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Düstere Zeiten


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68 Antworten in diesem Thema

#31 Konrad

Konrad

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Geschrieben 27 Dezember 2010 - 09:58

Darüber läßt sich der Autor(war auch Physiker) ausführlich aus:

"Alpha Centauri ist die falsche Art Stern. Er kann keine Supernova bilden."
"Mr. President, können oder nicht können sind sinnvolle Begriffe, wenn wir über die Zukunft sprechen. Jetzt haben wir es aber mit der Vergangenheit zu tun. Es ist so passiert. Zeit für eine neue Theorie.

Ja, ja, unsere Physiker, da sieht man mal, was eine Ausbildung alles anrichten kann! ;)
Kippt mit ein paar dürren Worten eine der fundiertesten astrophysikalischen Theorien einfach aus dem Fenster.
Auch sonst scheint er mit der Interpretation der physikalischen Auswirkungen sehr "freizügig" umgegangen zu sein.
Hat er doch offenbar die vollständige Entfernung der Ozonschicht, die zu einer schnellen Auslöschung der Pflanzen- und Tierwelt führen würde, einfach ignoriert.

#32 Konrad

Konrad

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Geschrieben 27 Dezember 2010 - 13:36

Und im Grunde kannst Du ausführliche technische Erklärungen als eine Art Äquivalent der Musical-Tanzszenen sehen - sie gehören bei einer bestimmten SF-Variante einfach dazu. Und so wie es Leute gibt, die Musicals mögen, und andere, die damit nichts anfangen können, ist das auch hier nicht anders. Aber unabhängig davon können eine Tanzszene oder eine technische Erklärung eben doch mehr oder weniger gut gemacht sein.

Das mag schon sein; was mich etwas irritiert, ist das verbissene Bestehen auf physikalische Richtigkeit.
Ich finde eine phantasievolle Pseudowissenschaft mindestens genauso interessant. ;)
Machen wir uns doch nichts vor, obwohl die SF die "Wissenschaftlichkeit" wie eine heilige Mostranz vor sich herträgt, würde das Gros der SF einer genaueren Analyse nicht standhalten.
Hier klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
SF sucht m.E. nicht die "Wissenschaftlichkeit" sondern den "Nimbus von Wissenschaftlichkeit".
Wenn man diesen Gedanken einmal zuläßt, dann ist doch die Frage erlaubt:
Mißt die SF der "Korrektheit" der Weltenkonstruktion nicht zuviel Aufmerksamkeit zu?
Ist die detailversessene Beschreibung der "Bühne" ein "muß" für SF-Romane?

#33 simifilm

simifilm

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Geschrieben 27 Dezember 2010 - 13:37

Das mag schon sein; was mich etwas irritiert, ist das verbissene Bestehen auf physikalische Richtigkeit.
Ich finde eine phantasievolle Pseudowissenschaft mindestens genauso interessant. ;)
Machen wir uns doch nichts vor, obwohl die SF die "Wissenschaftlichkeit" wie eine heilige Mostranz vor sich herträgt, würde das Gros der SF einer genaueren Analyse nicht standhalten.
Hier klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
SF sucht m.E. nicht die "Wissenschaftlichkeit" sondern den "Nimbus von Wissenschaftlichkeit".


Soweit alles Zustimmung. Das deckt sich im Wesentlichen mit meiner Definition von SF.

Wenn man diesen Gedanken einmal zuläßt, dann ist doch die Frage erlaubt:
Mißt die SF der "Korrektheit" der Weltenkonstruktion nicht zuviel Aufmerksamkeit zu?
Ist die detailversessene Beschreibung der "Bühne" ein "muß" für SF-Romane?


Für manche Leute ist sie es offensichtlich.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

zfs40cover_klein.jpg ZFS16_Coverkleiner.jpg

  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
  • • (Film) gerade gesehen: «Suicide Squad»
  • • (Film) Neuerwerbung: Filme schaut man im Kino!

#34 Uwe Post

Uwe Post

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Geschrieben 27 Dezember 2010 - 15:54

Das mag schon sein; was mich etwas irritiert, ist das verbissene Bestehen auf physikalische Richtigkeit.


Wer besteht denn darauf?

Ich jedenfalls nicht. Wie gesagt: Hab kein Problem mit Laserschwertern.

Wichtig für einen Roman ist die Glaubwürdigkeit. Und zwar in jeder Hinsicht, nicht nur in physikalischer.
Herausgeber Future Fiction Magazine (deutsche Ausgabe) ||| Aktueller Roman: ERRUNGENSCHAFT FREIGESCHALTET ||| uwepost.de ||| deutsche-science-fiction.de

#35 Konrad

Konrad

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Geschrieben 28 Dezember 2010 - 00:42

Wer besteht denn darauf?

Ich jedenfalls nicht. Wie gesagt: Hab kein Problem mit Laserschwertern.

Aber doch offenbar mit pseudowissenschaftlichen Erklärungen für Laserschwerter. ;)
Ich sehe keinen Grund, da so eine strikte Trennung zu machen.
Wie simi schon sagte, es kommt immer auf die Machart an.
Es darf halt die Intelligenz des Lesers nicht beleidigen.

