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Klassische Erzählweise vs Postmoderne in der SF


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214 Antworten in diesem Thema

#181 Gast_Frank W. Haubold_*

Gast_Frank W. Haubold_*
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Geschrieben 06 Februar 2011 - 10:38

Na dann zieh ich mal als persönliches Fazit, dass Postmoderne ein eher willkürlicher Begriff ist, der alles Verquere nach 45 zusammenschmeißt.

"Klassische Erzählweise vs Postmoderne in der SF" ist insofern ein Scheingefecht, da die Frage eher lautet, wie viele Leser mögen unkonventionell erzählte Stories.
:D


Ich muß ehrlich zugeben, daß ich mit dem Begriff "Postmoderne" wenig anfangen kann.
Vermutlich sind damit jene Texte gemeint, die sich dem "normalen" Leser nicht oder nur schwer erschließen.

Ich bin kein Vielleser wie andere, aber ich glaube dennoch nicht, daß diese vermeintlich avantgardistischen Werke im SF-Bereich eine größere Rolle spielen. Die einzig erwähnenswerte Ausnahme scheint mir Delanys Roman "Dhalgren" zu sein (habe ich übrigens auch nicht verstanden), der trotz seiner Unzulänglichkeit großen Erfolg hatte.

Die bislang erfolgreicheren SF-Werke von "Dune" über "Picknick am Wegesrand" bis hin zu "Hyperion" und Lukianenkos aktuellen Büchern sind jedenfalls klassisch erzählt.

Gruß

FWH

#182 Beverly

Beverly

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Geschrieben 06 Februar 2011 - 16:14

Ich muß ehrlich zugeben, daß ich mit dem Begriff "Postmoderne" wenig anfangen kann.


So geht es vielen ... ich persönlich glaube, dass sich bei der Postmoderne hinter der Fassade der Beliebigkeit und einer rein formalen Verspieltheit konservative Inhalte verbergen und sie inhatlich nichts Neues oder gar Innovatives bringt.

Die bislang erfolgreicheren SF-Werke von "Dune" über "Picknick am Wegesrand" bis hin zu "Hyperion" und Lukianenkos aktuellen Büchern sind jedenfalls klassisch erzählt.


Mir gefallen Bücher am Besten, in denen die Autoren inhaltlich experimentieren. Ich muss aber verstehen, was da vor sich geht und es muss in sich stimmig sein. Wenn ich als Schriftstellerin selbst experimentiere (z. B. Frauen mit vier Armen oder Romanfiguren, die entdecken, dass sie Romanfiguren sind), muss ich das in einer verständlichen Form herüberbringen. Letztendlich ist die Form nicht Zweck, sondern Mittel zur Kommunikation.

#183 Naut

Naut

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Geschrieben 07 Februar 2011 - 07:31

Ich muß ehrlich zugeben, daß ich mit dem Begriff "Postmoderne" wenig anfangen kann.
Vermutlich sind damit jene Texte gemeint, die sich dem "normalen" Leser nicht oder nur schwer erschließen.

Das glaube ich nicht. Auch die Postmoderne kann (und soll) sich dem Leser erschließen, eine solipsistische Kunst ergibt schließlich keinen Sinn. Ich denke eher, dass die Postmoderne sich in erster Linie gegen den Dogmatismus der Moderne wendet. In der Moderne gab es viele Künstler, die an einfache Rezepte und Theorien glaubten, an mechanistische Weltbilder, futuristische Erlösungsphantasien und die Zwangsläufigkeit der Weltrevolution. Die Postmoderne markiert die Abkehr davon, ohne aber etwas Gleichwertiges an die Stelle der All-Theorien zu setzen.

Die bislang erfolgreicheren SF-Werke von "Dune" über "Picknick am Wegesrand" bis hin zu "Hyperion" und Lukianenkos aktuellen Büchern sind jedenfalls klassisch erzählt.

Da wäre ich mir nicht so sicher. "Dune" ist für seine Zeit alles andere als klassisch erzählt, schließlich gibt es immer wieder "Zitate" aus fiktionaler Sekundärliteratur. Das ist schon recht postmodern. Auch "Picknick am Wegesrand" beginnt mit einem Interview und erzeugt so eine größere Authenzität. Sicher sind diese Werke nicht "radikal" postmodern, aber ich denke, die Autoren haben ihre Lektion schon gelernt. Und Dick als Vertreter der inhaltlichen (wenn schon nicht formalen) Postmoderne wurde ja auch schon genannt.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#184 Beverly

Beverly

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Geschrieben 07 Februar 2011 - 11:45

Auch die Postmoderne kann (und soll) sich dem Leser erschließen, eine solipsistische Kunst ergibt schließlich keinen Sinn. Ich denke eher, dass die Postmoderne sich in erster Linie gegen den Dogmatismus der Moderne wendet. In der Moderne gab es viele Künstler, die an einfache Rezepte und Theorien glaubten, an mechanistische Weltbilder, futuristische Erlösungsphantasien und die Zwangsläufigkeit der Weltrevolution. Die Postmoderne markiert die Abkehr davon, ohne aber etwas Gleichwertiges an die Stelle der All-Theorien zu setzen.


In der Moderne, die ich hier mal so von 1900 bis 1980 verorten will, gab es in der Tat vieles, was von Form und Inhalt nicht so prickelnd und kritikwürdig war: der eindimensionale Fortschrittsglauben und der marxistische Geschichtsfahrplan (den ich mit Verlaub für Müll halte), Technikgläubigkeit und der Glaube an quantitatives Wachstum, das für die entiwckelten Länder schon vor 30 Jahre keinen Sinn mehr hatte. In der Science Fiction zu simple Weltbilder im Sinne von "die Guten vs. die Bösen", Betonung von Wissenschaft und Technik unter Vernachlässigung des Gesellschaftlichen.
Aber diese Fehlentwicklung hat die Moderne IMHO aus sich selbst heraus thematisiert und überwunden - in Deutschland gab es nicht nur "Perry Rhodan", sondern die Umwelt- und Friedensbewegung, die Science Fiction war weit mehr als 08/15-Space Opera und selbst in den Space Operas und "Military"-SF gab es etwa in den Charakteren von Simon R. Green und Lois McMaster Bujold neue und innovative Trends.
Nur braucht man zu alledem die Postmoderne so gar nicht. Ich verbinde mit ihrem Diskurs erstens gar nichts (weil beliebig), zweitens nur Schlechtes (weil es neokonservatives Geschwurbel ist).

"Dune" ist für seine Zeit alles andere als klassisch erzählt, schließlich gibt es immer wieder "Zitate" aus fiktionaler Sekundärliteratur.


Warum soll man so etwas nicht auch im klassischen Erzählstil machen? Wobei mich hinsichtlich Dramaturgie der junge Paul Mu'ad Dib an Biografien des jungen Temudschin ("Auf den Rücken ihrer Pferde") erinnert. Alles sehr klassisch ...

Und Dick als Vertreter der inhaltlichen (wenn schon nicht formalen) Postmoderne wurde ja auch schon genannt.


Ein Freund von mir meinte, das Grundmotiv von Dicks Werk wäre "Verzweiflung". Das erklärt es mir besser als der Bezug auf die "Postmoderne". Die ist als Antwort auf die Moderne meines Erachtens kläglich gescheitert - so sie denn überhaupt eine Antwort sein wollte.

Bearbeitet von Beverly, 07 Februar 2011 - 11:47.


#185 Gast_Frank W. Haubold_*

Gast_Frank W. Haubold_*
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Geschrieben 07 Februar 2011 - 18:05

Das glaube ich nicht. Auch die Postmoderne kann (und soll) sich dem Leser erschließen, eine solipsistische Kunst ergibt schließlich keinen Sinn. Ich denke eher, dass die Postmoderne sich in erster Linie gegen den Dogmatismus der Moderne wendet. In der Moderne gab es viele Künstler, die an einfache Rezepte und Theorien glaubten, an mechanistische Weltbilder, futuristische Erlösungsphantasien und die Zwangsläufigkeit der Weltrevolution. Die Postmoderne markiert die Abkehr davon, ohne aber etwas Gleichwertiges an die Stelle der All-Theorien zu setzen.

