Weil Lohnarbeit sowohl in der Sowjetunion als im restlichen realexistierenden Sozialismus faktisch existiert hat, woraus folgt, dass die Bezahlung von Lohn für Arbeitskraft nicht nur eine zufällige Form ist, die in Wirklichkeit einen in der Tat nicht-proletarischen Inhalt zu verhüllen versucht und weil die Existenz von Lohnarbeit in einer kapitalistischen Gesellschaft existentiell notwendig ist. Da bot es sich schon aus rhetorischen Gründen an, Staatskapitalismus und Staatssozialismus in einen Satz zu verwenden. Arbeiter, die als Waren nur ihre eigene Arbeitskraft besitzen und deren Wert mit einem Lohn entgolten wird, sind nämlich im marxschen Sinn überhaupt keine Proletarier. Zwischen bürokratischen Kapitalismus und bürokratischer Kollektivismus bestehen diesbezüglich keine nennenswerten Unterschiede - die kapitalistischen Wertgesetze sind universell gültig, selbst in eine stalinistische Gesellschaft.
Mir ist der Begriff des "Staatskapitalismus" - wie auch der Begriff des "Staatssozialismus" übrigens - zu unscharf.
Beide Begrifflichkeiten sind aber auf das innigste mit einem uralten Streitthema, das innerhalb der marxistischen Theorie im 20. Jahrhundert auf das Heftigste debattiert wurde, verbunden. Der größte Teil dieser Auseinandersetzung fand übrigens bereits unter Trotzkisten statt und findet seine Ursprünge schon in der linken Opposition in der UdSSR. Explizit darauf setzte dann Maos Fundamentalkritik an, als er erklärte, dass die Sowjetunion, nicht jedoch die Volksrepublik China, als staatskapitalistisch zu bezeichnen sei. Der Staatskapitalismus setzt demnach eine enge Beziehung zwischen dem Staat und den privaten bzw. vergesellschafteten Unternehmern voraus. Private oder staatssozialistische Kapitalisten produzieren also für einen zugesicherten Markt. Ein exzellentes Beispiel hierfür stellt die Militärindustrie dar, in der unabhängige Firmen für den Staat produzieren und nicht dem Konkurrenzkampf des Marktes unterworfen sind - der militärisch-industrielle Komplex.
Der Begriff des "Staatskapitalismus" - falls er nicht im Sinne der Stamokap-Theorie verwendet wird - drückt wenig aus, ausser der simplen Tatsache, dass sich kapitalistische Gesellschaften im Rahmen von Staatswesen entwickelt haben.
Keinesfalls. Der Staatsmonopolkapitalismus ist nach marxistisch-leninistischer Lehrmeinung die Verschmelzung des imperialistischen Staates mit der Wirtschaft, die ihrerseits nur noch aus dünn maskierten Monopolen besteht, zu einem einzigen Herrschaftsinstrument unter Führung einer Finanzoligarchie, die dann die Endphase des Kapitalismus einleitet und so die Grundlage des Imperialismus darstellt. Hierbei handelt es sich IMHO schlussendlich lediglich um eine Theorie mangelnder Reichweite, da die schnöde Existenz von Unternehmen mit marktbeeinflussendem Charakter zwar die Wertgesetzlichkeit der Marktstrukturen modifiziert, sie jedoch definitiv nicht aufhebt. Ferner wird die Geschichte so als totaldeterminiert durch die strukturierenden Verhältnisse konzediert, die kaum Freiräume für individuelle Handlungen zulässt.
Was wäre denn ein Kapitalismus, der nicht "Staatskapitalismus" ist?
Laut Nikolai Bucharin wäre es schlicht ein Kapitalismus, der nicht imperialistisch ist, denn nach ihm sind fortgeschrittene imperialistische Länder immer staatskapitalistisch.
Eine Gesellschaft, wie sie von Ayn Rand konzipiert und von einigen Tea Party-Anhängern vertreten wird?
Ayn Rand sah den Übermenschen als Unternehmer, die ausschließlich nach eigenen Handlungsgesetzen agieren. Nach ihr leben wir nur im Geiste, die Existenz ist demnach lediglich der Versuch, dieses Leben in physische Realität zu überführen. Was die Tea-Party-Bewegung schlussendlich will, ist dagegen wohl so etwas wie ein gescheiterter Staat. In Somalia kann man all das haben, wovon die Tea-Party-Bewegung so träumt: keine Regierung, keine Steuern, maximale persönliche Freiheit und eine absolut durchdringende Liberalität beim Waffenbesitz.
Ebenso verhält es sich mit dem "Staatssozialismus" - was wäre die Alternative?
Gute Frage, nächste Frage?