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»Es muss nicht immer Weltenrettung sein«


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46 Antworten in diesem Thema

#31 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 18:31

Ja und nein, irgendwie glaube ich schon, dass man z. B. den Herrn der Ringe ohne diese "tiefe" Welt nicht so sinnlich erleben würde, als hätte Tolkien alle Verweise auf andere Zeitalter, Sagen und dergleichen Beiwerk rausgelassen.


Sicher sind die Vorlieben unterschiedlich, aber in meinen Augen ist dieser "Komplettheitswahn" genau das, was Lord of the Rings zwar zu einer eindrücklichen Leistung, aber nicht zu sonderlich interessanter Literatur macht. Wenn ich als Gegenpol William Gibson anführen darf: Hier wird eine Welt primär sprachlich evoziert ohne grosse Erklärungen (man kann sich mit der Zeit zusammenreimen was ein SimStim ist, im Detail erklärt wird das aber nie). Bei Gibson, den ich vor allem für einen grossen Stilisten halte, ist wiederum das Problem, dass die Plots teilweise eher schwach sind.

Bearbeitet von simifilm, 11 Dezember 2010 - 19:57.

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#32 Anubizz

Anubizz

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 18:53

Ich denke, dass man einer Sekundärwelt auf durchaus unterschiedliche Art und Weise »Tiefe« verleihen kann. Und da halte ich Tolkien und Gibson für hervorragende Beispiele, wie man das einerseits durch Detailreichtum, andererseits durch Stil schafft. Was nun den Wunsch nach Andersartigkeit angeht: Ja, stimmt schon. Aber wie viele SF-Werke beruhen schon wirklich darauf, dass ein abgedrehtes Konzept unter bewusster Missachtung der Regeln realistischen Erzählens in all seinen Facetten beleuchtet wird? Meistens hat man doch eine Handlung mit durchaus menschlichen Charakteren als Gerüst, in das die »Idee« dann auf mehr oder weniger überzeugende Weise eingebaut wird.

#33 Konrad

Konrad

    Temponaut

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 20:14

Für manchen SF-Fan ist aber genau das nicht so interessant - er/sie kriegt dann leuchtende Augen, wenn die Welt möglichst andersartig ist, die Figuren nicht an Menschen bzw. menschliches Verhalten erinnern, eine außerirdische/künstliche Intelligenz eben so ganz anders agiert und reagiert, als man es aus seiner eigenen (Vorstellungs)Welt kennt. Der sense of wonder stellt sich hier vielleicht genau dann ein, wenn es nicht um Personen oder Situationen geht, die man aus der eigenen Realität kennt. Zu dieser Leserspezies gehöre ich nicht, kann aber nachvollziehen, dass eben genau das auch seinen Reiz haben kann (auch wenn ich den oftmals nicht finde).

Ich bin durchaus kein Kostverächter was SOW angeht, aber sehr skeptisch, ob man mit SOW allein einen längeren Roman bestreiten kann.
Insbesondere habe ich bei mir festgestellt, daß mich SOW nur in einer verschleierten, spekulativen, rätselhaften Form interessiert.
Nach der Enthüllung der Details geht es wie mit dem Sex, der Beischlaf hält oft nicht, was das Petting verspricht. :)
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mit der zweiten Hälfte von "Sperling" gekämpft habe.
Und da ist die Fremdzivilisation sehr menschenähnlich und es gibt die psychologisch interessante Figur des Paters.

Bearbeitet von Konrad, 12 Dezember 2010 - 10:18.


#34 Lucardus

Lucardus

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Geschrieben 12 Dezember 2010 - 14:10

Sicher sind die Vorlieben unterschiedlich, aber in meinen Augen ist dieser "Komplettheitswahn" genau das, was Lord of the Rings zwar zu einer eindrücklichen Leistung, aber nicht zu sonderlich interessanter Literatur macht.

