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Hat Stanislaw Lem der polnischen SF einen Todesstoß versetzt?


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44 Antworten in diesem Thema

#1 Tiff

Tiff

    Laionaut

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Geschrieben 23 April 2011 - 06:26

Polnische SF - warum kennt man da von Stanislaw Lem abgesehen so wenig?

#2 Gast_Dirk_*

Gast_Dirk_*
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Geschrieben 23 April 2011 - 07:42

Hallo Tiff.

vielleicht, weil Lem selber nie als Autor von Science Fiction gelten wollte?

„Verlage, die mich in einer mit Science-fiction etikettierten Schublade eingeschlossen haben, taten dies hauptsächlich aus merkantilen und kommerziellen Gründen, denn ich war ein hausbackener und heimwerkelnder Philosoph, der die künftigen technischen Werke der menschlichen Zivilisation vorauszuerkennen versuchte, bis an die Grenzen des von mir genannten Begriffshorizontes.“

- Lem in Riskante Konzepte

(Quelle: wikipedia. Ich hatte dieses Zitat mal irgendwo gelesen, musste jetzt aber auf wikipedia zurückgreifen, um es nicht sinnentstellt zu posten.)

Das ist nur ein Teil der Erklärung, die vielleicht auch auf viele andere polnische Autoren zutreffen mag.
Ganz krass gesagt ist Science Fiction in einem Land, dass so regiert wurde wie Polen seinerzeit, für uns eher langweilig. Es entsteht unter solchen Bedingungen eine ganz andere Sichtweise. Etwa so, wie sich Hollywood und Bollywood voneinander unterscheiden.
Bei den einen knallts und krachts an allen Enden und Ecken, bei den anderen werden Konflikte ausgetanzt ;)

Viele Genres, die bei uns als ganz normal angesehen werden, waren damals under der Fuchtel der Sowjets verpönt, sofern sich nicht irgendwie der Visionsstempel des funktionierenden Kommunismus aufdrücken ließ. Wichtig erscheint mir aber auch, dass lange Jahre der eiserne Vorhang gerade die Science Fiction aus den osteuropäischen Ländern einfach nur blockiert hat.
Freies Schreiben, so wie wir es hier kennen, gab es dort teilweise nicht.
Vieles wurde tatsächlich nach der Planwirtschaft geplant, und teilweise wurden Romane von "Schreibarbeitern" für einige wenige Namen verfasst, die der Obrigkeit in den Kram passten.

Warum heute kaum Science Fiction rüberkommt?
Ich weiß es nicht, kann mir aber vorstellen, dass es aus dem gleichen Grund geschieht, aus dem auch viele deutsche Autoren kein Bein auf die Erde bekommen:
Nur was aus Amerika kommt, hat mit relaitv wenig Aufwand, relativ viel (finanziellen) Erfolg ;)
Warum einen total Unbekannten, mit einer komplett anderen Sichtweise auf die Welt, die hier kaum ein Mensch richtig kennt, aufbauen?
Dazu die oben bereits erwähnten Mentalitätsunterschiede ...
Ich vermute, da spielt ein großer Teil Risikoangst und Gewinnmaximierung bei den Verlagen mit rein.
Eiin Autor wie Gluchowski hat sich einfach an amerikanischen Vorbildern orientiert, weshalb er eben auch hier erschien.
Aber er ist Russe, und fällt somit aus der eigentlichen Frage raus.

Soweit meine Sicht der Dinge, zu dieser wirklich guten Frage.

LG

Dirk :cheers:

Bearbeitet von Dirk, 23 April 2011 - 07:43.


#3 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 23 April 2011 - 07:45

Polnische SF - warum kennt man da von Stanislaw Lem abgesehen so wenig?


Ich nehme mal an, die Frage lautet eigentlich: Warum kennt man im deutschen Sprachraum keine polnische SF ausser die von Lem?

Da möchte ich doch fragen, welche polnischen Autoren ausserhalb der SF man denn in unseren Breitengraden kennt. Allzu viele sind das nicht.

Die Frage müsste dann eigentlich andersrum gestellt: Warum war ausgerechnet Lem im deutschen Sprachraum so erfolgreich? (Meines Wissens war er nämlich nirgendwo auch nur annähernd so erfolgreich wie im deutschen Markt).

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

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#4 My.

My.

    Temponaut

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Geschrieben 23 April 2011 - 07:45

Vielleicht ist SF nicht das Ding der Polen. Ich neige dazu, die Frage im Threadtitel anders herum zu stellen: "Gäbe es ohne Lem überhaupt polnische SF?" Ich denke, beide Fragestellungen sind erlaubt, denn vermutlich wissen wir einfach nicht sonderlich viel über polnische SF. (Wiewohl ich weiß, daß es mindestens ein polnisches SF-Magazin gibt <g>.) My.

