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Philip K. Dick - Marsianischer Zeitsturz


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17 Antworten in diesem Thema

#1 Joe Chip

Joe Chip

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Geschrieben 23 August 2003 - 23:07

wie ich es dave bereits vor ca. Einem monat versprochen habe (gedroht :D ) möchte ich hier ein besonderes buch PKD´s hervorheben

MARSIANISCHER ZEITSTURZ (Martian Timeslip) HEYNE ISBN 3-453-21726-8

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zum ersten weil dieser roman einer von sechs büchern der jüngst im heyne-verlag aufgelegten PKD-reihe ist und zum anderen weil MZ geradezu typisch für dick´s gesamtwerk als vertreter herhalten kann

wie in den meisten seiner romane legt dick viel wert auf zwischenmenschliche beziehungen, religiöse weltanschaungen und nicht zuletzt sience fiction

wenn es mal technische geräte gibt welche dem leser unbekannt sind, da sie in der zukunft erst erfunden werden, kann er wie üblich bei dick lange auf eine erklärung warten
dick setzt in seien romanen voraus, dass dem leser die funktion eines lehrroboters ebensowenig interessiert wie in einem herkömmlichen roman der schaltkreis eines eierkochers

wer dick noch nicht kennt wird ihn nach dem konsum von MZ lieben oder hassen (meine meinung)

klappentext:
Mit großem Enthusiasmus und Pioniergeist haben die Menschen den Mars besiedelt. Doch nun, Jahre später, ähnelt das Leben dort auf erschreckende Weise dem Alltagstreiben auf der Erde. Und auch die politischen Grabenkämpfe setzten sich nahtlos fort: Arnie Kott ist bereits der mächtigste Mann auf dem Mars, aber das ist ihm nicht genug. Mittels eines geistesgestörten Jungen, für den die Schranken der Zeit nicht existieren, will er seinen Feinden eine endgültige Niederlage beibringen.
Doch der Junge ist nicht nur in der Lage, vorwärts und rückwärts durch die Zeiten zu stürzen, er kann Vergangenheit und Zukunft auch nach den Vorstellungen seines umnachteten Gehirns umgestalten. Die gewohnte Ordnung der Dinge zerfällt, Raum und Zeit lösen sich auf. Und der Traum vom Pionierleben wandelt sich zum Alptraum....

die aktuelle heyne ausgabe beinhaltet auch ein sehr interessantes nachwort von paul williams

joe chip :P

Bearbeitet von Joe Chip, 14 September 2003 - 22:07.

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#2 eRDe7

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Geschrieben 24 August 2003 - 13:16