#36 Uwe Post

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Geschrieben 28 Dezember 2010 - 10:01

Aber doch offenbar mit pseudowissenschaftlichen Erklärungen für Laserschwerter. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/dry.png


Wo genau habe ich das gesagt?

Mit der Erklärung der "Macht" durch Mikroorganismen oder was das war habe ich ein Problem. Weil diese Erklärung unplausibel ist und überflüssig.

Ich sehe keinen Grund, da so eine strikte Trennung zu machen.
Wie simi schon sagte, es kommt immer auf die Machart an.
Es darf halt die Intelligenz des Lesers nicht beleidigen.


Kannst Du Dich bitte klarer ausdrücken oder mich exakt zitieren oder zumindest genau schreiben, worauf Du Bezug nimmst?

Eine strikte Trennung zwischen was und was soll ich gemacht haben? (außer zwischen "glaubwürdig" und "unglaubwürdig", wo es gar keine strikte Trennung geben kann, weil's vom Wissen des Lesers abhängt)

Wo habe ich überhaupt mal das Wort "strikt" benutzt?

Die Diskussionskultur geht mir hier zunehmend auf die Nerven. Wir sind eigentlich völlig einer Meinung, nämlich dass es auf die Machart oder Glaubwürdigkeit ankommt, dass der Leser sich nicht verarscht vorkommen soll, aber trotzdem posten wir sinnlos hin und her.

Wir haben wohl alle zuviel Zeit http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png

Und weil dem zumindest bei mir nicht so ist und der Autor des Romans, um den es eigentlich geht, sich anscheinend eh hier nicht mehr zu Wort meldet, bin ich raus.

*E-Mail-Abo abschalt*

Bearbeitet von Uwe Post, 28 Dezember 2010 - 10:02.

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#37 Konrad

Konrad

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Geschrieben 28 Dezember 2010 - 11:13

Wo genau habe ich das gesagt?

Mit der Erklärung der "Macht" durch Mikroorganismen oder was das war habe ich ein Problem. Weil diese Erklärung unplausibel ist und überflüssig.

Kannst Du Dich bitte klarer ausdrücken oder mich exakt zitieren oder zumindest genau schreiben, worauf Du Bezug nimmst?


Ich bezog mich darauf:

Ich gebe gerne zu, dass ich auch Folgen von Star Trek (TNG) hasse, die komplett auf sinnlosem Technobrabbel aufbauen. Dagegen habe ich überhaupt nichts gegen "Die Macht" und Laserschwerter in Star Wars (1 bis 3). Weil sie nicht erklärt werden. Könnte man auch gar nicht, weil sie wissenschaftlich völlig unsinnig sind. Aber sie müssen auch nicht erklärt werden. Nicht umsonst wurde es von vielen Leuten als Fehler betrachtet, dass George Lucas in Episode 4 bis 6 versucht hat, die Macht "technisch" zu erklären. Einfach bleiben lassen!


Eine strikte Trennung zwischen was und was soll ich gemacht haben? (außer zwischen "glaubwürdig" und "unglaubwürdig", wo es gar keine strikte Trennung geben kann, weil's vom Wissen des Lesers abhängt)

Wo habe ich überhaupt mal das Wort "strikt" benutzt?

Die Diskussionskultur geht mir hier zunehmend auf die Nerven. Wir sind eigentlich völlig einer Meinung, nämlich dass es auf die Machart oder Glaubwürdigkeit ankommt, dass der Leser sich nicht verarscht vorkommen soll, aber trotzdem posten wir sinnlos hin und her.

Es tut mir leid, wenn wir dir hier auf die Nerven gehen, aber ich sehe einen deutlichen Unterschied in den Auffassungen.
Während du darauf bestehst, daß "irreale" Erfindungen nicht erklärt werden dürfen, weil "sie wissenschaftlich völlig unsinnig sind", halte ich phantasievolle irreale Erklärungen für irreale Erfindungen für akzeptabel.
Das liegt vielleicht daran, daß ich Erklärungen in SF-Romanen, seien es nun wissenschaftlich korrekte oder pseudowissenschaftliche, nicht so ernst nehme wie du.

Wir haben wohl alle zuviel Zeit http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png

Ich bitte dich, wenn man sich mit SF beschäftigt, muß man Zeit haben. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/biggrin.png

Bearbeitet von Konrad, 28 Dezember 2010 - 12:33.


#38 deinz

deinz

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Geschrieben 28 Dezember 2010 - 13:04

Ich lese die ganze Zeit mit http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/smile2.gif und bin am überlegen, ob meine Erklärung nun überflüssig ist oder nicht. Das sollte an sich jeder selbst entscheiden und einen Blick in das Buch wagen. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png

Aber wie schon gesagt, das Buch geht mehr über Angst und Liebe, Verzweiflung unf Mut, Glauben und Wissen und der Frage, ob in der heutigen Welt nicht doch alles sehr viel besser ist, als es die meisten glauben. Alle Welt kritisiert den Konsum und das "System" und niemand überlegt sich, ob es nicht vielleicht doch gut so ist?