#5 Theophagos †

Theophagos †

    Giganaut

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Geschrieben 23 April 2011 - 07:52

Weil selbst mit internationalen Preisen ausgezeichnete Werke nicht übersetzt werden? Wie etwa "Lód" von Jacek Dukaj (europäischer Kulturpreis). Die Verfilmung von "Katedra" wurde übrigens für einen Oscar nominiert - ist das denn bekannt? Manche Vergleicht hinken doch zu sehr. Theophagos
"Cool Fusion? What is 'Cool Fusion'?" - "As Cold Fusion is beyond our grasp, we should reach for something ... less ... cold. Cool Fusion."
- Dr. Karel Lamonte, Atomic Scientist (Top of the Food Chain, Can 1999)
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#6 T.H.

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    Giganaut

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Geschrieben 23 April 2011 - 08:06

"Schreibarbeiter"? Holla, das ist harter Tobak! Kannst du das auch belegen, Dirk? Ich kenne da keinen von und ich komme ja aus dem Osten. Es gab ja neben Lem durchaus die eine oder andere SF aus Polen, die ins Deutsche uebertragen wurde, weiß nur nicht, ob das auch in der BRD angekommen ist. Soll ich Namen raussuchen? Heute scheint es eine reichhaltige SF Szene in Polen zu geben. Ich hatte vor ein paar Wochen ein polnisches Buch bekommen, weil man ein Bild von mir dort verwendet hat. Lesen kann ich es nicht. Es ist ein Sekundaerwerk, zu religioesen Dingen in der modernen Fantasy, hg, von einem offensichtlich ruehrigen SF und Fantasyclub. Wenn man da mal im Internet dieser Spur folgt, findet man recht viel, also spielt die SF und Fantasy schon eine Rolle in Polen. Warum wir davon nichts mitbekommen? Na ja, ich nehme an, das verhaellt sich genauso wie mit der deutschen SF im Ausland, was ja hier im Forum bereits eroertert wurde...

Bearbeitet von T.H., 23 April 2011 - 08:07.

Phantastische Grüße,
Thomas

...meine "Phantastischen Ansichten" gibt's hier.
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#7 Gast_Dirk_*

Gast_Dirk_*
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Geschrieben 23 April 2011 - 08:16

Hallo T.H. Leider habe ich den Link zu einem Artikel nicht mehr, in dem genau das (das Schreibarbeiten) beschrieben wird. Es ging um einen jungen Künstler, der für das Aushängeschild der russischen (?) Literatur schreiben musste, was der verlangte. In diesem Bericht sagte er, dass teilweise sogar mehrere von ihnen unter dem Deckmantel eines Stipendiums in ein Haus einquartiert wurden, nur um für diesen einen Parteigenossen zu schreiben. Der prüfte das Ganze dann, und es erschien unter seinem Namen. Ich weiß, das ist jetzt nicht exemplarisch zu nehmen. Ich bin mir auch unsicher, ob es jetzt ein polnische, oder ein russischer Autor war. Aber abwegig? Mit Sicherheit nicht. Ansonsten stimme ich dir aber absolut zu. Ich habe auch schon davon gehört, dass die Szene in Polen zum Beispiel richtig brummt. Nur die Übersetzung, die "internationale" Akzeptanz, die ist nicht da. Fast wie bei uns :cheers:

#8 Tiff

Tiff

    Laionaut

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Geschrieben 23 April 2011 - 08:22

Manche Vergleicht hinken doch zu sehr.

Mich interessiert, ob man für jedes nichtenglischsprachige Land, das im Bereich SF etwas auf sich hält, eine Todesstoßlegende konstruieren kann als Erklärung dafür, dass die heimische SF nicht wie gewünscht prosperiert.

Die Frage müsste dann eigentlich andersrum gestellt: Warum war ausgerechnet Lem im deutschen Sprachraum so erfolgreich? (Meines Wissens war er nämlich nirgendwo auch nur annähernd so erfolgreich wie im deutschen Markt).

Ja, das ist eine interessante Frage. Wie passt das mit dem Erfolg von Perry Rhodan zusammen?

#9 T.H.

T.H.

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Geschrieben 23 April 2011 - 08:23

@ Dirk: Wenn in den USA Frau Zimmer Bradley einen Schreibkurs fuer Nachwuchsautorinnen veranstaltet, kommt keiner auf die Idee, dass dies dann Schreibarbeiterinnen sind. Im Osten ist das gleich was gaaaaanz anderes... Hier wird einfach mal wieder durch die ideolog. Brille was verunglimpft, meiner Meinung nach. Na klar, gabe es im Osten staatliche und ideolog. Bevormundung, große Kacke das! Doch solche Schreibkurse, wo gestandene Autoren den Kursteilnehmern sagen, ob das nun gut oder schlecht, was sie da schreiben, gibt es gerade in den USA, jetzt wohl verstaerkt auch bei uns.