Hallo Joe und alle anderen.Als ich beim Neuerscheinungen an einem Essay über Dick für den Quarber Merkur schrieb, habe ich nebenher ein paar Notizen über den MARSIANISCHEN ZEITSTURZ aufgeschrieben, die eigentlich eines Tages zu einer Rezension für www.philipkdick.de überarbeitet werden sollten. Dazu kam es nicht. Der Text ist ein wenig konfus, weil ich etwas frei assoziierte, aber vielleicht interessiert ihn ja doch jemand. In ihm verrate ich einiges über die Handlung, aber ich denke, das ist nicht schlimm, da es bei Dick nicht unbedingt auf die Abfolge der Geschehnisse ankommt. Los gehts:DEMENTAIA PRAECOX als Geisteszustand der WeltMarsianischen Zeitsturz, die zweite...„Die Störung (...) zeigt sich in einer völlig fremdartigen, bei völligem Bewußtsein aufkommenden Erfahrungen der Kranken, die darin besteht, daß sie empfinden, ihre innersten Gedanken, Gefühle und Handlungen seien anderen bekannt, von ihnen geteilt oder ausgelöst. Diesem Erlebnis folgen oder es wird of begleitet von Wahnvorstellungen, daß Lebewesen, Organisationen, natürliche oder übernatürliche Kräfte (z. B. Fernsehen, Hypnose, Hexerei) dafür verantwortlich sind. Gewöhnlich treten Halluzinationen auf, bes. um auditiven Bereich, als Stimmen in der dritten Person oder von solchen Personen, die das Denken und Handeln des Patienten kommentieren.“ Lexikon der Psychologie, hrsg. ..., S. 1981f.Liest man den obigen Lexikonartikel, könnte man meinen, Dick hätte sein eigenes Krankheitsbild nach diesem Eintrag über Schizophrenie zusammengebastelt, dies gilt vor allem für die zweite Hälfte des Jahres 1963, als er die ersten Visionen hatte, bis zu seinem Tod. Kurz vor Dicks ersten Visionen ist einer seiner besten Romane entstanden: Martian Time-Slip. Ein Buch über Schizophrenie, dessen Neuübersetzung nun unter dem Titel Marsianischer Zeitsturz vorliegt; die erste deutsche Übersetzung trug den schönen, aber vom Original abweichenden, Titel: Mozart für Marsianer. Die Neuübersetzung besorgte Michael Nagula.Man vergleiche nur den ersten Absatz der alten Übersetzung mit der neuen Übersetzung:Renate Laux:„Im tiefen Luminalschlaf hörte Silvia Bohlen jemand rufen. Der Ton drang tief in die Schichten ein, in die sie versunken war, und zerstörte ihren Zustand des perfekten Nichtseins.“Michael Nagula:„Aus den Tiefen des Luminalschlafs heraus hörte Silvia Bohlen etwas rufen. Jäh zerriß es die Schichten, in denen sie versunken war, und beschädigte den perfekten Zustand des Nichtselbsts.“Und hier sind wir schon mitten im Thema. Nichtsein oder Nichtselbst? Aus philosophischen Gründen tendiere ich zu „Nichtselbst“ (sprich: Nicht-Ego), mag es sprachlich gesehen auch ungewohnter klingen. Hat sich Silvia wirklich in die Nichtexistenz begeben oder vielleicht doch „nur“ in einem Zustand, in dem sich das Ego aufgelöst hat? „Nur“, da dies immerhin einer jener Zustände ist, um den sie viele New-Age-Jünger und Yogis beneiden würden, sofern sie mit ihrer Meditation noch nicht so weit fortgeschritten sind.Aber nähere ich mich dem Buch noch einmal anders, zum Beispiel vom Klappentext her. Ich möchte mich nur auf den ersten Satz stürzen, da er gänzlich daneben ist: „Eine Gruppe von Mars-Kolonisten, die sich in psychologische Behandlung begibt.“ Nun ja, gebrauchen könnten sie diese Behandlung vielleicht, aber der einzige, der eine bekommt (und das erfolglos), das ist der autistische Manfred Steiner. Sein unglücklicher Vater bringt sich um, seine Mutter rennt am Ende des Romans schreiend in die Wüste, Arnie Kott hat einen übergroßen Hang zur Macht, Jack Bohlen wird schizophren, Doreen Anderton springt von einem Mann zum nächsten und wieder zurück, Otto wird zum Mörder, Silvia Bohlen ist tablettenabhängig, selbstsüchtig (trotz der Tabletten...) und geht aus Langweile fremd, Helio ist zynisch und seiner Kultur gegenüber feindlich gesinnt und Dr. Glaub, der einzige Psychologe im ganzen Buch, verliert kurz seine Souveränität und wird zum Speichellecker... usw. Therapie bräuchten sie alle.In diesem Kuddelmuddel aus Personen und ihren Psychosen und Neurosen, versucht Arnie plötzlich mit dem autistischen Manfred als Werkzeug, die Zeit durcheinander zu bringen und ein Geschäft abzuschließen, für das es in der Romangegenwart schon zu spät ist.Und wie macht er das? Durch ein Ritual. Denn die profane Zeit wird unterbrochen, indem man durch einen Ritus in die mythische, die ewige Zeit eintritt (vgl. z. B. : Mircea Eliade, Das Heilige und das Profane, S. 63). Dummerweise wird Arnie beim Rückeintritt in die normale Zeit erschossen. Und Jack Bohlen sagt nach dieser Tat zu seiner Frau: „Mir geht im Kopf herum, was Arnie vor seinem Tod sagte. Ich war bei ihm. Arnie sagte, er befände sich nicht in der realen Welt; er wäre im Phantasiegebilde eines Schizophrenen gefangen, und daran muß ich ständig denken.