Physikalische Fragen werden in meinem Buch nur in einem Kapitel von 13 erörtert und das auf einem relativ oberflächlichen Niveau. Es geht nicht mehr in die Tiefe als der das von mir gepostete Zitat.

#39 leibowitz

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Geschrieben 28 Dezember 2010 - 13:30

Also ich finde diesen Thread sowohl über das Buch interessant als auch die Diskussion darüber, wieviel Erklärung wann wichtig ist und wann kontraproduktiv. Ich persönlich neige Uwes Ansicht zu. Wenn man Laserschwerter nicht "vernünftig" wissenschaftlich erklären kann, sollte man den Versuch auch nicht wagen, um nicht die Intelligenz der Leser zu beleidigen. Der Unterschied ist, wie schon festgestellt, dass die Grenzen für einen Physiker andere sind als für einen Nicht-Physiker, die für einen Biologen wieder andere etc. Und, die Leser sind ja auch nicht alle gleich intelligent, weswegen es für jeden eine andere Schwelle der Grenze geben dürfte :D
Zum Beispiel finden es Biologen immer recht lächerlich, wenn das Raumschiff einen Lichtjahre etfernten, erdähnlichen Planeten erkundet und der Expeditionstrupp nach 3 Minuten feststellt: "Hey, wir können die Anzüge und Helme abziehen, es gibt keine für uns gefährlichen Mikroorganismen und selbst die Luft lässt sich atmen!" Ich ertrage das eigentlich auch nur bei Büchern, die andere Dinge (gesellschaftlichen Umgang der Protagonisten, Erleben einer extremen Situation, Umgang mit Xenophobie, existientielle Fragestellungen) zum eigentlichen Thema haben und diese "nur" in einen SF-Zusammenhang extrapolieren.


Ich lese die ganze Zeit mit http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/smile2.gif und bin am überlegen, ob meine Erklärung nun überflüssig ist oder nicht. Das sollte an sich jeder selbst entscheiden und einen Blick in das Buch wagen. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png


Wenn du hier schon die ganze Zeit mitliest, wäre es nett, wenn du auf die an dich gerichteten Fragen antworten könntest. Mich würde auch mal interessieren, ob du jetzt eine wissenschaftliche Beratung für das Buch hattest und wie die aussah.

Jedenfalls sollte dein Buch übermorgen bei mir eintrudeln, und ich werde gerne eine Besprechung hier einstellen. Junge deutsche SF-Autoren sind immer interessant, die Leseprobe hat bei mir auch ein Interesse geweckt, ich bin jedenfalls gespannt.
Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben. (P.K.Dick)

#40 deinz

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Geschrieben 30 Dezember 2010 - 10:38

Habe hierfür folgende Bücher gelesen: Hawking - Eine kurze Geschichte der Zeit Lesch&Zaun - Die kürzeste Geschichte allen Lebens US Army Survival Handbuch (und andere) Goswani - Das bewusste Universum Krausser - Ultracronos Kiefer - Der Quantenkosmos Scheldrake - Das schöpferische Universum ...und noch etliche nicht-Buch Publikationen Und ich hab die Story mit dreien Physikern besprochen, einer davon hat sogar den Textteil lektoriert. Dennoch wäre es für einen Spezialisten möglich, den Inhalt als Unfug zu beschreiben, da ding die genutzten Theorien eben nur Theorien sind und nicht bewiesen. Aber sie funktionieren gut mir der Story und wenn man sich auf das Buch einlässt, dann kann es einem schon ordentlich den Kopf verdrehen ;)

Bearbeitet von deinz, 30 Dezember 2010 - 10:39.


#41 Diboo

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Geschrieben 30 Dezember 2010 - 10:43

Handwedeln ist legitim. Ein Autor kann nicht für alles Experte sein und man kann auch nicht von ihm erwarten, sich für alles hundertprozentig Beratung zu holen. Dass das Fachleuten manchmal aufstößt, ist halt so, angesichts der Tatsache, dass diese nur einen verschwindend geringen Teil der Leserschaft ausmachen, aber auch letztlich irrelevant. Also wedel ich weiter. Hat mir noch nicht geschadet und wird auch deinz nicht schaden.

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)

"Anyone who doesn't fight for his own self-interest has volunteered to fight for someone else's."
(The Cynic's book of wisdom)

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#42 Uwe Post

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Geschrieben 30 Dezember 2010 - 11:51

Habe hierfür folgende Bücher gelesen:
Hawking - Eine kurze Geschichte der Zeit
Lesch&Zaun - Die kürzeste Geschichte allen Lebens
US Army Survival Handbuch (und andere)
Goswani - Das bewusste Universum
Krausser - Ultracronos
Kiefer - Der Quantenkosmos
Scheldrake - Das schöpferische Universum
...und noch etliche nicht-Buch Publikationen
Und ich hab die Story mit dreien Physikern besprochen, einer davon hat sogar den Textteil lektoriert.