Na ja, ich habe nun doch nachlesen müssen, um nicht nur im Nebel zu stochern, und finde nicht, daß die "Postmoderne" überhaupt für irgend etwas Erstrebenswertes steht. Der Verzicht auf Fortschritt und eine positive Vision ist für mich eher das Gegenteil. Das gilt auch und erst recht für die Kunst. Ein Autor, der unter der Maxime "ist eh alles zu kompliziert und eigentlich sowieso wurscht" seine Texte schreibt, wird im Normalfall den Leser nicht überzeugen können. Denn der könnte rasch zu dem Fazit kommen: "Warum soll ich das eigentlich lesen, ist doch eh nichts dahinter?"

Da wäre ich mir nicht so sicher. "Dune" ist für seine Zeit alles andere als klassisch erzählt, schließlich gibt es immer wieder "Zitate" aus fiktionaler Sekundärliteratur. Das ist schon recht postmodern. Auch "Picknick am Wegesrand" beginnt mit einem Interview und erzeugt so eine größere Authenzität. Sicher sind diese Werke nicht "radikal" postmodern, aber ich denke, die Autoren haben ihre Lektion schon gelernt. Und Dick als Vertreter der inhaltlichen (wenn schon nicht formalen) Postmoderne wurde ja auch schon genannt.

Ich denke schon, daß "Dune" klassisch erzählt ist und besagte Zitate empfand ich mit zunehmender Zahl eher als Ärgernis. Und die genannten Bücher sind aus meiner Sicht schon allein deswegen nicht postmodern, weil sie eben doch Aussagen transportieren, die der inneren Überzeugung des Autors entsprechen, sei diese nun "dogmatisch" oder nicht. Wer bestimmt eigentlich, ob ein Weltbild "mechanisch" ist oder nicht? Und was sind "einfache" Rezepte und Theorien?

#186 Naut

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Geschrieben 07 Februar 2011 - 19:16

@Bev: Ich habe so meine Zweifel, ob man "Die Postmoderne" ab 1980 gelten lassen kann. Die literarische Postmoderne beginnt wohl spätestens 1933, selbst wenn man nur SF zählt, dürften mit der New Wave spätestens postmoderne Techniken im Genre angekommen sein. Ich denke aber, das dürfte früher der Fall gewesen sein (siehe Dune).

Na ja, ich habe nun doch nachlesen müssen, um nicht nur im Nebel zu stochern, und finde nicht, daß die "Postmoderne" überhaupt für irgend etwas Erstrebenswertes steht. Der Verzicht auf Fortschritt und eine positive Vision ist für mich eher das Gegenteil. Das gilt auch und erst recht für die Kunst. Ein Autor, der unter der Maxime "ist eh alles zu kompliziert und eigentlich sowieso wurscht" seine Texte schreibt, wird im Normalfall den Leser nicht überzeugen können. Denn der könnte rasch zu dem Fazit kommen: "Warum soll ich das eigentlich lesen, ist doch eh nichts dahinter?"

Warum? Ist Fortschritt per se etwas positives? Sind zyklische Weltbilder - wie sie in frühen Hochkulturen nicht selten waren - schlechter?
Außerdem denke ich nicht, dass postmodern immer das Fehlen einer Vision oder von Bedeutung bedeutet (haha), das kann zwar so sein, ist aber keine Zwangsläufigkeit. Eher geht es doch um den Verzicht auf Kontrollideologien, seien sie nun faschistisch, kommunistisch, theokratisch oder sonstwie geprägt.

"Foundation" ist modern, denn es geht um einen "Tausendjahresplan", eine jahrtausende währende Kontrollideologie, die am Schluss auch noch aufgeht. "Dune" ist das Gegenteil, nämlich der Versuch eines solchen Plans, der letztlich an seinem eigenen, präkognitiven Messianismus kollabiert. Die wenigen Jahrzehnte, die zwische Foundation und Dune liegen, zeigen hier schon einen - ähm - Paradigmenwechsel.

Wer bestimmt eigentlich, ob ein Weltbild "mechanisch" ist oder nicht? Und was sind "einfache" Rezepte und Theorien?

Das ist doch recht einfach: Bis vor kurzem (und teils wohl immer noch) herrschte bei vielen die Überzeugung vor, dassman alles kontrollieren kann, wenn man nur über genug Mittel (Energie, Information, etc.) verfügt. Stichwort "Weltformel". Heute ist man sich da nicht mehr so sicher. Quantenmechanik und Singularitätentheorie (vulgo. "Chaostheorie") weisen da in eine andere Richtung.
Ich finde es spannend, solche Überlegungen auch in derLiteratur wiederzufinden, gerade wenn sie nicht in Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit münden, was natürlich eine größere Herausforderung bedeutet, als sich zum Beispiel einfach auf allmächtige, gütige Schöpfer oder deren atheistische Äquivalente zu berufen.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#187 Beverly

Beverly

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Geschrieben 07 Februar 2011 - 20:31

@Bev: Ich habe so meine Zweifel, ob man "Die Postmoderne" ab 1980 gelten lassen kann. Die literarische Postmoderne beginnt wohl spätestens 1933, selbst wenn man nur SF zählt, dürften mit der New Wave spätestens postmoderne Techniken im Genre angekommen sein. Ich denke aber, das dürfte früher der Fall gewesen sein (siehe Dune).


@Naut, es ist eher so, dass meines Erachtens Postmoderne/postmodern sich dadurch "auszeichnen", für alles und nichts zu stehen. So bezieht sich mein "die Postmoderne beginnt ab 1980" darauf, dass ich damals erlebt habe, wie dieses Wort in der sozialwissenschaftlichen Diskussion Einzug hielt. Ich vermeide bewusst "Begriff", denn ein Begriff zeichnet sich durch Definitionen und innere Logik aus, die dem Diskurs der Postmoderne fehlen. Selbst den Willen nur Beliebigkeit zu unterstellen, mag zu weit gehen, denn im "Willen" artikulieren sich Menschen klar und eindeutig und das ist es, was die Postmoderne tunlichst vermeidet.

Außerdem denke ich nicht, dass postmodern immer das Fehlen einer Vision oder von Bedeutung bedeutet (haha), das kann zwar so sein, ist aber keine Zwangsläufigkeit. Eher geht es doch um den Verzicht auf Kontrollideologien, seien sie nun faschistisch, kommunistisch, theokratisch oder sonstwie geprägt.


Jede Vision muss irgendwie "da sein", eine Blaupause haben und Menschen, welche die Umsetzung dieser Blaupause wollen. Das kann eine monolithische Vision sein, wo alles für lange Zeit und an jeder Stelle festgelegt ist, also zentralisierte Kontrolle. Oder es kann eine "Meta-Vision" sein, die Raum für verschiedene Projekte und unterschiedliche Gemeinwesen hat. Ich ziehe Letzteres vor, halte es von den Postmodernisten für unredlich, zu behaupten, sie hätten eine derartige Vision und sich gleichzeitig vor ihrer postiven Setzung zu drücken.
Entweder hat die Postmoderne keine Vision oder sie sie ist in Wirklichkeit ebenso repressiv wie zentralisierte Kontrollsysteme, nur hat sie die Kontrolle dezentralisiert. Es gibt dann keinen Gott mehr, dem alle huldigen müssen wie in der Theokratie, dafür werden die Sachbearbeiter im Jobcenter von ihren Opfern ... pardon "Kunden" zu "kleinen Göttern" hochstilisiert.
Eines steht auf jeden Fall fest: Ihr Amoklauf gegen klare Strukturen macht die Postmoderne als gesellschaftliche Projekt zutiefst repressiv und als literarischen Trend unlesbar (es sei denn, sie schmücken sich mit fremden Federn).

"Foundation" ist modern, denn es geht um einen "Tausendjahresplan", eine jahrtausende währende Kontrollideologie, die am Schluss auch noch aufgeht. "Dune" ist das Gegenteil, nämlich der Versuch eines solchen Plans, der letztlich an seinem eigenen, präkognitiven Messianismus kollabiert. Die wenigen Jahrzehnte, die zwische Foundation und Dune liegen, zeigen hier schon einen - ähm - Paradigmenwechsel.


