Meinungen zu meiner Geschichte
#1
Geschrieben 09 November 2011 - 20:24
ich bin neu hier im SciFi-Forum. Um mich (ganz) kurz vorzustellen: ich bin 27 und komme aus einer verschlafenen Kleinstadt in Ostdeutschland.
Vor zweieinhalb Monaten habe ich mit dem Schreiben angefangen. Einfach, weil ich eine Idee hatte, die vielleicht eine gute Science-Fiction-Story abgeben könnte. Und da ich gern etwas neues ausprobieren wollte, fing ich an zu tippen. Da ich nun – wann immer ich Zeit finde – daran arbeite, würde ich gern einige unvoreingenommene Meinungen dazu hören. Wie gesagt, ich schreibe noch nicht lange und es gibt bestimmt vieles, was noch ausbaufähig wäre. Ich denke (nachdem ich als Gast schon mehrmals in diesem Forum gelesen habe), dass hier die beste Anlaufstelle für konstruktive Kritik ist.
Also, bevor ich vor Nervosität den Mut verliere – ohne größere Umschweife...
[*] [Auszug] ePulse, Anfang des ersten Kapitels
Über dem Asphalt entvölkerter Straßen erhöhte das Leben seinen Herzschlag. Die Westküste erwachte. Unmengen von Daten durchströmten Glasfaseradern, die in der Silicon-Valley-Aorta mündeten. Nichts konnte sie verstopfen, das Herz in Palo Alto pochte und würde ewig pochen. Doch in der Hauptstadt Kaliforniens kam der Pulse durch mehrere Detonationen kurzzeitig aus dem Rhythmus.
Die Explosionen erschütterten Downtown Sacramento; gewaltige Lärmkleckse, die das gewohnte Bild der Innenstadt übertönten und im selben Moment zerrissen. Druckwellen bahnten sich ihren Weg durch die Häuserschluchten und brandeten an den Gebäuden, ihre Ausläufer erklommen mühelos die Fassaden.
Das Getöse ließ die Scheiben zittern, David Connelly riss es aus dem Schlaf. Verstört öffnete er die Augen und drehte sich zur bebenden Fensterfront des Apartments herum. Auf seine Netzhaut stürzte die Helligkeit ein. Augenblicklich setzte sie das vertraute Pochen hinter den Schläfen in Gang. Ethanolrückstände hämmerten auf den Amboss im Innenohr. Sekunden später hatten sie stechende Kopfschmerzen geschmiedet, verziert mit bohrenden Fragen.
Was zur Hölle war das? Ein Terroranschlag? Warum sollten diese Spinner vom Human Network ausgerechnet hier einen Anschlag verüben? Sacramento ist nicht Silicon Valley...
David kroch aus dem Bett; seine Füße schwankten über den holzvertäfelten Boden. Beim Blick aus dem Fenster sah er eine Schuttwolke; eine unförmige Wand aus Asche, die sich zwei Blocks entfernt aufwallte. Kaum höher als ein vierstöckiges Gebäude, aber fast zweihundert Meter breit. Hinter ihr ragte die Granitkuppel des State Capitol in den anbrechenden Tag. Am Himmel darüber thronten die Falken.
Was er dort sah, dämmerte wie der Morgen in David herauf. Der Abriss der California State Library war für heute festgelegt worden. An der Kreuzung von 7th und N Street hauchte sie ihre letzten, qualmenden Atemzüge. David stieß einen Seufzer aus. Kein Anschlag.
Die Erleichterung wich sogleich dem Amboss.
David bemerkte ein Glas Mineralwasser und eine Kopfschmerztablette auf dem Nachttisch. Das Wasser roch abgestanden. Benommene Voraussicht musste ihn veranlasst haben, beides am Vorabend dort hinzustellen. Ironie der Sauferei war es, dass er sich nicht daran erinnern konnte. Innerhalb weniger Wimpernschläge löste sich die Tablette auf. Er trank das milchige Elixier, das wie Seifenlauge schmeckte, und spürte wie das Dröhnen in seinem Schädel verhallte. Der dunstige Schleier des Restalkohols blieb.
David wendete sich von der Scheibe ab. Beinahe wäre er bei den Stufen des hüfthohen Podests, auf dem sein Bett stand, gestolpert. Er verfluchte – nicht zum ersten Mal – das Einrichtungstool, das ihm diese Konstruktion empfohlen hatte. Zweifellos war die Höhe der Zimmerdecke ausschlaggebend gewesen. Eigentlich gefiel ihm das Podest aus mattlackiertem Kirschholz. Es trennte in dem überschaubaren Einzimmerapartment elegant den Schlafbereich ab, besaß eingelassene Schubfächer für seine Kleidung und als Bühne nächtlicher Akte eignete sich die Szenerie hervorragend. Außerdem kannte David nur vierzehn Leute, die ebensolche Podeste in ihren Apartments hatten. Es drückte Individualität aus und das schätzte er am meisten. So praktisch es auch ist, bei einem Kater sind diese Scheißstufen lebensgefährlich.
Letztendlich kam ihm dieser kurze Adrenalinstoß jedoch ganz gelegen. Er weckte sein Mitteilungsbewusstsein. Besser, als sich am Couchtisch zum zweiten Mal einen Zeh zu brechen. David ging zum Fenster zurück. Er tastete nach der metallischen Wölbung an seinem rechten Ohrläppchen und berührte sie mit dem Zeigefinger. Seine Social Senses erwachten.
Er blickte auf die Staubwolke und erinnerte sich, wie er vor vielen Jahren kurz nach seinem Geburtstag beim Pulse-Support gewesen war. Mit sechzehn hatte man die Einwilligung der Eltern nicht mehr gebraucht.
»Tut es weh?«, hatte er den Biotechniker von Lifeshare Incorporated gefragt.
»Nein. Ist nur ein winziger, ambulanter Eingriff.« Der Techniker war ein untersetzter Kerl mit großen blauen Augen und einem sanftmütigen Lächeln. Er redete in dem beruhigenden Tonfall eines Kinderarztes. »Ich injiziere dir jetzt den Aktivator ins Ohrläppchen. Piekst nur ganz kurz.«
Es piekste wirklich nur ganz kurz. »Hab kaum was gemerkt«, antwortete David stolz. Er hätte bei höllischen Schmerzen dasselbe gesagt.
