Aber nachdem wir hier ja in einem anderen Thread auf sehr angenehme Weise über Werbung, Gewaltdarstellung etc. diskutieren, und hier sehr gute und fundierte Meinungen und Argmunte zusammengekommen sind, traue ich mich einfach mal.
Denn das, was ich hier an diesem Beispiel hier in der Autorenwerkstatt lernen kann, kann ich natürlich auch für die reinen Phantastik und Science Fiction Projekte anwenden, die mir noch so vorschweben.
Hier ist also das erste Kapitel zu einem Thriller (Arbeitstitel "Der Mann der die Sünde aß"), den ich vor kurzem mal just for fun begonnen habe, ihn dann aber wegen einer Reihe anderer Projekte auf Eis legte.
Es ist recht explizit in seiner Darstellung von Gewalt, und hier werde ich unsicher, ob ich die Grenze guten Geschmacks überschreite, oder nicht.
Vor allem treibt mich aber die Frage um, ob ich mit so einem Einstieg potentielle Leser nicht direkt vergraule?
Ich bin dankbar für jegliche Kritik, gleich wie vernichtend oder lobend sie ausfällt.
LG
Dirk

Wollust
Du sollst nicht beim Knaben liegen wie bei einer Frau; denn das wäre ein Gräuel.
(3.Buch Mose, Kap. 18-20, Übersetzung nach Martin Luther)
...Das Zimmer stank nach Angstschweiß und abgestandener Pisse. Da war zwar auch noch das leicht süßliche Aroma von Blut und der schwere Geruch nach verbranntem Weihrauch in der Luft, aber der strenge Biss des Ammoniaks schnappte einfach stärker in der Nase um Aufmerksamkeit. Die sanften Streicher eines klassischen Orchesters wehten durch das Zimmer. Die Air von Johann Sebastian Bach.
In der Mitte des Zimmers lag ein umgekippter Stuhl mit der Lehne auf dem Boden. Fesseln schnürten sich tief in das Fleisch eines nackten Mannes, hielten ihn gebeugt über dem Stuhl. Die Kante der Sitzfläche drückte sich in seinen Bauch, Füße und Hände lagen blau angelaufen auf dem Boden. Kabelbinder an den Gelenken schnürten ihm die Blutzufuhr ab. Der Hintern des Mannes ragte in die Höhe.
...Eine auf Dauer sehr schmerzhafte Stellung.
...Eine bußfertige Stellung, wie ER mit einer gewissen Befriedigung fand. Nachdenklich ging ER hinter dem Gefesselten hin und her, und genoss sein kleines Arrangement. Seine Kutte raschelte dabei leise, und sein Rosenkranz glitzerte im dämmerigen Licht der Kerzen, auf denen die Heiligen heiße Tränen aus Wachs weinten. Der Rücken und das Gesäß des Mannes waren mit blutigen Striemen übersät. Der Körper des gefesselten Sünders zitterte. Sein Kopf war gesenkt. Leises Wimmern wehte durch das Zimmer, untermalt vom sanften Klang der Streicher. Blut tropfte von seinem Gesicht, das hinter dem Vorhang seiner Haare nicht zu sehen war, auf den Boden. Die Wand vor dem Stuhl war mit Fotos von Kindern bedeckt.
...Nackten Kindern.
...Ja, das Arrangement war ihm wirklich gelungen, fand der Mann in der Kutte. Fast so gut, wie es seinerzeit die Meister der Inquisition gekonnt hatten, von denen er sich viel abgeschaut hatte. Er ging langsam zu dem Gefesselten, zog noch einmal seine schwarzen Handschuhe stramm, und riss dem Büßer den Kopf an den Haaren hoch, damit er die Fotos sehen konnte.
...»Gestehst du deine Sünden, mein Sohn?«
...Der Mann über dem Stuhl wimmerte lauter, öffnete den Mund und abgebrochene Zahnstümpfe ragten aus dem blutigen Rund hervor, wie Felsen aus einem Meer von Blut.