In welchem dieser Bücher steht denn, dass Antigravitation auch nur im entferntesten praktikabel ist?
Vergiss mal Sheldrake, der ist längst als Esoteriker widerlegt.
Und Goswanis zugegebenermaßen interessante Gedankengänge kann man auch nicht gerade als wissenschaftlich beweisbar bezeichnen ;)

Ich finde es riskant, Wissenschaft und Pseudo/parawissenschaft zu mischen, und sei es auch nur in einer Literaturliste wie der obigen. In unserer Zeit können eh schon viele Leute das eine nicht vom anderen unterscheiden. Das freut allein die Hersteller von Esoterik-Tinnef, die für 350 Euro Orgonstrahler an gutgläubige, unheilbare Krebskranke verhökern.

Dieser Thread hat mich übrigens (zusammen mit anderen Faktoren) darin bestärkt, dass ich in meinem nächsten Roman klar Stellung gegen Esoterik beziehe. Insofern - sehr sinnvolle Diskussion!

Immer noch ist glaube ich meine Frage unbeantwortet, wozu soviel "erfundene Physik" nötig ist, wenn der Fokus des Romans doch ohnehin auf den Auswirkungen der Katastrophe auf die Hauptfigur liegt.
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#43 Konrad

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Geschrieben 30 Dezember 2010 - 11:58

Handwedeln ist legitim.

;)
Dieses Bemühen um Wissenschaftlichkeit erinnert mich stark an Anton Bruckner.
Der hat sein Leben lang unter Minderwertigkeitskomplexen gelitten, die ihn zwangen, die Form seiner Kompositionen mit einer komplizierten Zahlensystematik formal abzusichern.
Dieser selbstauferlegte Zwang hat neben enormer Arbeit und Seelenpein in seinem Werk viele fragwürdige Wiederholungen verursacht, bei denen sich der Hörer wünscht, er hätte sie mutig zusammengestrichen.
Es gehört Mut dazu, formale Kriterien aus dem Fenster zu kippen um einen stimmigen Gesamteindruck zu erzeugen.

Bearbeitet von Konrad, 30 Dezember 2010 - 12:55.


#44 Diboo

Diboo

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Geschrieben 30 Dezember 2010 - 12:10

Es gehört Mut dazu, formale Kriterien aus dem Fenster zu kippen um einen stimmigen Gesamteindruck zu erzeugen.


Exakt.
Man muss den überzeugenden ANSCHEIN von Authentizität erwecken.
Man muss keinesfalls authentisch SEIN.
Und bei ersterem reicht es halt auch mal aus, den Tachyonenstrahl neu zu kalibrieren. Make it so.

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(13. Erwerbsregel)

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#45 Amtranik

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Geschrieben 30 Dezember 2010 - 13:00

Immer noch ist glaube ich meine Frage unbeantwortet, wozu soviel "erfundene Physik" nötig ist, wenn der Fokus des Romans doch ohnehin auf den Auswirkungen der Katastrophe auf die Hauptfigur liegt.



Wenn ich mich mal als Leser kurz einklinken darf?

Ich zb lese halt gerne Bücher in denen mir suggeriert wird das alles was unsere Protagonisten da
so steuern, bedienen und benutzen auf wissenschaftlichem Fundament steht. Das ist bei mir
im Gegensatz zu Dir sicherlich recht einfach da ich von Physik nicht viel mehr Ahnung als
vom Plätzchenbacken habe.

#46 Gast_Frank Böhmert_*

Gast_Frank Böhmert_*
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Geschrieben 30 Dezember 2010 - 13:06

Ich finde es riskant, Wissenschaft und Pseudo/parawissenschaft zu mischen, und sei es auch nur in einer Literaturliste wie der obigen. In unserer Zeit können eh schon viele Leute das eine nicht vom anderen unterscheiden. Das freut allein die Hersteller von Esoterik-Tinnef, die für 350 Euro Orgonstrahler an gutgläubige, unheilbare Krebskranke verhökern.

Da ist was dran. Allerdings weiß ich aus Gesprächen mit Ärzten, dass "gutgläubigen, unheilbaren Krebskranken" manchmal medizinisch völlig sinnlose, allein dem "Allesversuchen", also der Psyche geschuldete Chemo-/Strahlentherapien verschrieben werden, was wiederum die Hersteller von Nicht-Tinnef freut, die damit pro hoffnungslosem Fall locker fünfstellige Summen umsetzen.

Es ist -- außerhalb von Versuchsanordnungen -- alles nicht so einfach. ;)

#47 Susanne11

Susanne11

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Geschrieben 30 Dezember 2010 - 16:00

Da ist was dran. Allerdings weiß ich aus Gesprächen mit Ärzten, dass "gutgläubigen, unheilbaren Krebskranken" manchmal medizinisch völlig sinnlose, allein dem "Allesversuchen", also der Psyche geschuldete Chemo-/Strahlentherapien verschrieben werden, was wiederum die Hersteller von Nicht-Tinnef freut, die damit pro hoffnungslosem Fall locker fünfstellige Summen umsetzen.

Es ist -- außerhalb von Versuchsanordnungen -- alles nicht so einfach. ;)

So isses ... im normalen Leben sind der wissenschaftlichen Verifizierbarkeit Grenzen gesetzt, die sich aus der Komplexität der Realität ergeben.