»Ok, das war's schon. Wenn du dein Ohrläppchen mit dem Zeigefinger berührst, beginnt die Aufzeichnung. Die Aktivierung spürst du nicht, du wirst keinen Unterschied bemerken. Mit dem Mittelfinger schaltest du sie ab. Du musst nur daran denken, aller vier Wochen eine der Kapseln einzunehmen.« Er reichte David eine kleine, weiße Schachtel. »Die versorgen deine Rezeptoren mit den Nanotransmittern. Sonst wird die Aufnahme mit der Zeit unscharf. Wo du neue kaufen kannst, weißt du?«
David schaute auf die weiße Packung mit dem Pulse-Schriftzug. Auf der Vorderseite waren ein Auge und ein Ohr eingeprägt. »Ja, weiß ich«, sagte er. Die Anleitung empfand er als überflüssig. David wusste, wie es funktionierte. In seinem Jahrgang an der Sacramento Cygh School war er ein Nachzügler, dem bisher nichts anderes übrig blieb, als neidisch die Sensids seiner Mitschüler anzuschauen. Weil Vater es nicht gepackt hat, Mutter wie jeder gesunde Mensch im Winter oder Frühling zu schwängern. Manchmal hasste David ihn dafür.
Doch jetzt war er glücklich wie nie zuvor. Er fuhr mit den Fingern über die stilisierten Sinnesorgane. Sein Gehirn ejakulierte Glückshormone.
Außer David hatte damals nur Jacob Fulner keine Social Senses gehabt, aber Fulner hatte nie gezählt...
Und war schon lange tot. Der sanftmütige Biotechniker sollte auch zwanzig Jahre später noch Recht behalten. David fühlte nichts, als er die Überreste der Bibliothek mit aktivierten Sinnen betrachtete.
California State Library. Im Zeitalter des digitalisierten Wissens waren solche Institutionen längst überflüssig geworden. David verstand nicht, warum manche Menschen an ihnen festhalten wollten. Ein verzweifeltes Klammern an Traditionen nützte niemandem. Irgendwann machten sie dem Fortschritt platz. Nichts als vergeudete Zeit – die kostbarste Ressource überhaupt. Man hinterließ damit bei seinen Mitmenschen nur einen absonderlichen Eindruck, und darüber hinaus war es nicht ganz ungefährlich. Niemand konnte ernsthaft daran interessiert sein, als Ketzer oder HN-Symphatisant getaggt zu werden.
Erneut berührte David den Sensor an seinem Ohr. Er hatte genug gesehen. Der Moment war eingefangen, das Sensid im Pulse konserviert.
"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"
#2
Geschrieben 09 November 2011 - 21:05
who the hell took my roof and ceiling?
#3
Geschrieben 10 November 2011 - 17:23
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#4
Geschrieben 10 November 2011 - 18:12
"Bazinga!"
#5
Geschrieben 10 November 2011 - 20:41
vielen Dank für die Rückmeldungen.
Frederic: deinen Ratschlag werde ich auf jeden Fall beherzigen. Einen Einfall für eine Kurzgeschichte habe ich auch schon. Wenn ich Zeit finde, werde ich sie anfangen.
Jakob und Gen. Bully: Wow, dass ihr meine Geschichte gerne weiterlesen würdet, ist ein tolles Kompliment.
Wenn das für die Moderatoren ok ist, kann ich gern den Rest des ersten Kapitels posten. Würde aber sicher noch ein paar Tage dauern, da ich es ein wenig überarbeiten müsste. Ich hab bisher zwar knapp 30 Seiten querbeet geschrieben, doch viele Seiten sind nur Fragmente und Szenen, die noch in keinem Kontext stehen (das Ende habe ich bspw. auch schon getippt, obwohl ich mir sicher bin, dass ich es noch tausend Mal verändern werde), aber zumindest das erste Kapitel ist fast fertig.
Schöne Grüße,
Seti
"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"
#6
Geschrieben 12 November 2011 - 18:21
- • (Buch) gerade am lesen:Gene Wolfe "Sword and Citadel"
#7
Geschrieben 13 November 2011 - 12:38
danke für deine Antwort. Ich empfinde das aber nicht als Nörgeln, sondern als konstruktive Kritik. Um die habe ich gebeten und da wäre es dumm von mir, wenn ich jetzt die beleidigte Leberwurst spielen würde. Und deine Ausführungen bestetigen, dass die Kritik absolut gerechtfertigt ist.
Es stimmt schon, was du sagst: Nach nochmaligem Lesen klingen Ethanolrückstände eher nach der Entkorkung in einer Huxley'schen Brut- und Normzentrale, als nach einem Saufgelage und der Amboss hat mit Kopfschmerzen ungefähr so viel zu tun, wie das Steißbein mit dem Laufen. Vielleicht wäre es besser wenn ich "Ethanolrückstände … bohrenden Fragen" umformulieren würde in "Sekunden später gipfelte das Hämmern in stechenden Kopfschmerzen, begleitet von bohrenden Fragen." und später dann "Die Erleichterung wich den Kopfschmerzen". So hatte ich es übrigens ziemlich am Anfang geschrieben, bis mir das mit dem Amboss einfiel, aber manchmal ist weniger wohl mehr. Dabei habe ich den Tipp mit dem Lautvorlesen (den hatte ich hier schon einmal als Gast aufgeschnappt) sogar befolgt - anscheinend war es nicht laut genug...
Ich schreibe mir mal als Regeln hinter die Ohren:
- Wenn Metaphern nur mit einem zugedrückten Auge und dem Denken um drei Ecken halbwegs einen Sinn machen, dann ist der Text besser ohne sie dran.
- Metaphern nur dann einsetzen, wenn der Sachverhalt eine Metapher verdient - und dann sparsam damit umgehen. Kaffeekochen als "die Beschwörung der lebenserweckenden Bohnengeister" zu bezeichnen, hört sich einfach nur schräg an (das hab' ich mir jetzt ausgedacht, nicht das jemand befürchtet , das würde in meinem Text vorkommen ).
Ein paar Fragen fallen mir in diesem Zusammenhang gerade ein, vielleicht kann mir jemand darauf Antwort geben:
- Stört es, dass der erste Absatz im auktorialen Erzählstil geschrieben ist? Mir fiel nämlich nichts ein, wie ich den Sachverhalt sonst hätte schildern können, da der Protagonist noch schläft...
- Sind zuviele englische Begriffe darin? Zum Beispiel könnte man Pulse zu Puls übersetzen, aber als Trademark... äh Markenname ist die englische Bezeichnung vielleicht griffiger. Oder Social Senses zu Sozialen Sinnen...