Ich kenne einige von der Kritik als interessante Literatur gepriesene Werke (House of Leaves), zu denen ich keine emotionale Bindung aufbauen kann, auch wenn sie streckenweise ganz interessant sind. Das geht mir zu sehr in die Richtung "gewollte Kunst". Der HdR ist aber (auch wenn ich hier schon einige mit den Augen rollen sehe) genau das, was er für viele Fans ist: ein Buch, in das ich mich versenken und wegträumen kann, da kommen Bilder und Gefühle hoch, auch beim wiederholten Lesen. Das ist wie eine Beziehung zu einem geliebten Menschen, die objektiven Schwächen des Anderen nimmt man nicht sonderlich wahr, weil es im Bauch kribbelt und man sich einfach wohl fühlt, wenn dieser Mensch um einen ist. Mir es so was von egal, wie die Kritik den HdR sieht (ob latent schwule Hobbits oder Kriegstrauma von Tolkien), ich kann in diese Welt mit ganzem Herzen eintauchen. Auch wenn die Hobbits die Welt retten. Tun sie nicht wirklich, denn nicht umsonst geht das Zeitalter zu Ende, trotz Saurons Vernichtung ...

Ich sehe hier das Weltrettungsmotiv nicht als die treibende Kraft, die mich beim Lesen hält. Mich interessiert was die "Helden" erleben, wo sie hinkommen, wie es dort aussieht. Dass es ziemlich lange dauert, bis die Welt gerettet wird, und ob dies die effektivste Methode war, ist mir schnurzpiepegal, weil ich dabei sein wollte. Es ist wie bei Potter: Viele Details sind für den großen Plot eher unbedeutend, könnten ohne weiteres ausgewechselt werden, aber sie sind mir als Leser lieb geworden.

Ich kann auch sehr gut in Welten eintauchen, die nur sehr vage beschrieben sind. Wolfes "Book of the new sun" ist so eine Welt, die aus der Sicht des Protagonisten beschrieben wird, vieles bleibt völlig im Unklaren und trotzdem ist diese Welt "lebendig", weil sie durch den sehr ungewöhnlichen Ich-Erzähler lebt und man trotz der eher vagen Umrisse den Eindruck hat, diese Welt ist durchdacht und könnte tatsächlich existieren.

Das sind meiner Ansicht nach Autoren, die zwar auch einen Weltrettungsplot benutzen, aber die Figuren selbst wirken lassen. Die Idee des Plots ist im Prinzip nur Hintergrund. Ich glaube, hier hat der Autor zunächst die Figur in einer Welt entworfen und dann eine Handlung entwickelt.

Dagegen habe ich bei Hamiltons "Armageddon" den Eindruck, er hat eine Idee für einen Weltrettungsplot und dann jede Menge Füllmaterial darum herum gebaut. Ich habe alle Bände komplett gelesen, aber zwischendurch oft Mühe gehabt durchzuhalten. Es gab dann immer wieder Passagen, die mich vorangetrieben haben, aber insgesamt gesehen, habe ich Hamiltons Universum kaum noch im Kopf. Es gibt keine Bilder in meinem Kopf (außer von den lebenden Raumschiffen), ich kann mich nicht einmal an die Namen der Protagonisten erinnern, nur daran, dass ich vom Finale irgendwie enttäuscht war.

Kurz gesagt: Weltrettungsszenarien sind ok, wenn der Autor mich mit jemandem bekannt gemacht hat, der gerettet wurde und den ich bei der Lektüre lieb gewonnen habe, oder hassen gelernt. :P

Entschuldigung, falls jemand sich von diesem Textschwall erschlagen fühlt.
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#35 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 12 Dezember 2010 - 15:04

