Trurl schrieb am 02 Juli 2012 - 11:27:
Das erinnert doch stark an die Geschichte vom wahnsinnigen Schneider im Kapitel "Wahnsinn mit Methode" aus Lems Summa technologiae. Dieser Schneider näht Kleider in allen Passformen und Variationen. Darunter sind z.B. Kleider für Menschen, große, kleine, dicke, dünne, oder Schmetterlinge, oder Kraken, oder reine Phantasiewesen. Aber für die meisten Kleider, die er schneidert, gibt es keine Verwendung. Genauso arbeiten die Mathematiker, wenn sie mathematische Methoden erfinden für die es keine realen Anwendungen gibt.
Manchmal aber doch, wenn ein Physiker "zufällig" in dem Werkzeugkasten Mathematik eine brauchbare Methode findet um einen physikalischen Sachverhalt zu beschreiben. Nun ja, und die Mathematik der Physik als Spielkram zu bezeichnen ist ein wenig arrogant, schließlich sollten die Mathematiker dankbar dafür sein, dass ihr Handwerk überhaupt auf Dinge der realen Welt angewendet werden kann. Schließlich ist gerade dieser Umstand, dass die Mathematik so genau auf die Wirklichkeit passt, ein ungelöstes Problem an dem sich Mathematiker und Philosophen schon seit langem die Zähne ausbeissen.
Ach Trurl, Du hast nur vergessen meinen Smiley mitzulesen. Arrogant ist das gar nicht, gemessen daran, was ein Mathematiker heute in der Universität lernen und lehren muss, sind die Methoden, die eine physikalische Anwendung haben oft Spielzeug. Das heißt ja nicht, dass sie schlecht funktionieren oder einfach zu finden waren.
Und der Umstand, dass "die Mathematik" so gut auf die Welt passt ist eine Illusion: Du sagst ja selbst, dass wir Schneider ganz viele unterschiedliche Klamotten genäht haben. Das ein Kleid davon - die Analysis und die analytische Geometrie - dem Universum so gut passt ist doch dann gar kein Wunder, sondern eine Zwangsläufigkeit.
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Wie auch immer die Mathematik von Aliens aufgebaut sein mag, letztlich ist das egal denke ich, denn wenn sie reale physikalische Probleme lösen wollen, müssen sie zu ähnlichen Lösungen gekommen sein wie wir. Insofern ist die Mathematik vielleicht schon der kleinste gemeinsame Nenner, auf der man Kommunikation aufbauen könnte. Ob das auf Dauer befriedigend ist, weiß ich auch nicht.
Müssen sie schon. Schlomos Einwand ist trotzdem berechtigt, denn die Tatsache, dass zwei mathematische Theorien dieselben Schlüsse zulassen, also in diesem Sinne surjektiv auf das Universum passen, heißt nicht, dass sie schon kongruent oder auch nur isomorph sind: Die Aliens könnten bei ganz anderen Axiomen anfangen, und daraus ihr ganzes Gebäude entwickeln. Wenn wir schon den Anfang nicht kapieren - und sie müssen ja nicht wie in Contact mit dem Aufbau des Zahlensystems anfangen, wieso auch? - dann haben wir nur kleine Chancen, die ganze Nachricht zu kapieren. Setz Dich mal in eine beliebige Hauptstudiums-Veranstaltung eines Faches, das Du nicht kennst. Du kapierst nichts, wenn Du die Grundlagen nicht vorher gelernt hast.
Zitat
[...] der kleinste gemeinsame Nenner
Wie ich sehe, bist Du kein Mathematiker
Hey, nicht böse sein, das ist nicht arrogant gemeint!
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Was ich mir aber auch vorstellen könnte, ist, dass die Fremden gar keine Mathematik in unseren Sinne, eine formalisierte, auf logischen Schlussregeln basierende Symbolsprache benutzen, weil ihre Hirne mathematische Sachverhalte intuitiv oder sinnlich wahrnehmen können, dass sie sozusagen eine mathematischen Sinn haben. Ich stelle mir das so vor wie die Inselbegabungen der "Idiot savants", nur auf höherer Ebene, dass sie beispielsweise mehrdimensionale Räume "sehen" können oder partielle Differentialgleichungen "im Kopf" lösen, ohne sagen zu können, wie sie das machen, weil sie es einfach tun. In primitiver Form machen wir das auch, wenn wir schätzen (meistens falsch). Die Frage stellt sich, wie und warum sich solche Begabungen evolutionär entwickeln könnten, - ich habe keine Ahnung.
Die Natur ist vollgestopft mit Systemen, die DGLs lösen, ohne auch nur einen Funken "intelligent" zu sein: Wirbelstürme, Flusssysteme, Ökosphären, Korallenriffe, Protuberanzen, Buschfeuer, Vogelschwärme, usw. Um für unser Szenario interessant zu sein, muss man aber ein allgemeiner Problemlöser sein, eine flexible Intelligenz und vielleicht so etwas wie Selbstbeobachtung entwickeln (klar, es könnte auch ein Heuschreckenschwarm sein, dann wäre die Geschichte aber schnell zu ende). Wenn es eine Selbstbeobachtung gibt, dann wissen die Fremden um ihre Fähigkeit und haben eine Theorie davon, dann können sie das ganze Formalisieren, haben also eine Mathematik.
Das ist nicht das Problem.
Das Problem ist, dass es nicht unsere Axiome sind.