- Ist es ok bei der Rückblende vom Plusquamperfekt in das normale Präteritum zu wechseln und am Ende wieder zurück zum PQP? Ich habe diesen Tipp einmal in einem anderen Forum gelesen. Anfangs stand die ganze Rückblende im PQP und das klang in meinen Ohren irgendwie sehr bescheiden...
- "Sein Gehirn ejakulierte Glückshormone" hielt ich für eine gute, weil drastische Formulierung, mittlerweile gefällt sie mir überhaupt nicht mehr. Wäre "Sein Gehirn überschüttete ihn mit Glückshormonen" oder "... mit Endorphinen" besser? Ich schreibe zwar zwei Sätze vorher schon, dass er glücklich ist, aber die Dopplung finde ich hier wichtig, um zu zeigen, welche Bedeutung es für David hat...
Ok, es gibt noch so einiges, wo ich mir nicht ganz sicher bin, was Formulierung oder Satzbau angeht und dabei habe ich bestimmt trotzdem noch Dinge übersehen. Also wer immer einen Ansatz für Kritik findet, immer her damit. Wie Autofahren nicht funktioniert, habe ich auch besser verstanden, als ich das erste (und glücklicherweise einzige) Mal durch die praktische Prüfung gerasselt bin - auch wenn es hier bestimmt nicht bei einem Mal bleiben wird...
Seti
"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"
#8
Geschrieben 13 November 2011 - 14:09
Ein paar Fragen fallen mir in diesem Zusammenhang gerade ein, vielleicht kann mir jemand darauf Antwort geben:
Ok, es gibt noch so einiges, wo ich mir nicht ganz sicher bin, was Formulierung oder Satzbau angeht und dabei habe ich bestimmt trotzdem noch Dinge übersehen. Also wer immer einen Ansatz für Kritik findet, immer her damit. Wie Autofahren nicht funktioniert, habe ich auch besser verstanden, als ich das erste (und glücklicherweise einzige) Mal durch die praktische Prüfung gerasselt bin - auch wenn es hier bestimmt nicht bei einem Mal bleiben wird...
- Stört es, dass der erste Absatz im auktorialen Erzählstil geschrieben ist? Mir fiel nämlich nichts ein, wie ich den Sachverhalt sonst hätte schildern können, da der Protagonist noch schläft...
- Sind zuviele englische Begriffe darin? Zum Beispiel könnte man Pulse zu Puls übersetzen, aber als Trademark... äh Markenname ist die englische Bezeichnung vielleicht griffiger. Oder Social Senses zu Sozialen Sinnen...
- Ist es ok bei der Rückblende vom Plusquamperfekt in das normale Präteritum zu wechseln und am Ende wieder zurück zum PQP? Ich habe diesen Tipp einmal in einem anderen Forum gelesen. Anfangs stand die ganze Rückblende im PQP und das klang in meinen Ohren irgendwie sehr bescheiden...
- "Sein Gehirn ejakulierte Glückshormone" hielt ich für eine gute, weil drastische Formulierung, mittlerweile gefällt sie mir überhaupt nicht mehr. Wäre "Sein Gehirn überschüttete ihn mit Glückshormonen" oder "... mit Endorphinen" besser? Ich schreibe zwar zwei Sätze vorher schon, dass er glücklich ist, aber die Dopplung finde ich hier wichtig, um zu zeigen, welche Bedeutung es für David hat...
Seti
Hallo Seti!
Ein Tipp: Ich weiß nicht, ob du es schon entdeckt hast, aber hier stehen, meine ich, wirklich interessante Dinge das Metier Schreiben betreffend:
http://www.scifinet....eroffentlichen/
Ad 1: Die Auktoriale Erzählweise macht Deinen Erzähler u.a. allwissend und Du tust Dir vielleicht - gerade am Beginn - eventuell leichter. Gerade für Einleitung, Vorgeschichte etc. pp. kann das nicht falsch sein.
Ad 2: Ich würde die englischen Begriffe ruhig lassen, oder aber gänzlich frei erfundene nehmen, die dann im Zuge der Erzählung aufgeklärt werden. Das vermag manchmal sogar Spannung aufzubauen. Ich erinnere mich noch wie sehr mich das Wort runcible bei Neal Asher neugierig gemacht hat ...
Hier bei diesem Portal sind gar nicht wenig Autoren zugange, deren Tipps sind sicher wissenswerter als meine. Ich selbst schreibe (noch ...) nicht und wenn ich es tue, ist es so ein unfertiges Gebilde wie im Thread eBooks - neue Tendenzen.
Liebe Grüße
Jakob
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#9
Geschrieben 16 November 2011 - 21:07
Hallo zusammen,
ich bin neu hier im SciFi-Forum. Um mich (ganz) kurz vorzustellen: ich bin 27 und komme aus einer verschlafenen Kleinstadt in Ostdeutschland.
[…]
Also, bevor ich vor Nervosität den Mut verliere – ohne größere Umschweife...
Hallo SETI,
herzlich willkommen.
Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, deinen Text zu lesen, aber ich wollte dir vorab schon einmal dafür danken, dass du beweist, dass es auch Autoren gibt, die mit dem Interesse an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit ihrem Text hierher kommen. Danke.
Biom Alpha ist im Sonnensystem angekommen. Jetzt auf eigener Seite und auf Twitter @BiomAlpha
#10
Geschrieben 18 November 2011 - 12:59
Das ist brav. Aber ich wollte, wenn ich das Messer raushole, um es einem hoffnungsvollen Autor ins Herz zu stoßen, wenigstens höflich sein. Hat ja auch geholfen.Ich empfinde das aber nicht als Nörgeln, sondern als konstruktive Kritik.
Englische Trademarks stören mich weniger, weil die Erfahrung lehrt, dass sie unübersetzt herüberschwappen (Winzigweich Rausguck und so ...). Es ist realistisch, sie so zu verwenden, aber man sollte sich überlegen, ob sie als schutzwürdige Trademark funktionieren (Pulse könnte ein Problem sein, weil man das Wort ja auch sonst verwenden kann).
Wechseln ins normale Präteritum - unbedingt. Wenn man mal einen längeren Abschnitt im Plusquamperfekt geschrieben hat, weiß man, dass etwas Unlesbares dabei rauskommt. Bei drei, vier Sätzen würde ich keinen Sprung machen, bei mehr als einem Absatz immer.