(...)“ S. 333Ich weiß nicht, in wie weit Dick bewusst war, dass er einen Roman über Nondualismus (auch Monismus oder Nichtdualismus genannt) schrieb.Es ist das alte Lied vom Leid der Trennung, der Entfremdung vom Sein, des Erkennens des Anderen im Gegensatz zum Ich..Silvia nimmt gleich im ersten Absatz die Tabletten, um im Nichtselbst aufzugehen (denn die Entstehung des Egos, ist die Entstehung der Dualitäten) - man könnte meinen, Dick habe gerade ein Buch über indische Philosophie gelesen - oder über Meditation - oder vielleicht aber auch einfach nur über die Aborigines (was wohl tatsächlich der Fall war).Die Schizophrenie dient in diesem Fall (also, wenn Dick wirklich im Sinn hatte, über Dualismus/Nondualismus zu schreiben) als Metapher für die Trennung vom Rest der Welt (schizo kommt von der indoeuropäischen Wurzel skei, was so viel bedeutet wie: „,Trennung†™, ,Seperation†™, ,Unterscheidung†™“ (vgl. Heinz von Foerster, Teil der Welt, S. 312).Diese Trennung von dem Urgrund (im Brahmanismus Brahman (?), im Mahayana-Buddhismus die Leere (?), im Gnostizimus der Schöpfergott (?)) ist der Initialpunkt für das Unglück - und nur die Erkenntnis (Gnosis) kann die Erlösung bringen. Die Erkenntnis a) auf rationale Art, dass die sogenannte Realität nur Maya ist, Schein, und :P auf die magisch-mystische Art: Erkenntnis als SEIN („Vom initiatischen Standpunkt bedeutet erkennen nicht, das erkannte Objekt ,denken†™, sondern es sein.“ Julius Evola, Magie als Wissenschaft vom Ich, Bd. 1, S. 48).In dieser Welt, in der Manfred die Entropie sieht und am eigenen Körper miterlebt, hat er die Macht, die anderen mit in SEINE Realitätssicht zu ziehen (oder besser: in seine Realität). Jack:„Fast habe ich den Eindruck, als könne Manfred mehr als nur in die Zukunft sehen; Irgendwie kontrolliert er sie, er kann es so anstellen, daß die schlimmste Möglichkeit eintritt, weil das anscheinend in seiner Natur liegt, so sieht er die Realität. Es ist, als würden wir, einfach dadurch, daß wir uns in seiner Nähe befinden, in seine Realität hineingezogen.“ S. 212Damit ist er ein Vorläufer zu Jory aus Ubik und ein „Nachläufer“ der Figuren aus Eye in the Sky (Und die Erde steht still...).Damit ist Manfred in Dicks gnostizistisch angehauchten Weltbild also der Demiurg; und „Grundbefindlichkeit der Gnosis [= Erkenntnis] (...) [ist] die Erfahrung der Einsamkeit, des Ausgesetzt-Seins in einer ungastlichen Fremde“, wie der ungastlichen Marswüste, in der es kaum genug Wasser gibt, in der es kaum genug Nahrung gibt, in der die nächsten menschlichen Kontakte viele Hundert Kilometer entfernt sind, es ist wahrlich „eine Welt als gottfernes Reich der Finsternis“ (C. Markschies, Die Gnosis, S. 26).Ist das alles verwirrend? Ja, das soll es sein. Denn Dick befand sich verwirrt auf der Suche, und seine Romane verlangten immer mehr nach der Antwort (42 oder 23 oder 93?). Und alles was bleibt, ist weiterzumachen in dem Labyrinth - oder wie es Leo Bolero in dem kurze Zeit nach Martian Time-Slip entstandenem The Three Stigmata of Palmer Eldritch (Die drei Stigmata des Palmer Eldritch) ausdrückte:„Es ist doch so: Denken Sie daran, daß wir alle nur aus Staub gemacht sind. Das verspricht zugegebenermaßen wenig Aussicht auf Erfolg, und davor dürfen wir die Augen nicht verschließen. Aber selbst wenn man bedenkt, daß zu Anfang einiges schiefgelaufen ist, halten wir uns doch recht gut. Ich bin der festen Überzeugung, daß wir es trotz der miserablen Situation, in der wir uns momentan befinden, schaffen können. Noch Fragen?“Ein Buch also, das einen zu wirren Gedanken anregen kann. Möge es mehr davon geben!

