Hier kommen meine Anmerkungen zur Nummer 19 (Paul Mathews wird nachgeliefert):
Insgesamt fand ich die Ausgabe nicht überzeugend. Die einzige sehr gute, wenngleich nicht herausragende Story hat Gabi Behrend abgeliefert, gern gelesen habe ich noch die Beiträge von Rump und Fienhold. Allerdings war auch kein kompletter Ausfall dabei.
In das allgemeine Lob von Falkes Erzählkunst kann ich in diesem Fall leider nicht einstimmen.
Der allgemeinen Nörgelei über das enge Layout schließe ich mich vollumfänglich an. 2,25 Standard-Manuskriptseiten auf eine NOVA-Seite zu quetschen und dann noch mit unmotiviertem Wechsel der Schriftdicke (oder wie immer der typographische Fachausdruck dafür lautet) - das erzeugt Augenkrebs!
Die Redaktion: Editorial
Inhalt: Hahn ist weg und bekommt ein Special. Hilscher geht weg, dafür kommt Klöpping. Und das NOVA-Layout wird sich ab #20 ändern.
Fazit: Kurz, knapp, informativ!
Norbert Stöbe: Schwarze Schwäne (I: Nummer 85)
Inhalt: In Kurejka brannte vor 30 Jahren eine außerirdische Kugel ein Loch in den Boden. Seitdem hängt die Kugel dort unbeweglich an der gleichen Stelle, seitdem versucht eine Wissenschaftlergruppe verzweifelt, etwas über das Ereignis und die Zusammensetzung von Kugel und anderen Items zu erfahren. Franks Ex Helen, mit der er zusammen damals Augenzeuge des Einschlags wurde, besucht ihn unter einem Vorwand, um die Zeit zurückzudrehen.
Fazit: Grundidee gut, die Budgetbesprechung am Anfang hervorragend geschrieben, aber Gespräch Frank-Helen ist etwas zu glatt geraten. Die Illu von Nummer 85 ist handwerklich gelungen, aber zu weich und zu ornamental für die Story.
Frauke Gimpel: Konsumjunkie (I: Markus Bülow)
Inhalt: Zeelan lässt sich von „Sponsored-Life“ finanzieren und lernt seitdem keine Frau mehr kennen. Bis er eines abends auf Larina trifft, die hervorragend Werbesprüche herunterbetet.
Fazit: Nette Satire auf Konsumgesellschaft, ordentlich geschrieben, aber man kennt sowohl Thema als auch Stil zur Genüge. Bülows comicartige Illu ist klasse!
Arno Behrend: Die ganze Wahrheit (I: Carsten Dörr)
Inhalt: Eine Forschergruppe will mit einer Zeitsonde den Mord an John F. Kennedy aufklären. Als sie die wahren Täter entlarven, häufen sich merkwürdige Unfälle.
Fazit: Grundidee bekannt, aber nett variiert und gut geschrieben. Die drei Wochen Verzögerung nach dem Anschlag auf Greg schwer nachvollziehbar. Auflösung nett, aber Schlussdialog etwas zu philosophisch geraten. Dörrs Illu passt und ist gut.
Matthias Falke: Der Bruch der nordwestlichen Stelze (I: Christoph Jaszczuk)
Inhalt: Die finale Wandlung der Sonne in einen roten Riesen geschieht früher und schneller als erwartet. Ein Zentraler Rat findet den einzigen Rettungsweg für Menschheit und Erde: mit Hilfe eines Gravitationswellengenerators wird die Erde aus dem Sonnensystem katapultiert, um nach einigen Jahrzehnten in ein Orbit um Alpha Zeti einzuschwenken. Die Energie für die Übergangszeit (nuklearer Winter genannt) liefert ein Reaktor, der an der Spitze einer 30 km hohen, eiffelturmartigen Stahlkonstruktion angebracht ist. Eines Tages bricht die nordwestliche Stelze. Doch das ist nicht die einzige Entwicklung, die das größte Projekt der Menschheit bedroht.
