Mich hätte mehr interessiert, was deine eigene Meinung ist. Punktuell empörende "Fakten" sind immer zu finden; ich persönlich bin in dieser Sache auch weniger an der Wahrheit interessiert (angeblich das einzige Ziel einiger Mitdiskutanten hier) sondern an der muslimischen Realität.
Ich habe mich absichtlich zurückgehalten, da Diskussionen mit solchen Themen meist sehr schnell ausfransen in gewaltige Posts mit zig Quotes, die verschiedenste Themen behandeln. Von "Islam in Deutschland" kommt man sehr schnell zu "Islam allgemein", "Christentum" (mit Querverweisen auf Kreuzzüge, Pädophile, Hexenverbrennung usw.), "Judentum", "Naher Osten", "11. September", "USA" (mit Querverweis auf George W. Bush" usw. Das führt zu nichts und endet meist damit, dass zwei/drei Leute einen Privatdialog führen und seitenweise virtuelles Papier produzieren.
Um beim Thema "Islam in Deutschland" weiterzukommen, muss man erstmal Fakten zusammentragen, die man auch als Basis für eine Diskussion verwenden kann. Broder ist m.E. einer, der das kann, da er jenseits der political correctness argumentieren kann und darf, ohne gleich in die "Ich bedauere meine Äußerungen und wollte überhaupt nicht blabla"-Entschuldigungsfalle zu laufen. Das dürfen die meisten anderen Diskutanten nicht, denn sie sind nicht jüdisch-polnischer Abstammung. Da Broder das hier macht, habe ich die Links reingestellt.
Broder ist oft lesens- & hörenswert (ich habe jetzt nur das 1. Video angesehen bisher), aber auch oft polemisch und rhetorisch mit allen Wassern gewaschen. Er attackiert gerne auf der Metaebene, z.B. indem er seine Gegenredner gleich am Anfang als absurd darstellt, so dass man auf ihre Argumente schon gar nicht mehr eingehen müsste.
Was Broder (im 1. Video) über den Islam sagt, finde ich Ok, auch wenn er an der einen Stelle Dinge hervorhebt, die wiederum ein verschwindend kleiner Teil der Berliner Muslime tut & von sich gibt, genau wie ja die meisten dt. Medien es ständig auch hervorheben. Ich möchte auf einen Punkt genauer eingehen: Dass man über Religionen spotten darf. Dem stimme ich grundsätzlich zu. Voraussetzung aus meiner Sicht ist aber, dass man dann nicht gleich über alle Ausüber dieser Religion mit spottet, und diese sogar ins Zentrum des Spotts versetzt. Spott wird in so einem Fall auch schnell zu Verachtung, wenn auch nicht unbedingt beim Spötter.
Das sind eigentlich die zwei Kernthesen von Broder.
a.) Wir erleben die Re-Klerikalisierung des öffentlichen Lebens. Es wird unglaublich viel über Religionen und religiöse Strömungen gesprochen, die vor 15 Jahren keine Sau kannte. Wer damals Sunniten, Schiiten und Wahhabiten unterscheiden konnte, war schon ein halber Theologe. Heute weiß fast jeder, der Zeitung liest, was ein Salafist ist.
Und man darf sich auch nicht mehr über Religionen lustig machen, weil sonst sofort auf der Welt Flaggen brennen und der heilige Krieg ausgerufen wird. Hätte es vor 15 Jahren auch nicht gegeben.
b.) Die Probleme "Islam in Deutschland" werden von einer Minderheit der Moslems in Deutschland verursacht. Das muss festgehalten werden. Das darf aber weder als General-Entschuldigung Marke "Ist nicht so schlimm" benutzt werden, noch als Untertreibung der Marke "Alle Muslime sind doch innerlich so". Es ist einfach eine Tatsache.
Tatsache ist aber auch, dass eine Minderheit reicht. Die Mehrheit der Bevölkerung ist auch nicht pädophil, trotzdem verwenden wir sehr viele Ressourcen darauf, mit der Minderheit der Pädophilen fertig zu werden. Ganz genauso muss man das mit den problematischen Moslems handhaben.
Broder weist darauf hin, dass die Moslems selber entweder nicht willens oder fähig sind, mit den Problemen in ihrer Gemeinschaft umzugehen (genannt wurden ja die Beispiele Ehrenmorde und der ganze Themenkomplex darum, misshandelte Frauen und eben auch extremistische Strömungen). Das überlassen sie dem deutschen Staat, während sie selbst Sonderrechte für sich einfordern, die andere Einwanderergruppen so nicht für sich beanspruchen. Auch das ist eine Tatsache, die sich nicht bestreiten lässt.
Das meine ich mit "Dingen, die beide Seiten nicht hören wollen". Die Fakten, die die islamische Gemeinde negativ beleuchtet, werden vorallem von islamischen Verbänden und linken Gruppierungen kritisiert und geleugnet. Die Fakten, die die Mehrheit der islamischen Gemeinde als unauffällig beschreibt, werden von rechten Gruppierungen kritisiert und durch die Selbstdarstellung islamischer Extremisten geleugnet (die ja behaupten, dass sie für alle Moslems sprechen). Wir haben also eine Debatte, bei der die Kontrahenten die Fakten nicht als solche akzeptieren, sondern als Propaganda darstellen.
Auf der Basis kann man gar nicht zu Lösungen kommen. Ich erwarte daher nicht, dass es zu irgendwelchen Kurskorrekturen kommen wird.
Ich erwarte dagegen:
a.) dass sich extremistische Bewegungen in Europa ausbreiten werden und zwar weniger durch Einwanderer, sondern mehr durch radikalisierte Migranten der jüngeren Generationen und radikale Konvertiten
b.) dass sich als Gegenreaktion dazu rechte und rechtextreme Gruppierungen verstärken werden, wie sich das in Ländern wie Frankreich, Griechenland, Niederlande und Skandinavien bereits andeutet
c.) dass die islamischen Dachverbände nicht willens sein werden, dem Treiben der eigenen Extremisten ein Ende zu machen
d.) dass die deutschen Offiziellen nicht in der Lage sein werden, dem Treiben der Rechten und der islamischen Extremisten ein Ende zu machen
Meine Hoffnung ist, dass die Zeit zeigen wird, dass der Islamismus keine Antworten auf die Frage der Moderne hat und enttäuschen wird. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.
Kann man etwas tun, um diesen Weg zu beschleunigen? Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass wenn die politische Mitte dieses Thema weiterhin stiefmütterlich betrachtet, dass dann auch irgendwann die deutsche Rechte stärker wird, weil sie sich des Themas annimmt. Und was dann passiert, konnte man beim Celebrity Deathmatch "Salafisten vs. Pro NRW" beobachten.