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Einige Problemfelder beim Schreiben


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11 Antworten in diesem Thema

#1 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 02 Juli 2011 - 08:46

Inhalt auf Userwunsch gelöscht.


Bearbeitet von Trace, 29 April 2021 - 18:06.


#2 simifilm

simifilm

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Geschrieben 02 Juli 2011 - 11:02

Eine bekannte amerikanische Autorin - ich glaube, es war Lorrie Moore, finde aber den Artikel nicht
mehr - berichtete einmal von ihren Erfahrungen mit Creative-Writing-Kursen und den Verheerungen,
die insbesondere ein Grundsatz bei ihr angerichtet hat: Erwähne niemals direkt, was eine Figur denkt.
Mache immer durch äußeres Geschehen sichtbar, was in ihr vorgeht. Was zur Folge hatte, daß in
Moores ersten Geschichten ständig Leute auf und ab gingen, mit den Fingern rangen, sich die Haare
rauften, hektoliterweise Kaffee in sich hineinschütteten, aber niemals jemand einfach mal dasaß und
nachdachte. Jungen Autoren, die in Schreibschulen oder dergleichen über besagten Grundsatz stolpern,
kann ich nur raten, ihn gleich wieder zu vergessen. Die Sache ist ein bißchen komplizierter.


Ich kenne mich mit Ratgebern für das Schreiben von Romanen nicht aus, kenne aber die Literatur für angehende Drehbuchautoren ganz gut. Dieses Prinzip scheint mir auf jeden Fall stark durch das Drehbuchschreiben geprägt, wo es auch durchaus seine Berechtigung hat. Im Film müssen innere Zustände in der Regel äusserlich dramatisiert werden, da eine Innensicht nicht im gleichen Masse möglich ist wie in der Literatur. Gut möglich, dass diese Prinzip über dieTendenz zu sogenanntem filmischem Schreiben auch in die Literatur gewandert ist. Aber wie Du richtig schreibst, gibt es in der Literatur genug Möglichkeiten innere Zustände darzustellen.

Allgemeine Frage: Warum für jeden Deiner kleinen Aufsätze einen eigenen Thread? Ist das nötig?

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
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#3 Nadine

Nadine

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Geschrieben 02 Juli 2011 - 11:13

Ich kenne mich mit Ratgebern für das Schreiben von Romanen nicht aus, kenne aber die Literatur für angehende Drehbuchautoren ganz gut.

Interessanter Zusammenhang.

Ganz falsch finde ich den Rat nicht, dass innere Zustände äußerlich sichtbar sein sollen, er wird meines Erachtens aber gerade von Schreibanfängern zu verbissen umgesetzt, bis sie sich irgendwann locker geschrieben haben. Mir ist es gerade selbst passiert, dass ich in einer Leseprobe so fixiert auf das Denken meiner Protagonistin war, dass ich vergessen habe, dass sie auch mal das Gesicht in die Hände sinken lässt, weil sie fertig ist, dass sie vor Unsicherheit rot wird, wenn sie angesprochen wird, etc. Vor allem in der unterhaltungsliteratur ist es ein ständiges Zusammenspiel von Innen und Außen und wenn der Leser voll mitlebt und nicht stolpert, dann ist es meiner Ansicht nach gut ausgewogen.

Allgemeine Frage: Warum für jeden Deiner kleinen Aufsätze einen eigenen Thread? Ist das nötig?

Finde ich für eine Diskussion ganz sinnvoll, wenn es einen Über-Thread gibt, in dem alles verlinkt werden. Vor allem könnte man dann auf diesen Hauptthread verweisen.

Europa ist nicht nur ein Kontinent.

 


#4 Angela Fleischer

Angela Fleischer

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Geschrieben 02 Juli 2011 - 11:17

Eine bekannte amerikanische Autorin - ich glaube, es war Lorrie Moore, finde aber den Artikel nicht
mehr - berichtete einmal von ihren Erfahrungen mit Creative-Writing-Kursen und den Verheerungen,
die insbesondere ein Grundsatz bei ihr angerichtet hat: Erwähne niemals direkt, was eine Figur denkt.
Mache immer durch äußeres Geschehen sichtbar, was in ihr vorgeht. Was zur Folge hatte, daß in
Moores ersten Geschichten ständig Leute auf und ab gingen, mit den Fingern rangen, sich die Haare
rauften, hektoliterweise Kaffee in sich hineinschütteten, aber niemals jemand einfach mal dasaß und
nachdachte. Jungen Autoren, die in Schreibschulen oder dergleichen über besagten Grundsatz stolpern,
kann ich nur raten, ihn gleich wieder zu vergessen. Die Sache ist ein bißchen komplizierter.