Der auktoriale Erzähler ist beim zweiten Abschnitt ein Problem. Er hat die ersten zwei Sätze, dann wechselst du zu deinem Protagonisten. Das würde ich vermutlich anders schreiben, mehr von innen heraus. Der erste Abschnitt ist dagegen unproblematisch, weil du sozusagen über der Handlung schwebst. Die Frage ist mehr: Brauchst du diesen Abschnitt? Wirklich? Das ist aber eine Stilfrage. Ich fange selbst gern mitten in meiner Figur und in irgendeinem Schlamassel an. Das ist eine Sache des Temperaments, und zum Glück sind wir alle verschieden.
"Sein Gehirn ejakulierte Endorphine" stört mich seltsamerweise gar nicht (wenn etwas Derartiges nicht in jedem 2. Satz kommt). Ich habe eine klare Vorstellung, was da abgeht und wie sich das anfühlt. Das Überschütten mit Glücksgefühlen ist ja auch eine Metapher, nur dass wir uns längst an sie gewöhnt haben. Dafür ist sie auch ziemlich abgelatscht. Und warum mir die Endorphine besser gefallen als die Glücksgefühle? Liegt wohl daran, dass auf meinem Labortisch keine Spenderflasche mit der Aufschrift "Endorphin" steht, obwohl man die manchmal brauchen könnte. Im Ernst - keine Ahnung. Bauchgefühl.
- • (Buch) gerade am lesen:Gene Wolfe "Sword and Citadel"
#11
Geschrieben 18 November 2011 - 13:50
Bi-lal kaifa
(Mehr muss nicht gesagt werden)
C. J. Knittel bei Facebook
- • (Buch) gerade am lesen:Story
-
• (Film) gerade gesehen: Vikings
-
• (Film) als nächstes geplant: Victoria
#12
Geschrieben 19 November 2011 - 17:23
Wenn Du sagst, dass Du ein Neuling beim Schreiben ist, muss ich vorsichtig einen Schwindel vermuten. Es liest sich, als habest Du schon das ein oder andere Geschrieben.
Ich habe wirklich erst vor knapp drei Monaten mit dem (fiktionalen) Schreiben angefangen. Aber ich habe mir natürlich vorher Gedanken gemacht.
Eigentlich war es so: Mir kam vor vier Monaten eine Was-wäre-wenn-Frage in den Sinn und ich dachte, dass könnte ein gutes Buch oder einen guten Film abgeben. Im darauffolgenden Monat wollte diese Idee nicht mehr aus meinem Kopf – ganz im Gegenteil, sie nahm immer mehr Gestalt an. Irgendwann dachte ich mir, dass ich die Idee aufschreiben muss, weil sie mir sonst bis in alle Ewigkeit auf den Keks geht. Also habe ich eines Abends leicht angetüddelt die ersten Zeilen geschrieben. Am nächsten Tag habe ich sie gelesen, für schlecht befunden und wieder gelöscht.
Einige Tage danach fing ich nüchtern noch einmal an. Der Auszug, den ich dann hier hineingestellt habe, hat aber nicht mehr viel damit gemeinsam. Es waren anfangs unglaublich viele Schachtelsätze enthalten, nahezu keine Sinneswahrnehmungen und alles wirkte gestelzt. Mir hat zwar meine Handlung gefallen, aber nicht die Umsetzung, also habe ich mir Tipps zum Schreiben gesucht und u.a. jene gefunden, die Jakob hier verlinkt hat:
Hallo Seti!
Ein Tipp: Ich weiß nicht, ob du es schon entdeckt hast, aber hier stehen, meine ich, wirklich interessante Dinge das Metier Schreiben betreffend:
http://www.scifinet....eroffentlichen/
Damit habe ich dann den Text überarbeitet.
Oder aber Du bist eine Leseratte.
Das ist wohl Auslegungssache. Ich lese sehr gern und auch fast jeden Tag. Aber in der Woche im Schnitt nicht mehr als 300 bis 400 Seiten. Da schaffen richtige Leseratten bestimmt das doppelte oder dreifache. Doch seitdem ich mit dem Schreiben angefangen habe, lese ich bewusster. Das heißt, wenn mir in einen Kapitel ein Absatz besonders gefällt, lese ich ihn noch ein zweites Mal. Bestimmte Sätze manchmal sogar ein drittes oder viertes Mal, um ein Gefühl für die Wahl der richtigen Worte zu bekommen. Außerdem habe ich mir ein dutzend Bücher herausgepickt und dort die ersten zehn Seiten gelesen, um zu sehen, wie verschiedene Autoren diesen Einstieg bewerkstelligen. Auch alles Tipps, die ich im Internet gefunden habe.
Mich würde interessieren, wie lang die komplette Geschichte sein wird. Dein Auszug liest sich wie ein Auszug aus einem Roman, dabei hatte ich etwas in Richtung Kurzgeschichte erwartet.
Ob es ein ganzer Roman wird, kann ich noch nicht beurteilen. Die Handlung, die mir bisher vorschwebt, würde den Umfang einer Kurzgeschichte sicherlich sprengen. Wahrscheinlich wird es eher so in die Richtung einer Novelle gehen. Vielleicht auch ein kurzer Roman. Schwer zu sagen.
Englische Trademarks stören mich weniger, weil die Erfahrung lehrt, dass sie unübersetzt herüberschwappen (Winzigweich Rausguck und so ...). Es ist realistisch, sie so zu verwenden, aber man sollte sich überlegen, ob sie als schutzwürdige Trademark funktionieren (Pulse könnte ein Problem sein, weil man das Wort ja auch sonst verwenden kann).
Der zugrundeliegende Gedanke dabei ist auch, dass diese Bezeichnung heutzutage in einem anderen (medizinischen) Kontext verwendet wird, aber in der von mir ausgedachten Zukunft nur bei Ärzten noch diese Verwendung findet. Es lässt sich wohl am ehesten mit Facebook vergleichen. Dessen Name bezeichnete ursprünglich gedruckte Studentenjahrbücher, aber niemand im angloamerikanischen Raum verbindet diesen Begriff heute noch damit. Ich beschreibe auch später in meinem Text, dass Pulse zu Beginn eher ein geflügeltes Wort war, das sich dann durchgesetzt hat.
Inwiefern das dann markenrechtlich geschützt werden kann, weiß ich nicht. Ich habe jedoch mal in einem Artikel gelesen, dass Facebook rechtlich gegen Betreiber von Communities vorgeht, deren Internetpräsenz die Begriffe "face" ODER "book" im Domain-Namen enthält. Zwei Wörter, die sich in einem anderen Kontext niemals schützen ließen.