Für mich muss es gefühlsmäßig plausibel sein. Zuviel Naturwissenschaften finde ich langweilig, weil ich nichts, aber aber auch garnichts, davon verstehe. Magische und mythologische Szenarien mag ich sehr, aber bitte nicht wie bei Harry Potter oder Tolkien. Eher wie bei Susannah Clarke, Neil Gaiman oder Hal Duncan.
Ein gutes Beispiel ist auch Delany "In meinen Taschen, die Sterne wie Staub". Es gibt Raumfahrt über sehr weite Entfernungen, aber er erklärt nirgends wie sie funktioniert.

#48 deinz

deinz

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Geschrieben 30 Dezember 2010 - 17:53

@Uwe

Der folgende Satz:

„Ja, also wir denken, oder besser gesagt wir dachten einen Weg gefunden zu haben, die interdimensionalen Strings in ihrem übergeordneten Eichfeld so zu manipulieren, das ihre Schwingungsmoden Feldquanten repräsentieren, welche nach außen hin Transformationseigenschaften von, wie ich sie nenne, Antigravitonen zeigen!“


den ich zitiert habe, ist der einzige derartige Satz im kompletten Roman. Wenn der ganze Roman ein solches "Gefasel" wäre, wäre er wohl unerträglich zu lesen. Der Satz hat auch nicht den Anspruch einen Pseudo-Wissenschaftlichen Stempel zu bekommen, sondern er hat den Sinn den Protagonisten und den Leser in dieser bestimmten Situation zu verwirren. Ich weiss, das ist jetzt schwer zu verstehen, aber im Kontext des Buches passt es.

Des weiteren hinterfragt der Roman selbst, ob das oben erzählte wahr ist oder Gerede von einem Narren. Ich habe mich nicht unnötigerweise bemüht, eine physikalisch fundierte Erklärung für das Dilemma zu finden.

Die Frage des Buches ist vielmehr: Was würdest du tun bei so einem Dilemma?
Und meine Frage ist: Wirst du es lesen? ;)

#49 leibowitz

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Geschrieben 30 Dezember 2010 - 20:09

@Uwe

Der folgende Satz: „Ja, also wir denken, oder besser gesagt wir dachten einen Weg gefunden zu haben, die interdimensionalen Strings in ihrem übergeordneten Eichfeld so zu manipulieren, das ihre Schwingungsmoden Feldquanten repräsentieren, welche nach außen hin Transformationseigenschaften von, wie ich sie nenne, Antigravitonen zeigen!“


den ich zitiert habe, ist der einzige derartige Satz im kompletten Roman.


Da bin ich anderer Meinung. Ich denke, folgende Sätze sind inhaltlich ähnlich (von der Bedeutung für das Buch her gesehen, vielleicht auch was die wissenschaftliche (bzw. theologische) Plausibilität her betrifft.) :

"Jeder einzelne String ist kein Faden als solcher, sondern ein Punkt, der sich sehr schnell hin und her bewegt, dabei eine Linie beschreibt und als String wahrgenommen wird. Bestimmte Schwingungen, deren Frequenzen Energiequanten entsprechen, können bestimmten Energieteilchen, z.B. Quarks, zugeordnet werden." (S. 137f.)
"Jedes Quark kann man so einstellen, dass es in einer bestimmten Zeit und bestimmten Parallelwelt einen bestimmten Zustand hat. Das Gegenstück, das diesen Code entschlüsseln kann, ist unser Gehirn, das bestimmt, wo, wann und wie dieses Quark besteht. Materie, Farbe, Licht, Bäume und Schatten, all das existiert im eigentlichen Sinne nicht, es entsteht erst in unserem Gehirn. Der Glaube unserer Welt nimmt den Materialismus als Zentrum der Wissenschaft mit der spirituellen Religion als Gegenstück, ich präferiere einen monistischen Idealismus. "(S. 138.)
"Ich glaube, dass jeder Mensch, der stirbt und dessen Tod nicht [von "einer höheren Macht", die unser aller Ziel bestimmt] vorgesehen ist, in eine andere Parallelwelt springt, in der er weiterlebt" (S.140)

Ich möchte mich hier nicht dazu äußern, ob es sich hier um die Meinungsäußerungen des Protagonisten Alfred handelt, oder um eine unterschwellige Botschaft/Thema des Romans. Was definitiv stimmt, ist, dass es im Roman hauptsächlich um die Frage des Überlebens in der geschilderten Endzeit geht.
Auch wenn mich persönlich diese genannten, sich auf eine wissenschaftliche Theorie zur Erklärung des Vorfalls stützende Sätze im Roman - ehrlich! - stören, ist er in meiner Sicht insgesamt dennoch absolut lesenswert und für mich die Überraschung des Jahres, weil der Autor in vielschichtiger Hinsicht trefflich, teilweise vorzüglich und meistens inhaltlich stimmig (von Ausnahmen abgesehen, die vielleicht durch das Fehlen eines Lektors erklärt werdn können?) ein Thema behandelt, was ich liebe: Das schwierige Überleben von zivilisierten Menschen in einer postapokalyptischen Welt, die feststellen müssen, wie dünn der Lack der Zivilisation auf die Bestie Mensch aufgetragen wurde.
Aber ich äußere mich noch detaillierter zu diesem wirklich lesenswerten Buch, wollte hier nur mitteilen, dass sich die Äußerungen und Erklärungen zum Phänomen allerdings keineswegs auf einen einzigen Satz beschränken.

