Wer lesen kann, ist klar im Vorteil - bis ich mir das Quoting oben holte, war ich fest überzeugt, da hätte "1000 Worte" gestanden. Somit disqualifiziert sich nachfolgender Text von selbst, aber vielleicht wird ja der eine oder die andere zu weiteren Beiträgen unter Einhaltung der eigentlichen Längenvorgabe angeregt ...wie wäre es mir einer SF-Story mit sagen wir mal 1000 Zeichen
Ad Astra,
misc
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Hundertsiebenundsechzig
Die Übersetzung dauerte ewig. Alex Gulf trommelte nervös mit den Fingern auf der Schreibtischplatte herum und starrte den Monitor an, als könne er ihn durch pure Willenskraft dazu zwingen, etwas anzuzeigen. Sein erstes Interview mit einem Yakathi - Nein! Das erste Interview mit einem Yakathi! -, und der Sekundenzeiger der antiken Analoguhr, die vor Jahren irgendein Nostalgiker über der Tür aufgehängt hatte, drehte unbarmherzig seine Kreise. Noch zwanzig Minuten bis Redaktionsschluss.
 Ein Fenster flackerte auf, aber es war nicht die erwartete Übersetzung, sondern das Cam-Bild von Verena Blusch, der Chefredakteurin.
 "Hallo Alex! Ich habe gerade noch einen Bericht reingekriegt - der Diplomatenball. Damit hast du noch exakt hundertsiebenundsechzig Worte für deinen Artikel zur Verfügung, der restliche Platz ist komplett verbraten."
 Alex spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. "Hundertsiebenundsechzig? Verena, das ist ein Yakathi-Übersetzungsprogramm! Kein Mensch weiß, wie viele Worte es ausspuckt, und wir haben nur die Veröffentlichungsrechte. Ändern dürfen wir nichts!"
 "Nicht mein Problem. So was höre ich ständig. Entweder ich bekomme deinen Text pünktlich und in der vorgeschriebenen Länge, oder er wird morgen veröffentlicht."
 Alex hätte vor Wut am liebsten in die Tastatur gebissen, begnügte sich aber mit einem Zähneknirschen. Die Prozessing-Anzeige der Übersetzungssoftware blinkte noch immer munter vor sich hin. Noch fünfzehn Minuten.
 "Weißt du, wie viel Stress ich mit dem Yakathi hatte? Stundenlang habe ich in seinem verschissenen Dreckstümpel gehockt - und wenn ich verschissen sage, dann meine ich das auch! Alle paar Viertelstunden hat er den Kopf aus der Brühe gestreckt und mir etwas auf den Rekorder geblubbert. He, und ich wusste nie, wann es so weit war ..." Das war, fand Alex, echt ätzend gewesen. Und als er daran dachte, waren ihm die Erinnerungen an das Interview so plötzlich präsent wie ein Werbepopup für Schmuddelseiten.
Schon die Landung war ein Erlebnis. Alex war noch nie zuvor aus einem Raumschiff mit Schwimmkufen gestiegen, aber erst als er bis zu den Hüften in Schlamm versank fiel ihm ein, dass er vergessen hatte Gummistiefel einzupacken. Dennoch machte er sich unverdrossen auf den Weg zum Obergurgler der Yakathi. Mit der auf dem galaktischen Schwarzmarkt erstandenen Übersetzungssoftware würde er der erste Mensch sein, der ein richtiges Interview mit einem Yakathi führen würde, in dem die Antworten aus mehr als den vier Worten "Kaufe!", "Verkaufe!" und "Sofort zahlen!" bestand. Das würde dafür sorgen, dass sein Konto endlich aus den roten Zahlen kam. Der schlichten Schönheit dieses Gedankens konnte selbst das schmodderige Gefühl zwischen seinen Zehen nichts anhaben.
 Der Obergurgler bewohnte seinen eigenen Tümpel. Alex hatte sich in weiser Voraussicht vor dem Flug die Wegbeschreibung über einen Informanten der Redaktion besorgt. Da es weder Tür noch Klingel gab, kniete er am Rand des Tümpels nieder und plätscherte mit der Hand in der braungrünen Tunke. Gerüche stiegen auf, die den Journalisten an sehr, sehr alte Socken erinnerten.