Bearbeitet von T.H., 23 April 2011 - 08:25.

Phantastische Grüße,
Thomas

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#10 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 23 April 2011 - 08:28

Mich interessiert, ob man für jedes nichtenglischsprachige Land, das im Bereich SF etwas auf sich hält, eine Todesstoßlegende konstruieren kann als Erklärung dafür, dass die heimische SF nicht wie gewünscht prosperiert.


Ich behaupte mal, dass wir - mit wenigen Ausnahmen - doch schlicht nicht genug über die nicht-deutschsprachigen Märkte und Szene wissen. Es ist doch mehr als fragwürdig, anhand des Erfolgs einer bestimmten "SF-Nation" im Ausland etwas über deren tatsächliche Entwicklung zu sagen.

Spontan fallen mir beispieslweise kaum spanische, italienische oder französische SF-Autoren ein. Dass heisst ja aber keineswegs, dass es in den jeweiligen Ländern keine prosperierende SF geben kann.

Ja, das ist eine interessante Frage. Wie passt das mit dem Erfolg von Perry Rhodan zusammen?


Lem wurde bereits sehr früh vom Suhrkampverlag herausgegeben und als rares Beispiel für "hoch stehende, philosophische SF" wahrgenommen. Wie es dazu kam, weiss ich allerdings nicht. Franz Rottensteiner könnte dazu sicher einiges sagen †¦ Suhrkamp hat ja längere Zeit wirklich alles, was Lem geschrieben hat, herausgebracht, selbst Bücher wie Die Philosophie des Zufalls oder Summa Technologiae, bei denen eigentlich von vornherein feststand, dass sie nur eine winzige Leserschaft haben werden.

Bearbeitet von simifilm, 23 April 2011 - 08:35.

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#11 fictionality

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    Illuminaut

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Geschrieben 23 April 2011 - 08:34

Todesstoß? Nein, würde ich nicht sagen. Er hat sich einfach durchgesetzt und die anderen (die ich auch nicht kenne) blieben in seinem Schatten.

#12 †  a3kHH

†  a3kHH

    Applicant for Minion status in the Evil League of Evil

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Geschrieben 23 April 2011 - 08:35

Mich interessiert, ob man für jedes nichtenglischsprachige Land, das im Bereich SF etwas auf sich hält, eine Todesstoßlegende konstruieren kann als Erklärung dafür, dass die heimische SF nicht wie gewünscht prosperiert.

Ja. Interessant wird es erst, wenn Du entweder ein nicht-existentes Land oder die US of A nimmst.

Ja, das ist eine interessante Frage. Wie passt das mit dem Erfolg von Perry Rhodan zusammen?

Ist beides trivial.

#13 Gast_Dirk_*

Gast_Dirk_*
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Geschrieben 23 April 2011 - 08:39

Hi T.H.

@ Dirk: Wenn in den USA Frau Zimmer Bradley einen Schreibkurs fuer Nachwuchsautorinnen veranstaltet, kommt keiner auf die Idee, dass dies dann Schreibarbeiterinnen sind. Im Osten ist das gleich was gaaaaanz anderes... Hier wird einfach mal wieder durch die ideolog. Brille was verunglimpft, meiner Meinung nach. Na klar, gabe es im Osten staatliche und ideolog. Bevormundung, große Kacke das!
Doch solche Schreibkurse, wo gestandene Autoren den Kursteilnehmern sagen, ob das nun gut oder schlecht, was sie da schreiben, gibt es gerade in den USA, jetzt wohl verstaerkt auch bei uns.


Ja, da hast du natürlich Recht.
Da spielt sehr viel Propaganda und nachkarten mit rein.
Leider finde ich den Artikel nicht mehr, den ich über einen Link bei Montsegur angelickt hatte.
Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte ein Bericht in TAZ oder dem Buchreport gewsen sein, wo es eben genau so dargestellt wurde.
Schade drum ;)

Aber mir kommt gerade ein anderer Gedanke, der durch diesen Thread, deine Aussage über Popaganda und den über die "Todesstosslegende eines Perry Rhodan" gefüttert wird:

Wie dominant ist eigentlich die amerikanische Kultur, und die amerikanische Sicht der Dinge was gut und was schlecht ist, eigentlich geworden?
Gluchowsky habe ich ja schon erwähnt.
Der hält sich relativ nah an amerikanischen Plotvorbildern und wird prompt übersetzt.
Lem steht über den Dingen (warum auch immer)
Aber sonst?
Russische Sci-Fi?
Polnische Action?
Liegt da nicht vielleicht der Hase im Pfeffer, dass deutsche Autoren im eigenen Land nichts gelten, und (Roman)Übersetzer der slawischen Sprachen nahezu arbeitslos sind?
Folgen wir nicht einfach nur dem großen Leithammel, statt uns auf unsere eigenen Stärken, und die unserer nächsten Nachbarn zu besinnen?
Oder ist es eine typisch deutsche Sache, alles immer schwermütig und negativ zu sehen?