Bearbeitet von leibowitz, 30 Dezember 2010 - 20:12.

Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben. (P.K.Dick)

#50 deinz

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Geschrieben 31 Dezember 2010 - 12:53

Oh du hast recht. - stimmt. Danke. Und danke für das Lob!

#51 Uwe Post

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Geschrieben 31 Dezember 2010 - 14:09

"Ich glaube, dass jeder Mensch, der stirbt und dessen Tod nicht [von "einer höheren Macht", die unser aller Ziel bestimmt] vorgesehen ist, in eine andere Parallelwelt springt, in der er weiterlebt"


Das ist jenseits wissenschaftlicher, äh, Dehnbarkeit, und außerdem nicht nachprüfbar. Es ist religiös gefärbte Esoterik. Wenn das eine Figur sagt, die statt Tassen im Schrank Schrauben im Temporallappen* hat, ist es okay. Wenn es unwidersprochen bleibt und von einer geistig gesunden, gebildeten Person ausgesprochen wird, ist es ein Grund für mich, kopfschüttelnd zu seufzen. Aber selbstverständlich kann eine postapokalyptische Welt von Figuren bevölkert sein, die mangels Handy und Computer ihre Zeit damit verbringen, sich so ihre unwissenschaftlichen Gedanken zu machen, und dann kommt sowas dabei raus. Dann passt es wieder :P

Und meine Frage ist: Wirst du es lesen?


Nein, ich werde den Roman voraussichtlich** nicht lesen. Mein Noch-zu-lesen-Stapel ist schon hoch genug, und seine Höhe wächst, statt zu schrumpfen, sogar jetzt in den Ferien :happy:

--
* siehe "Bikepunks", Nova 17
** ich lese ihn, wenn er für den Deutschen SF-Preis nominiert wird. Dann muss ich, als Komiteemitglied ;)

Bearbeitet von Uwe Post, 31 Dezember 2010 - 14:10.

Herausgeber Future Fiction Magazine (deutsche Ausgabe) ||| Aktueller Roman: ERRUNGENSCHAFT FREIGESCHALTET ||| uwepost.de ||| deutsche-science-fiction.de

#52 deinz

deinz

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Geschrieben 31 Dezember 2010 - 17:09

** ich lese ihn, wenn er für den Deutschen SF-Preis nominiert wird. Dann muss ich, als Komiteemitglied ;)


Ok, ich versuchs :P Einen guten Rutsch!

#53 †  a3kHH

†  a3kHH

    Applicant for Minion status in the Evil League of Evil

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Geschrieben 31 Dezember 2010 - 17:22

"Ich glaube, dass jeder Mensch, der stirbt und dessen Tod nicht [von "einer höheren Macht", die unser aller Ziel bestimmt] vorgesehen ist, in eine andere Parallelwelt springt, in der er weiterlebt" (S.140)

Schade.
Und dabei hatte der Roman so gute Ansätze, etwa den Namen des Protagonisten.
Traurig, traurig, traurig ! (leicht näselnd gesprochen)
:P

#54 Jaktusch † 

Jaktusch † 

    Andronaut

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Geschrieben 31 Dezember 2010 - 18:19

** ich lese ihn, wenn er für den Deutschen SF-Preis nominiert wird. Dann muss ich, als Komiteemitglied :P


Er kann aber nur nominiert werden, wenn er (vor einer Nominierung) von Komiteemitgliedern gelesen wird....
Und du wärest durch die Beteiligung an diesem thread schon ein wenig drauf eingestimmt...;-)

Jaktusch
Man erwirbt keine Freunde, man erkennt sie.

#55 leibowitz

leibowitz

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Geschrieben 31 Dezember 2010 - 19:35

Lest diesen Roman, Alfred, Jaktusch und Uwe und all die anderen. Er ist es wert, trotz alledem.

Hier meine total subjektive Buchbeschreibung, zunächst in aller Kürze.

Es handelt sich um das (Erstlings-?)Werk eine jungen deutschen Autoren (30 Jahre), der seinen in einer Endzeit in Deutschland angesiedelten Roman mit viel Esprit, einer modernen Sprache und unterhaltsamen, intelligenten Alltagsbeobachtungen versehen hat. Die Hauptperson, und später einige wenige, andere Personen, überleben in einer Welt, in der von heute auf morgen nichts mehr geht, jedenfalls nichts Magnetisches oder Elektrisches. Der Roman handelt vom Überleben, aber auch - besonders im Plot - von der eher zufällig gewonnenen Erkenntnis der Ursache der Katastrophe. So wie ich den Roman gelesen habe, glaube ich, dass er ohne Lektor auskommen musste. Daher tauchen an einigen Stellen inhaltliche Ungereimheiten auf. Mich hat das nicht weiter gestört, deshalb empfehle ich den Roman uneingeschränkt. Wer sich für 12,90 € auf etwas nicht wirklich Neues, aber jugendlich frisch Daherkommendes einlassen möchte, macht sicherlich keinen Fehler. Ich wurde bestens unterhalten und habe den Roman an zwei Abenden ausgelesen.