"Der Herr der Ringe" ist nun eines der Bücher, über die man vortrefflich streiten kann. Bei meinen Lesungen hatte ich schon den Eindruck, dass die Queste der Ringvernichtung und die Abwendung des Sieges des Bösen zu den Kernelemten des Buches gehören. ich biete eine neue Ansicht meines grundsätzlichen Problems: *Weltenbau* ist eine Leistung, die eigentlich jede Fiktion zu leisten hat. Bei realistischen Stoffen aber nennt man das dann stattdessen *gelungene Milieuschilderungen* (z.B. man beachte z.B. das Lob für Tellkamps "Der Turm" in dieser Hinsicht). Wenn nun in der Phantastik Weltenbau betrieben wird, dann kann das verschiedene Ursachen haben, und verschiedene Effekte bieten. Bei zweiterem, also der Wirkung und der Funktionsweise auf mich als Leser, fällt mir oftmals auf, dass der phantastische Weltenbau soetwas wie poetisch-metaphorische Kraft entwickeln kann. (Ich erinnere mich z.B. wie mir bei "Natural History" von Justina Robson aufgefallen ist, wie sich im Finale Quanten-Theorie, höhere Mathe poetisch ´mit dem Buddhismus verbandeln). Ich gehe da mit den Phantastik-Forschern konfrom, die meinen, dass die phantastischen Literaturen sich unter anderem dadurch auszeichnen, auf weltlich-abgekühlte und damit *spielerische* Weise spirituell-religiöse Vorstellungspraktiken fortzuführen. In etwa der These von z.B. Frank Weinreich folgend (und diese in eigenen Worten umschreibend) gönnen sich phantastische Fiktionen, sich dem mythischen Fabulieren hinzugeben, jedoch ohne deren Ansprüche auf verbindliche Welterklärung oder Wertebegründung zu übernehmen (Autoren wie Terry Goodkind und Co mal ausgenommen :P ). Und da finde ich es eben heikel, wenn all dieser wunderbare Aufwand getrieben wird, nur um im Grunde empörende Vereinfungen wie "die strahlenden Guten" und "das absolute Böse" erneut unter die Leser zu bringen. -- Wiegesagt, finde ich, dass es Mittel und Kniffe gibt, die zumindest mir solche S/W-Zeichnungen des Weltenbaus doch schmackhaft machen können. Grüße Alex / molo

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#36 Konrad

Konrad

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Geschrieben 12 Dezember 2010 - 15:14

Bei HdR und Potter kann ich nicht mitreden, ich habe eine Fantasy-Allergie. :P Vermutlich habe ich auch eine puristische Ader, die mich Autoren bewundern läßt, die mit sehr sparsamen Mitteln hohe Imaginationswirkung erzeugen. Trotzdem bin ich der Meinung, viele Romanautoren könnten sich durchaus von den Meistern der Kurzgeschichte eine Scheibe abschneiden. Für mich bedeutet es höchstes literarisches Vergnügen, die Leerstellen hinter gut gewählten Andeutungen mit meiner eigenen Phantasie zu füllen. Und da gehen mir viele SF-Autoren furchtbar auf den Senkel, die glauben, jedes Detail eines Bildes festlegen zu müssen.

#37 simifilm

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Geschrieben 12 Dezember 2010 - 15:36

Bei HdR und Potter kann ich nicht mitreden, ich habe eine Fantasy-Allergie. :P
Vermutlich habe ich auch eine puristische Ader, die mich Autoren bewundern läßt, die mit sehr sparsamen Mitteln hohe Imaginationswirkung erzeugen.
Trotzdem bin ich der Meinung, viele Romanautoren könnten sich durchaus von den Meistern der Kurzgeschichte eine Scheibe abschneiden.
Für mich bedeutet es höchstes literarisches Vergnügen, die Leerstellen hinter gut gewählten Andeutungen mit meiner eigenen Phantasie zu füllen.
Und da gehen mir viele SF-Autoren furchtbar auf den Senkel, die glauben, jedes Detail eines Bildes festlegen zu müssen.


Sehe ich grundsätzlich ähnlich. Kunst ist oft die Kunst des Auslassens, während zu grosse Ausführlichkeit schnell zu Kitsch oder Banalität werden kann.

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#38 Gerd

Gerd

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Geschrieben 12 Dezember 2010 - 16:55

Zwei kleine Anmerkungen (mehr vielleicht, wenn ich nachher mehr Zeit habe): @ Alex: Gehört denn die "Abwendung des Sieges des Bösen" nicht auch zu den Kernelementen der meisten Krimis? :P @ Konrad: Schon mal überlegt, ob eine mMn missverstandene und viel zu dogmatische Anwendung des Show-Don't-Tell-Prinzips vielleicht mitverantwortlich dafür sein könnten, dass es kaum noch Leerstellen gibt, die der Leser auffüllen kann? (Gibt es eigentlich einen konkreten Grund für deine Fantasy-Allergie? Schließlich kann Fantasy tatsächlich viel mehr sein als Weltenrettung und Kampf gegen den Evil Overlord.)
Sudden moroseness. One hop too far.