Es ist für einen Leser praktisch unmöglich, eine Verbindung mit einer Hauptfigur herzustellen, wenn
der Autor ihm nicht auf irgendeine Weise Einblick in sein Innenleben gewährt. (Eine Ausnahme sind
Figuren, die absichtlich mystifiziert oder dämonisiert werden, z.B. ein Bösewicht, der so monströs
und unberechenbar dargestellt wird, daß er gerade dadurch an Präsenz gewinnt.) Die gesamte
Entwicklung der modernen Literatur, von den russischen Meistern des 19. Jahrhunderts angefangen,
läßt sich als ein Versuch auffassen, für dieses Problem neue darstellerische Mittel bereitzustellen. In
einem entsprechenden Artikel listet die deutsche Wikipedia drei grundsätzliche Verfahren auf, um
dem Leser das Innenleben eine Figur zu offenbaren: erlebte Rede, innerer Monolog und stream of
conscioussness.

Die häufigste und einfachste Technik, erlebte Rede, ist heute ein so geläufiges Verfahren, daß sie
kaum mehr als etwas Eigenes wahrgenommen wird und nur Experten nachvollziehen können, warum
sie für die moderne Literatur einen so enormen Veränderungsimpuls bedeutete. Die Wikipedia zitiert
als Beispiel einen Satz aus Gustave Flauberts Roman "Madame Bovary":

"Warum war ihr Gatte nicht wenigstens einer dieser stillen, aber ehrgeizigen Männer der Wissenschaft,
die die ganze Nacht über ihren Büchern sitzen (...)? Der Name Bovary, der ja auch der ihre war,
hätte berühmt sein, hätte in Büchern und Zeitungen stehen müssen, von ganz Frankreich gekannt.
Aber Charles hatte keinen Ehrgeiz!"

Was passiert hier? Der Leser erfährt Gedanken der Hauptperson, dabei wird aber der Modus des
realistischen Erzählens aus einer neutralen Perspektive beibehalten. Es wird gewissermaßen etwas
Unsichtbares - die seelischen Regungen einer Figur - so dargestellt, als sei es etwas Sichtbares. In
den Kurzgeschichten von Anton Chechov kann man die Entwicklung dieser Technik (und vieler anderer)
gut nachvollzogen.

Der innere Monolog geht einen Schritt weiter. Wiedergegeben wird, was eine Figur in direkter Rede
zu sich selbst sagt. Der Leser erfährt etwas, das Außenstehende nicht mitbekommen. Im inneren
Monolog kann es zu freien Assoziationen oder plötzlichen Gedankensprüngen kommen, aber die
Sprache bleibt grammatisch korrekt und verständlich, es gibt klare Bezüge, Wirkliches kann von
Unwirklichem unterschieden werden usw. Der Bewußtseinsstrom bzw. „stream of consciousness“ hebt
dies alles auf und gibt die rohe und ungefiltere Abfolge von Wahrnehmungen, Gefühlen, Gedanken und
Assoziationen einer Figur wieder. Er stellt etwas dar, das nicht zur Übermittlung an andere gemacht ist,
und deshalb stellt diese Technik äußerste Anforderungen an den Leser. Im Bewußtseinsstrom lösen sich
Ordnung und Grammatik auf, Bezüge sind nicht mehr klar, es kommen Neologismen vor, umgedeutete
Begriffe, Alogisches, Absurdes usw. Der erste Roman, der die stream-of-consciousness-Technik
konsequent durchgeführt hat, ist "Ulysses" von James Joyce.

Natürlich gibt es zwischen diesen drei Techniken unzählige Abstufungen. Was ein heutiger Genre-
autor können muß, um auch einigermaßen anspruchsvolle Leser zu erreichen, dürfte zwischen der
erlebten Rede und einfachen Techniken des inneren Monologs anzusiedeln sein. Auch wenn er eher
zum naturalistischen Erzählen neigt, würde ich es als ratsamen Teil einer Autoren-Selbstausbildung
betrachten, wenn er sich ein wenig mit diesen Techniken vertraut macht.


Ich stimme zu. Wobei ich allen Techniken etwas abgewinnen kann. Manchmal ist es ungünstig, in einem Kapitel fünfzehn mal "sie hat Angst" zu schreiben und dann passen die körperlichen Reaktionen ganz gut. Komplexere Geisteszustände kann man so aber nicht darstellen.

@ Nadine
Rotwerden ist so eine Sache, denn das sieht die Protagonisten selber nicht. Ich schreib dann immer: "Ihr schoss das Blut in die Wangen" oder so ähnlich, das spürt man ja auch als Hitze.
  • (Buch) gerade am lesen:Asimov: The Currents of Space
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#5 Nadine

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Geschrieben 02 Juli 2011 - 11:24

Rotwerden ist so eine Sache, denn das sieht die Protagonisten selber nicht. Ich schreib dann immer: "Ihr schoss das Blut in die Wangen" oder so ähnlich, das spürt man ja auch als Hitze.