Fragend

Dirk :cheers:

Bearbeitet von Dirk, 23 April 2011 - 08:40.


#14 My.

My.

    Temponaut

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Geschrieben 23 April 2011 - 08:49

Ich hatte vor ein paar Wochen ein polnisches Buch bekommen, weil man ein Bild von mir dort verwendet hat.

Ups. Das war das, was ich (fälschlich) als SF-Magazin bezeichnete. (Ich hatte denen die Adressen besorgt.)

My.

#15 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 23 April 2011 - 08:56

Wie dominant ist eigentlich die amerikanische Kultur, und die amerikanische Sicht der Dinge was gut und was schlecht ist, eigentlich geworden?


Die amerikanische Kultur oder eher Hollywood? Oder ist beides das gleiche?

#16 Gast_Dirk_*

Gast_Dirk_*
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Geschrieben 23 April 2011 - 09:12

Hi Michael. Ich glaube beinahe, dass man beides gleichberechtigt nebeneinander sehen muss. (Nachtrag) Denn das, was Hollywood exportiert, prägt unser Bild von den USA ebenso, wie unsere Mercedes und Porsche das Bild der Amerikaner von uns. Deutsche = Fahren ohne Speedlimit, fleissig, korrekt und pünktlich wie die Roboter. Deutsche Literatur = schwermütig, depressiv, nciht lesbar. Amerikaner = Big, bigger, am biggesten. Alles ist möglich. Amerika ist Gottes gelobtes Land. Amerikanische Literatur = Wendig, actionreich oder tiefe Figuren ... es ist für alle etwas dabei. ... Die Liste der "Vorurteile über die amerikanische Mentalität und Kultur" ließe sich so bestimmt noch um einiges fortführen. Und auch wenn es Vorurteile sind, wird vieles einfach nicht kritisch hinterfragt. Es kommt vom hinterm großem Teich, also muss es gut sein. Koste es was es wolle. Wenn ein deutscher Autor so was wie Dan Brown geschrieben hätte, wäre der jemals veröffentlicht worden? Wenn ein deutscher Anwalt einen Gerichtsthriller anbieten würde, könnte man den im Buchhandel irgendwann erwerben? Wenn ein deutscher Wissenschaftler Forschungsgelder benötigt, wer winkt dann mit den Dollars, ohne gleichzeitig einen Koffer voll Formulare bereit zu halten? Wenn ein polnischer Autor einen Superthriller schreibt ... wer übersetzt den? Wer verlegt den? Wenn ein amerikanischer Autor seine Wäscheliste in einen Zukunftsthriller einbettet, wird das umgehend als das Maß aller Dinge anerkannt. Ich weiß, klingt polemisch, und ist es auch. Aber wenn hier eine Serie wie "Alarm für Cobra 11" läuft, heißt es dirket "Hartz IV-Fernsehen". Wenn eine amerikanische Serie eingekauft wird, die ebenso auf Boping&Böller setzt, bekommt sie einen Prime-Time-Sendeplatz, jede Menge Werbung und am Ende sagt jeder: "Sowas können die Deutschen einfach nicht." Das ist es, was ich unter Dominanz der amerikanischen Kultur, und des amerikanischen Denkens verstehe. Wir stellen unser Licht unter den Scheffel und fühlen uns noch gut dabei. Und wehe, es bricht jemand aus! Dann kommt direkt der Futterneid zutage ;) LG Dirk :)

Bearbeitet von Dirk, 23 April 2011 - 09:16.


#17 Gast_Dirk_*

Gast_Dirk_*
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Geschrieben 23 April 2011 - 09:34

Ich habe jetzt nochmal darüber nachgedacht, woran es liegen mag, dass wir so wenig polnische Science Fiction kennen, was ja auch für andere Länder zutrifft. Michael hat es in einem anderen Thread treffend ausgedrückt: Lassen wir uns vielleicht vorschreiben, was gut und wichtig ist? Sind unsere Kompaßnadeln vielleicht nicht mehr frei drehbar, sondern fix nach Norden (in dem Falle nach Amerika) ausgerichtet? Ist dies eine Auswirkung des zweiten Weltkriegs, seines Endes, dem Ruhm der Amerikaner, die uns Cola, Rock ´n Roll, Hamburger und Rosinenbomber brachten? Sind wir vielleicht vor lauter Dankbarkeit so demütig und mit Scheuklappen ausgestattet worden, dass wir alles, was aus einer anderen Richtung kommt, als nicht existent wahrnehmen? Andersherum: Wie sieht es in Polen aus? Kennt man dort deutsche Science Fiction? Oder sind Goethe und Schiller die einzigen Repräsentanten deutscher Literatur? Bei uns ist es Stanislaw Lem, den wir als DEN polnischen Science Fiction Autor wahrnehmen, an dem sich alles andere "von da hinten aus dem Ostblock" messen lassen muss. Wie sieht es aber bei den Polen aus? Ich glaube, dass ohne Stanislaw Lem diese Frage, ob er der polnischen Science Fiction den Todestoß versetzt hat, gar nciht aufgekommen wäre, weil wir Polen und Science Fiction niemals in einem Atemzug genannt hätten. Sci-Fi? Armstrong, Kirk und Asimov. Lem? Du meinst wohl Lehm mit "h", oder? Was ist das? Wer ist das? Nachdenklich Dirk

