temponaut

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Geschrieben 30 September 2010 - 17:48

In diesem Strang geht es mir im menschliche, aber auch nichtmenschliche Zivilisationen, die an einem Punkt ihrer Entwicklung an eine Grenze stoßen. Sie sehen:

- ab hier geht es nicht mehr weiter
- wir haben alles erreicht, was wir erreichen können
- wir haben unsere Zukunft hinter uns

Gewöhnlich sind die Folgen für die Betroffenen als Zivilisation und Individuen mehr oder weniger katastrophal. Schon die Logik sagt, dass es nur zwei Auswege gibt: die Grenzen werden überwunden oder die Zivilisation geht zugrunde und die Art stirbt aus.

Beispiele in der SF:

DAS ENDE DER EWIGKEIT von Isaac Asimov

Die so genannten "Ewigen" reisen durch die Zeit und überwachen die Entwicklung der Menschheit. Sie und nicht die ahnunglosen Normalsterblichen bestimmen unsere Geschicke. Sie meines es ja nur gut, doch am Ende erkennt ein "Ewiger", dass sie nur Unheil angerichtet haben. Die "Ewigen" haben über Jahrmillionen einen Geschichtsablauf erzeugt, wo die Menschen nur auf der Erde leben und niemals in den Weltraum vorstoßen. Irgendwann erkennen die Menschen aber, dass sie von den Ewigen manipuliert werden und eine Frau bringt den Protagonisten des Romans dazu, das zu beenden.

Rezi hier: http://www.phantasti...r-ewigkeit.html

VOR EINEM DUNKLEN HINTERGRUND von Iain Banks

Schauplatz des Romans ist ein fiktives Sonnensystem mit einer fiktiven Menschheit. Die Menschen haben ihre Heimatwelt verlassen und andere Planeten ihres Systems besieidelt, aber dann war mit der Raumfahrt Schluss. Ihr Sonnensystem ist mitten im intergalaktischen Leerraum und der nächste Stern ist eine Million Lichtjahre entfernt.
So ist ihre Zivilisation von einem ewigen Auf und Ab geprägt, das keinen Sinn macht. Die Hauptfigur Sharrow und ihre Freunde erleben Abenteuer, die mir bei der Lektüre recht belanglos erschienen. Nicht eingestandene VErzweiflung war Grundmotiv dieses Romans.

Rezension: http://www.armin-moe...Hintergrund.htm

DER SPLITTER IM AUGE GOTTES von Larry Niven und Jerry Pournelle

Hier geht es um eine nichtmenschliche Zivilisation, die in ihrem Sonnensystem gefangen ist. Sie haben sogar einen Überlichtantrieb entwickelt, aber der führt ihre Raumschiffe in die Atmosphäre eines benachbarten Roten Riesen. Ihre Zivilisation ist von Zyklen aus Aufstieg und Zusammenbruch geprägt, die den Wesen als Schicksal erscheinen. Erst als sie Kontakt mit den Menschen aufnehmen, zeigt sich zumindest ein Hoffnungsschimmer. Die Menschen fürchten die Wesen wegen ihrer schnellen Vermehrung und ihrem technischen Geschick zwar und stellen ihr System unter Quarantäne. Doch zugleich suchen sie nach Wegen, die "Zyklen" zu überwinden.
Mithin ein Roman, der Hoffnung macht, dass eine "eingesperrte" Zivilisation ihr Gefängnis überwinden kann.

Rezension auf http://de.wikipedia...._im_Auge_Gottes

Last but not least das düsterste Werk über eine Zivilisation, die so abgestumpft ist, dass sie nicht einmal merkt, dass sie "gefangen" ist:

QUARANTÄNE von Greg Egan

Im 21. Jahrhundert schließt sich eine Kugelschale um das Sonnensystem und seitdem sehen die Menschen keine Sterne mehr. Die Menschheit ist vom übrigen Universum isoliert und auf der Erde geht es alles andere als beschaulich zu. Die Frau des Protagonisten fällt einem Terroranschlag zum Opfer und die Gesamtlage beschreibt Egan so: Die USA und China brüten über düsteren Plänen für eine "Zukunft" der Welt, die nicht lebenswert ist.