R. C. Doege: Ende der Nacht. Erzählungen (2010)

R. C. Doege: YUME. Träumen in Tokio (2020)

 


#3 heino

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Geschrieben 25 August 2003 - 21:19

ich habe das Buch vor 2 Jahren auf englisch gelesen und fand es - wie fast alles von Dick - sehr gut. Die deutsche Übersetzung kenne ich noch nicht, werde ich mir aber bald zulegen. Bisher fand ich die Übersetzungen aber sehr gelungen

#4 Joe Chip

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Geschrieben 25 August 2003 - 21:38

hallo heinowelcome im forumfreu mich immer wenn sich ein dick-leser zu uns geselltjoe :blink:
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#5 ghostwriter

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    Yoginaut

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Geschrieben 26 August 2003 - 06:44

Ich verschlinge derzeit den unmöglichen Planeten und bin nach der ersten handvoll Geschichten schon vollauf begeistert.Marsianischer Zeitsturz wird sicher eins der nächsten Dick-Bücher, die ich mir zulege. Nach den Renzensionen bei Amazon.de scheint es ja einer der besten (jedenfalls von den derzeit erhätlichen) PKD-Romanen zu sein.Ich freu mich drauf :blink: Tilo

#6 Mammut

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Geschrieben 29 August 2003 - 07:43

Ich habe das Buch in der Ausgabe "Mozart für Marsianer" gelesen. Hat mir ausgesprochen gut gefallen. Dick verwendet immer sehr farbige, lebendige Charaktere. Auch die Idee mit dem Autismus fand ich klasse, nur das Ende ist meiner Meinung nach abgefallen.Nur ist es ein wenig her, als ich das Buch las, daher kann ich auch nicht mehr genau sagen, was mir am Ende missfallen hat.Bis bald,Michael

#7 Dave

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Geschrieben 04 September 2003 - 19:47

Ich vermute, bei den Phänomen Philip K. Dick handelt es sich um ein Gesamtkunstwerk, bei dem das einzelne Buch gar nicht bestehen kann. Es gab einmal eine Kunstausstellung, und jedermann sprach von den ausgetreten Schuhen, die im Flur herumlagen und mit Schildern in Latein versehen waren. Verschiedenste Interpretationen wurden rege diskutiert. Später stellte sich heraus, dass ein zu Scherzen aufgelegter Schüler in aller Eile das Schuhwerk hingepfeffert und die sinnlosen Schilder aufgestellt hatte.Was ich damit sagen möchte, ist, dass man womöglich versucht Dinge zu verstehen, für die es eigentlich keine richtige Antwort gibt.Es ist, als ob ich schlaftrunken aus dem Bett taumle und mich gleich an den Schreibtisch setze, um meine Gedanken festzuhalten. Eine Marskolonisierung, ja ja, weiter im Text, plötzlich die schlichte Wohnung auf dem roten Planeten, den Fünfzigern entsprungen, statt zu stutzen reibe ich mir den Schlaf aus den Augen. Links der Schallplattenspieler, rechts der mechanische Lehrkörper als makellose Konstruktion. In aller Eile hingewordene Eindrücke, und wenn die erste Tasse Kaffee zu wirken beginnt, lohnt sich kein weiterer Gedanke mehr.

#8 Joe Chip

Joe Chip

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Geschrieben 04 September 2003 - 21:34

hi daveähnliches habe ich heute in einem anderen forum über kafka geschrieben..... alle leute wollen allen dingen eine bedeutung zumessen ich lese kafka und auch dick des lesens willen als ob ich ein bild betrachte - bei kafka nannte ich als beispiel die gemälde von hironimus boschjoe :)
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#9 eRDe7

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Geschrieben 04 September 2003 - 21:38