#18 †  a3kHH

†  a3kHH

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Geschrieben 23 April 2011 - 10:08

Wie dominant ist eigentlich die amerikanische Kultur, und die amerikanische Sicht der Dinge was gut und was schlecht ist, eigentlich geworden?

Amerikanische oder angloamerikanische Kultur ? Was immer das in Zeiten der Globalisierung bedeuten mag.
Wie dominant der angloamerikanische Sprachraum ist sieht man ja an Lukianenko oder Glukhovsky. Und Hohlbein, Heitz, Hennen ...

#19 Gast_Dirk_*

Gast_Dirk_*
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Geschrieben 23 April 2011 - 10:16

Also wäre die einfachste Antwort / Gegenmaßnahme doch, sich auf typisch deutsche "Traditionen" und Fähigkeiten zu verlassen, oder? Damit müsste sich doch dieser "Kuturbann" brechen lassen? Der Markt macht sich nicht von allein, dazu gehören immer zwei Parteien. Eine die anbietet, eine die die nachfragt. Aber das Problem ist wohl, dass wir solange nur eine ganz bestimmte Kost angeboten bekommen haben, dass unsere Geschmacksnerven schon genetisch geeicht sind :) Und wenn die erstmal in eine Richtung gepolt sind ... wie soll man da herausfinden, wie man eigenes produziert? Oder in die Versuchung geraten mal ein anderes Gericht auszuprobieren, dass man so noch nie gekostet hat? Bortsch? Klingt wie hochgewürgt. Mag ich nicht, auch ohne Kostprobe! Pfälzer Saumagen? Spinnst du??? Hamburger? Lecker! Da weiß ich ja, was ich bekomme.

#20 simifilm

simifilm

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Geschrieben 23 April 2011 - 11:33

Ich habe jetzt nochmal darüber nachgedacht, woran es liegen mag, dass wir so wenig polnische Science Fiction kennen, was ja auch für andere Länder zutrifft.

Michael hat es in einem anderen Thread treffend ausgedrückt:

Lassen wir uns vielleicht vorschreiben, was gut und wichtig ist?


Wer ist "wir", und wer schreibt "uns" was vor? - Grundsätzlich entwickelt ja niemand seinen Geschmack und seine Vorlieben in einem Vakuum. Jeder ist durch alle möglichen Faktoren beeinflusst, sowohl als Individiuum als auch als Teil einer grösseren Gruppe.

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#21 Gast_Dirk_*

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Geschrieben 23 April 2011 - 12:25

Richtig. Und diese Faktoren sind ja nun einmal da, auch (oder gerade) durch die Gruppe. Ich höre seit meinem 13. Lebensjahr Hard Rock und Heavy Metal. Das hat mich in der Schule (und auch später oftmals) zu einem Außenseiter gemacht. So ein Gekreische ... das muss einfach schlecht und unwichtig sein. Wäre ich dem Gruppenzwang gefolgt, wäre ich wahrscheinlich auf Modern Talking oder Hupfdohlen in Strumpfhosen und neonfarbigen Jaketts abgefahren :thumb: Das war gut und wichtig, wenn man dazugehören wollte. Wenn ich heute sage, dass ich für mein Leben gerne Science Fiction lese, verdrehen viele die Augen. Erstmal wegen dem Lesen überhaupt, weil man dafür heute höchstens noch im Urlaub Zeit und Muße hat (ich habe die schon Morgens auf dem Töpfchen ;)) Dann wegen dem Thema / Genre an sich. Science Fiction? So ein utopischer Mist? Lies was vernünftiges, wenn es schon sein muss. Goethe, Schiller, Konsalik (Kein Gag, so schon gehört!) Daher meine Meinung, das ein Individuum in der Gruppe schon einem gewissen Zwang unterworfen ist, wenn es dazu gehören möchte. Und die Gruppe mag eben das, was die meisten mögen, was das wiederum das ist, was am stärksten angeboten und beworben wird. Und am stärksten angeboten und beworben, für gut und richtig erachtet, wird eben das, was die größte Gruppe am meisten nachfragt. Nenne es Herdentrieb, Gruppenzwang ode meinetwegen auch Demokratie. Aber das Individuum hat sich der Masse zu beugen, wenn es dazugehören möchte. Woher kommt denn sonst der Ausdruck vom Heulen mit den Wölfen, oder dem Schwimmen mit dem Strom? Wer gegen die Wölfe heulen will, braucht eine gute Stimme. Wer gegen den Strom schwimmen will, extrem gute Muskeln. ;) LG Dirk :)

Bearbeitet von Dirk, 23 April 2011 - 12:28.


