Diboo schrieb am 25.06.2011, 22:29:
Ich versuche die ganze Zeit, Dich und Frank zu verstehen. Ist Euer Selbstbewusstsein tatsächlich so schwach ausgesprägt,
dass derlei ernsthaft eine Rolle für Euch spielt und Ihr deswegen solche Wellen schlagen müsst? Ich versuche wirklich, das
korrekt nachzuvollziehen.
Das ist eben das Mißverständnis. Es geht hier nicht um Autoreneiteilkeiten. Wir haben einfach Entscheidungen kritisiert,
die sachlich absurd sind. Da regen sich in uns die Klugscheißerinstinkte. Dummheit ärgert eben. Das ist Dir doch auch
nicht fremd, nur regt sich Dein Unmut eben auf anderen Gebieten.
Das Literaturpreis-Bashing ist kein willkürliches Ritual, das sich Jahr aus, Jahr ein grundlos wiederholt. Es gibt durchaus
Kriterien, vom höchsten Literaturpreis der Welt angefangen. Eine Elfriede Jelinek hatte soviel Verstand und Anstand, der
Presse gegenüber zu erklären: "Es ist ein Witz, daß ich den Literaturnobelpreis bekomme und Thomas Pynchon nicht",
und recht hatte sie. Eine Jury, deren Bilanz am Ende des 20. Jahrhunderts so aussieht, daß sie Leo Tolstoi, Joseph Conrad,
Joyce, Nabokov, Borges und Updika ausgelassen hat, hat sich bis auf die Knochen blamiert. Dafür gibt es Kriterien, nicht
nur historische.
Und noch etwas möchte ich mal grundsätzlich anmerken, auch wenn ich damit Gefahr laufe, selbst Leuten auf die Füße
zu treten, die ich persönlich schätze und ganz gern lese. Es ist eine Sache, wenn User in einem Forum wie diesem
eklatante Sprach- und Orthographieschwächen zeigen, die sie eigentlich veranlassen müßte, ihre eigene Urteile in literarischen
Fragen etwas skeptischer zu betrachten. Etwas anderes ist, wenn man ähnliche Dinge bei Leuten beobachtet, die Autoren sein
wollen. Seit 2002 habe ich Ronald Hahn bei der Storyauswahl für Nova assistiert, seit kurzem mache ich es in eigener Regie.
Selbst in den Texten von Leuten, die ich für überdurchschnittlich intelligent und talentiert halte, kommen nicht nur ab und
zu, sondern durchgängig Interpunktions-, Orthographie- und Stilfehler, Anglizismen etc. vor, die - eine durchschnittliche
sprachlich-literarische Schulbildung vorausgesetzt - absolut unerklärlich sind. (Das obligatorische Plural- und Genetiv-
Apostroph und das in letzter Zeit epidemische Komma vor jedem "wie" und "als" sind da noch harmlos. Ich habe mir mehr
als einmal die Haare über Stories ausgerauft, die durch fehlerhafte Zeilenumbrüche oder die blinde Übernahme der
englischen Zeichensetzung seitenlange Dialogpassagen unverständlich gemacht haben.) Wer solche Schwächen offenbart,
sollte vielleicht mal einen Schritt zurücktreten und sich fragen, wie weit es mit seinem Ausdrucks- und Urteilsvermögen
her ist und braucht mir sicher keine mangelnde Objektivität in der Beurteilung von Texten vorwerfen. In keinem Manuskript
von Frank Haubold oder Marcus Hammerschmitt sind mir jemals derartige Fehler untergekommen, was für mich ein
objektives Qualitätskriterium ist. Wenn nun bei einem Literaturpreis Stories vom unteren Ende der Qualitätsskale hervor-
gehoben, wesentlich bessere Arbeiten aber ignoriert werden, darf man schon mal fragen, was das Ganze soll. Ich finde
einfach, wer in einer Preisjury mitwirkt, sollte etwas mehr Sachkompetenz mitbringen, als nur "unterhalten" werden
zu wollen. Andere mögen das anders sehen. Nicht daß Franks oder meine Seligkeit davon abhinge.
Und nebenbei: Die Kollegen, die in der Szene an Kleinverlagsprojekten und Magazinen arbeiten, von Rößler und Jänchen
bis Guido Latz, haben ihre Sachkompetenz auch nicht als Sechsjährige in der Wundertäte gefunden, sondern sich hart
erarbeitet. Hier könnten manche Jurymitglieder durchaus etwas lernen. Finde ich. Aber was weiß ich schon...
Gruß
MKI