Das kommt auf die Perspektive an, die man einnimmt. Im konkreten Fall schreibe ich natürlich auch, dass ihr die Hitze spürt, die ihr bis an den Haaransatz hochschießt, das mische ich aber mit ihrer Innensicht, weil ihr in diesem Moment natürlich voll bewusst ist, dass sie rot wie eine Tomate ist.
Ich schreibe aber gelegentlich weiter weg von den Figuren und dann erröten sie natürlich.

Vor allem wars jetzt ein schnell aus den Fingern gesaugtes Beispiel, ich habe den Abschnitt nicht nachgeblättert.

Europa ist nicht nur ein Kontinent.

 


#6 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 02 Juli 2011 - 12:09

Inhalt auf Userwunsch gelöscht.


Bearbeitet von Trace, 29 April 2021 - 18:05.


#7 Lucardus

Lucardus

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Geschrieben 02 Juli 2011 - 12:15

Mit diesen Innenansichten sollte man als Autor mein Ansicht nach vorsichtig umgehen. Manche nutzen das als Ersatz für den allwissenden Erzähler. Ich mag es überhaupt nicht, wenn ich in eine Geschichte einsteige und der Protagonist oder die Protagonistin mir gleich im ersten Absatz ihre/seine aktuelle Scheidungssituation, die Krankheit seines/ihres im Sterben liegenden Großvaters, den Alkoholismus der Nachbarin und nebenbei noch diverse "was-wäre-gewesen"-Szenarien in einem inneren Monolog vorbetet, damit ich gleich weiß, woran ich bin. Leider weiß man bei solchen Autoren dann auch oft schon gleich, was noch passieren wird. Dabei wird diese Technik mit dem Holzhammer eingesetzt, oft - das ist zumindest mein Eindruck -, um sich erzählerisch mühsamere Wege zu sparen, die aber für mich als Leser ungleich interessanter wären.
Goodreads: Ich lese gerade" (sorry, nur für "Mitglieder" sichtbar)
Wer mal reinschauen will: http://www.goodreads.com/

#8 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 02 Juli 2011 - 12:36

Inhalt auf Userwunsch gelöscht.


Bearbeitet von Trace, 29 April 2021 - 18:04.


#9 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 02 Juli 2011 - 12:42

Inhalt auf Userwunsch gelöscht.


Bearbeitet von Trace, 29 April 2021 - 18:04.


#10 simifilm

simifilm

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Geschrieben 02 Juli 2011 - 16:47

Was mir dazu noch einfällt: Die beschriebenen literarischen Techniken werden gelegentlich
auch im Film eingesetzt, meist über eine Off-Stimme. Schönes Beispiel "The Dead" von John
Huston (Schlußszene).

Aber was Film angeht, bin ich wiederum ein Laie... ;-)


Filme mit Voice-over gibt es viele. Der grosse Unterschied zur Literatur ist, dass diese Stimme im Film nie die einzige Erzählinstanz ist. Daneben gibt es immer das Bild, das im Normalfall auch wichtiger ist (simples Beispiel: Wenn wir in einer Szene einen stockbetrunkenen Mann sehen und seine Off-Stimme hören, die sagt: "Ich war an dem Tag ganz nüchtern", werden die meisten Zuschauer dazu tendieren, dem Bild zu glauben und den Erzähler als Lügner einzustufen. Voice-over ist auch immer dann am effektivsten, wenn eine Spannung zu der Information im Bild entsteht.=

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#11 †  a3kHH

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    Applicant for Minion status in the Evil League of Evil

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Geschrieben 02 Juli 2011 - 16:53

Voice-over ist auch immer dann am effektivsten, wenn eine Spannung zu der Information im Bild entsteht.

Gegenbeispiel : Der Malteser Falke

#12 simifilm

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Geschrieben 02 Juli 2011 - 17:14

Gegenbeispiel : Der Malteser Falke


Ich müsste mich sehr irren, bin aber ziemlich sicher, dass The Maltese Falcon - im Gegensatz zu vielen anderen Film noir - keine Voice-over hat. Zumindest nicht die klassische John-Huston-Verfilmung.

Viele Vertreter des Genres haben eine Voice-over, aber auch die zeichnet sich meist durch eine gewisse Spannung aus - dass nämlich nicht genau das wiedergegeben wird, was im Bild zu sehen ist, sondern dass die Hauptfigur mit ihrer charakteristischen Stimme spricht, die meist zynisch-abgebrüht ist. Die Voice-over ist also im Gegensatz zum Bild deutlich gefärbt.

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