#39 molosovsky

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Geschrieben 12 Dezember 2010 - 17:16

Du hast völlig Recht Gerd. Im Grunde geht es da um den Sieg gegen das Böse, sprich das Verbrechen, allerdings unter anderen Vorzeichen (Enthüllung von Geheimnissen). Vergessen wir nicht die Thriller und Äktschn-Stoffe, bei denen die Weltenrettung die Handlung bestimmt (Tom Clanys Ryan-Wälzer beispielsweise, oder klassischer und imho um Längen besser: James Bond). Grüße Alex / molo

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#40 Konrad

Konrad

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Geschrieben 12 Dezember 2010 - 18:20

Schon mal überlegt, ob eine mMn missverstandene und viel zu dogmatische Anwendung des Show-Don't-Tell-Prinzips vielleicht mitverantwortlich dafür sein könnten, dass es kaum noch Leerstellen gibt, die der Leser auffüllen kann?

Schwer zu sagen, ich bin kein Autor.
Ich befürchte, da steckt oft einfach nur ein naiver "Fülle ist gut"-Gedanke dahinter.
Verdichtung des Geschriebenen, Weglassen von Passagen, hat den Hautgout der Verschwendung.

Es kann aber auch damit zu tun haben, daß die Autoren der Phantasie der Leser nicht trauen.
Kein Wunder, wenn man sich den Stil der amerikanischen Mainstream-Filme ansieht, in denen der kleinste Gedanke haarklein vorgekaut wird.

Es gibt noch eine dritte Ursachenmöglichkeit (Chauvi-Alarm):
Der Stil zielt auf weibliche Leser, die mit den männlichen Idealen der Wortkargheit nichts anfangen können. :P

(Gibt es eigentlich einen konkreten Grund für deine Fantasy-Allergie? Schließlich kann Fantasy tatsächlich viel mehr sein als Weltenrettung und Kampf gegen den Evil Overlord.)

Nö, ich kann halt mit den Topoi der klassischen Fantasy nix anfangen.
Es gibt ein paar Grenzgänger mit ironischen Anklängen, die ich ok finde (deCamp, Asprin, Zelazny, Farmer, Foster).

Bearbeitet von Konrad, 12 Dezember 2010 - 19:01.


#41 Oliver

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Geschrieben 12 Dezember 2010 - 18:38

Sicher sind die Vorlieben unterschiedlich, aber in meinen Augen ist dieser "Komplettheitswahn" genau das, was Lord of the Rings zwar zu einer eindrücklichen Leistung, aber nicht zu sonderlich interessanter Literatur macht.

Was Du zu Gibson schreibst, volle Zustimmung, aber Dein Statement hier zum "Herr der Ringe" fordert schon zum Widerspruch heraus. Gerade Tolkien betreibt doch massiv wie kaum jemand in der Fantasy die von Dir geschätzte "Kunst des Auslassens" und erzählt nach dem "Spitze des Eisberg"-Prinzip. Natürlich, der Eisberg ist gigantisch (er hat auch Jahrzehnte daran gesessen) und deshalb ist andeutendes Erzählen bei Tolkien trotzdem 1.000 Seiten lang, aber hier von "Komplettheitswahn" zu sprechen, das muss ich wirklich scharf zurück weisen. Das macht er doch nun gerade nicht. Insofern und nur hier sind Gibson und Tolkien durchaus vergleichbar. Nur quantitativ halt nicht. Was Gibson in einem Satz schreibt, würden manche in 10 Seiten beschreiben. Und was Tolkien auf 1-2 Seiten beschreibt, das würden andere auf 50-100 Seiten auswalzen (warte mal bis Kevin J. Anderson eine Tolkien-Lizenz bekommt, dann wird Dir Hören und Sehen vergehen!). Lange Rede, kurzer Sinn: Natürlich erzählt Tolkien ausufernd in die Breite (schöööön...), aber eben auch unter extremer Auslassung und sehr viel nur mit Andeutungen - das ist genau das Gegenteil von Komplettheitswahn. Nimm die Spinne Shelob: Selbst die bekommt eine Biographie (im Roman, nicht im FIlm) verpasst - 1-2 Seiten für eine Spinne. Und trotzdem merkst Du beim lesen - ihre Geschichte ist noch viel länger...
Wenn Du Tolkien-Komplettheitswahn-Hardcore mal antesten willst, dafür empfehle ich die zwölfbändige "History of Middle Earth", die Materialsammlung hinter dem Roman. Und auch die hat schon ein Herausgeber gebändigt und in Form gebracht... :sofa:

