Die Arbeitsweise der Bundesprüfstelle ist sicherlich irgendwo politisch, das zeigt sich sicherlich besonders in ihrem Umgang mit rechtsextremen Inhalten. Dies gilt im Übrigen aber auch für die qualitative Sozialwissenschaft, auch hier ist ein wie auch immer "neutral" gearteter Umgang mit Rechtsextremismus eine Chimäre, ganz einfach deshalb, weil man um eine schlussendliche Bewertung kaum herumkommt.
Da Du ja anscheinend der Prüfstelle Voreingenommenheit unterstellen willst, eine Nachfrage: Wie lautet denn das "gewünschte Ergebnis", nach dem in der Regel die passenden Experten für die Prüfung von rechtsextremen Inhalten ausgewählt wurden / werden. Und: Kannst Du konkrete Beispiele im Bereich "rechtsextreme Medien (Musik, Filme, Literatur, Games)" benennen, bei denen sogenannte "neutrale" Experten zu einem anderen, besseren Ergebnis gekommen wären?
Deine Frage kann ich schlecht beantworten, weil sie mehrere Aspekte verknüpft, die ich als getrennte Kategorien genannt hatte. So war die "Auswahl der für das Ergebnis gewünschten Experten" keine Aussage zur Praxis der BPJM oder dazu, dass ein wie auch immer geartetes "gewünschtes Ergebnis" von der Institution gesetzt wird. Es war nur ein allgemeiner Hinweis, dass die Validität einer Expertise selbst dann in Zweifel zu ziehen ist, wenn ein theoretischer Expertenstatus des Stellers der Expertise vorhanden ist, sofern der "Experte" nicht unvoreingenommen für sein Fachwissen ausgewählt wurde, sondern als Interessenvertreter.
Letzteres ist bei der BPJM der Fall. Das bedeutet allerdings nicht, dass in der BPJM zu konkreten Urteilen in Bezug auf konkrete Phänomene "Experten" ausgewählt werden, die ein konkretes von der BPJM gewünschtes Ergebnis zu liefern haben. Denn die Mitglieder der Gremien sind eben keine Interessenvertreter der "BPJM", sondern Vertreter der Sichtweisen ihrer jeweiligen (gesellschaftlichen) Gruppe, auf deren "Ticket" hin sie in die Gremien entsandt wurden. Das heißt nicht, dass damit ein Wunschergebnis "der BPJM" vorweggenommen würde. Es heißt nur, dass die Ergebnisse der BPJM nach einem Verfahren ermittelt werden, das eher den Gesetzmäßigkeiten politischer Entscheidungsfindung gleicht als wissenschaftlicher Arbeit.
Eine Voreingenommenheit "der Prüfstelle" möchte ich dementsprechend auch nicht konstatieren. Wohl aber eine Voreingenommenheit der einzelnen in den Gremien repräsentierten gesellschaftlichen Gruppen zu gewissen Einzelfragen - die natürlich in der Summe auch zu gewissen "typischen" Sichtweisen der Gesamtinstitution in gewissen Einzelfragen führen. Das aber war nicht das Kernthema, in dem es mir bei meinem Posting ging, und deswegen muss man das jetzt auch nicht im Detail diskutieren. Mir ging es nicht einmal speziell um eine wie auch immer geartete Haltung der BPJM, ihrer Mitglieder oder der für die Zusammensetzung relevanten Gruppen zum Thema Rechtsextremismus.
Mir ging es tatsächlich nur ganz allgemein und formal um den wissenschaftlichen Wert von allgemeinen Aussagen und Analysen der BPJM zu Zusammenhängen, die über den Kernbereich ihres Auftrags "Inhalte des Mediums" -> "Zugewiesener BPJM-Stempel" hinausgehen. Und da stelle ich nur fest, dass ein solcher Wert nicht vorhanden ist bzw. sich auf den Status einer unverbindlichen persönlichen Meinung einzelner ihrer Mitglieder bzw. einer Zufallsmehrheit der Gremienmitglieder beschränkt. Weitergehende Aussagen gehören nicht zur Aufgabe der BPJM, sie ist in ihrer Zusammensetzung nicht darauf angelegt, valide Aussagen zu allgemeingesellschaftlichen Themen und Zusammenhängen zu liefern und, wie gesagt, die BPJM ist auch nicht für wissenschaftliche Arbeiten zu solchen Fragen hin ausgelegt und strukturiert.
Die Einschätzung der BPJM zu konkreten einzelnen Medien stelle ich nicht infrage - aus dem einfachen Grund, dass die BPJM sich da in einem selbstreferentiellem System bewegt, in das zwar wissenschaftliche Erkenntnisse von außen einfließen, das aber selbst keine wirklich "wissenschaftlichen" Erkenntnisse erzeugt, sondern nur Einstufungen innerhalb des eigenen Systems.
In dem Posting, auf das ich geantwortet habe, war allerdings die Rede davon, dass "Laut BPJM die "Landser"-Hefte eines der Haupteinstiegsmedien für Jugendliche in die Rechte Szene sind. Und hauptsächlich von Jugendlichen gelesen werden." Das ist keine Aussage mehr über das Medium an sich und seine nach pädagogischen Kriterien geschätzten Auswirkungen, es ist eine empirische Aussage über die "Welt" und über konkret mess- und belegbare Kausalitäten in derselben. Mit dieser Aussage verlässt die BPJM ihr geschlossenes System und tritt in einen Bereich ein, der durchaus wissenschaftlich evaluierbar ist - und für den sie, siehe oben, keine spezielle Kompetenz besitzt.
Ich wollte also keine Vorbehalte zur Arbeit der BPJM äußern (auch wenn das billig wäre; aber das wird an anderer Stelle oft genug getan

), und auch keine konkrete Aussagen über die Haltung der BPJM gegenüber rechtsradikalem Gedankengut implizieren (damit habe ich mich ehrlich gesagt bisher mangels Interesse gar nicht beschäftigt). Ich wollte tatsächlich nur rein formal darauf hinweisen, dass die BPJM in diesem Kontext und für die genannte Aussage keine zitierfähige Quelle oder Studie zum Thema darstellt.
Das habe ich schlicht so empfunden, als würde man Marcel Reich-Ranicki als Referenz für eine literaturwissenschaftliche Arbeit zitieren, oder die Erklärung eines Koalitionsausschusses zur AKW-Laufzeitverlängerung als Gutachten zur Sicherheit der deutschen AKWs anbringen.

Unterstellen will ich da gar nichts - die Beteiligten mögen immer noch gute Arbeit als Rezensenten und Politiker leisten, oder im vorliegenden Fall halt in der Einstufung konkreter Medien. Aber da zieht man sie halt einfach zu weit aus ihrem Biotop heraus, bzw. sind sie freiwillig herausgetreten.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)