...»Mein Sohn, ich kann dein Gestammel nicht verstehen.« Die Hand ließ die Haare los, und bevor der Kopf des Sünders wieder heruntersacken konnte, landete sie zur Faust geballt mitten in seinem Gesicht. Es knirschte. Blut spritzte aus den Überresten der Nase.
...»kank †¦«, wimmerte der Mann. »†¦ ibinkank †¦«
...Der Inquisitor spürte eine seltsame Mischung aus Mitleid und Hass. Die Air begann von vorne, die weichen Klänge der Streicher woben ein zartes Netz der Melancholie, und dann waren da nur noch Mitleid und Verständnis in ihm. Hier war kein Platz für die dunklen Gefühle des Antichristen.
...»Ja. Du bist krank. Aber du bist auch eine Krankheit. Ein Krebsgeschwür, dass man aus dem Leib der Menschheit entfernen muss.« Er hockte sich neben den Sünder, beugte sich vor, brachte sein Gesicht ganz nah an das Ohr seines Opfers. »Bereue«, flüsterte er beinahe zärtlich dem Starrköpfigen ins Ohr. Seine Hand streichelte ihm sanft über den Kopf. Eine Geste mit der man ein Kind zu trösten vermochte. »Bereue deine Sünde, mein Sohn, und ich kann dir die Absolution erteilen.«
...»ich bin †¦ unschuldig †¦«, versuchte der Gefesselte klare Worte über seine geschunden Lippen zu bekommen. »†¦ richter mich †¦ freigesprochen.«
...Der Mann in der Kutte nickte bedächtig, ließ den Rosenkranz durch seine Finger gleiten, und lauschte einen Moment lang andächtig der Musik. Klang so vielleicht auch das Himmelreich? Er nickte noch einmal, und sah auf den Sünder hinab.
...»Ja, in der Tat. Ein weltliches Gericht hat dich mangels Beweisen freigesprochen. Berufst du dich darauf? Jetzt, in diesem Moment, wo dich das göttliche Gericht heimsucht und dir die Möglichkeit bietet, trotz deiner schwersten Verfehlungen in das Himmelreich aufgenommen zu werden?«
...Der Sünder schwieg. Zeit für die letzte Möglichkeit, alle Sünden zu gestehen und zu bereuen fand der Mann. Soviel Sünde, und nur so wenig von Herzen kommende Buße. Auf einem Tisch hinter dem uneinsichtigen Sünder lagen eine Peitsche, eine Zange, ein Tiegel und ein Baseballschläger neben einer Bibel, die in brüchiges Leder gebunden war. Er öffnete den Tiegel und zögerte kurz. Dann verteilte er ohne seinen Handschuh auszuziehen eine durchsichtige Creme auf das dicke Ende des Schlägers. Man sollte einem Sünder gegenüber bei aller gerechten Strafe immer noch Erbarmen wallten lassen. Ein Erbarmen, welches den Opfern des Gefesselten nicht zuteil geworden war. Der Mann in der Kutte griff zu der Fernbedienung der Anlage. Der zarte Gesang der Streicher wurde lauter, und schwebte sanft und doch fordernd durch das Zimmer, wie die Engel der Vergebung. Langsam näherte der Mann sich dem Rücken des Sünders, dirigierte mit dem groben Schläger in seiner Hand die himmlisch zarte Musik. Dann beugte ER sich vor, spreizte die Gesäßwangen des Sünders und nahm Maß.
...»Gestehe und bereue deine Sünden, dann wird dir vergeben werden.«
...Seine Stimme war zu einem Donnern angeschwollen, dem Ruf eines wütenden Gottes, der einen harten Kontrast zu der weichen Musik bildete. Der Sünder schüttelte den Kopf.
...»Dann sollst du durch den Schmerz, den du anderen angetan hast, selber Läuterung und Erlösung im Angesicht Gottes erfahren.«
...Der Klang der Streicher stieg zu einer Fontäne des Glücks.
...Die Hand mit dem Schläger zuckte vor.
...Und der Sünder schrie.
Bearbeitet von Dirk, 20 August 2011 - 14:01.