Der auktoriale Erzähler ist beim zweiten Abschnitt ein Problem. Er hat die ersten zwei Sätze, dann wechselst du zu deinem Protagonisten. Das würde ich vermutlich anders schreiben, mehr von innen heraus. Der erste Abschnitt ist dagegen unproblematisch, weil du sozusagen über der Handlung schwebst. Die Frage ist mehr: Brauchst du diesen Abschnitt? Wirklich? Das ist aber eine Stilfrage.
Im Moment überarbeite ich den ersten Auszug noch einmal. Um aber wenigstens etwas produktives beizusteuern, hier die Fortsetzung des ersten Kapitels (auch nur ein weiterer Auszug, es fehlen noch ein paar Seiten):
[*] [Auszug] ePulse, Fortsetzung des ersten Kapitels
Der Pulse-Communication-Port stand auf der Glasplatte des Couchtisches. Daneben türmte sich eine Pyramide aus Zigarettenstummeln in dem quadratischen, schwarzen Keramikaschenbecher. Die Social-Eye-Cam lag auf der Lehne des weißen Ledersofas. David konnte sich nicht entsinnen, die streichholzschachtelgroße Kamera dort liegengelassen zu haben. Der Gedanke an die mittlerweile verklungenen Kopfschmerzen genügte ihm als Erklärung.
Er setzte sich und griff die Social-Eye-Cam. »SEC, Basis«, sagte er zu dem silbernen Apparat, der daraufhin seine Karbonflügel ausfuhr, kolibrigleich davonschwirrte und in den Slot oberhalb des PCP glitt.
David blickte sich um. Von der technischen Grundausstattung abgesehen, stammte die gesamte Einrichtung von einem skandinavischen Konglomerat, das eine Riege freundlich dreinschauender Asiaten leitete. Hergestellt wurden die Möbel in Fabriken, die sich in den rückständigen Randgebieten einer europäischen Großstadt befanden. David war sich nicht ganz sicher, ob es sich um Paris oder London handelte. Er wusste aber, dass er ›kundenorientierte Arbeitsbedingungen‹ mit dem Standort verband. Markante Slogans und witzige Spots durchzuckten jetzt Davids Gehirn. Wahrscheinlich hing das noch mit den Ad-Shots des Herstellers zusammen. Diese waren vor einiger Zeit wie ein bunter Blitz in seine Synapsen gefahren, als er sich im Pulse eingeloggt hatte. Ein paar Tage später hatte er das Sofa gekauft. Stilvoll und günstig.
Davids Bruder nannte es ›Four-letter-word-Ästhetik‹, aber der hatte einfach keinen Geschmack.
David legte seine Hand neben den PCP und hielt kurz inne. Allein die Vorstellung gleich in die globale Informationsflut einzutauchen, erhöhte seinen Herzschlag und ließ seine Handflächen feucht werden. Als Kind hatte ihn vor dem Einloggen oftmals eine unbegründete Angst vor dem Ertrinken überkommen. Heute empfand David eher die Angespanntheit eines Klippenspringers, bevor sich dieser von den zerklüfteten Rändern eines turmhohen Felsens stürzte. David legte den Zeigefinger auf den Abdrucksensor des PCP und blickte konzentriert in die Objektive der Kamera, damit sie seine Iris scannen konnten. Einen Moment später startete Pulse.
Das vertraute Interface leuchtete auf und spiegelte sich in Davids Augen. Eine rauchige Frauenstimme ertönte.
»Hallo David. Willkommen im Pulse.« Obwohl die Stimme computergeneriert war, hörte man ihr das nicht an. Im Gegenteil, sie strahlte anrüchigen Sexappeal aus. David ließ sich das vier Dollar neunundneunzig im Monat kosten. Er hatte sie Ashley getauft. »Möchtest du sehen, was dich momentan interessiert?«, fragte Ashley.
»Ja«, antwortete David.
"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"
#13
Geschrieben 20 November 2011 - 22:42
Bi-lal kaifa
(Mehr muss nicht gesagt werden)
C. J. Knittel bei Facebook
- • (Buch) gerade am lesen:Story
-
• (Film) gerade gesehen: Vikings
-
• (Film) als nächstes geplant: Victoria
#14
Geschrieben 21 November 2011 - 12:26
"Facebook" ist als Begriff schon spezifischer als "Pulse". "Poesiealbum" kann man im Deutschen vermutlich schützen (es gibt eine Lyrikreihe dieses Namens), ein Wort wie "Brot" dagegen nicht. "ePulse" geht schon wieder, weil es das Wort nicht gibt. Dass es im Deutschen dann nur noch "pulse" heißt, ist auch nachvollziehbar.
Nicht nachvollziehbar ist für mich ein Wort wie Pulse-Communication-Port. Stell dir das mal im wirklichen Leben vor. Würdest du etwas derartiges sagen? Kann man so ein Ding vermarkten? Für mein Gefühl ist alles, was länger ist als Pulse Port, nicht lebensfähig. Die Social Eye Cam ist ein ähnlicher Fall. Es gibt das sehr kurze Wort WebCam. Keiner würde Soziale Medien Kamera sagen. SEC hingegen ist einleuchtend, wenn auch irgendwie unsinnlich.
Meckern würde ich auf jeden Fall an "Four letter word-Ästhetik". Wenn du die Story deines amerikanischen Helden englisch schreiben würdest, wäre das in Ordnung. So aber nicht. Denn das ist ein Begriff, der mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ins Deutsche schwappen würde und sich für jemanden, der nicht sehr gut Englisch kann, auch nicht erschließt. Im Deutschen gibt es diese Kategorie nicht, und "Schimpfwortästhetik" ist auch zu nichts zu gebrauchen. Also finde ein gescheites deutsches Wort, um Ikea-Möbel zu beschreiben. Es gibt für mich keinen Grund, warum ein Amerikaner, der die ganze Zeit deutsch denkt, plötzlich englische Schimpfwörter benutzen sollte. Das ist inkonsequent.
(Mal davon abgesehen: Billigmöbel von Ikea kommen aus Polen oder Litauen, nicht aus China. Das hat einen Grund: Im Gegensatz zu Handys nehmen Schränke selbst als Bastelsatz viel Platz weg, die Transportkosten werden höher als die Einsparung beim Lohn. Das Zeug von Paris nach Kalifornien zu schleppen, wäre eine Menge Aufwand.)
Schließlich würde ich noch ein paar Adjektive streichen. In einem Anflug von Galgenhumor hat mein Mitstreiter Armin einem Autor mal an den Rand geschrieben: "In diesem Satz steht noch ein Substantiv, das kein Adjektiv hat. Da geht noch was!" Adjektive sind wie Gewürze - nimmt man zuviel, schmeckt es nicht mehr. Ohne geht es aber auch nicht.
