Ja, sehr wahrscheinlich sehen wir da Dinge sehr unterschiedlich, Simi.
Ein Beispiel aus der Musik:
Ich liebe die Musik von Pink Floyd. Ich habe alle Alben. Die Musik ist genial, aber die Texte sind teilweise so schräg ...
Nimm nur den Text von "Echoes" aus dem Album "Meddle".
Ich möchte ihn hier nicht zitieren, damit es keinen Ärger gibt, aber das ist verkopft hoch zehn.
Die Stimmen von Waters / Gilmoure sind einfach tolle Instrumente, in ihrer Tonlage.
Aber der Text, also die Worte, sind ein Grausen.
Für mich jedenfalls, und ich bin ein absoluter Fan dieser Musik.
Das krasse Gegenteil ist "Money".
Gleiche Gruppe, geiler Song, einfacher Text ... alles passt.
Der Vergleich ist sehr schief, denn Sprache hat in einem Song nun einmal eine ganz andere Funktion als in einem literarischen Text. Ein Musikstück ohne Sprache geht problemlos, ein Text ohne Sprache wird ziemlich schwierig.
Verkopft wird es für mich also, wenn ein Autor so in seine Stimme verliebt ist, dass er darüber vergisst die verdammte Geschichte zu erzählen, wegen der ich das Buch gekauft habe. Und zwar so zu erzählen, dass ich ihn auch problemlos, also ohne Atempausen zum reflektieren, verstehe.
Die Geschichte selber sollte den Gedanken zu mir transportieren, wegen dem ich nachdenklich werde.
Nicht die Sprache.
Zum einen würde ich behaupten, dass es den Unterschied, den Du hier beschreibst, eso igentlich gar nicht gibt. Zumindest nicht in der eindeutigen Form, wie Du es darstellst. Denn was Du den "Gedanken" nennst, ist auch immer etwas Sprachliches. Und ob es Dich zum Denken bringt, hängt massgeblich davon ab, ob es in adäquater Weise formuliert ist. Zumindest auf dieser Ebene sind Form und Inhalt keineswegs so eindeutig trennbar. Ansonsten: Wenn jemand einen Text schreibt, der mich dazu bringt "über die Sprache zu reflektieren", würde ich das grundsätzlich für etwas Positives halten, denn Reflexion ist für mich keineswegs etwas, was man vermeiden sollte - im Gegenteil.
Nur um das klar zu machen: Ich plädiere keineswegs dafür, dass Sprache immer "poetisch", vertrackt, kompliziert o.ä sein muss. Wie ich bereits angedeutet habe, halte ich eine ganz einfache Sprache eigentlich für etwas vom schwierigsten. Ich habe hier im Forum schon mehrfach das Beispiel von Cormac McCarthys
The Road gebracht. Vom Plot her ein uraltes und im Grunde völlig abgelutschtes SF-Szenario. Dennoch ist McCarthy meiner Meinung nach - und damit bin ich keineswegs alleine - ein hervorragendes Buch gelungen. Seine Wirkung bezieht der Roman aber zu 95% aus der Sprache. Einer Sprache, die äusserst nüchtern und knapp ist, aber ungeheuer effektvoll eingesetzt wird. Hier ist jemand am Werk, der ganz genau weiss, welche Wirkung er mit welchen sprachlichen Mitteln erreichen kann.
Und ich vermute inzwischen, dass genau hier der Punkt ist, den Raps und Simifilm meinten, den ich aber fälschlicherweise als Vorwurf an den übermäßigen Gebrauch einer einfachen und klaren Sprache ansah.
Ich glaube, es gibt kaum jemanden, der grundsätzlich etwas gegen eine einfache und klare Sprache hat. Aber das ist nicht, was ich und wohl auch raps meinen. Es geht um eine ideenlose, klischierte und uninteressante Sprache, die sich darauf beschränkt, längst abgegriffene Sprachbilder zu reproduzieren. Wenn ich beim Lesen das Gefühl habe, dass ich die gleichen Formulierungen schon hundertmal gelesen habe und der Autor immer die nächstliegende Formulierung benutzt, die er selber schon dutzendfach gelesen hat, dann langweilt mich das.
Handlungsverlauf und Sprache würde ich keineswegs so gegeneinander ausspielen. Aber tatsächlich interessiert mich mittlerweile eine mittelmässig-originelle, die sprachlich auf interessante Weise erzählt wird, fast mehr als eine raffinierte Handlung, die sprachlich schlecht erzählt wird.