Das ist dann aber eher eine philosophische Trennlinie, die man da zieht. Genauso könnte man einen Menschen als "Biomaschine" bezeichnen, die den Zweck hat sich selbst fortzupflanzen und die Umwelt an eigene Wünsche anzupassen. Da ich im Bereich der Philosophie nicht allzu bewandert bin, möchte ich mich da etwas zurückhalten; nur soviel: es wird sehr schwer, diese Trennlinie bzw. diese "neue Qualität" an irgendetwas messbarem festzumachen. Das ist sehr schwammig.
Es ist immer ein wenig heikel und zu kurz gegriffen *dem* Menschen einen *Daseinszweck* zu unterstellen der ihn entweder rein naturalistisch durch seine Biologie beschreibt und ihn somit als Biomaschine auf bestimmte Biofunktionen reduziert, oder ihm auf der anderen Seite ein metaphysisches Lebensziel vorgibt, das in einem dem Dasein zugrunde liegenden *Plan* der Evolution besteht. Das sind beides rein anthropomorphe Vorstellungen, die in die *Natur der Dinge* hineininterpretiert werden und da begeben wir uns in der Tat auf das Gebiet der philosophischen Metaphysik. Aber weder versklavt uns unsere biologische Ausstattung, womit die Bezeichnung Biomaschine irreführend ist, noch erfüllen wir mit unserem Leben ein teleologisch definiertes transzendentes Endziel der Evolution. Wir Menschen setzen uns unsere Lebensziele selbst und das macht echte Autonomie aus, auch wenn diese Freiheit manchmal belastend ist, weil sie mit Entscheidungen verbunden ist.
Und deshalb meine ich, wenn ich von hoch entwickelten Robotern rede, die komplexe menschliche Tätigkeiten und Aufgabestellungen bewältigen können um zum Beispiel als Ingenieure oder Piloten auch schwierige Entscheidungen treffen zu müssen, dass ihre Fähigkeiten eine neue *Qualitätsstufe* erreichen, die an Hand der Qualität ihrer Aufgabenstellung durchaus auch messbar ist, weil sie autonomes Handeln erfordert und ein Maß an Freiheit, welches die Erfüllung einfacher Aufgaben und Zwecke überschreitet, z.B. die einer Sexpuppe.
Es gibt es eine Pirx-Geschichte,
Die Verhandlung, in der Pirx eine Besatzung testen soll, in der als Menschen getarnte Roboter eingeschmuggelt werden, um zu beweisen, dass auch Maschinen menschliche Aufgaben übernehmen können. Pirx soll nun durch Beobachtung und Befragung herausfinden, wer in seiner 5-köpfigen Mannschaft der Automat ist. Das stellt sich - natürlich - schwieriger heraus, als gedacht. Und in der Tat entpuppt sich der Roboter einfallsreicher und perfider als gedacht und zudem als findiger Saboteur in eigener Sache und bringt Pirx so in tödliche Schwierigkeiten, die er zwar in letzter Sekunde beheben kann, für die er sich dann später aber rechtfertigen muss (deshalb der Titel der Geschichte). Lem thematisiert in der Erzählung so ganz nebenbei einige grundlegende Fragen der Beziehung Mensch-Roboter.
Zudem: Sobald es Androiden gibt, die wirklich menschlich aussehen und agieren, wird das kaum ein planetares Geheimnis bleiben. Die Menschheit bzw. jeder einzelne wird sich dann recht schnell darüber klar werden müssen, wie er/sie künftig auf so etwas reagieren möchte. Von daher sehe ich da das "Entsetzen"-Potential nicht. Das gibts ja nur, wenn der Nicht-Android sich nicht bewusst ist, dass es solche Maschinen überhaupt gibt (Terminator-Szenario).
Nun, da die Entwicklung menschlicher Roboter auch nicht schlagartig zu perfekten Androiden führen wird, sondern eine Reihe langsamer Entwicklungsschritte beeinhalten wird, dürfte auch die Anpassung der Menschen langsam erfolgen und das Entsetzen der Menschen über komplett humanoide Roboter gering sein, da hast du wahrscheinlich recht.
Da fällt mir allerdings ein Aspekt ein, der zwar ein wenig vom Thema wegführt, aber vielleicht nicht unberücksichtigt bleiben sollte. Falls es denn einmal Roboter geben sollte, die menschliche Tätigkeiten und Aufgaben immer besser und perfekter beherrschen und ausüben können, werden die sozialen Verwerfungen enorm sein. Arbeitslosigkeit wird da noch das geringste Problem sein. Ich denke, dass der flächendeckende Einsatz von Robotern, die jede menschliche Tätigkeiten ersetzen können, außer vielleicht die stark spezialisierten kreativen, auf künstlerischem oder wissenschaftlichem Gebiet, das Ende unserer bisherigen Zivilisation bedeuten könnte. Angenommen die Menschheit hätte die Ressourcen zur Verfügung diese Welt zu unterhalten, was sollten die Menschen dann noch tun? Es würden sich doch alle zu Tode langweilen. Interessanterweise wurde dies Problem in Star Trek nie thematisiert. Denn mit Einführung des Holo-Docs, der ja fachlich sogar einen hochspezialisierten Facharzt ersetzt, ist doch im Prinzip eine menschliche Besatzung in Raumschiffen ab dem Moment überflüssig. Das nur nebenbei.
Hier erreichen wir wieder die Philosophie. Bis wohin ist es eine Simulation, ab wo die "neue Qualität"? Wo zieht man die Trennlinie?