»Möchtest du sehen, was dich momentan interessiert?« ist ein grauenvoller Satz. Das erste Programm, das mich so etwas fragt, wird schuld sein, wenn ich zum Terroristen werde. Es ist der Alptraum schlechthin. Ich weiß nicht, ob du es wirklich so gemeint hast, aber die Vorstellung, ein Programm entscheide, was mich gerade interessiert ... Aaaaah! Diese Stelle gefällt mir wirklich gut.
- • (Buch) gerade am lesen:Gene Wolfe "Sword and Citadel"
#15
Geschrieben 21 November 2011 - 23:13
Du solltest auf jeden Fall am Ball bleiben! Immer schön weiter schreiben, learning by doing. Und dich mit dem Handwerk beschäftigen. An Talent oder Instinkt mangelt es offensichtlich nicht.
Selbstverständlich freue ich mich über das Lob - wer täte das auch nicht... Doch ich weiß, dass gutes Schreiben viel Arbeit erfordert und ich noch eine ganze Menge zu lernen habe. Ich werde es jedenfalls nicht als Selbstläufer ansehen, denn mit solch einer Einstellung bin ich früher oft genug gegen die Wand gefahren (da könnt ich jetzt eine Anekdote aus meiner Abiturprüfung erzählen, aber das lass ich besser...).Zum Thema Talent hat, wenn ich mich recht entsinne, Marie von Ebner-Eschenbach gesagt, eine Distel sähe einem künftigen Baum viel ähnlicher als eine kleine Eiche.
So gesehen, wäre ich wohl lieber die Distel, eine Mischung aus beiden wäre aber auch ok: eine kleine Eistel
Eines vorweg: Heidrun, deine direkte Art der Kritik finde ich klasse. Immer auf den Punkt und doch immer fair. Auch wenn's im ersten Moment manchmal kurz wehtut - naja die Krux mit dem Stolz halt...Wichtiger ist die Bereitschaft zu lernen, und die gibt es hier offensichtlich. Also machen wir noch etwas weiter.
Tja, die Sache mit dem Pulse ist schon ein Dilemma. ePulse wäre eine Möglichkeit, eine andere ein Kompositum aus Pulse und einem weiteren einsilbigen Wort. Letzteres sagt mir mehr zu. Mir kam vorhin "PulseWatch" in den Sinn, aber das klingt in meinen Ohren eher nach einer verschreibungspflichtigen Armbanduhr. Zu diesem Thema muss ich wohl noch ein internes Brainstorming abhalten. Vielleicht fällt mir ja auch was völlig anderes ein."Facebook" ist als Begriff schon spezifischer als "Pulse". "Poesiealbum" kann man im Deutschen vermutlich schützen (es gibt eine Lyrikreihe dieses Namens), ein Wort wie "Brot" dagegen nicht. "ePulse" geht schon wieder, weil es das Wort nicht gibt. Dass es im Deutschen dann nur noch "pulse" heißt, ist auch nachvollziehbar.
Eigentlich hatte ich nur die Abkürzungen stehen (also PCP und SEC) und mir erst danach auf Teufel komm raus eine Langform einfallen lassen. Beides war als Anspielung gedacht - PCP auf die gleichnamige Droge (besser bekannt als Angel Dust) und SEC auf securitas bzw. security. Kritisch betrachtet kommt das aber sehr nahe an eine Redewendung, die ich einmal aufgeschnappt habe: "die Moral mit dem Holzhammer einprügeln". Subtil ist es zumindest nicht und wahrscheinlich nicht sehr realistisch, dass sich in der Zukunft niemand daran stören würde. Wenn ich bei einer Wortschöpfung mit Pulse bleibe, dann hätte ich eine neue Idee:pDesk und pCam. Obwohl das auch schon wieder ein zweischneidiges Schwert ist - einerseits wäre ein kleines P in Anlehnung an iPad und eBook ganz passend, andererseits klingt p wie "pee". Hmmm...Nicht nachvollziehbar ist für mich ein Wort wie Pulse-Communication-Port. Stell dir das mal im wirklichen Leben vor. Würdest du etwas derartiges sagen? Kann man so ein Ding vermarkten? Für mein Gefühl ist alles, was länger ist als Pulse Port, nicht lebensfähig. Die Social Eye Cam ist ein ähnlicher Fall. Es gibt das sehr kurze Wort WebCam. Keiner würde Soziale Medien Kamera sagen. SEC hingegen ist einleuchtend, wenn auch irgendwie unsinnlich.
Da gebe ich dir uneingeschränkt Recht. Hier sind meine Wortspiel-Pferde mit mir durchgegangen. Falls zufälligerweise ein amerikanischer Stand-Up-Comedian das hier liest, darf er das Wortspiel behalten...Meckern würde ich auf jeden Fall an "Four letter word-Ästhetik". Wenn du die Story deines amerikanischen Helden englisch schreiben würdest, wäre das in Ordnung. So aber nicht. Denn das ist ein Begriff, der mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ins Deutsche schwappen würde und sich für jemanden, der nicht sehr gut Englisch kann, auch nicht erschließt. Im Deutschen gibt es diese Kategorie nicht, und "Schimpfwortästhetik" ist auch zu nichts zu gebrauchen. Also finde ein gescheites deutsches Wort, um Ikea-Möbel zu beschreiben. Es gibt für mich keinen Grund, warum ein Amerikaner, der die ganze Zeit deutsch denkt, plötzlich englische Schimpfwörter benutzen sollte. Das ist inkonsequent.
Ein weiteres Beispiel dafür, wie hilfreich deine direkte Kritik ist. Stimmt, es ergibt wenig Sinn, Möbel in Europa zu produzieren und dann nach Amerika zu exportieren. Dann fällt der Herstellungsstandort der Kettensäge zum Opfer. Möglicherweise finde ich an anderer Stelle Verwendung für ein Produkt (bspw. was kleines elektronisches), das in einem Pariser Banlieue oder in Tottenham hergestellt wird.(Mal davon abgesehen: Billigmöbel von Ikea kommen aus Polen oder Litauen, nicht aus China. Das hat einen Grund: Im Gegensatz zu Handys nehmen Schränke selbst als Bastelsatz viel Platz weg, die Transportkosten werden höher als die Einsparung beim Lohn. Das Zeug von Paris nach Kalifornien zu schleppen, wäre eine Menge Aufwand.)