#22 simifilm

simifilm

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Geschrieben 23 April 2011 - 12:28

Daher meine Meinung, das ein Individuum in der Gruppe schon einem gewissen Zwang unterworfen ist, wenn es dazu gehören möchte.
Und die Gruppe mag eben das, was die meisten mögen, was das wiederum das ist, was am stärksten angeboten und beworben wird.
Und am stärksten angeboten, beworben, für gut und richtig wird das erachtet, was die größte Gruppe am meisten nachfragt.


Sich von einer Gruppe abzugrenzen, ist ebenso eine Form von Beeinflussung.

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#23 Gast_Dirk_*

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Geschrieben 23 April 2011 - 12:30

Zwingt dich jemand dazu, oder kommt das Gefühl aus dir selber heraus? Wer beeinflusst dich denn, wenn du gegen den Strom schwimmen willst? Klar, die Gruppe, wäre der erste Gedanke. Du willst dich abgrenzen. Aber Abgrenzen macht oft teuflisch einsam, weshalb das die wenigsten gerne machen :)

#24 simifilm

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Geschrieben 23 April 2011 - 12:37

Zwingt dich jemand dazu, oder kommt das Gefühl aus dir selber heraus?

Wer beeinflusst dich denn, wenn du gegen den Strom schwimmen willst?

Klar, die Gruppe, wäre der erste Gedanke. Du willst dich abgrenzen.

Aber Abgrenzen macht oft teuflisch einsam, weshalb das die wenigsten gerne machen ;)


Ich glaube, dass "Zwang" hier einfach der falsche Begriff ist. Im Normalfall wird niemand gezwungen, aber es ist in meinen Augen eine grosse Illusion ist zu glauben, man könne in derartigen Fragen vollkommen unbeeinflusst sein. Wir sind nun mal soziale Wesen, die im Austausch mit anderen sozialen Wesen stehen, und gerade ästhetische Vorlieben sind im hohen Masse kulturell und gesellschaftlich geprägt.

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#25 Gast_Dirk_*

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Geschrieben 23 April 2011 - 12:38

Nachtrag:

Sorry, da haben sich unsere Posts überschnitten!

Ich mache meinen letzten Post mal an einem fiktiven Beispiel fest:

Die eine Gruppe findet nur hohe Literatur ist lesenswert. Und die kann nur schreiben, wer mindestens vier Doktortitel hat, und sich möglichst verschwurbelt ausdrücken kann ;)

Die andere Gruppe ist der Meinung, dass hohe Literatur für den Lokus ist, und nur "Events" die wahre Kunst sind. Sie stimmt aber der ersten Gruppe zu, dass nur wer studiert hat, auch schreiben kann.

Und dann kommt ein Nobody, kein Abi, kein Studium und schreibt.

Erst E-Literatur.
Die Gruppe rümpft die Nase, beim Anblick seiner Vita.
Dann schreibt er U-Literatur.
Die andere Gruppe rümpft ebenfalls die Nase. Ein Fußpfleger aus Wanne-Eickel und ein Thriller?
Neverever!

Was macht also der Nobody?
Er passt sich entweder an und frisiert seine Vita, (also gibt er dem Gruppenzwang nach) oder er gibt das Schreiben auf und hört fortan nur noch Ballermannmucke ;) (Was auch eine Anpassung an vorherrschende Meinungen ist)

Nur der Unbeugsame wird weitermachen, Absagen sammeln, wie andere Münzen oder Briefmarken oder Bierdosen.
Er wird nie ein Bein auf die Erde bekommen, und immer außen vor stehen, weil ihm andere vorschreiben, was gut und richtig ist.

Bearbeitet von Dirk, 23 April 2011 - 12:40.


#26 simifilm

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Geschrieben 23 April 2011 - 12:44

Nachtrag:

Sorry, da haben sich unsere Posts überschnitten!

Ich mache meinen letzten Post mal an einem fiktiven Beispiel fest:

Die eine Gruppe findet nur hohe Literatur ist lesenswert. Und die kann nur schreiben, wer mindestens vier Doktortitel hat, und sich möglichst verschwurbelt ausdrücken kann ;)

Die andere Gruppe ist der Meinung, dass hohe Literatur für den Lokus ist, und nur "Events" die wahre Kunst sind. Sie stimmt aber der ersten Gruppe zu, dass nur wer studiert hat, auch schreiben kann.

Und dann kommt ein Nobody, kein Abi, kein Studium und schreibt.