Ja, ein Paradigmenwechsel vom naiven Technokratismus hin zum unter allerlei Geschwurbel verschleierten kosmosweiten Totalitarismus, der die Kontrolle nicht abbaut, sondern intensiviert. Die Vision von DUNE zeichnet sich durch Folgendes aus:

- Computer sind verboten, weil die von einfachen Menschen benutzt werden können, um ihre geistigen Fähigkeiten zu vervielfachten (was ich jetzt gerade tue), alldiweil geistige Vervollkommnung den herrschenden Eliten (Mentaten, Bene Gesserit) vorbehalten ist

- die "Gilde" hat ein Monopol auf interstellare Raumfahrt

dieses Monopol ist verknüpft mit

- dem Monopol auf das lebensverlängernde "Gewürz" auf Arrakis

- Gottkaiser Leto II herrscht 3000 Jahre und lässt Historiker, deren Werke ihm nicht passen, mitsamt ihren Büchern verbrennen

- nach seinem Ableben kehren seine zu den "Geehrten Matres" mutierte Leibwächterinnen aus der "Diaspora" wieder und machen Terror

Tut mir Leid, aber so etwas ist für mich die geistige Endlösung der Menschheitsfrage. Und Kirk hätte doch einen Drink mit Kor nehmen sollen, weil der zwar ein Arschloch, aber ehrlich war (aber das erkläre ich jetzt nicht).

Bearbeitet von Beverly, 07 Februar 2011 - 21:02.


#188 simifilm

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Geschrieben 07 Februar 2011 - 22:20

@Bev: Ich habe so meine Zweifel, ob man "Die Postmoderne" ab 1980 gelten lassen kann. Die literarische Postmoderne beginnt wohl spätestens 1933, selbst wenn man nur SF zählt, dürften mit der New Wave spätestens postmoderne Techniken im Genre angekommen sein.


Wie ich hier schon mehrfach zu erklären versucht habe: Ein Grossteil der Verfahren, die in der New Wave ausprobiert wurden, sind keineswegs postmodern, sondern - literaturhistorisch betrachtet - modern. Es handelt sich dabei um Verfahren, wie sie von Autoren wie Joyce oder Döblin verwendet wurden.

"Foundation" ist modern, denn es geht um einen "Tausendjahresplan", eine jahrtausende währende Kontrollideologie, die am Schluss auch noch aufgeht.


Das ist aber keineswegs modern. Die literarische Moderne ist im Gegenteil durch eine tiefe Erkenntnisskepsis geprägt. Bei modernen Autoren wie Kafka oder Joyce ist eben gerade keine einheitliche Perspektive auf eine durchschaubare Welt mehr gegeben. Die Voraussehbarkeit der Welt, wie sie Foundation beschreibt, geht von einer durchschau- und planbaren Welt aus. Diese Position wird immer von Freud, Einstein, Heisenerg et al. gründlich untergraben.

Bearbeitet von simifilm, 07 Februar 2011 - 22:23.

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#189 Lomax

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Geschrieben 07 Februar 2011 - 23:42

Das ist aber keineswegs modern. Die literarische Moderne ist im Gegenteil durch eine tiefe Erkenntnisskepsis geprägt. Bei modernen Autoren wie Kafka oder Joyce ist eben gerade keine einheitliche Perspektive auf eine durchschaubare Welt mehr gegeben. Die Voraussehbarkeit der Welt, wie sie Foundation beschreibt, geht von einer durchschau- und planbaren Welt aus.

Das (begriffliche) Problem bei der Diskussion ist aber, das gerade diese "Planbarkeit" und "Durchschaubarkeit" ein Element der historischen Moderne ist, und die Postmoderne in diesem außerliterarischen Umfeld eher die Abkehr von der Möglichkeit einer allgemeingültigen Position beschreibt. Und ich halte das jetzt nicht nur für eine behebbare Begriffsverwirrung in der Diskussion, sondern würde sogar behaupten, dass eine Definition der literarischen Postmoderne, die sich von der historischen, realweltlichen entfernt, per se untauglich ist und mehr (postmoderne :)) Verwirrung stiftet, als brauchbare Kategorien zu liefern.
Ich persönlich würde Kafka und vermutlich auch Joyce jederzeit auch als moderne Autoren definieren - aber nicht etwa, weil sie in ihren Werken typische Merkmale der "Moderne" zeigen, sondern weil sie sich an Phänomenen der Moderne abarbeiten und sich in Form und Aussage dagegen stellen. Das macht sie zwar nicht zu postmodernen Autoren, weil es für die ausgeprägte Perspektive der Postmoderne zu früh wäre. Aber es macht sie zumindest eher zu Wegbereitern der Postmoderne als zu Autoren, die in ihren Werken typische Merkmale der Moderne "repetieren" würden.
Die literarische Moderne ist also m.E. nur insofern durch eine tiefe Erkenntnisskepsis geprägt, als dass jede Literatur sich halt auch an den Problemen und Widersprüchen ihrer Zeit abarbeitet und sie in Frage stellt. Als Kernthema im Zentrum der Literatur steht dann aber immer noch das, was die Epoche positiv prägt, selbst wenn es kritisiert wird und Gegenmodelle angerissen werden. Das (auch formale) Infragestellen dieser Kernthemen und die Skepsis ihnen gegenüber tritt nur bei einer bestimmten Art von moderner Literatur hinzu und ist damit wohl eher als Modus zu werten, mit dem das eigentliche Kernthema der "Durchschau- und Planbarkeit" abgearbeitet wird (Btw, ich persönlich würde das Kernthema der Moderne eher als "säkulare teleologische Perspektive" ausdrücken).
Womit dann die historische Moderne und die literarische Moderne doch wieder auf einer gemeinsamen Basis zusammenkommen.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#190 simifilm

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 01:59

Das (begriffliche) Problem bei der Diskussion ist aber, das gerade diese "Planbarkeit" und "Durchschaubarkeit" ein Element der historischen Moderne ist, und die Postmoderne in diesem außerliterarischen Umfeld eher die Abkehr von der Möglichkeit einer allgemeingültigen Position beschreibt. Und ich halte das jetzt nicht nur für eine behebbare Begriffsverwirrung in der Diskussion, sondern würde sogar behaupten, dass eine Definition der literarischen Postmoderne, die sich von der historischen, realweltlichen entfernt, per se untauglich ist und mehr (postmoderne :)) Verwirrung stiftet, als brauchbare Kategorien zu liefern.
Ich persönlich würde Kafka und vermutlich auch Joyce jederzeit auch als moderne Autoren definieren - aber nicht etwa, weil sie in ihren Werken typische Merkmale der "Moderne" zeigen, sondern weil sie sich an Phänomenen der Moderne abarbeiten und sich in Form und Aussage dagegen stellen. Das macht sie zwar nicht zu postmodernen Autoren, weil es für die ausgeprägte Perspektive der Postmoderne zu früh wäre. Aber es macht sie zumindest eher zu Wegbereitern der Postmoderne als zu Autoren, die in ihren Werken typische Merkmale der Moderne "repetieren" würden.
Die literarische Moderne ist also m.E. nur insofern durch eine tiefe Erkenntnisskepsis geprägt, als dass jede Literatur sich halt auch an den Problemen und Widersprüchen ihrer Zeit abarbeitet und sie in Frage stellt. Als Kernthema im Zentrum der Literatur steht dann aber immer noch das, was die Epoche positiv prägt, selbst wenn es kritisiert wird und Gegenmodelle angerissen werden. Das (auch formale) Infragestellen dieser Kernthemen und die Skepsis ihnen gegenüber tritt nur bei einer bestimmten Art von moderner Literatur hinzu und ist damit wohl eher als Modus zu werten, mit dem das eigentliche Kernthema der "Durchschau- und Planbarkeit" abgearbeitet wird (Btw, ich persönlich würde das Kernthema der Moderne eher als "säkulare teleologische Perspektive" ausdrücken).
Womit dann die historische Moderne und die literarische Moderne doch wieder auf einer gemeinsamen Basis zusammenkommen.