Wird erledigt. Das Spruch von deinem Mitstreiter ist genial.Schließlich würde ich noch ein paar Adjektive streichen. In einem Anflug von Galgenhumor hat mein Mitstreiter Armin einem Autor mal an den Rand geschrieben: "In diesem Satz steht noch ein Substantiv, das kein Adjektiv hat. Da geht noch was!" Adjektive sind wie Gewürze - nimmt man zuviel, schmeckt es nicht mehr. Ohne geht es aber auch nicht.
Danke. Ja, das war genauso gemeint. Da kam mir ein eCommerce-Anbieter in den Sinn, der mir immer sagt, was mich vielleicht interessieren könnte. Und vielleicht könnten in der Zukunft, diese beiden Wörter überflüssig werden.»Möchtest du sehen, was dich momentan interessiert?« ist ein grauenvoller Satz. Das erste Programm, das mich so etwas fragt, wird schuld sein, wenn ich zum Terroristen werde. Es ist der Alptraum schlechthin. Ich weiß nicht, ob du es wirklich so gemeint hast, aber die Vorstellung, ein Programm entscheide, was mich gerade interessiert ... Aaaaah! Diese Stelle gefällt mir wirklich gut.
Und zu guter letzt:
Klar doch. Für einen Austausch habe ich mich schließlich hier registriert.Ich sehe mich auch noch als Anfänger. Gerne können wir uns künftig austauschen.
Bearbeitet von SETI, 21 November 2011 - 23:18.
"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"
#16
Geschrieben 23 November 2011 - 12:31
Nach meiner Erfahrung sind Autoren einsichtiger, wenn man ihnen ganz konkret sagt, was einen stört. Mit "Dein Stil ist scheiße" kann keiner was anfangen. Richtig schlecht habe ich mich gefühlt, als ich das Lektorat an "Vilm" von Karsten Kruschel angefangen habe. Der Typ hatte schon Bücher veröffentlicht, als ich noch mit meinem Abi kämpfte, und er hatte über SF promoviert! Und dann komme ich an und erkläre ihm, dass er seine Schachtelsätze entschachteln soll. Aber wir haben beide viel dabei gelernt und reden immer noch miteinanderEines vorweg: Heidrun, deine direkte Art der Kritik finde ich klasse. Immer auf den Punkt und doch immer fair.
Und jetzt bekommst du noch einen Insidertip: Du musst nicht alles machen, was du gesagt bekommst. Wenn du einen richtig guten Grund hast, kannst du gegen fast alle Regeln verstoßen. Schließlich ist es dein Text.
Das ist einer von den Fällen, wo der Autor zu schlau ist für seinen Leser. Beide Abkürzungen sind bei mir völlig verpufft (wobei SEC in meiner privaten Hölle für eine Organisationsstruktur bei Samsung steht - keine Chance für etwas anderes). pCam sieht eigentlich richtig aus, aber marketingtechnisch hast du völlig recht - im Englischen klingt es total peinlich. Meine erste Eingebung war PulseCam. Gesprochen ist das nicht länger, sieht bloß nicht so cool aus. Was noch gehen könnte: pCa. Ein Pika ist ein ziemlich putziges Nagetier, das in den Rockies rumflitzt. Das wäre unpeinlich.Eigentlich hatte ich nur die Abkürzungen stehen (also PCP und SEC) und mir erst danach auf Teufel komm raus eine Langform einfallen lassen. ... eine neue Idee:pDesk und pCam. Obwohl das auch schon wieder ein zweischneidiges Schwert ist - einerseits wäre ein kleines P in Anlehnung an iPad und eBook ganz passend, andererseits klingt p wie "pee". Hmmm ...
Seit ein paar Jahren kommt immer mal wieder ein Autor mit der Idee, wir sollten die besten Randglossen aus dem Lektorat veröffentlichen. Das machen wir, wenn wir 25 Jahre durchgehalten haben ... oder so. Hardcover und Goldschnitt.Wird erledigt. Das Spruch von deinem Mitstreiter ist genial.
So, und jetzt wird weitergeschrieben. Husch an den Computer und in die Tasten gehauen!
- • (Buch) gerade am lesen:Gene Wolfe "Sword and Citadel"
#17
Geschrieben 08 Januar 2012 - 10:53
nett, dass du uns erlaubst, herumzufuschen an anderer Leut Texte. Macht stets am meisten Spaß!
Also:
... "Über dem Asphalt entvölkerter Straßen erhöhte das Leben seinen Herzschlag. Die Westküste erwachte. Unmengen von Daten durchströmten Glasfaseradern, die in der Silicon-Valley-Aorta mündeten. Nichts konnte sie verstopfen, das Herz in Palo Alto pochte und würde ewig pochen. Doch in der Hauptstadt Kaliforniens kam der Pulse durch mehrere Detonationen kurzzeitig aus dem Rhythmus. ..."
Der Anfang! Quäl den Leser nicht mit einem Satz, den er zweimal lesen muss, um ihn zu verstehen. Das ist zu anstrengend. Dein erster Satz müsste lauten: ...." Die Westküste erwachte. ... und über dem ..." Kurz, knapp und alle wissen bescheid wo sie sind. - Du wirst dich wundern, was jeder Leser zu Beginn tut... : Er orientiert sich!
Dann kannst du deinen ersten Einschub nachreichen: das wäre dann der nächste "Plopp", mit dem Du Deine Leser überraschst.
Der letzte Satz deines Einstiegs, ist nicht richtig formuliert. - Hier fehlt die Situation des Effekthaschens. Ich versuche es nur mal grob anders, um einen Gegenpol zu basteln:
"Doch in der Hauptstadt Kaliforniens kam der Pulse durch mehrere Detonationen kurzzeitig aus dem Rhythmus. ..."
... Einen Moment später kam der Pulse in der Hauptstadt K. durch dröhnende Detonationen aus dem Rhythmus..."
"Doch" : kündigt an - Regel: nimm nichts vorweg, wenn der Knaller zum Schluß wirken soll.!!! (wie passend bei deinem Geschriebenem!)
"kurzzeitig" : böses Wort, dass nimmt dir den Effekt und kehrt ihn um, überlege, wie du dir selbst das gedacht hast...
Alles andere haben einige da oben bereits sehr gut gesagt.
Liebe Grüße
Iwen
#18
Geschrieben 08 Januar 2012 - 19:54
danke für deine Ratschläge!
Glaub ich gern. Dafür ist eine Autorenwerkstatt ja auch da, außerdem krieg ich so kostenlose Tipps und kann dazulernen.nett, dass du uns erlaubst, herumzufuschen an anderer Leut Texte. Macht stets am meisten Spaß!