Es stimmt sicher, dass Dick ein "Gesamtkunstwerk" ist. Und seien wir ehrlich bei seinen 123 Erzählungen und über 45 Romanen ist auch einiger Mist dabei. Auch ist er "literarisch" betrachtet bei weitem nicht grandios. ABER (!)... :rolleyes: ... er hatte unglaublich geniale Ideen. ... er war auf spannende Weise "verrückt". ... er versprüht in seinen besten Momenten eine "Menschlichkeit" wie ich sie kaum woanders gefunden habe. ... er trifft häufig in mir Punkte ganz tief unten, die nur wenige andere Autoren berühren. usw. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie meine Dick-Sucht begann. Eigentlich ganz harmlos. Ich hatte Urlaub (Ferien, ich glaube, da ging ich noch zur Schule), war irgendwie hundemüde und wollte aber noch nicht ins Bett. Ich nahm eine Anthologie und blätterte lustlos herum. Dann las ich ein wenig in den Autorenbeschreibungen und las bei Dick was von BLADE RUNNER. Hm, dachte ich, das ist dieser Film, den ich irgendwie faszinierend finde, aber irgendwie nicht verstehe (ich war da so etwa 17 und dachte, ich müsste den Film gutfinden, aber wusste nicht, warum). Na, mal reinlesen, in die Geschichte. Und die Geschichte lies mich nicht los, obwohlich hundemüde war, wie gesagt. Es war DIE PRÄ-PERSONEN. Ich hatte (und habe noch immer) einen Hang zu "bösen" Geschichten. Und böser ging es kaum. Dick hat Drohbriefe von Feministinnen bekommen wegen dieser Geschichte. Mir blieb damals der Atem stocken, und wenn ich heute ab und an Leuten den Inhalt erzähle, merke ich nach wie vor, dass mir die Luft wegbleibt... DAS wäre mal ein Film - aber thematisch völlig unmöglich: Ein Amerika, in dem man Kinder bis zum 12. Jahr abtreiben darf. Und Frauen, die eine Abtreibung "chic" finden. Um genau zu sein, die Mutter des Protagonisten wirft seinem Vater vor, alles verpfuscht zu haben, weil sie keine Abtreibung hatten. Sie käme sich lächerlich vor gegenüber ihren Freundinnen. Und der Vater versucht unterdessen das Nachbarskind (und dessen Vater, glaube ich) vor der Abtreibung zu retten und mit ihm und seinem Sohn nach Kanada auszuwandern... Dummerweise brauchen sie die Genehmigung der Mütter, um das Land zu verlassen. Dick war zu dieser Zeit sehr sauer auf eine seiner Frauen, die ein Kind abtreiben wollte, weil sie es sonst angeblich finanziell nicht geschafft hätten. Außerdem hat er ja ein etwas neurotisches Frauenbild, wie man an den meisten seiner Geschichten merkt. Die Protagonisten wollen immer den jungen dunkelhaarigen Mädchen helfen und sie beschützen, aber diese lassen sich einfach nicht vereinnahmen und zerstören den Mann grundsätzlich.

Was ich damit sagen möchte, ist, dass man womöglich versucht Dinge zu verstehen, für die es eigentlich keine richtige Antwort gibt.

Jein. Darum geht es bei Dick doch. Er und seine Protagonisten stehen mitten in der Welt und versuchen sie a) zusammenzuhalten (deshalb sind es häufig Mechaniker und dergleichen) und :) dahinter zu kommen, was das alles soll, was sie hier eigentlich tun, was eben die Realität ist etc. Wenn Du Dicks "Tagebuch" mal liest (ein AUszug aus den etwa 10.000 Seiten ist in der Edition Phantasia unter dem Titel AUF DER SUCHE NACH VALIS erschienen), dann siehst Du, dass er selber sein Werk auf extremste Weise interpretiert hat. Leider hatte ich das Buch noch nicht, als ich den obigen Text über Marsianischer Zeitsturz schrieb. Nur mal ein Zitat (das etwas verwirrend klingt): "Tatsächlich könnte man Schizophrenie als Beweis für meinb System betrachten; sie ist ein Beispiel für die Fehlfunktion dieses Systems, & kann, mit meinem System im Hinterkopf, leicht verstanden werden (in MARTIAN TIME-SLIP [...] sah ich es als Zusammenbruch der ordentlichen Zeitfunktion, was nahe dran war)." usw. Er bezieht sich dabei (während er versucht, die Welt und seine Visionen zu erklären) immer wieder auf seine Werke. Bevor ich nun eine zweite Diplomarbeit darüber schreibe, höre ich besser auf. Ralph

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#10 eRDe7

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Geschrieben 04 September 2003 - 21:43