Ich möchte hier nicht eine allgemeine Diskussion zum Begriff 'Moderne' starten, da weiss ich aus eigener Studi-Erfahrung, dass das endlos wird. Aber zumindest als literarische Epoche ist Moderne doch einigermassen klar begrenzbar (auch in der bildendenden Kunst und der Architektur ist ungefähr klar, was gemeint ist, wenn von "Moderne" resp. "klassischer Moderne" die Rede ist). Und da es hier ja primär um literarische Phänomene geht, scheint es mir sinnvoll, sich hier am literaturhistorischen Begriff zu orientieren und Moderne nicht etwa mehr oder weniger mit der Neuzeit o.ä. gleichzusetzen. Wenn wir Moderne weiter ausdehnen, dann fällt am Ende ja auch wieder der bürgerliche Realismus des 19. Jahrhunderts darunter, und dann ist der Gegensatz zwischen klassischem und nicht-klassischem Erzählen, um den es hier im Thread geht, nicht mehr gegeben.

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#191 Lomax

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 04:08

Und da es hier ja primär um literarische Phänomene geht, scheint es mir sinnvoll, sich hier am literaturhistorischen Begriff zu orientieren und Moderne nicht etwa mehr oder weniger mit der Neuzeit o.ä. gleichzusetzen. Wenn wir Moderne weiter ausdehnen, dann fällt am Ende ja auch wieder der bürgerliche Realismus des 19. Jahrhunderts darunter, und dann ist der Gegensatz zwischen klassischem und nicht-klassischem Erzählen, um den es hier im Thread geht, nicht mehr gegeben.

Ganz im Gegenteil. Da hier im Thread ja gerade die "Postmoderne" als Gegenpol zum "klassischen Erzählen" aufgespannt wurde, habe ich das Gefühl, dass der im Thread aufgespannte Dualismus sich besser greifen lässt, wenn man den Bogen weit spannt und sich mehr am gemeinsprachlichen Wortgebrauch orientiert als am rein literaturhistorischen.
Ich habe nämlich durchaus den Eindruck, dass viel von dem, was literaturhistorisch noch in die Moderne fällt, im Rahmen des Threads schon eher als Ansätze Richtung "Postmoderne" verstanden wird - während umgekehrt vieles, was die Moderne historisch ausmacht, sich in dem widerspiegelt, was hier als "klassische Erzählweise" eingeführt wurde. Darum trägt die Einbringung der literaturhistorischen "Moderne" als dritter Begriff in die Diskussion mehr zur Verwirrung der Begrifflichkeiten bei als zur Klärung.
Und der Grund, warum dieser Begriff der "literaturhistorischen Moderne" für mehr Verwirrung als Klarheit sorgt, ist schlicht der, dass es eben ein literaturhistorischer Begriff ist, es in der Diskussion hier aber nicht um literarische Epochen geht, sondern um gewisse "Erzählweisen". Da ist die Gleichsetzung mit literarischen Epochenbegriffen ganz gewiss zu eng, weil die hier gemeinten Arten, eine Geschichte zu erzählen, nun mal selbst eine Entwicklungsgeschichte haben, die jeweils mehre literarische Epochen überspannt - so dass man sie nur dann so flappsig mit den Begriffen "Postmodern" vs. "Klassisch" umfassend gegeneinanderstellen kann, wenn man diese Begriffe eben nicht literaturhistorisch, sonder prinzipieller versteht.
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#192 lapismont

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 07:43

Das kommt mir manchmal vor, als suchte man krampfhaft nach Steigerungsformen, weil man irgendwann mal mit diesem Epochenwahnsinn begann. Asbachmoderne, Prämoderne, Moderne, Postmoderne, Hypermoderne, Retromoderne, Unmoderne ... :fun: Diese literaturwissenschaftliche Sicht ändert ja zum Glück nicht die Literatur. Nur die wenigsten Autoren schreiben mit der Prämisse, endlich mal X-moderne Literatur zu schaffen. Vielmehr ist doch das Schreiben stets eine Melange aus Bekanntem und der eigenen Kreativität. Die bekannten Stile und Formen potenzieren sich. Jede Autorengeneration schöpft aus der Hinterlassenschaft immer größerer Werkemassen der Vorgänger. Die Vielfalt steigt auf einer Hyperbelbahn ins Unendliche - Klassifizierungen schließen immer kleinere Mengen sicher ein, die Ausreißerquoten werden größer. So, dass war jetzt die Herleitung der Hypermoderne ... ;)

Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.

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#193 simifilm

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 08:10

Ganz im Gegenteil. Da hier im Thread ja gerade die "Postmoderne" als Gegenpol zum "klassischen Erzählen" aufgespannt wurde, habe ich das Gefühl, dass der im Thread aufgespannte Dualismus sich besser greifen lässt, wenn man den Bogen weit spannt und sich mehr am gemeinsprachlichen Wortgebrauch orientiert als am rein literaturhistorischen.


Wie ich mittlerweile wahrscheinlich rund ein halbes Dutzend Mal geschrieben habe, war in meinem Ausgangspost primär von Moderne und nicht von Postmoderne die Rede. Und gerade wenn es um die New Wave geht, die ja das nicht-klassische Erzählen in die SF bringt, ist die Moderne eben der wichtigere Referenzpunkt. Stilistisch gesehen - und um den Stil geht es hier ja primär - ist die Postmoderne in vielem auch nur eine Weiterführung und Zuspitzung moderner Tendenzen.

Ich habe nämlich durchaus den Eindruck, dass viel von dem, was literaturhistorisch noch in die Moderne fällt, im Rahmen des Threads schon eher als Ansätze Richtung "Postmoderne" verstanden wird - während umgekehrt vieles, was die Moderne historisch ausmacht, sich in dem widerspiegelt, was hier als "klassische Erzählweise" eingeführt wurde. Darum trägt die Einbringung der literaturhistorischen "Moderne" als dritter Begriff in die Diskussion mehr zur Verwirrung der Begrifflichkeiten bei als zur Klärung.
Und der Grund, warum dieser Begriff der "literaturhistorischen Moderne" für mehr Verwirrung als Klarheit sorgt, ist schlicht der, dass es eben ein literaturhistorischer Begriff ist, es in der Diskussion hier aber nicht um literarische Epochen geht, sondern um gewisse "Erzählweisen". Da ist die Gleichsetzung mit literarischen Epochenbegriffen ganz gewiss zu eng, weil die hier gemeinten Arten, eine Geschichte zu erzählen, nun mal selbst eine Entwicklungsgeschichte haben, die jeweils mehre literarische Epochen überspannt - so dass man sie nur dann so flappsig mit den Begriffen "Postmodern" vs. "Klassisch" umfassend gegeneinanderstellen kann, wenn man diese Begriffe eben nicht literaturhistorisch, sonder prinzipieller versteht.


Ja eben, es geht um Erzählweisen. Und es ist nun mal so, dass diverse nicht-klassische Erzähltechniken - Montagetechnik, Stream of Consciousness, Multiperspektivität - keineswegs genuin postmoderne Stilmittel sind, sondern in der Moderne entstanden sind. Und es ist auch so, dass realistische Erzähler wie Balzac, Fontane oder Dickens, die die klassische Erzählweise geprägt haben, normalerweise nicht unter die literarische Moderne gefasst werden. Wenn man klassisches Erzählen mit "modern" gleichsetzt, ist die Verwirrung komplett.

Ich glaube, molo hat mal vorgeschlagen, hier im Sinne einer Entwirrung besser von klassischen und nicht-klassischen Erzählweisen zu sprechen. Das erscheint mir im Sinne einer Begriffsklärung sinnvoll.

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#194 Naut

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 08:34

Ich glaube, molo hat mal vorgeschlagen, hier im Sinne einer Entwirrung besser von klassischen und nicht-klassischen Erzählweisen zu sprechen. Das erscheint mir im Sinne einer Begriffsklärung sinnvoll.

Okay, dann ersetzt in meinen Ausführungen oben eben "postmodern" durch "nicht klassisch".
Ich finde, die SF hat sich ab den 60ern viele "nicht klassische" Erzählweisen erschlossen, formal wie inhaltlich. Viele dieser Techniken kommen uns heute "klassisch" vor, zumal, wenn sie von Autoren eingesetzt werden, die ihr Handwerk verstehen.