Ich hab lange über meinen ersten Satz nachgedacht, schließlich sind Erste Sätze ein Thema für sich. Hier im Forum gibt es ja auch zwei Threads, die sich damit beschäftigen:Der Anfang! Quäl den Leser nicht mit einem Satz, den er zweimal lesen muss, um ihn zu verstehen. Das ist zu anstrengend. Dein erster Satz müsste lauten: ...." Die Westküste erwachte. ... und über dem ..." Kurz, knapp und alle wissen bescheid wo sie sind. - Du wirst dich wundern, was jeder Leser zu Beginn tut... : Er orientiert sich!
Dann kannst du deinen ersten Einschub nachreichen: das wäre dann der nächste "Plopp", mit dem Du Deine Leser überraschst.
Wie wichtig ist der erste Satz?
http://www.scifinet....der-erste-satz/
In welchem Roman steht der schönste, griffigste oder beste erste Satz?
http://www.scifinet....ste-erste-satz/
Ich wollte schon, dass er künstlerisch und etwas geheimnisvoll klingt. Nun fehlt mir bei meiner eigenen Geschichte die Objektivität, um das genau beurteilen zu können, aber fandest du ihn wirklich so verwirrend? Ok, die nachfolgenden Sätze könnten klarer formuliert sein, aber ich dachte immer, dass der erste Satz schon etwas mystisches (ist vielleicht nicht das richtige Wort) ausstrahlen dürfte...
Ich stimme dir aber zu, dass ich es in den ersten Absätzen ein wenig übertrieben habe, das hat Heidrun ja auch schon einmal treffend zusammengefasst:
Ich denke, in diese Richtung geht auch deine Kritik, oder?Ich hätte es lieber gelesen, wenn ich nicht die ganze Zeit das Gefühl gehabt hätte, da strengt sich einer mächtig an, um möglichst originell zu formulieren. Nicht dass es schlecht wäre, sich was einfallen zu lassen, aber das ist wie mit einem amerikanischen Weihnachtsbaum - einfach zu viel.
Hier gibt's für mich nichts rumzudrucksen, da ist dein Satz eindeutig besser. Kurzzeitig schwächt die Wirkung ab und es hat mich selbst gestört, dass ich den Satz mit Doch begonnen hab - mir fiel bloß keine bessere Formulierung ein. Jetzt hab ich eineDer letzte Satz deines Einstiegs, ist nicht richtig formuliert. - Hier fehlt die Situation des Effekthaschens. Ich versuche es nur mal grob anders, um einen Gegenpol zu basteln:
"Doch in der Hauptstadt Kaliforniens kam der Pulse durch mehrere Detonationen kurzzeitig aus dem Rhythmus. ..."
... Einen Moment später kam der Pulse in der Hauptstadt K. durch dröhnende Detonationen aus dem Rhythmus..."
"Doch" : kündigt an - Regel: nimm nichts vorweg, wenn der Knaller zum Schluß wirken soll.!!! (wie passend bei deinem Geschriebenem!)
"kurzzeitig" : böses Wort, dass nimmt dir den Effekt und kehrt ihn um, überlege, wie du dir selbst das gedacht hast...
Na ja, diese Geschichte stellt halt meinen ersten Schreibversuch dar und war im übrigen auch mein erstes Posting im SFN überhaupt (lang ist's her ). Momentan schreibe ich erstmal an ein paar Kurzgeschichten, um die Grundlagen besser zu vertiefen - mit einem Roman (das soll aus dieser Geschichte eines schönen Tages werden) würde ich mich bestimmt noch übernehmen. Wahrscheinlich werde ich sie irgendwann grundlegend überarbeiten, vielleicht auch ganz von vorn anfangen.
Seti
Bearbeitet von Seti, 08 Januar 2012 - 19:56.
"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"
#19
Geschrieben 10 Januar 2012 - 10:25
Hallo Iwen,
danke für deine Ratschläge!
Glaub ich gern. Dafür ist eine Autorenwerkstatt ja auch da, außerdem krieg ich so kostenlose Tipps und kann dazulernen.
Ich hab lange über meinen ersten Satz nachgedacht, schließlich sind Erste Sätze ein Thema für sich. Hier im Forum gibt es ja auch zwei Threads, die sich damit beschäftigen:
Wie wichtig ist der erste Satz?
http://www.scifinet....der-erste-satz/
In welchem Roman steht der schönste, griffigste oder beste erste Satz?
http://www.scifinet....ste-erste-satz/
Ich wollte schon, dass er künstlerisch und etwas geheimnisvoll klingt. Nun fehlt mir bei meiner eigenen Geschichte die Objektivität, um das genau beurteilen zu können, aber fandest du ihn wirklich so verwirrend? Ok, die nachfolgenden Sätze könnten klarer formuliert sein, aber ich dachte immer, dass der erste Satz schon etwas mystisches (ist vielleicht nicht das richtige Wort) ausstrahlen dürfte...
Ich stimme dir aber zu, dass ich es in den ersten Absätzen ein wenig übertrieben habe, das hat Heidrun ja auch schon einmal treffend zusammengefasst:
Ich denke, in diese Richtung geht auch deine Kritik, oder?
Hier gibt's für mich nichts rumzudrucksen, da ist dein Satz eindeutig besser. Kurzzeitig schwächt die Wirkung ab und es hat mich selbst gestört, dass ich den Satz mit Doch begonnen hab - mir fiel bloß keine bessere Formulierung ein. Jetzt hab ich eine
Na ja, diese Geschichte stellt halt meinen ersten Schreibversuch dar und war im übrigen auch mein erstes Posting im SFN überhaupt (lang ist's her ). Momentan schreibe ich erstmal an ein paar Kurzgeschichten, um die Grundlagen besser zu vertiefen - mit einem Roman (das soll aus dieser Geschichte eines schönen Tages werden) würde ich mich bestimmt noch übernehmen. Wahrscheinlich werde ich sie irgendwann grundlegend überarbeiten, vielleicht auch ganz von vorn anfangen.
Seti
Ich habe meine besten Geschichten mindestens 10 mal überarbeitet, mir systematisch Notizen gemacht über jede Überarbeitung, um festzuhalten, was sich verbessert hat - es hat sich stets was verbessert. Ich habe erst durch das Schreiben, das Schreiben erlernt.... und einige sehr gute Leute zur Rate gezogen!
Besucher die dieses Thema lesen: 7
Mitglieder: 0, Gäste: 7, unsichtbare Mitglieder: 0