Das Sein kann niemals vollständig beschrieben werden. Hierzu muss ich nicht erst auf Derrida verweisen - die Dekonstruktion des gesellschaftlichen Seins ist sprachlich nämlich schlicht unmöglich. Ebenso die dauernde Wechselwirkung zwischen menschlicher Tätigkeit und der Welt. Weder die gesellschaftliche Konstruktion noch das gesellschaftliche Sein brauchen die Beschreibung, um zu sein, ergo sind sie definitiv von der Beschreibung absolut unabhängig.
Dein Problem ist hier, dass du - ohne irgendeine Notwendigkeit - einen kategorialen Unterschied zwischen Denken (= Beschreiben) und Handeln (= gesellschaftliches Sein) voraussetzt.
Eventuell mache ich diesen kategorialen Unterschied, weil zwischen Denken und Handeln auch tatsächlich ein kategorischer Unterschied besteht? Ansonsten werden unter Denken bekanntlich alle Vorgänge zusammengefasst, die aus einer inneren Beschäftigung mit Vorstellungen, Erinnerungen und Begriffen eine Erkenntnis zu formen versuchen; all dies mit Beschreiben gleichzusetzen ist schlicht unzulässig. Unter Beschreiben versteht man schließlich im Allgemeinen die sprachliche oder schriftliche Wiedergabe eines Erlebnisses oder einer Idee zum Zweck der Informationsweitergabe. In den meisten Fällen dient die Beschreibung der Erklärung und muss als deskriptive Methode zum Erfassen charakteristischer Merkmale einer wahrnehmbaren Erscheinung immer erst entsprechend gedeutet werden. Wer Denken also mit Beschreiben gleichsetzt, begeht schlicht eine unzulässige Verallgemeinerung.
Dazu erlaube ich mir, ein früheres Statement von dir zu zitieren:
Ansonsten gibt ein Fehlschluss keinerlei Aufschluss über den tatsächlichen Wahrheitsgehalt der abgeleiteten Aussage. Dies bedeutet folglich nicht automatisch, dass die abgeleitete Aussage auch tatsächlich falsch ist, sondern bestenfalls das die abgeleitete Aussage nicht aus den explizit angegebenen oder implizit angenommenen Voraussetzungen folgt, nicht wahr?
Demzufolge widerlegt der Nachweis eines Fehlschlusses also nicht die abgeleitete Aussage, falsifiziert sie aber trotzdem. Sprich: Du hast nicht die geringste Ahnung, wovon du überhaupt redest.
Keinesfalls, den anders als du mache ich nicht den eklatanten Fehler den Nachweis eines Fehlschlusses mit der Falsifizierung eines Argumentes zu verwechseln. Ein Fehlschluss beruht schließlich auf einem Irrtum in der Anwendung von Schlussregeln, d.h. er ist logisch nicht korrekt. Eine Falsifikation ist jedoch der Nachweis der Ungültigkeit einer Aussage, Methode, These, Hypothese oder Theorie, d.h. den Nachweis der immanenten Unvereinbarkeit mit als wahr akzeptierten Instanzen. Ein nicht gerade kleiner und durchaus höchst immanenter Unterschied.
Dass eine Tautologie eine allgemein gültige Aussage die aus logischen Gründen immer wahr ist, ist mir bekannt - deswegen verwende ich sie ja auch so gerne.
Tautologien kannst du verwenden, so viele du willst. Sie tragen allerdings nichts Substantielles zur Diskussion bei.
Warum sollte eine rhetorische Figur, bei der mit einer inhaltlichen Wiederholung, d.h. mit semantischer Redundanz, gearbeitet wird, nichts Substantielles zur Diskussion beitragen?

Auch die logische Tautologie trägt BTW Substantielles zur Diskussion bei, du glaubst gar nicht, wie viele philosophische Konstrukte schnöde Tautologien sind. Luhmanns Systemtheorie ist zum Beispiel eine einzige Tautologie. Nach Hegel ist der Begriff des Erkenntnisvermögens bei Kant sogar eine gänzlich
leere Tautologie, wodurch er Kant meisterlich aufs Kreuz legt, denn dadurch bricht sein Hauptwerk „Kritik der reinen Vernunft“ gänzlich in sich zusammen. Sowohl Luhmann und auch Kant habe aber sehr wohl Substantielles zur Diskussion beigetragen. Jeder mathematische Satz ist z.B. auch nur eine Tautologie, denn ihre Axiome sind ja per Definition immer wahr, ergo schnöde Tautologien.