Trotzdem finde ich den von Lomax definierten Parallelismus der historischen Moderne zu den entsprechenden Stilmitteln in der Literatur einleuchtend, und es ist bedauerlich, dass die Literaturtheorie da ihr eigenes Fass aufmachen musste. (Das ist ja kein Einzelfall.)

Beverly, ich finde es seltsam, dass Du "Dune" offenbar als eine Art positive Utopie liest. Mir jedenfalls wäre es nicht in den Sinn gekommen, dass Herbert an dem Gebaren von Leto III, den Matres oder überhaupt irgend jemandem außer Duncan Idaho etwas erstrebenswert findet. (Dieser naivere Ansatz findet sich bestenfalls bei Kevin J. Anderson.) Herbert demonstriert doch, dass alle diese Figuren, trotz ihrer Machtfülle, ihres Vorwissens und ihrer Ambitionen immer wieder den Unwägbarkeiten ausgeliefert sind, und sich in fragwürdige Positionen drängen lassen. Aber wenn Du das als ein "Rezept" lesen willst ...
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#195 simifilm

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 10:05

Trotzdem finde ich den von Lomax definierten Parallelismus der historischen Moderne zu den entsprechenden Stilmitteln in der Literatur einleuchtend, und es ist bedauerlich, dass die Literaturtheorie da ihr eigenes Fass aufmachen musste. (Das ist ja kein Einzelfall.)


Das ist nun wirklich keine Erfindung der Literaturtheorie. Sei es Bildende Kunst, Architektur oder Musik - das ist immer mehr oder weniger der gleiche Modernebegriff - Moderne bezeichnet hier immer plus minus die Epoche von der Jahrhundertwende bis zum Zweiten Weltkrieg (und es ist ja auch keineswegs so, dass es beispielsweise in der Geschichte oder der Soziologie einen einheitlichen Modernebegriff geben würde. Das kommt sehr auf den jeweiligen Fokus an).

Und den Parallelismus sehe ich so nicht. Denn wenn wir Moderne mehr oder weniger mit Neuzeit, Industralisierung o.ä. gleichsetzen, fallen in diesen Zeitraum ganz unterschiedliche stilistische Entwicklungen, dann deckt Moderne mehr oder weniger die ganze Literatur der letzten 300 Jahre ab. Von Aufklärung und Klassik über Romantik, Realismus und Naturalismus bis eben zur Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. Das erscheint mir dann definitiv nicht mehr als sinnvoll.

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#196 Jakob

Jakob

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 11:27

Ich möchte doch auch noch einmal gerne Simon beim Auseinanderklamüsern der Begriffe unterstützen. Es ist einfach nicht sinnvoll, eine Unterscheidung von Moderne und Postmoderne an formalen, inhaltlichen oder gar ideologischen Kriterien festmachen zu wollen, mittels derer dann eine klare Zuordnung des Werks ermöglicht werden soll. Dafür ist das Inventar von Moderne und Postmoderne in allen drei Bereichen zu ähnlich. Die literarische Moderne hat ja bereits die "großen Erzählungen" in Frage gestellt, sie aber zum Teil auch durch neue "große Erzählungen" ersetzt - z.B. durch die Psychonalyse (Virginia Woolf) oder durch einen mechanistischen Darwinismus (H.G. Wells oder Lovecraft). Die großen Erzählungen der Moderne waren aber bereits kopernikalische Verschiebungen, in denen der Mensch als handelndes Zentrum außer Kraft gesetzt wurde (das Ich ist in der Psychoanalyse nicht mehr Herr im eigenen Haus, der Mensch rückt ins Kontinuum der Tierwelt). Die Postmoderne hat diese Tendenz eigentlich nur noch mal über sich selbst hinausgetrieben, indem sie die dezentrierenden Erzählungen nochmals dezentriert - plötzlich scheint z.B. nicht mal mehr wie in der klassischen Psychoanalyse ein verborgenes Wechselspiel von Ich, Es und Über-Ich, sondern die Sprache spricht sich selbst oder Menschen sind Wunschmaschinen ohne klare Struktur. Dieser Versuch, die Moderne über sich hinauszutreiben, lässt sich aber nur schwer in ein ästhetisches Programm fassen, mit dem sich Moderne und Postmoderne voneinander abgrenzen ließen. Das geht halt nur am einzelnen Werk. Sehr unglücklich finde ich es, den Begriff der Postmoderne als antitotalitäres politisches Projekt fassen zu wollen. Das hat die akademische Linke eine ganze Weile betrieben und ist damit voll baden gegangen. Die Postmoderne ist politisch genauso vielfältig wie die Moderne und umfasst die seltsamsten Gemengelage von politischen Positionen.
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#197 Lomax

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 13:09

Wie ich mittlerweile wahrscheinlich rund ein halbes Dutzend Mal geschrieben habe, war in meinem Ausgangspost primär von Moderne und nicht von Postmoderne die Rede.

Okay. Aber je weiter so ein Thread voranschreitet, umso mehr Strahlkraft gewinnt nun mal der Titel als Leitlinie im Gewirr der Exkurse ;)

Wenn man klassisches Erzählen mit "modern" gleichsetzt, ist die Verwirrung komplett.

Man muss aber "modern" als literarischen Epochenbegriff auch nicht in die Diskussion einbringen, wenn man eigentlich nur über die Art spricht, wie eine Geschichte erzählt wird, und sich vorher darauf geeinigt hat, die Begriffe "klassisch" und "Postmodern" als die beiden Pole der Diskussion anzusehen. Da sorgt es dann nur für Verwirrung, den Begriff "modern" noch als (scheinbar) dritte Kategorie etablieren zu wollen, vor allem, wenn es um eine literaturhistorische Epoche geht, die in keiner Weise exemplarisch für eine der betrachteten Erzählweisen steht, sondern in der sich dieser Dualismus in etwas anderer Ausprägung gleichfalls schon finden lässt.
Wenn auch vielleicht nicht in der SF ... Das wäre jetzt wieder eine andere Frage :fun:

Ich glaube, molo hat mal vorgeschlagen, hier im Sinne einer Entwirrung besser von klassischen und nicht-klassischen Erzählweisen zu sprechen. Das erscheint mir im Sinne einer Begriffsklärung sinnvoll.

Das wäre vermutlich von Anfang an zwecks Begriffsklarheit sinnvoller gewesen und dürfte dem entsprechen, was eigentlich mit der "Postmoderne" hier gemeint ist. Aber solange das im Prinzip jedem klar ist, muss man eigentlich auch nicht an den Begriffen drehen - zumal man sich dann ja genauso trefflich darüber streiten könnte, wie genau denn nun die schwammigen Ausdrücke "klassisch" und "nichtklassisch" zu begreifen wären.
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#198 Jakob

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 13:17

Das wäre vermutlich von Anfang an zwecks Begriffsklarheit sinnvoller gewesen und dürfte dem entsprechen, was eigentlich mit der "Postmoderne" hier gemeint ist. Aber solange das im Prinzip jedem klar ist, muss man eigentlich auch nicht an den Begriffen drehen - zumal man sich dann ja genauso trefflich darüber streiten könnte, wie genau denn nun die schwammigen Ausdrücke "klassisch" und "nichtklassisch" zu begreifen wären.


Ich halte nicht so viel davon, die begriffliche Unschärfe in Bezug auf die Postmoderne aufrechtzuerhalten. Ich denke nämlich, dass sie zu einem völlig verzerrten Bild von Literatur- und Kunstgeschichte führt. Viele scheinen ja der Meinung zu sein, dass formale Spielereien neumodischer Kram wären, der in den letzten zwanzig Jahren aufgekommen ist. Und das scheint mir durchaus teilweise daran zu liegen, dass formale Spielereien mit Postmoderne gleichgesetzt wird und die Postmoderne viel zu spät irgendwann ab den 80ern angesetzt wird. Der Streit um den richtigen Begriff spielt da schon eine Rolle, wenn man mehr Klarheit gewinnen will. Wenn man alles, was einem irgendwie formal komisch oder inhaltlich beliebig erscheint, ganz ohne historische Verortung als Postmodern bezeichnet, dann wird das Ganze doch ein bisschen sehr subjektiv.
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#199 Beverly

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 13:30

Ich möchte hier nicht eine allgemeine Diskussion zum Begriff 'Moderne' starten, da weiss ich aus eigener Studi-Erfahrung, dass das endlos wird.