Ab jetzt gehe ich ins Detail, also nicht lesen, wenn ihr euch vom Buch selbst überraschen lassen wollt (was ich empfehle) ... :

Heinz bedient sich eines Ich-Erzählers. Bei diesem handelt es sich um einen jungen Mann, der im Büro arbeitet und seit einigen Jahren in einer Kleinstadt wohnt. Er scheint zumindest einigermaßen gut verdient zu haben, so fuhr er einen Wagen mit immerhin 134 PS, das wird aber lediglich angedeutet. Nach einem schlimmen Kater, verursacht durch die Trennung von seiner Freundin Saskia, wacht er in einer Welt auf, in der alle Dinge ihre elektrischen Funktionen verloren haben. Auch der Magnetismus funktioniert nicht mehr. Außer dieser ehemaligen Freundin und seiner 80 km entfernt wohnenden Mutter tauchen keine Personen mehr auf, die der anscheinend vorher sehr zurückgezogen lebende Protagonist kennt; er lernt aber neue Personen kennen. Mehr erfährt man von der Hauptfigur im ganzen Roman eigentlich nicht - selbst sein Name wird nirgendwo erwähnt.
Die Funktion dieser Namenlosigkeit scheint klar zu sein, als Leser identifiziert man sich mit dem Protagonisten in dem Sinne, dass man die Leerstelle selbst besetzt - der Klappentext deutet es schon an, aber beim Lesen wird schon deutlich, dass in dieser Situation statt dem unpersönlichen Ich-Erzähler jeder von uns stecken könnte - bzw. würde! Ihre Popularität (Z.B. Mc Carthy: "Die Straße") diskreditiert die Idee des Namenlosen Erzählers natürlich keineswegs, nein, sie passt wunderbar zur Geschichte. Ich empfand es allerdings als unplausibel, dass der Protagonist keinen einzigen Menschen, noch nicht mal seine direkten Nachbarn, mit denen er seit 2 Jahren Tür an Tür wohnt, kennt. Er lernt diese im Buch kennen, aber in seiner Stadt kennt er keinen einzigen Menschen! Das mag zwar das Ausgeliefertsein des Protagonisten an die Situation unterstreichen, das geht aber auf Kosten der Plausibilität.
Der Erzählstil passt zur Geschichte und zum Protagonisten: Hektisch, schnell, teils abgehackte Sätze oder gar Einwortsätze. Das ist beim Ich-Erzähler und seinem Kumpel Chris auch in sich stimmig, vor allem aber authentisch, auch weil an anderen Stellen Protagonisten wie der Akademiker Alfred ganz anders erzählt werden. Genial fand ich, dass trotz dieser sprachlichen Hektik, der Abgehacktheit, immer wieder brillante Sprachspiele oder faszinierend pointierte Beobachtungen der Alltagskultur seitens des Protagonisten statt fanden, die mich an "Herrn Lehmann" erinnerten.
Soweit, was die Narration, und dabei die Authentizität und die Stringenz betrifft, wusste der Roman mich durchaus angenehm zu überraschen.
Die Geschichte nimmt also langsam Fahrt auf, der Protagonist stellt verblüfft fest dass nichts mehr funktioniert und dass es allen seinen Mitmenschen genauso geht. In dieser Phase findet der Protagonist einen Kumpel namens Chris und erlebt mit ihm gemeinsam (und später noch mit Valerie, einer ebensolchen Zufallsbekanntschaft) den allmählichen Zusammenbruch der Zivilisation. Es werden zunächst der kollektive Unglauben, dann die Wut, später Plünderungen, Raube, Brandschatzungen und schließlich Morde beschrieben. Hier baut Heinz zunehmend Spannung auf, führt die Eskalation der Lebensverhältnisse und der Umstände mit einer Ausnahme konsequent und in sich schlüssig durch. Diese Ausnahme empfand ich allerdings als relativ ärgerlich, und zwar versagt die Staatsmacht nicht, geht auch nicht stückweise unter oder zieht sich zurück bzw. eskaliert nicht zur faschistoiden, willkürlichen Besatzungsmacht, nein, sie findet konsequent nicht statt. Das Polizeirevier, vor dem sich Menschen am ersten Tag des Vorfalls versammeln, hat geschlossen, und auch in den folgenden Wochen des schließlich völligen Zerfalls der städtischen Zivilisation taucht an keiner Stelle die Staatsmacht auf. Der narrative Sinn scheint mir darin zu liegen, dass das Ausgeliefertsein und Alleinsein der Protagonisten dadurch noch unterstrichen wird; allerdings ging mir persönlich das trotzdem zu stark zu Ungunsten der Plausibilität.
Im Mittelteil ziehen sich die drei Protagonisten in den Wald zurück, um dort fern der bandenmäßigen Gewalt leben zu können. Wunderlicherweise tauchen höchstselten bis gar nicht andere Menschen auf, was zwar wiederrum das Ausgeliefertsein unterstreichen mag, aber mir wieder zu unplausibel erscheint. Fürderhin unplausibel ist, dass ein im Auftakt bereits als physikalisch versierter, älterer Herr in einer Situation als Retter (er erschießt einen angreifenden Hund) auftaucht und sich der Gruppe anschließt. Hier muss Heinz auf den Deus ex Machina zurückgreifen, da wären andere Erzählstränge, die zum Wiedersehen / Auftauchen dieses älteren Herrn namens Alfred führen, sicher besser gewesen. Auch wird hier, im Mittelteil und im Schluss, nicht mehr so genau beschrieben, woher - immerhin über Wochen - das Essen kommt, ob/wie gejagt wird etc., das hätte ich mir ausführlicher gewünscht. In Dörfern, die auftauchen, ist jedes dritte Haus abgebrannt, aber es gibt quasi keine anderen Menschen, die im Wald leben, das war mir etwas unschlüssig.
Das Ende, oder der Plot, besteht darin, dass Alfred sich als Mitarbeiter des Cern erweist. Dieses hatte in Wirklichkeit die Aufgabe, die Gravitation für Objekte einzeln an- bzw. ausschalten zu können. Leider versagte das Experiment. Strings, die sich von Parallelwelt zu Parallelwelt ziehen, hätten Magnetismus und Elektrizität ausgeschaltet. Nachdem der Protagonist im großen Finale den sich als Mitverursacher der Katastrophe erklärten Alfred tötet, versucht er sich selbst umzubringen. Er stirbt aber nicht, sondern wird von Valerie festgehalten. Ob die These Alfreds - jedes Leben hätte ein vorbestimmtes Ziel, und wer vorher stürbe, erschiene in einer Parallelwelt, um sein Ziel zu erreichen - stimmt oder nicht, bleibt spekulativ.