@Molo: Ich muss da Lucardus zustimmen und Dir widersprechen: Bei LOTR spielt das eigentliche Abwerfen des Rings am Ende keinerlei Rolle (natürlich, funktional, aber..), zumindest erzählerisch nicht. Bei LOTR geht es nicht um das Ziel, sondern um die Reise. Das ist das, was Millionen Leser fasziniert. Mich auch. Ich habe das ganz praktisch erlebt. Ich hatte einmal zwischen zwei LOTR-Lektüren gut zehn Jahre Abstand. Ich wusste immer noch viele Details der Reise und Namen der Figuren, vom Finale aber nur noch wenig. :P


Und, ich glaube, je älter ich werde, desto mehr lerne ich Gut-Böse Schemata wieder zu schätzen. Die Realität hat nun wahrlich Graustufen genug, so dass ich ein simples Gut-Böse Schema nicht per se verwerfen möchte.

Bearbeitet von Oliver, 12 Dezember 2010 - 18:45.

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#42 molosovsky

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Geschrieben 12 Dezember 2010 - 18:50

@Oliver:
ich präzisiere mal zu LOTR: Ich bleibe dabei, dass der Kampf gegen das Böse, & die Queste der Ringvernichtung Hauptelemente des Buches sind. Will aber damit nicht gesagt haben, dass es damit zwangsläufig eine Hauptattraktion ist. -- Ich selbst hatte bei meinen Durchgängen diese Ebene aber immer im Blick (vielleicht, weil mir diese Aspekte eher als negativ aufgestoßen sind). Die Sache mit dem Weltenbau, in den man sich als Leser verliehren kann ist auch für mich ein (schöner) Reiz gewesen den Roman (mehr als 1 x) zu lesen.

Jetzt nicht viel Zeit. Später mehr.

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#43 simifilm

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Geschrieben 12 Dezember 2010 - 19:11

Was Du zu Gibson schreibst, volle Zustimmung, aber Dein Statement hier zum "Herr der Ringe" fordert schon zum Widerspruch heraus. Gerade Tolkien betreibt doch massiv wie kaum jemand in der Fantasy die von Dir geschätzte "Kunst des Auslassens" und erzählt nach dem "Spitze des Eisberg"-Prinzip. Natürlich, der Eisberg ist gigantisch (er hat auch Jahrzehnte daran gesessen) und deshalb ist andeutendes Erzählen bei Tolkien trotzdem 1.000 Seiten lang, aber hier von "Komplettheitswahn" zu sprechen, das muss ich wirklich scharf zurück weisen. Das macht er doch nun gerade nicht. Insofern und nur hier sind Gibson und Tolkien durchaus vergleichbar. Nur quantitativ halt nicht. Was Gibson in einem Satz schreibt, würden manche in 10 Seiten beschreiben. Und was Tolkien auf 1-2 Seiten beschreibt, das würden andere auf 50-100 Seiten auswalzen (warte mal bis Kevin J. Anderson eine Tolkien-Lizenz bekommt, dann wird Dir Hören und Sehen vergehen!). Lange Rede, kurzer Sinn: Natürlich erzählt Tolkien ausufernd in die Breite (schöööön...), aber eben auch unter extremer Auslassung und sehr viel nur mit Andeutungen - das ist genau das Gegenteil von Komplettheitswahn. Nimm die Spinne Shelob: Selbst die bekommt eine Biographie (im Roman, nicht im FIlm) verpasst - 1-2 Seiten für eine Spinne. Und trotzdem merkst Du beim lesen - ihre Geschichte ist noch viel länger...
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Dass da noch viel, viel mehr dahinter ist - geschenkt. Mich interessiert das einfach nicht sonderlich. Und Wenn die Eisbergspitze seitenweise Tom Bombardil enthält, wurde ganz eindeutig nicht genug weggelassen. :sofa:

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#44 Lucardus

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Geschrieben 13 Dezember 2010 - 08:48

Dass da noch viel, viel mehr dahinter ist - geschenkt. Mich interessiert das einfach nicht sonderlich. Und Wenn die Eisbergspitze seitenweise Tom Bombardil enthält, wurde ganz eindeutig nicht genug weggelassen. ;)

Banause!
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#45 Lucardus

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Geschrieben 13 Dezember 2010 - 10:21

Und da finde ich es eben heikel, wenn all dieser wunderbare Aufwand getrieben wird, nur um im Grunde empörende Vereinfungen wie "die strahlenden Guten" und "das absolute Böse" erneut unter die Leser zu bringen. -- Wiegesagt, finde ich, dass es Mittel und Kniffe gibt, die zumindest mir solche S/W-Zeichnungen des Weltenbaus doch schmackhaft machen können.