Zumindest erfährt das der Ich-Erzähler, als er mit Ex-Freundin und Kollegin Ricarda in einem Schneesturm beim „Alten“, einem früheren Mitglied der Planungskommission, Unterschlupf findet.
Fazit: Gute Grundidee, aber nicht hinreichend ausgearbeitet (warum brauchte man den Stahlturm?), Anfangsszene zwischen Protagonist und Ricarda atmosphärisch stark, die folgende Auflösung von Beziehungsstrukturen im Camp des Alten soll wohl die Auflösung der Herrschaftsstrukturen illustrieren, verwirrt aber. Auch die expliziten Hinweise auf philosophische Konzepte wie z.B. Hobbes "Leviathan" wirken wie Name-Dropping,das die Bildung des Autors betonen soll.
Leider gesellen sich für Falke ungewohnte sprachliche Schwächen hinzu: Neben Sätzen, die man sich in die Wand schnitzen kann, stehen blumige Manierismen und teilweise einfach nur schwache Sätze.
Jaszczuks Illu ist insgesamt ordentlich gemacht, zeigt aber nur begrenzten Bezug zur Story.
Bernhard Kempen: Die Traumfrau (I: Thomas Hofmann)
Inhalt: Der Ich-Erzähler bestellt sich eine Androidin, die alles tut, was er sagt, und alles lässt, was er nicht will. Aber das totale sexuelle Glück will sich auch mit ihr nicht einstellen.
Fazit: Bekannte Idee, aber mit netten Details aufgepeppt. Kempens Sprache besticht durch Klarheit und Einfachheit und liest sich sehr angenehm. Er versteht es, intime Dinge weder kitschig noch zotig, sondern treffend und respektvoll zu beschreiben. Die Moral gerät mir etwas zu bieder.
Hofmanns Illu verdeckt nichts, sondern zeigt alle wichtigen Nippel und ist so satirisch wie die Story.
Nadine Bouton: Ich bin nicht ich (I: Jessica May Dean)
Inhalt: Kar hat eine Flirt-Fee erworben, ein Hologramm einer Tänzerin mit Flügeln. Mit ihrer Hilfe reißt er tatsächlich eine Frau auf. Doch er bemerkt nicht die Kommunikation zwischen der Fee und dem Würfel, der sie steuert und ihre Muster beinhaltet. Am Ende kommt es zur Auflösung.
Fazit: Hmm. Viele nette Ansätze, aber ich bin nicht voll reingekommen. Wieso soll das Holo einer Tänzerin dabei helfen, eine Frau aufzureißen? Woher kommt die Todes- bzw. Auflösungssehnsucht der „Fee“? Die Intentionen des Würfels wurden mir auch nicht klar. Schade, denn man spürt Talent und Potenzial.
Jessica May Deans Illustration besticht durch Leichtigkeit und Poesie.
Martin Rump: Die außerirdische Mutter (I: Robert Porazik)
Inhalt: Die Menschheit erhält Besuch von Außerirdischen, die nichts lieber wollen als einzelne Menschen zu bemuttern. In einer Talk-Show erweist sich Peter Baldow als mutmaßlicher Urheber der ganzen Misere. Der Auftritt seiner außerirdischen „Mutter“ erklärt den Irrtum und läutet das Ende der Bemutterungsepidemie ein.
Fazit: Abgedrehte Idee, gelungene Talkshow-Dialoge, alles sehr witzig. Robert Poraziks Illu, obwohl handwerklich gelungen, erscheint mir etwas zu überladen. Die vielen spitzen Formen wirken zu aggressiv.
Gabriele Behrend: Lebendfleisch (I: Stas Rosin)
Inhalt: Paul führt mit Reena eine Traumtherapie durch. Als sie in ihre Traumzimmer eintreten, enthüllen sich die wahren Kindheitserlebnisse hinter den Träumen. Aber kann sich Reena auf die ganze Wahrheit einlassen?