Och, meine Studien über die klassische Moderne, als sich die "Bürgergesellschaft" noch unbehelligt von Roten und Braunen austoben konnte, waren so endlos nicht. Siehe hier:

http://www.politik-s...r-epoche-t2467/

Das hat mich zu dem Schluss gebracht, dass das Projekt "Aufklärung" / "Moderne" wenig mehr war als die Ersetzung tyrannischer Adliger durch tyrannische Bürgerliche, die nach ihrer Machtübernahme ebenso schlimm weiter machten wie zuvor die Adligen. Für diese Erkenntnis haben allerdings Recherchen im Internet genügt und der postmoderne Diskurs war da ebenso irrelevant wie immer. Die so genannte "Postmoderne" kann schon wegen der Vermeidung klarer positiver gar keine neue Epoche "nach der Moderne" einläuten. Sie ist nur der jüngste von vielen geschwurbelten Diskursen, die es seit 1776/1789 ff. gegeben hat.

Beverly, ich finde es seltsam, dass Du "Dune" offenbar als eine Art positive Utopie liest. Mir jedenfalls wäre es nicht in den Sinn gekommen, dass Herbert an dem Gebaren von Leto III, den Matres oder überhaupt irgend jemandem außer Duncan Idaho etwas erstrebenswert findet. (Dieser naivere Ansatz findet sich bestenfalls bei Kevin J. Anderson.) Herbert demonstriert doch, dass alle diese Figuren, trotz ihrer Machtfülle, ihres Vorwissens und ihrer Ambitionen immer wieder den Unwägbarkeiten ausgeliefert sind, und sich in fragwürdige Positionen drängen lassen. Aber wenn Du das als ein "Rezept" lesen willst ...


@Naut,

ich muss gestehen, dass ich lange Zeit mit "Der Wüstenplanet" nicht klar gekommen bin. Im ersten Roman bietet der junge Paul Muad'Dib durchaus viel Raum, um sich mit ihm als positiven Held zu identifizieren. Da ist ein junger Mann, dessen Vater den Intrigen seines obersten Chefs - Imperator Shaddam IV. - zum Opfer fiel und der sich gegen die sadistischen Schergen seines Chefs in einem fremden Land - dem Wüstenplaneten Arrakis - zur Wehr setzen muss. Ist doch der Stoff, aus dem Heldengeschichten geschrieben werden.
Ich haben den Roman vor dreißig Jahren gelesen und war damals naiver und optimistischer als heute. Damals habe ich auch in "Auf den Rücken ihrer Pferde" die Geschichte des jungen Temudschin gelesen, der gleichfalls seinen Vater verliert und zusammen mit der Muter und wenigen Getreuen in einer feindseligen Umgebung ums Überleben kämpft.
Dass Paul Muad'Dib und Temudschin über ihre Feinde obsiegen, ist da nur gerecht und passt noch zum positiven Helden. Nur mutieren die Helden und ihre Nachfolger danach zu Schlächtern und man kann sie nicht von der Verantwortung freisprechen. Dem Dschinghis waren die Millionen toten Chinesen, Perser und Mittelasiaten vermutlich herzlich egal und er hielt es nicht einmal für nötig, sich kunstvolle Rechtfertigungen auszudenken. Die finde ich im Falle des Paul Muad'Dib auch herzlich fürn Arsch.

Aber um zu diesen Erkenntnissen zu gelangen, brauchte es Jahre. Ich seinerzeit um 1980 ziemlich naiv die Folgebänden von "Der Wüstenplanet" gelesen und war verwundert darüber, dass da eigentlich niemand war, mit dem ich mich so richtig identifizieren konnte. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob ich in so einer Welt leben wollte und die Antwort war NEIN! Gouverneur Kor aus "Kampf um Organia" ist nur ein Nazi-Schergen nachgebauter Irrer, wenn er damit prahlt, dass Universum zu erobern. Die menschenverachtenden und größenwahnsinnigen Aristokraten im DUNE-Universum dagegen meinen das völlig ernst. Atreides, Geehrte Matres, Bene Gesserit wollen zumindest alle Menschen im Kosmos unter ihrer Knute haben. Dass sie sich untereinander wie die Kesselflicker prügeln, ändert an ihrem gemeinsamen Willen zur absoluten Macht über die Menschheit nichts.

Ich gehe davon aus, dass Frank Herbert da ein Epos über kosmischen Totalitarismus geschrieben hat, in dem positive Heldenfiguren nicht vorgesehen waren. Dann hat es sich mir aber schwer erschlossen, was es eigentlich nur erschreckender macht.
Du erwähntest Kevin Anderson. Dazu muss ich sagen, dass ich die von ihm mit verfassten "Frühen Chroniken" erhellend fand, weil in ihnen ein autoritäres und oft ungerechtes, aber noch nicht totalitäres System geschildert wurde. Die Welt unter Shaddam IV. erschien mir "bunter" und vielfältiger als das, was die Atreides daraus gemacht haben. Wobei Shaddam selbst Allmachtsphantasien verfallen war, nur war ihm Paul Muad'Dib darin überlegen.

Bearbeitet von Beverly, 08 Februar 2011 - 14:01.


#200 molosovsky

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 13:32

Zur Wiederholung mein Begriffsklärungsvorschlag:
Da ein gewisses Durcheinander der Begriffen herrscht †¦ Klassisch, Moderne, Postmoderne †¦ schlage ich vor, dass man erstmal zwischen ›konventionellem‹ und ›unkonventionellem‹ Erzählen unterscheidet.

Jetzt kann man fragen, was das heissen soll. Also auf Deutsch: es gibt üblichere, gewöhnlichere, akzeptiertere, normalere und un-üblichere (usw.) Formen des Erzählaufbaus, des Sprachgebrauches, des Umgangs mit Persepektive usw.

Da die SF nun mal größtenteils als Unterhaltungsliteratur vermarktet und verstanden wird, herrschen die konsentionellen Formen vor. Was nicht automatisch bedeutet, das un-konventionelle Formen gleich *literarischer* sein. Gibt auch Schrott und Pulp, der un-konventionell ist.

Grüße
Alex / molo

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#201 Jakob

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 13:37

Das hat mich zu dem Schluss gebracht, dass das Projekt "Aufklärung" / "Moderne" wenig mehr war als die Ersetzung tyrannischer Adliger durch tyrannische Bürgerliche, die nach ihrer Machtübernahme ebenso schlimm weiter machten wie zuvor die Adligen.


Das ändert nichts daran, dass Aufklärung in vielerlei Hinsicht qualitative Veränderungen darin mit sich gebracht haben, wie Menschen die Welt sehen und verändern. Das lässt sich erst einmal relativ wertfrei feststellen. Das einfach wegzuwischen mit dem Verweis auf die Verbrechen der Moderne, halte ich ehrlich gesagt für Denkfaulheit und billigen Moralismus.
Insofern hat auch der Begriff der Postmoderne durchaus seinen Sinn, insofern er einen Paradigmenwechsel bezeichnet, der wahrscheinlich nicht so radikal ist wie der zur Moderne (lässt sich ja nicht so leicht sagen ohne etwas mehr historischen Abstand).
Es geht doch erst einmal nur um die Frage, in welchen Zeiträumen sich grundlegendes am menschlichen Verhältnis zur Welt und an zwischenmenschlichen Herrschaftsverhältnissen verändert hat und wie sich diese Veränderungen dann z.B. in der Literatur niederschlagen.
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#202 Beverly

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 17:00

Ich glaube, molo hat mal vorgeschlagen, hier im Sinne einer Entwirrung besser von klassischen und nicht-klassischen Erzählweisen zu sprechen. Das erscheint mir im Sinne einer Begriffsklärung sinnvoll.


Ich sehe da als Gegenpole "klassisch" bzw. "konventionell" versus "experimentell" und in der Science Fiction diese Richtungen:

1. Nur klassisch, Musterbeispiel Isaac Asimov

2. Klassisch mit experimentellen Komponenten. Da fällt mir Dick ein, der formal recht konventionell erzählte, aber inhaltlich vielschichtig und hintergründig war.