Lass dir gesagt sein, selbst in Harry Potter gibt es längst nicht nur Gut und Böse, das ist vielschichtiger als das Feuilleton sich eingestehen will. Selbst der strahlende Dumbledore hat dunkle Kleckse in seiner Vergangenheit. Und außerdem sollte man nicht vergessen, dass Potter als Jugendbuch konzipiert ist, aber fast immer an den Ansprüchen Erwachsener gemessen wird. Und selbst da zeigt Rowling, dass sie keine Plots baut, die man als erfahrener Leser gleich vorhersehen kann. Es gibt eine Menge Fantasy für Erwachsene, die nicht halb so einfallsreich ist. Ich halte Potter für ein Werk, dass einen ähnlichen Bestand haben wird wie für "unsere" Generation der HdR (bevor der neue Hype durch die Verfilmung ausbrach). Auch bei Potter finde ich, dass die Weltrettung im Verlauf der Handlung zwar immer stärker in den Vordergrund rückt, aber für die Leser, ähnlich wie beim HdR die Entwicklung der Figuren das wichtigste ist. Eine Weltrettung allein produziert keine Fans.

Auch Kritiken an Büchern können empörende Vereinfachungen sein, nicht wahr. ;)
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#46 molosovsky

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Geschrieben 13 Dezember 2010 - 10:39

@Lucardus:
Potter brauchste gegen mich nicht groß verteidigen. Meine letzten Auslassung ging auch nicht speziell gegen HP. †” (Beiseit: der Abschlussband von HP hat mich allerdings dann schon enttäuscht.)

Dein Satz†¦

Auch Kritiken an Büchern können empörende Vereinfachungen sein, nicht wahr

†¦bringt mich auf was.

Leser (zumindest ich) vereinfachen Bücher, Filme ja entsprechend dem, was sie sich vom Werk erwarten, sie darin gefunden, bemerkt, verstanden, gewertet haben. Bei Reden über Bücher vereinfacht man dann.

Ich versuche den Bogen wieder zum Thema zu schlagen:
Im Grunde ist ja meine »Ich habe genug!«-Klage eine Kritik an der Verwendung von Klischees oder der Formelhaftigkeit von Fiktionen, vor allen eben bestimmten häufigen, ja soweit ich sagen kann, dominierenden Grundmustern der (populären) Genre-Phanatstik: Weltenrettung und Kampf von Gut vs. Böse.

Wenn mir ein Buch unterkommt, das eines oder sogar beide Elemente hat, dann muss es schon auf anderen Gebieten tolle Leistungen bieten, um mich zu ködern. †” Eben Weltenbau (Tiefe, Originalität & Geschick der Darbietung), Sprache, Stil, Erzählstruktur, Figuren, dramaturgisch gelungene Wucht oder Leichtfüßigkeit. Es gibt bestimmt noch mehr Fiktions- und Erzähl-Tugenden, die mir im Augenblick nicht einfallen.

Grüße
Alex / molo

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#47 Konrad

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Geschrieben 13 Dezember 2010 - 10:54

Wenn mir ein Buch unterkommt, das eines oder sogar beide Elemente hat, dann muss es schon auf anderen Gebieten tolle Leistungen bieten, um mich zu ködern. †” Eben Weltenbau (Tiefe, Originalität & Geschick der Darbietung), Sprache, Stil, Erzählstruktur, Figuren, dramaturgisch gelungene Wucht oder Leichtfüßigkeit. Es gibt bestimmt noch mehr Fiktions- und Erzähl-Tugenden, die mir im Augenblick nicht einfallen.

Wie wärs mit
Gefühl für Tempo, Diktion, Beiläufigkeit, Reflektion, das Wesentliche. ;)

@Gerd: Kannst du deine Vorbehalte gegen die Schreibregel ein bißchen erläutern?

Bearbeitet von Konrad, 13 Dezember 2010 - 13:59.



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