 Es dauerte nicht lange, bis sich der Obergurgler zeigte: sein riesiges Froschgesicht hob sich aus dem Wasser. "Blubb!" sagte er. "Kaufen? Verkaufen?" Seine kürbisgroßen Augen schimmerten feucht, aber interessiert.
 Alex schüttelte den Kopf. "Ich bin wegen dem Interview hier. Man hat mich angemeldet."
 "Blubb!" machte der Yakathi. "Sofort zahlen!" Und tauchte wieder unter.
 "He!" rief Alex, zückte seinen digitalen Minirekorder und watete in den Tümpel.
 Der Obergurgler tauchte wieder auf, schüttelte den massigen Schädel, dass Tang und Schlick nur so durch die Luft wirbelten, stieß eine ganze Kakophonie blubberiger Töne aus und verschwand wieder. Alex wartete geduldig, und tatsächlich streckte sein Interviewpartner nach einer Weile wieder den Kopf aus dem Wasser, produzierte seine nicht im Entferntesten an Sprache erinnernden Geräusche und war - Platsch! - auch schon wieder weg. Etwas frustriert und sich ein wenig dämlich vorkommend stand Alex, den Digicorder in der vorgestreckten Hand, im Tümpel. Aber er hatte nicht vor, aufzugeben. Grimmig hin und her watend entschied er, so lange zu bleiben, bis die Kapazitätsanzeige des kleinen Aufnahmegerätes rot blinken würde, und bei dieser Entscheidung blieb er, bis es dunkel wurde und die Nachtmücken aufschwärmten.
Ja, er hatte einiges auf sich genommen für dieses Interview! Keine vierundzwanzig Stunden war das her. Und jetzt wollte ihm die Chefredakteurin wegen eines knappen Zeitfensters und einer blöden Längenbegrenzung das Leben schwer machen?
 "Ach komm, Verena!" Alex legte so viel Honig in die Stimme, wie er nur konnte. "Zehn Wörter zu viel - wen stört das? Wir reden über Full Media Net News, eine hypermoderne digitale Informationssendung, die die Präsentation unserer Meldungen ohnehin automatisch aus dem Input generiert und sie dann weltweit ausstrahlt. Diese Wortbegrenzung ist doch völlig sinnlos!"
 "Beschwer dich bei der Gewerkschaft", empfahl Verena. "Ich habe die Regeln nicht gemacht. Du hast noch elf Minuten!" Damit trennte sie die Verbindung, das Fenster mit ihrem Konterfei bröselte auseinander und verschwand im virtuellen Nirwana.
 Zwölf Minuten! Zehn! Alex konnte nichts anderes tun, als wieder mit seiner Trommelei anzufangen. Neun. Acht. Sieben. Plink! Die Übersetzung war abgeschlossen. Fasziniert starrte Alex auf den Text, der endlich auf dem Monitor angezeigt wurde.
Raus!
...
Raus hier, Fremder!
...
Bist du taub? Raus! Du hast hier nichts zu suchen!
...
Hör mal, du sturer Sack - oft sage ich das nicht mehr, auch wenn ich ein sehr geduldiger Yakathi bin. Du kriegst mich noch so weit, dass ich meine gute Kinderstube vergesse!
...
Jetzt reicht es! Raus, raus, raus! Raus aus meinem Laichbecken, du Trampeltier. Meine Brut! Meine Quappen!
...
So, jetzt habe ich endgültig genug. Hör zu, Menschlein: du bist ungefragt und ungeladen in mein Laichbecken gekommen, hast alle Gesetze der Höflichkeit, der Achtung und des gegenseitigen Respekts missachtet, auf denen unsere Handelsbeziehungen gründen, und du hast mein halbes Gelege so tief in den Schlamm gedrückt, dass die armen Kleinen bei ihrer Geburt glauben müssen, sie wären Erdwürmer. Jetzt bin ich sauer. Stinksauer. Ach, jetzt gehst du? Zu spät! Das hilft dir nun auch nicht mehr. Ich erwarte dich hier in genau einem Tag deiner Zeitrechnung zum Rache - und - Blut - Duell. Und wage nicht, nicht zu erscheinen! Meine Kriegsflotte wird notfalls die ganze Menschheit in Sippenhaft nehmen!
Das, dachte Alex, sind aber mal betrübliche Nachrichten. Noch viel betrüblicher jedoch fand er den Wortzahl-Anzeiger am Ende des Textes. Hundertachtundsechzig. Eins zuviel. Mist!