Rezension http://www.jump-cut....uarantaene.html

SCHÖNE NEUE WELT von Aldous Huxley

Im 7. Jahrhundert nach Ford scheint alles prima. Die Menschen haben genug zu essen und sexuelle Freiheit, Drogen ("Soma") heilen alle Neurosen und allen geht es gut. Nicht mehr Moses, Jesus oder Mohammed sagen den Menschen, wo es langgeht, sondern Ford. Wer sich daneben benimmt, wird wegen "fordlosen" Verhaltens getadelt. Doch hinter der schönen, bunten und hedonistischen Fassade ist das Grauen um so schlimmer. Weil es da ist, ohne irgendwie in Erscheinung zu treten. Es gibt weder ein Lügenministerium noch Folter wie bei "1984" und trotzdem ist es eine Zukunftsvision, die weitaus weniger erstrebenswert ist als ein Kopfschuss (da ist wenigstens alles schnell vorbei). Sogar die Grenzen, an denen in den anderen Romanen Menschen und Nichtmenschen verzweifeln, treten nicht mehr in Erscheinung, sind dafür aber um so massiver.
In DAS ENDE DER EWIGKEIT wird noch die Alternative zwischen einer Menschheit auf einem Planeten oder eine Menschheit auf einer Million Planeten aufgeworfen; in SCHÖNE NEUE WELT gibt es keine Alternativen mehr.

Rezension: http://de.wikipedia....chöne_neue_Welt

Fazit: schon in der Fiktion sind "Grenzen" und "Mauern" zutiefst destruktiv. Je perfekter sie gezogen werden, je "unsichtbarer" sie sind, desto größer ist der Schaden, den sie in der Welt und in den Seelen der Menschen resp. Nichtmenschen anrichten. Selbst, wenn man weder in der Lage war noch es vorhatte, einen Ort jenseits der Grenze zu besuchen, so richtet schon das Bewusstsein von der Existenz dieser Grenze Schaden an. Existiert die Grenze, ohne dass die Menschen davon wissen - wie in SCHÖNE NEUE WELT - so sind die Folgen noch verheerender. Eine Grenze, von der man weiß, kann man überwinden. Bei einer Grenze, deren Existenz geheim gehalten wird, ist das nicht so leicht.

Bearbeitet von Beverly, 30 September 2010 - 17:50.


#2 leibowitz

leibowitz

    Giganaut

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Geschrieben 04 Oktober 2010 - 19:09

QUARANTÄNE von Greg Egan

Im 21. Jahrhundert schließt sich eine Kugelschale um das Sonnensystem und seitdem sehen die Menschen keine Sterne mehr. Die Menschheit ist vom übrigen Universum isoliert und auf der Erde geht es alles andere als beschaulich zu. Die Frau des Protagonisten fällt einem Terroranschlag zum Opfer und die Gesamtlage beschreibt Egan so: Die USA und China brüten über düsteren Plänen für eine "Zukunft" der Welt, die nicht lebenswert ist.

Rezension http://www.jump-cut....uarantaene.html


Ich dachte zunächst du hättest dich mit dem Autor vertan und meintest Robert C. Wilson. Dessen "Quarantäne" habe ich gern gelesen. Dein Buch muss ich mir unbedingt besorgen.

Ansonsten würde Cyberpunk vielleicht noch auf dein Szenario passen, oder?
Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben. (P.K.Dick)

#3 Beverly

Beverly

    Temponaut

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Geschrieben 04 Oktober 2010 - 20:25

Ansonsten würde Cyberpunk vielleicht noch auf dein Szenario passen, oder?


Per se eigentlich nicht. Meines Erachtens hat sich der Cyberpunk mit verschienden Subgenres liiert und das reicht von Gegenwartsliteratur bis zu Space Opera und Visionen von der fernen Zukunft. Dabei kommt Cyberpunk sowohl in Szenarien vor, in denen die Menschheit auf die eine oder andere Art "eingesperrt" ist als auch in solchen, wo es keine Grenzen gibt.
Andererseits lässt sich durchaus ein Cyberpunk-Szenario einer "eingesperrten" Menschheit konstruieren: Das zeichnet sich dadurch aus, dass Informationsverarbeitung jenseits einer bestimmten und nicht sonderlich hohen Kapazitätsgrenze nicht mehr verbessert wird. Man stelle sich vor, die Datenverarbeitung bleibt aus politischen oder physikalischen Gründen auf dem Stand von jetzt, also 2010, und da kommt nichts mehr dazu. Wobei es noch drastischer sein kann: ich denke da an das Verbot von Computern im DUNE-Universum, was einfachen Menschen viele Möglichkeiten der Information und Kommunikation raubt, an die wir uns schon gewöhnt haben und die viele benutzen, um dem Schrott in den Massenmedien zu entkommen. Da nützt es den Menschen im DUNE-Universum auch nicht viel, dass sie zwischen den Sternen reisen können. So dumm gehalten werden sie zum Spielball größenwahnsinniger Verbrecher, die sich geschickt als Helden und Gelehrte inszenieren.


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