Erst E-Literatur.
Die Gruppe rümpft die Nase, beim Anblick seiner Vita.
Dann schreibt er U-Literatur.
Die andere Gruppe rümpft ebenfalls die Nase. Ein Fußpfleger aus Wanne-Eickel und ein Thriller?
Neverever!

Was macht also der Nobody?
Er passt sich entweder an und frisiert seine Vita, (also gibt er dem Gruppenzwang nach) oder er gibt das Schreiben auf und hört fortan nur noch Ballermannmucke ;) (Was auch eine Anpassung an vorherrschende Meinungen ist)

Nur der Unbeugsame wird weitermachen, Absagen sammeln, wie andere Münzen oder Briefmarken oder Bierdosen.
Er wird nie ein Bein auf die Erde bekommen, und immer außen vor stehen, weil ihm andere vorschreiben, was gut und richtig ist.


Was genau willst Du mit diesem "Beispiel" sagen? Spiegelt es in Deinen Augen die Realität?

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#27 Gast_Dirk_*

Gast_Dirk_*
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Geschrieben 23 April 2011 - 13:01

Ja, das tut es (leider) Ohne Mentor (Mäzen) bekommt ein Nobody heute keine Chance auf Mehr. Und um den Bogen zurück zum Thema des Threads zu schlagen: "Gute" Science Fiction kommt nach der Meinung der größten Gruppe (die Science Fiction überhaupt wahrnimmt!) aus Amerika. Ob es daran liegt, dass wir es nicht schaffen mit Stolz auch auf die Erungenschaften von uns zu blicken, die nicht in Geld zu bewerten sind, weiß ich nicht. Aber diese Ausrichtung hat den Geschmack der großen Gruppe geprägt. Was gut sein will, muss zumindest die Ahnung des Geschmacks des Bekannten haben (Hamburger) Wenn aber dann jemand ankommt und uns Bortsch anbietet, der zwar auch auf einem Teller serviert wird, wo aber die Ähnlichkeiten zwischen beiden Gerichten auch schon enden ... da kommt erstmal die Skepsis. Was der Bauer nicht kennt, das mag er nicht. Ihn vom Gegenteil zu überzeugen kostet Zeit und Geld. Warum soviel investieren, wenn das gute und Bewährte, das die große Gruppe doch so dringen haben will, so leicht zu bekommen ist? Warum also einen Autoren aus Polen "importieren", für den man keine vernünftige Übersetzer kennt, von dem man nicht weiß, wie er sich hier verkauft, wenn ein Telefonat doch reicht, um einen bekannten Namen aus Übersee zu bekommen? Kostet im ersten Moment vielleicht mehr, rechnet sich aber auf lange Sicht. Also macht die Gruppe Druck (Zwang wollen wir ja nicht sagen) auf die Produzenten (Verleger), die ihr Geld wieder reinbekommen wollen und entsprechende Werbekampagnen starten, womit wieder der Druck in der Gruppe für das Individuum da ist, wenn es dazugehören will. Ich weiß nicht, wie die polnische Szene aussieht, kann mir aber vorstellen dass da auch noch (allerdings altideologisch eingefärbte) "Vorurteile" herrschen, die ebenfalls Druck machen ;) Lem war also ein Ausreißer, hat uns gezeigt dass da auch was gibt, aber der Druck des Massengeschmacks, der in langen Jahren von beiden Seiten (Leser und Verlagen) geformt wurde, macht es unrentabel, sich da näher umzusehen, bzw. verleidet uns die Idee, es doch einmal mit Bortsch zu probieren. Und deswegen erscheint uns, ausgenommen Lem, die polnische Sci-Fi-Szene als nicht existent, obwohl es sie gibt. LG Dirk ;)

#28 simifilm

simifilm

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Geschrieben 23 April 2011 - 13:06

Ja, das tut es (leider)
Ohne Mentor (Mäzen) bekommt ein Nobody heute keine Chance auf Mehr.


Ich bin zwar nicht der Ansicht, dass Deine Beschreibung stimmt, aber mich würde Wunder nehmen, wann es denn Deiner Ansicht nach anders. Vor 20, 50 oder 100 Jahren haben die genau gleichen Mechanismen gespielt. Die Kräfte waren zweifellos anders verteilt, aber weder hat sich an der grundsätzlichen Ökonomie des Buchmarkts, noch an der Art und Weise, wie "Geschmack" zustande kommt, etwas grundlegend geändert.

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#29 Lucardus

Lucardus

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Geschrieben 23 April 2011 - 13:16

Ich habe jetzt nochmal darüber nachgedacht, woran es liegen mag, dass wir so wenig polnische Science Fiction kennen, was ja auch für andere Länder zutrifft.

Michael hat es in einem anderen Thread treffend ausgedrückt:

Lassen wir uns vielleicht vorschreiben, was gut und wichtig ist?
Sind unsere Kompaßnadeln vielleicht nicht mehr frei drehbar, sondern fix nach Norden (in dem Falle nach Amerika) ausgerichtet?