Das Buch hat gewisse Mängel, die sich vor allem auf inhaltliche Mängel beziehen, wie beschrieben. Ich vermute, dass ein Lektorat gefehlt hat. Durchweg sind zwar nur minimale Rechtschreibfehler zu bemerken, auch wenn Raufaser mal Raufaser und dann Rauhfaser geschrieben wird :P Aber nur auf Rechtschreibfehler korrigieren reicht nicht. Auch der Plot, vor allem die Darstellung von Alfreds Thesen, wirkt einfach ein wenig zu dick aufgetragen, zu wenig durchdacht und zu ambitioniert.
Totzdem hat das Buch sprachliche Ansätze, die ich als wahnsinnig toll empfunden habe (und hoffentlich hier auch so beschreiben konnte). Ich wünsche Dominik Heinz - und mir -, dass sein nächstes Buch bei einem richtigen Verlag erscheinen kann, mit den ganzen Voraussetzungen (Lektor etc.). Er ist ein junger SF-Autor, und da ist es einfach die falsche Erwartungshaltung, dass sein Roman literarischen Ansprüchen wie z.B. McCarthys "Die Straße" genügen könnte. McCarthy wurde 1933 geboren, Heinz 1981.

Ich fasse zusammen, ein lesenswertes Buch, ich freue mich schon auf das nächste von Dominik Heinz, dem ich den Tipp mitgeben möchte, es das nächste Mal vielleicht ein wenig weniger ambitioniert anzugehen. Du bist jung, und ich hoffe, die schriftstellerische Zukunft steht dir offen. Übrigens kenne ich den Autor persönlich überhaupt nicht und schreibe das hier ausschließlich aus eigenem Antrieb (weil mir Buch und Thema so gut gefallen).

Bearbeitet von leibowitz, 03 Januar 2011 - 14:11.

Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben. (P.K.Dick)

#56 deinz

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Geschrieben 02 Januar 2011 - 13:13

Vielen Danke für diese sehr ausführliche Rezension.

#57 †  a3kHH

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Geschrieben 02 Januar 2011 - 13:20

Es gibt da auch noch "Blackout" von Eschbach und meine Novelle "Noware". Was erstmal nichts heißt.

Doch, an "Noware" müssen sich diese Szenarios m.E. messen. Nicht ganz einfach.

#58 Gast_Frank W. Haubold_*

Gast_Frank W. Haubold_*
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Geschrieben 02 Januar 2011 - 22:17

Zum gesamten Buch kann ich nichts sagen, aber die Leseprobe hat mich (eben wegen des fehlenden Lektorats) nicht eben animiert, mir das Buch zuzulegen. Was die wissenschaftlichen oder eben auch unwissenschaftlichen Details angeht, würde ich eher für eine großzügigere Sichtweise plädieren. Manche Plots funktionieren nur, wenn man bestimmte Effekte auch jenseits des physikalisch Wahrscheinlichen (hier in Sachen EMP) als gegeben annimmt. FWH

#59 deinz

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Geschrieben 03 Januar 2011 - 10:50

Das Buch, insbesondere der Anfang, wurde profesionell lektoriert.

#60 Gast_Frank W. Haubold_*

Gast_Frank W. Haubold_*
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Geschrieben 03 Januar 2011 - 17:36

Das Buch, insbesondere der Anfang, wurde profesionell lektoriert.

Mag sein, da hat mir meine Abneigung gegen Termini wie "alleine", "Haustüre" oder "vorne" vielleicht einen Streich gespielt.

FWH


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