3. Nur experimentell, wozu mir persönlich jetzt nichts einfällt. Ich mag zwar inhaltliche Experimente, will sie aber am liebsten klassisch erzählt haben.

Man könnte das noch differenzen nach formal oder inhaltlich klassisch bzw. experimentell.

Da die SF nun mal größtenteils als Unterhaltungsliteratur vermarktet und verstanden wird, herrschen die konsentionellen Formen vor.

Wenn es nur die Formen wären, könnte ich das noch nachvollziehen. Leider sind zum Teil auch die Inhalte konservativ und die Autoren trauen sich nichts, weil sie ihren Lesern (oder Zuschauern) nichts zutrauen.
Ich will von SF durchaus unterhalten werden, aber auf eine andere Art und Weise als von historischen Romanen, Landserheften, Krimis oder Abenteuerromanen. Wenn sich SF darauf beschränkt, Muster aus diesen Genres auf den Weltraum zu übertragen, ist sie irgendwann nicht mehr glaubwürdig und nicht wirklich unterhaltend.

Bearbeitet von Beverly, 08 Februar 2011 - 17:14.


#203 Lomax

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 17:52

Ich halte nicht so viel davon, die begriffliche Unschärfe in Bezug auf die Postmoderne aufrechtzuerhalten. Ich denke nämlich, dass sie zu einem völlig verzerrten Bild von Literatur- und Kunstgeschichte führt. Viele scheinen ja der Meinung zu sein, dass formale Spielereien neumodischer Kram wären, der in den letzten zwanzig Jahren aufgekommen ist. Und das scheint mir durchaus teilweise daran zu liegen, dass formale Spielereien mit Postmoderne gleichgesetzt wird und die Postmoderne viel zu spät irgendwann ab den 80ern angesetzt wird.

Gut, der Einwand ist nachvollziehbar. :) Auch wenn es mir schwerfällt, einen "neutraleren" Begriff zu finden, der den hier diskutierten Sachverhalt präzise beschreibt. "Klassisch" ist, wie gesagt, auch irgendwie problematisch. "Konventionell"/"unkonventionell", wie von Molo vorgeschlagen, wäre da wohl noch das beste, was ich bisher gehört habe. Auch irgendwie schwammig, aber womöglich frei von falschen Assoziationen.
Wenn man von "der Rolle unkonventionell erzählter Texte in der SF" spräche, hätte man vermutlich das Hauptanliegen des Threads erfasst, während der Begriff der "Postmoderne" für das Gemeinte wohl ebenso entbehrlich ist wie die "Moderne".
Was nicht heißt, dass die Postmoderne nicht selbst ein interessantes und literarisch relevantes Gesprächsthema ist - ich arbeite mich ja selbst gerne an diesen historischen Kategorien ab ;). Aber ich muss Jakob zustimmen, dass der Begriff für das, was hier im Thread zumeist gemeint ist, vermutlich mehr in die Irre geführt hat.
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#204 simifilm

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 18:26

Gut, der Einwand ist nachvollziehbar. :) Auch wenn es mir schwerfällt, einen "neutraleren" Begriff zu finden, der den hier diskutierten Sachverhalt präzise beschreibt. "Klassisch" ist, wie gesagt, auch irgendwie problematisch. "Konventionell"/"unkonventionell", wie von Molo vorgeschlagen, wäre da wohl noch das beste, was ich bisher gehört habe. Auch irgendwie schwammig, aber womöglich frei von falschen Assoziationen.
Wenn man von "der Rolle unkonventionell erzählter Texte in der SF" spräche, hätte man vermutlich das Hauptanliegen des Threads erfasst, während der Begriff der "Postmoderne" für das Gemeinte wohl ebenso entbehrlich ist wie die "Moderne".


Wie gesagt: nichts gegen das Begriffspaar koventionell/nicht-konventionell, wenn das zum Verständnis beiträgt. Nur noch kurz zur Erläuterung, weshalb mir der Kontext der Moderne wichtig ist: Neben dem zweifellos wichtigen und richtigen Argument, dass die (Genre-)SF als kommerzielle Form insgesamt eingängigere Formen bevorzugt, gibt es auch einen "inneren" Zusammenhang: Die Erkenntnisskepsis der klassischen Moderne beisst sich mit der Ausrichtung der Golden-Age-SF. Um noch einmal das Beispiel Foundation zu bringen - es wäre sehr seltsam, die Geschichte der Berechenbarkeit des Universums in einem Stil zu erzählen, der die Multiperspektivität, Subjektivität und Brüchigkeit der Realität betont. Da würde die Form dem Inhalt komplett zuwider laufen (das könnte zwar durchaus interessant sein, würde dem Roman wie Asimov ihn geschrieben hat, aber diametral widersprechen).

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#205 Naut

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 19:18

[...]

@Naut,

ich muss gestehen, dass ich lange Zeit mit "Der Wüstenplanet" nicht klar gekommen bin. Im ersten Roman bietet der junge Paul Muad'Dib durchaus viel Raum, um sich mit ihm als positiven Held zu identifizieren. Da ist ein junger Mann, dessen Vater den Intrigen seines obersten Chefs - Imperator Shaddam IV. - zum Opfer fiel und der sich gegen die sadistischen Schergen seines Chefs in einem fremden Land - dem Wüstenplaneten Arrakis - zur Wehr setzen muss. Ist doch der Stoff, aus dem Heldengeschichten geschrieben werden.
[...]
Ich gehe davon aus, dass Frank Herbert da ein Epos über kosmischen Totalitarismus geschrieben hat, in dem positive Heldenfiguren nicht vorgesehen waren. Dann hat es sich mir aber schwer erschlossen, was es eigentlich nur erschreckender macht.
Du erwähntest Kevin Anderson. Dazu muss ich sagen, dass ich die von ihm mit verfassten "Frühen Chroniken" erhellend fand, weil in ihnen ein autoritäres und oft ungerechtes, aber noch nicht totalitäres System geschildert wurde. Die Welt unter Shaddam IV. erschien mir "bunter" und vielfältiger als das, was die Atreides daraus gemacht haben. Wobei Shaddam selbst Allmachtsphantasien verfallen war, nur war ihm Paul Muad'Dib darin überlegen.

Das führt hier off-topic, daher nur so viel: Ich stimme Deiner Zusammenfassung zu und auch Deiner Folgerung, dass es Herbert - zum Teil - um Totalitarismus geht. Ich denke aber, dass Paul in Buch 1 nur mehr oder weniger zufällig eine eher positive Figur ist. In der Folge zeigt sich sehr deutlich, von welchem Kaliber seine Nachfolger sind. Ich denke, dass Herbert das sehr absichtlich soangelegt hat, um die Unbeherrschbarkeit großer "Imperien" zu thematisieren, oder eher, zu welchem Preis diese eben "beherrscht" werden.

Dass Anderson in den Prequels eine (wie Du schreibst) buntere Gesellschaft zeigen kann, liegt natürlich einerseits daran, dass die Bücher viel neuer sind, er also "auf den Schultern von Giganten" stehen kann (Herbert hat ja erst den Boden für so eine Art von Geschichte bereiten müssen, war Dune doch zunächst unverkäuflich). Andererseits sehe ich darin eine Inkonsistenz zum Werk von Herbert, ein bloßes Auserzählen einer Vorgeschichte, die nur in Notizen existierte. Für sich genommen vieleicht bunt und unterhaltsam, aber auch ein wenig überflüssig. (Anmerkung: Ich bin bei weitem kein Dune-Experte. Ich habe die Bände 4-6 nur einmal, 1-3 zweimal gelesen.)
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#206 Beverly

Beverly

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Geschrieben 08 Februar 2011 - 20:44

Das führt hier off-topic, daher nur so viel: Ich stimme Deiner Zusammenfassung zu und auch Deiner Folgerung, dass es Herbert - zum Teil - um Totalitarismus geht. Ich denke aber, dass Paul in Buch 1 nur mehr oder weniger zufällig eine eher positive Figur ist. In der Folge zeigt sich sehr deutlich, von welchem Kaliber seine Nachfolger sind. Ich denke, dass Herbert das sehr absichtlich soangelegt hat, um die Unbeherrschbarkeit großer "Imperien" zu thematisieren, oder eher, zu welchem Preis diese eben "beherrscht" werden.