Und besonders in der Krimiecke mit den amerikanischen Skandinaviern (Mankell, Larsson) , den amerikanischen Italiener (Leon, Camilleri) und den britischen Franzosen (Vargas, Simenon).

Vladimir Sorokin? Der schreibt SF und wird in Deutsch veröffentlicht, seit längerem schon. Ist allerdings in Russland sicher bekannter als hier. Das liegt aber wohl eher daran, dass seine Werke auch wenn er Deutscher oder Amerikaner wären kaum ein größeren Publikum finden würden, weil er doch sehr speziell ist. Das Publikum für SF ist hier klein, anderswo wahrscheinlich auch nicht viel größer. Welcher Verlag würde also - abgesehen von wirklichen Bestsellern -, auf die Idee kommen einen litauischen Marrak oder einen serbischen Eschbach zu veröffentlichen, weil sie gute SF schreiben? Welcher deutsche Verleger kennt sich da aus, sprachlich, kulturell? Wer übersetzt so was adequat. Kann man das überhaupt? Ein amerikanischer Bestseller über Baseball geht hierzulande höchstwahrscheinlich gar nicht.

Das ist wieder die ewig gleiche Leier von der amerikanischen Dominanz, die hier aufgebrüht wird. Ich lese, was mir gefällt, und es ist mir völlig egal, ob es aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, USA, GB oder Italien kommt. Wenn es mich interessiert lese ich es. Vorteil englischer Literatur: Ich kann sie mittlerweile auch relativ flüssig im Original lesen, sofern sie nicht allzu abgehoben literarisch oder kulturzentriert (Baseball, American Football) ist. Vorteil für Verlage: es gibt jede Menge Leute, die Englisch übersetzen können, sich in der dortigen Kultur auskennen und wissen "was da läuft".

Seid doch mal ehrlich: Würdet ihr in einer polnischen Fernsehserie die Gags verstehen, die sich auf landesinterne Dinge beziehen? Das ist schon bei amerikanischen und britischen Serien oft nicht einfach für die Synchro. Genauso wenig würde sich ein Pole oder Russe über viele landeskulturelle Bezüge bei z. B. "Mord mit Aussicht" wundern und die Witze nicht kapieren. Es gibt Kulturen, die weiter auseinander liegen als andere. Dass die amerikanische Kultur uns näher ist als die russische oder die irgendeine asiatische, hat natürlich auch geschichtliche Gründe.

Um zum Thema zurückzukommen: Ich weiß nicht, ob Lem der polnischen SF den Todesstoß versetzt hat. Ich kenne mich da nicht aus. Wie sollten wir hier so ein Thema diskutieren? Gibt es hier Kenner der polnischen SF-Literatur, die sich dazu kompetent und fundiert äußern können?
Goodreads: Ich lese gerade" (sorry, nur für "Mitglieder" sichtbar)
Wer mal reinschauen will: http://www.goodreads.com/

#30 Gast_Dirk_*

Gast_Dirk_*
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Geschrieben 23 April 2011 - 13:18

Doch, es hat sich etwas geändert. Die Welt ist "kleiner" geworden, man rückt (gezwungenermaßen) näher zusammen. Geschmack wurde früher schon "gemacht", wie du richtig sagst. Aber für einen viel kleineren, nahezu elitären Markt. Das ist heute, im Zeitalter der "Global Player" nicht mehr drin. Da kann nur überleben, wer den längsten Atem, die größte Kriegskasse, das dickste Portemornaie hat ;) Wäre dem nicht so, müssten alle Kleinverlage eigentlich auch Global Player sein, dicke Werbung machen, Platz bei Thalia einkaufen und auch viel besser verdienen können, als sie es derzeit tun. Aber sie haben kleine Budgets, sie erreichen im Vergleich zu den Großen nur wenige Menschen ... können somit also nur im Untergrund für eine Änderung des Massengeschmacks sorgen. Und alleine deswegen gebührt jedem dieser "Revoluzzer" eigentlich eine gehörige Menge Respekt entgegengebracht, dass sie IHR Ding duchziehen. Mit Steinschleudern und Bogen gegen Panzer und Maschinengewehre ;) Mit Onlineangeboten und Graswurzelmarketing gegen Kinotrailer und Bichhandelspräsenz bis zum Erbrechen. Sie stellen sich gegen den Druck (nein, ich vermeide das böse "Z" Wort ;) ), mit dem Strom zu schwimmen, um überleben zu können. Aber in vieler Hinsicht müssen sie sich dem Druck dann doch wieder beugen, indem sie zum Beispiel auf relativ "geschmacksnahes" zurückgreifen. Sprich: Science Fiction nach amerikanischem Strickmuster, statt nach polnischer Häkelvorlage ;)


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