Und wenn sich die Inkohärenz der Argumente, die meine Definition stützen sollen, tatsächlich nachweisen lässt, was du bis dato nicht gemacht, sondern lediglich behauptet hast
Es ist nicht nötig, den Nachweis zu wiederholen, weil er zur Genüge erbracht wurde. Im Thread wurde - für alle sichtbar, auch für dich - mehrfach darauf hingewiesen, dass du mit unscharfen Begriffen (jede Darstellung einer gesellschaftlichen Entwicklung zum Negativen ist eine Dystopie), mit zu schwachen Folgerungen (Dystopien üben Gesellschaftskritik und Frankenstein übt Gesellschaftskritik, also ist Frankenstein eine Dystopie) und Homonymien (ein undurchführbarer Plan wird als Utopie bezeichnet, die Erschaffung eines künstlichen Menschen ist ein undurchführbarer Plan, also ist Frankenstein eine Utopie) operierst. Mehr Argumente hast du in diesem Zusammenhang nicht vorgebracht.
Zuerst einmal ist die Verwendung von unscharfen Begriffen nichts Ehrenrühriges, schließlich hantiert die Fuzzylogik tagtäglich damit und selbstverständlich ist die Verwendung von unscharfen Begriffen kein Beweis für die Inkohärenz der Argumente, die meine Definition stützen sollen, sondern vielmehr eine logische Folge der menschlichen Sprache, die schlussendlich nichts anderes als unscharfe Begriffe kennt, wenn ich Derrida oder die Sprechakttheorie richtig verstanden habe. Ferner habe ich keinesfalls behauptet, dass jede Darstellung einer gesellschaftlichen Entwicklung zum Negativen eine Dystopie ist. Diese unzulässige Verkürzung meiner ersten Dystopie-Definition stammt nämlich nicht von mir, wie du hieraus erkennen kannst:
Gemäss dieser Definition beschreibt so ziemlich jede Form von Fiktion, bei der Menschen miteinander agieren, eine Gesellschaft. Mit anderen Worten: Solange es kein reines Einpersonenstück ist, wird eine Gesellschaft beschrieben. Bereits das halte ich für eine wenig sinnvolle Definition.
Der Begriff Gesellschaft bezeichnet eben sowohl die Menschheit als Ganzes als auch bestimmte Gruppen von Menschen, beispielsweise ein Volk, oder einen strukturierten, räumlich abgegrenzten Zusammenhang zwischen Menschen oder für ein durch die Dichte und Multiplexität sozialer Interaktionen abgegrenzten Cluster im Netzwerk der Menschheit. Daran kann ich nun einmal nichts ändern. Und der schnöde Umstand, dass eine Gesellschaft negativ beschrieben wird, macht daraus keine Dystopie. Eine Dystopie ist nämlich immer eine utopisch verkleidete Utopiekritik und weder Madame Bovary oder Die Buddenbrooks haben irgendwas Utopisches an sich.
Und natürlich war meine erweiterte Dystopie-Definition auch keine schwache Folgerung aus besagter unzulässiger Verkürzung, sondern schlicht notwendig, weil mir klarwurde, dass meine erste Dystopie-Definition die Problematik eines Failed State nicht berücksichtigte. Der gescheiterte Staat entwickelt sich jedoch immer mehr zum Hauptthema bei der dystopischen Literatur. Nebenbei ist
Frankenstein keine Dystopie, weil es Gesellschaftskritik übt, sondern weil Dr. Fankenstein und sein Monster vielmehr ein Kommentar zum Wissenschafts- und Fortschrittsoptimismus der frühen Moderne ist. Außerdem ist die schnöde faktische Aufzählung, dass
ein undurchführbarer Plan als Utopie bezeichnet wird, dass die Erschaffung eines künstlichen Menschen (noch)
ein undurchführbarer Plan ist und die daraus abgeleitete Schlussfolgerung, dass also
Frankenstein eine Utopie ist, kein Homonym. Als Homonym bezeichnet man nämlich nur ein Wort, das für verschiedene Begriffe oder unterschiedliche Einzeldinge steht. Hier steht aber die Prämisse
ein undurchführbarer Plan, aus der eine logische Schlussfolgerung gezogen wird, nicht für verschiedene Begriffe oder unterschiedliche Einzeldinge, ergo ist die Konklusion korrekt und keine Äquivokation - das ist simple elementare Logik.