@Naut,

du hast den Vergleich zwischen Asimov und Herbert in den Strang eingeführt und ich habe mir dazu mal Asimovs "Future History" vergegenwärtigt. Die kenne ich aus diesen Büchern:

Sterne wie Staub
Der fiebernde Planet
Radioaktiv
Der Tausendjahresplan
Der galaktische General
Alle Wege führen nach Trantor

Da wird Vorgeschichte, Entstehung, Aufstieg und Fall sowie avisierte Wiedererrichtung eines kosmischen Imperiums geschildert. Ungeachtet aller Mängel wird das Imperium als noch immer besser angesehen als das Chaos, das auf seinen Zusammenbruch folgt. Dagegen erweist sich im Dune-Universum das Imperium schon in den "Frühen Chroniken" und erst recht unter den Atreides und ihren Nachfolgern als Hauptursache des Chaos.

Mir sind an beiden Imperiums-Entwürfen 4 Dinge sauer aufgestoßen:

1. Eine Menschheit, die nicht einmal auf einem Planeten eine vernünftige Vergesellschaftung zustande bekommen hat, wird gleich auf eine Million Planeten losgelassen und kriegt es auf einer Million Planeten nicht richtig gebacken.
2. Der Zentralismus legt nahe, dass auf der jeweils eine Million Planeten nicht allzuviel Spielraum für soziale Experimente ist. Vielfalt als Voraussetzung für eine Evolution der Art, die mehr als das Züchten primitiver Ellenbogentypen und genügsamer Untertanen ist, wird unterdrückt.
3. Wenn auf jedem der eine Million Planeten nur 100 Millionen Menschen leben, macht das zusammen 100 Billionen! Der Einzelne wird dadurch noch bedeutungsloser und ersetzbarer resp. abschlachtbarer als es die Menschen schon heute sind.
4. Ich bastel als Autorin selbst an fiktiven Kulturen und Gemeinwesen und habe dabei das Gefühl, ein Sonnensystem, ein Planet, ein Mond oder ein Kontinent resp. im All eine große, stadtähnliche Raumstation reichen als Platz für diese Gemeinwesen völlig aus. Um Mannigfaltigkeit zu erzeugen, braucht man meines Erachtens keine großen Zahlen und umgekehrt mag es den Imperien bei den großen Zahlen nicht um Vielfalt gehen, sondern um politischen und wirtschaftliche Vorteile, welche eine große Bevölkerung den Herrschenden bringt.

Wenn in der SF Imperien - wie bei Asimov - jemals positive Zukunftsentwürfe waren, dann scheint mir das lange vorbei zu sein.

#207 Amtranik

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Geschrieben 29 August 2014 - 20:31



Letztlich finde ich es vor allem schade, dass ästhetische Radikalität, wie man sie bei Delany, Duncan und anderen "Postmodernen" findet, kaum als etwas der Leselust potentiell zuträgliches aufgefasst wird, sondern eher als zusätzliche Arbeitsanforderung bei der Textentschlüsselung. Selten beschreibt mal jemand die Lust daran, durchgerüttelt und vor den Kopf gestoßen zu werden, wie ich sie z.B. bei Dhalgren verspürt habe.


Man kann das natürlich bedauern, aber ich denke letztlich spiegelt dies doch nur wieder, das die meisten eben deine Empfindung nicht teilen. Die SF generell ist und bleibt ein Produkt für eine Minderheit und die hier beschriebenen radikal erzählten SF-Romane betrifft dies noch mehr.

Ich empfinde bei in meinen Augen guten "postmodernen" Werken sehr oft erst mal eher ein verblüfftes: "Wahnsinn! was ist denn DAS jetzt?", und das ist erst einmal eine Lustreaktion, keine Kopfreaktion, die nichts damit zu tun hat, ob ein Text "anspruchsvoll" oder politisch relevant ist.


Schade das ich diesen kleinen Satz damals offenbar irgendwie übersehn habe, denn er erklärt schon eine ganze Menge für mich. Allerdings hab ich mich nach längerem Nachdenken gefragt was ist denn wenn diese erste Reaktion des Wahnsinn! was ist DAS jetzt? vorüber ist?. Wie geht es weiter? Kommst Du dahinter was es ist oder nicht? Und nach allem was ich aus dem Delaney Lesezirkel mitgenommen habe wo dieser thread hier seinen Ursprung nahm, kommt auch derjenige Leser mit Lustreaktion letztlich nicht dahinter. Und weiter überlegt frage ich mich dann. Woher weißt Du eigentlich das es wirklich was ernsthaft verschlüsseltes ist, das Du nicht verstehst und nicht irgendein größtenteils sinnfreier Gedankensalat hingeschrieben im Drogenrausch? Ich meine, wenn die Ästhetik des Romanes aus dieser Lustreaktion des nicht zu entschlüsselnden fremden exotischen Textes kommt der dich fasziniert wegen seiner unzugänglichkeit. Ist das dann überhaupt wichtig? Woher weißt Du, das es ernst gemeint und seriös ist und nicht ein dahinlallender Scharlatan wie der Typ aus "Das Leben des Brian" der da an der Klagemauer steht in Jerusalem und vor sich hin faselt ohne zusammenhang. Und wertet es einen Text nicht ab, wenn er so frei interpetierbar bleibt das Amtranik und Jakob zu völlig verschiedenen Geschichten kommen und der Rezensent XY zu noch einer anderen? Was ist dann noch der Sinn und Wert der Geschichte wenn sich eh jeder Leser seinen eigenen Reim darauf macht? Das sind Fragen die mich beschäftigen.

Bearbeitet von Amtranik, 30 August 2014 - 01:17.


#208 simifilm

simifilm

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Geschrieben 30 August 2014 - 00:25

Was ist dann noch der Sinn und Wert der Geschichte wenn sich eh jeder Leser seinen eigenen Reim darauf macht? Das sind Fragen die mich beschäftigen.


"Sinn" entsteht im hohen Masse beim Rezipienten, Amtranik und Jakob kommen in jedem Fall zu "anderen Geschichten". Was ist also dabei, wenn ein Text mit dieser Tatsache bewusst spielt und ein Bedeutungsnetz aufbaut, das nicht (mehr?) eindeutig auflösbar ist? Spätestens seit der Moderme (sic!) wird das allgemein als literarische Qualität betrachtet (wobei die blosse Tatsache der Mehrdeutigkeit mittlerweile wohl nicht mehr ausreicht. Diese muss schon irgendwie mit der Thematik des jeweiligen Romans verknüpft sein).

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#209 Amtranik

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Geschrieben 30 August 2014 - 02:02

Also für mich ist das äußerst frustrierend wenn sich ein Text so völlig einer verbindlichen Interpretation entzieht. Wenn er dermaßen diffus und unscharf bleibt, das die jeweiligen Leser sich Ihre ureigene Geschichte daraus basteln. Es erscheint mir ausserdem so, das wohl jeder Schriftsteller in der Lage sein müsste einen Text zu verfassen der keinen Sinn ergibt. Und wenn ein Text von den einen kopfschüttelnd betrachtet wird weil Sie ihn nicht verstehn und von anderen mit wow! was ist das denn, das verssteh ich jetzt aber nicht empfunden wird, dann ist für mich die einzig naheliegende Erklärung das der Autor nicht in der Lage war sich so auszudrücken das es einen Sinn ergibt. Und wenn dem so ist, das ist das für mich kein Grund Autor und Text zu loben oder es als ein Zeichen von Qualität zu sehn. Ich würde sagen der Autor hat in diesem Falle schlechte Arbeit abgeliefert und es fehlt an Qualität.

#210 simifilm

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Geschrieben 30 August 2014 - 07:17

Vielleicht hast du einfach eine etwas engere Voratellung von "Sinn", denn du scheinst das mehr oder weniger mit "eindeutig nachvollziehbarer Story" gleichzusetzen. Es gibt aber durchaus andere Sinnebenen. Z.B offenzulegen, wie Sprache resp. ein Text funktioniert und beim Leser ganze Assoziationsfelder eröffnen kann. Oder auch die schiere Musikalität von Sprache.

Bearbeitet von simifilm, 30 August 2014 - 07:18.

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