Also, ich habe das Buch ja auch jüngst gelesen, wenn auch zunächst eher als "Konkurrenzbeobachtung", weil ich derzeit ja auch einen Heroic-Fantasy-Ausflug unternehme und dann etwas erschrocken war, als ich feststellen musste, dass im derzeit aktuellsten Referenzwerk dann auch ein Kriegertrio mit einer Frau und irgendwelchem düsterem Hintergrund und Grim&Gritty-Vordergrund zu finden ist. Da war dann gleich mal ein Panikkauf fällig, um zu schauen, ob ich im eigenen Manuskript noch was ändern muss.
Was mein persönliches Problem angeht, fand ich dann die Ähnlichkeiten noch im genreüblichen Bereich.
Aber dafür fand ich Morgans Buch dann doch so gut geschrieben, dass ich das Gefühl habe, dass man sich doch schon ziemlich zur Decke strecken muss, wenn man als Autor daneben bestehen möchte. Seitdem ich das gelesen habe, ist meine Hauptsorge also nicht, mit meinem Roman zu ähnlich zu sein, sondern vor allem, ob ich das, was ich schreibe, auch ähnlich kraftvoll und lebendig rüberbringe. Kurz gesagt, mir hat das Buch recht gut gefallen - schon ähnlich wie das "Altered Carbon", das ich seinerzeit ja sehr gerne bei Lübbe gesehen hätte. Gerade was die schreiberische Umsetzung angeht finde ich durchaus, dass man die Qualitäten des ersten Titels auch bei Glühender Stahl wiederfindet, und dass Morgan es immer noch drauf hat.
Womit ich dann aber auch nicht unbedingt allen hier genannten Schwächen widersprechen möchte - ich fand ja auch bei Altered Carbon schon, dass es wirklich gut geschrieben ist und vor allem die erzählerische Wucht und die Stilsicherheit überzeugt, aber dass der Autor sich leicht verhebt, wann immer er sich an "große" Themen wagen will oder "Anspruch" einbringen möchte.
Glühender Stahl hat für mich ein paar wirklich gute Ideen und schafft es durchaus, manches Genreübliche gegen den Strich zu bürsten, und zwar nicht, indem er unbedingt etwas "Neues" bringen will, oder etwas, das man anderswo findet, aber nicht in der Fantasy (denn bei solchen Versuchen habe ich in den meisten Fällen das Gefühl, dass sie vor allem sehr gelungen demonstrieren, warum man so was sonst im Genre nicht findet - nämlich weil es einfach nichts taugt, zumindest nicht in diesem Umfeld). Aber bei den Völkern fand ich es lustig, dass man beispielsweise in den Kiriath noch die klassischen "Fantasyzwerge" erkennt; zwar nicht klein und mit Bart, aber mit dem typischen Technik-Krieger-Fimmel; und die Dwenda sind Elfen - nicht die High-Fantasy-Baumknutscher, sondern jene geisterhaften Geschöpfe, die in den Hügeln leben und gern auch mal Menschen in ihre jenseits von weltlicher Zeit und Raum gelegene Lande entführen. Und verglichen mit ihren verweltlichten Fantasy-Formen sind diese Völker hier tatsächlich gegen den Strich gebürstet, düsterer, wilder und fremdartiger mit teilweise schon Lovecraft'sch anmutendem Anstrich. Und genial beschrieben und rübergebracht.
Also, für mich war der Teil des Romans durchaus gelungen.
Der eigentliche Plot, die Figurenkonstellation, der Weltenbau ... das war jetzt natürlich nicht alles neu und originell und auch nicht so weit von der Standardfantasy. Aber es war halt doch gemäß der Morgan'schen Stärken sehr gut umgesetzt und lebendig erzählt. Im Rahmen dessen, was man in dem Genre erwarten kann und sollte, hat mich der Roman durchaus beeindruckt und ich würde mich da jederzeit einer positiven Rezension anschließen.
Und ein unaufgeregter Umgang ist meiner Meinung nach notwendig. Für das Gegenteil, also eine Skandalisierung, kommt Morgans schwuler Schwertkämpfer jedenfalls knapp zehn bis zwanzig Jahre zu spät. In jeder halbwegs modernen Gegend ist Homosexualität nun wirklich kein Aufreger mehr. So konnte auch Morgan selbst auf seiner Homepage bisher nur zwei böse eMails homophober Spinner vorweisen. Ein Skandal sieht anders aus.
Hm, ja, teils-teils. Der omnipotente Held ist in der Heroic Fantasy ja ein durchaus gängiger und auch akzeptierter Topos. Und wenn man Ringils sexuelle Umtriebe mit dem Üblichen vergleicht, fällt vor allem auf, dass da eigentlich nichts zu finden ist, was man nicht auch in anderen vergleichbaren Werken findet - nur mit dem Unterschied, dass es bei Ringil hat schwule sexuelle Umtriebe sind. Ganz im Gegenteil hat Morgan bei Ringil sogar 1:1 erotische Topoi abgearbeitet, die bei heterosexueller Sword & Sorcery tatsächlich schon abgegriffen sind - beispielsweise den Schurken, der aus kaum nachvollziehbaren Gründen ausgerechnet ganz scharf auf die Braut des Helden ist, die dann auch gerne mal entführt wird. Dass man genau das dann auch bei Morgan wiederfindet und im schwulen Millieu dadurch der Schurke gleich dem Helden selbst nachstellt, fand ich in gewisser Hinsicht konsequent und dann auch sehr lustig, gerade weil die Referenz an das klassische Muster erkennbar war.
Und wenn man das also analysiert und eigentlich Business-as-usual findet, nur halt schwul statt heterosexuell, aber auf Seiten der Rezeption plötzlich viel mehr Leser, die das in den Vordergrund stellen und übertrieben finden, während dieselben Sachen im Hetero-Milieu kaum erwähnt werden - dann fragt man sich schon, ob da nicht doch oft ein wenig Homophobie und "Skandalisierung" im Spiel ist, die sich halt nur politisch korrekt als "allgemeine Aufregung über zu starke Sexualisierung" tarnt. Da fallen mir halt nicht nur die offensichtlichen homophoben Spinner auf, sondern ganz allgemein schon die höhere Anzahl an Beschwerden über die "Sexszenen" im Vergleich zu Werken mit derselben Frequenz an heterosexuellen Eskapaden, und ich frage mich automatisch, ob Ringil bei derselben Menge an Sex genauso dafür kritisiert worden wäre, wenn er auf Frauen stehen täte. Oder wenn es eine weibliche Heldin wäre, die genauso auf Männer steht, wenn man das ganze etwas moderner gestalten will.
Aber das ist dann natürlich Spekulation und schwer zu beantworten ... höchstens vielleicht durch ein entsprechendes Experiment mit heterosexuellem Personal als Kontrollgruppe
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)