Hallo Joe!Anderes Forum? Du gehst fremd? :) Ich lese Kafka und Dick eher wie eine Mischung aus Weltbewältigung und Interpretationsschablone.Wenn ich Philosophasterei betreibe, dann kann es schon mal sein, dass ich plötzlich Begriffe wie "Ubik" benutze. Das liegt natürlich daran, dass ich mich durch die Diplomarbeit und späteren Sachen über Dick so in dessen Denkweise (oder meine Interpretation seiner Denkweise) reingearbeitet habe, dass ich seine "Begrifflichkeit" teilweise als Alltagswortschatz benutze. Was es anderen nicht gerade einfacher macht. :rolleyes: Aber ich interpretiere Texte sehr häufig und extrem für mich und auf mein Denken hin. Deshalb lese ich auch gerne Sekundärliteratur, wenn sie gut ist. Wie zum Beispiel Nabokovs Kafka-Vorlesung...Ralph

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#11 Joe Chip

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Geschrieben 04 September 2003 - 21:56

n´abend ralphdas stimmt du weisst sehr viel über die hintergründeich weiss meine sachen lediglich aus den nachwortendick hat bestimmt viel aus seinem leben beim schreiben "verarbeitet"das dunkelhaarige mädchen zBaber im grossen und ganzen verhält es sich wie mit kafkaobwohl ich mich nach dem buch welches du vorgeschlagen hast erkundigen werde :rolleyes: joe :)
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#12 Joe Chip

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Geschrieben 04 September 2003 - 21:59

Anderes Forum? Du gehst fremd? 

aber nicht in achen SF :rolleyes: joe :)
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#13 eRDe7

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Geschrieben 04 September 2003 - 22:02

Guten Abend Joe.Welches Buch meinst Du nun?Zu dem Lesen und Dick noch kurz: Natürlich kann jeder Dick lesen, wie er will. Man muss die Hintergründe nicht kennen, wäre ja schlimm, wenn das der Fall wäre.Aber spannend finde ich die Hintergründe schon. Die Sutin-Biographie bietet da eine Menge Material (oder meine Dipl.-Arbeit, wenn Du es schlecht geschrieben und zusammengefasst haben möchtest, Du weisst ja, wo Du sie runterladen kannst).Ralph

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#14 Joe Chip

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Geschrieben 04 September 2003 - 22:05

Wie zum Beispiel Nabokovs Kafka-Vorlesung...

ist das kein buch? joe http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png

Bearbeitet von Joe Chip, 04 September 2003 - 22:05.

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#15 eRDe7

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Geschrieben 04 September 2003 - 22:14

Ach so. Es ist ein Essay (wenn man es so nennen möchte) in: Vladimir Nabokov: Die Kunst des Lesen. Meisterwerke der europäischen Literatur. http://www.amazon.de...5950813-9590939 Scheint nicht mehr lieferbar zu sein. Ich glaube, es war auch als Nachwort in irgendeiner Ausgabe von DIE VERWANDLUNG (um die Erzählung geht es in der Vorlesung). Ralph

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#16 Joe Chip

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Geschrieben 04 September 2003 - 22:17

mille grazie übrigens - nächste woche nehm ich mir deine diplomarbeit vor ich hoffe ich kann dir folgen :D lg joe http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png

Bearbeitet von Joe Chip, 04 September 2003 - 22:18.

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Geschrieben 04 September 2003 - 22:40

übrigens - nächste woche nehm ich mir deine diplomarbeit vor ich hoffe ich kann dir folgen 

Oh je, das wird peinlich, hätte ich mal nichts gesagt. Wenn Du nicht folgen kannst, dann liegt das an meiner Schusseligkeit. Ich habe mir damals, als ich nach der Abgabe das Teil noch mal gelesen hatte, fast die Haare ausgerauft (deshalb habe ich heute wohl nur noch so wenig...). :D Hoffentlich langweilt sie Dich nicht. So, ich muss nun ins Bett. Gute Nacht allerseits. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/biggrin.png Ralph

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#18 Joe Chip

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Geschrieben 16 September 2003 - 21:49

an alle dick fans - und nicht fans :bigcry: das es amtlich ist wie bereits von ralph angekünigt erscheinen drei weitere dick-romane bei heyne hier der link dazu lg joe ;)
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