Es wird sicher interessant sein, wie *mensch* reagiert, wenn ihm eine Maschine begegnet, die völlig menschlich aussieht und reagiert, auch wenn *mensch* sich klar darüber ist, dass das Gegenüber eine Maschine ist. Ich glaube, dass das Gefühl mit einer Maschine zu reden ab dem Moment verschwindet, wenn man glaubt es mit einem Menschen zu tun zu haben. Von da an ist deine *Trennlinie* überschritten. Dann ist die Maschine keine Maschine mehr. Dann hört auch die Zweckgebundenheit der Maschinenexistenz auf und der Weg für Partnerschaftlichkeit, für Freundschaft und Beziehung ist geebnet. Dennoch muss *mensch* sich doch fragen, was tue ich hier? Wir können vielleicht Freunde sein, eine Beziehung haben, uns vielleicht körperlich lieben, aber es stellt sich doch immer die Frage sind die Gefühle echt, empfindet das/der/die Andere das Gleiche wie ich. Diese Fragen lassen sich doch nicht wegschieben.
Ich denke es gibt eine Grenze zwischen Freundschaft und Liebesbeziehung in all ihren menschlichen Facetten zwischen Leidenschaft, Eifersucht und Gleichgültigkeit. Ich sehe kein Problem in einer Freundschaft mit einem künstlichen Wesen das intelligent ist, mit dem man sich intelligent unterhalten kann und vielleicht Humor versteht. Aber bei einem Roboter, selbst wenn es die perfekte Traumfrau wäre, hätte ich wohl immer das Gefühl, des Irrealen, des Unnormalen, denn so perfekt ein Mensch auch simuliert wird, bis hin auf die letzte emotionale Glaubwürdigkeit optimiert, es bliebe doch immer dieser Rest Misstrauen, der mir sagt, das alles ist nur vorgespielt, weil die biologische Gemeinsamkeit fehlt, das Gefühl, dass man zur selben Art gehört, der selben Ahnenreihe entstammt, kurz gesagt, dass der/die Andere eine® von uns ist.
Wir Menschen sind, was und wie wir sind, weil wir eine Evolution durchlaufen haben, die unsere Gestalt, unser Denken, unser Gefühlsleben geformt haben, weil das alles für unser Überleben notwendig war. Wir können uns unseren Körper nicht aussuchen, sondern müssen damit leben und haben uns auch damit arrangiert. Unserer ganze Kultur beruht darauf. Ein Roboter, ist nicht darauf fixiert ein Mensch zu sein, mit all seinen biologischen Notwendigkeiten. Seine Funktion ist völlig offen. Er könnte auch ein Toaster sein. Was also bewegt so einen Roboter wirklich. Unsere menschlichen Antriebe, die im Wesentlichen durch unsere Körperlichkeit, also biologisch determiniert sind, auch wenn wir uns in Maßen davon emanzipieren können, fehlen bei einer Maschine, die ja konstruktiv ganz anders aufgebaut ist. Deshalb die Frage: was motiviert einen Roboter, der autonom ist und sich frei entscheiden kann? Wozu sollte er dem Mensch dienen wollen, außer man zwingt ihn dazu? Und wozu sollte er menschlich werden wollen? Ist es nicht eher so, dass ein Roboter seinem *Wesen* nach stets fremd bleiben wird, egal wie menschlich sein Verhalten auch erscheinen mag, da seine innere Struktur, seine Körperlichkeit weder biologisch noch menschlich ist.
Mein Gefühl ist, ich kann es nicht beweisen, aber ich behaupte es, dass es nie gelingen wird menschliche Emotionen in einer Maschine so zu simulieren, dass sie den Emotionen eines Menschen nahe kommen. Warum? Es ist schwierig zu erklären, aber ich glaube, dass die Emotionalität und auch die Personalität des Menschen nicht allein in seinem Kopf lokalisiert ist, quasi als Programmcode, sondern ein holistisches emergentes Phänomen ist, das die gesamte Körperlichkeit des Menschen miteinbezieht, einschließlich des gesamten endokrinen Systems (die Hormone), der Rückkopplung des Gehirns mit dem Körper (Stichwort: Körperempfindung) usw.
Falls sich jemand gelegentlich fragt, ob ich nicht völlig durchgeknallt bin, weil ich dieses Roboter-Thema so ernst nehme. Ja das stimmt *g*. Aber soo ernst nehme ich es auch wieder nicht. Andererseits bin ich auch nicht durchgeknallter als jeder beliebige Philosoph im Elfenbeinturm, der sich über Metaphysiken Gedanken macht, über Philosophien wie Nondualismus und ähnliches oder als SF-Autoren wie viele hier im Forum, die sich ohne Not irgendwelche Phantasie-Geschichten ausdenken und sie sogar veröffentlichen. Im Moment sind Roboter von der Art wie die, über die ich hier *philosophiere*, ganz und gar fiktiv und es ist noch völlig offen, ob es sie je geben wird. Dennoch macht es Spaß sich darüber Gedanken zu machen, wie es ja überhaupt Spaß macht sich über Science-Fiction Themen Gedanken zu machen, deshalb lesen wir ja Science-Fiction Literatur und sehen Filme und deshalb gibt es diese Forum.
Ich betrachte übrigens diesen Thread als meinen privaten Sandkasten, aber ihr dürft ruhig mitspielen ...
LG Trurl
Bearbeitet von Trurl, 03 März 2012 - 11:35.