Fazit: Starke Idee, gut strukturiert, stilistisch souverän. Eine gelungene Story, bislang die beste der Ausgabe. Stas Rosin liefert eine kongeniale Illu: genau so deutlich strukturiert, genau so ausgefeilt in den Details wie die Story.
Niklas Peinecke: Ein Augenblick Äon
Inhalt: Goë stülpt einer Stadt das Bewusstsein seiner Mutter auf, um eine unsterbliche Mutter zu erhalten. Er selbst verwandelt sich in einen Berg. Aber die Stadt wächst und belastet die Umwelt. Die Geburt des Stadtsohn Eothom verschärft die Sachlage.
Fazit: Märchenhaftes, symbolistisches Werk, stilistisch gelungen. Aber ich habe nicht alles entschlüsselt. Und es hat mich nicht gepackt.
Wilfried Bienek: Schlafende Hunde (I: Christian Günther)
Inhalt: Im Juli 1976 sagt ein Zukunftsforscher des US-Militärs Unglaubliches vorher: 1989 bricht der Kommunismus zusammen, Ronald Reagan wird US-Präsident, eine Schwarze wird Außenministerin. Das glaubt ihm keiner, auch nicht sein Chef.
Fazit: Atmosphärisch stark, gute Dialoge. Aber die Idee ist doch recht dünne.
Günthers Illu ist handwerklich gelungen und passt zur Story.
Wolfgang G. Fienhold: Geschichten aus Vauesien (I: Marco Schüller)
Inhalt: In Vauesien hat jeder einen Robot, religiöse Prophezeiungen werden mal eben geändert, man hat Pillen gegen alles, im Parlament setzen sich Vegetarier für eine Erweiterung des Kantinenangebots ein, und die Frauen tragen Kleider aus Kreditkarten.
Fazit: Ulkige Sammlung von kurzen Szenen, leicht und unterhaltsam geschrieben.
Schüllers Illu setzt die Lust am Fabulieren kongenial und süffisant um.
Nachruf …
Inhalt: … von Franz Rottensteiner auf Viktor Farkas, einen Wiener Sachbuchautor.
Fazit: Hat mich neugierig auf Farkas’ Werk gemacht.
Good bye, Ronnie!
Ein Special zum Ausscheiden von NOVA-Mitgründer Ronald M. Hahn aus der NOVA-Redaktion:
Michael K. Iwoleit erzählt, wie Ronnie den Jungautor MKI förderte, und berichtet über die Zusammenarbeit bei NOVA.
Olaf G. Hilscher bekennt, dass ihn die "Weltraumvagabunden" zur SF brachten, und lobt Hahns Bodenständigkeit und stetige Ansprechbarkeit.
Frank Hebben liefert eine süffisante Szene, in der Hahn aus dem NOVA-Irrenhaus entlassen wird.
Horst Pukallus berichtet über seine langjährige Freundschaft mit RMH.
Hermann Ritter würdigt sehr persönlich den Parallelweltautor, Humoristen und Menschen Hahn.
Franz Rottensteiner hatte „eigentlich … nie eine besondere Beziehung zu ihm“. Beim Schreiben seines Artikels entdeckt er anscheinend zur eigenen Überraschung gewisse Verdienste Hahns, wenn schon nicht als Autor, dann doch als Herausgeber, Förderer und Mitverfasser von Sekundär-Standardwerken. Begeisterung liest sich
anders. Aber ich bin mir sicher, Ronald wird auch und gerade diesen Beitrag schätzen.
Rainer Eisfeld würdigt vor allem Ronalds langjährige Mitarbeit bei der deutschen Ausgabe der „Science Fiction Times“. Er wirft teils launige Schlaglichter auf Blüten jener Zeit.
Hans-Ulrich Böttcher skizziert die Entstehung und Organisation des Kurd-Laßwitz-Preises, den Hahn viermal in verschiedenen Kategorien gewann.
Fazit: Verdiente Würdigung einer der ganz großen Persönlichkeiten der deutschen SF.
Hau in die Saiten, alte Wupperkrampe!
Gruß
Ralf
Bearbeitet von ShockWaveRider, 21 September 2012 - 10:19.