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Sternentanz (Appleseed)


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7 Antworten in diesem Thema

#1 Jakob

Jakob

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Geschrieben 25 November 2003 - 11:58

Hat sich schon jemand durch den Roman Sternentanz von John Clute gegraben? ich habe noch dreißig Seiten vor mir und langsam beginnen ein paar Fäden, sich zusammenzufinden und Sinn zu ergeben. Ich habe den Eindruck, dass dieses Buch sprachlich so extrem dicht ist, so dass man damit eigentlich in Klausur gehen müsste: Das ganze ist, als ob Clute auf Basis von Tausenden von Science-Fiction Romanen eine neue Sprache entwickelt hat, und als ob er in dieser Sprache jetzt eine neue Geschichte erzählt, die eigentlich bis hinunter auf die Wortbedeutungs-Ebene entschlüsselt werden will. Da ich aber demnächst zwei Rezensionen darüber schreiben will, bleibt dafür nicht die Zeit, deshalb dachte ich, stelle ich das Buch hier noch mal zur Diskussion, um mir über ein paar Dinge klarer zu werden.Also, für Leute, die das Buch auch lesen oder gelesen haben:1. Das Konzept mit den "Kämpfern" und "Spöttern" wird mir langsam klar: Identitätskonstrukte (und das sind in diesem Buch eigentlich alle ...) haben diese zwei Aspekte, wobei der "Spötter" eher das Innen und der "Kämpfer" eher das Außen darstellt. Der Kämpfer ist so etwas wie der schutz gegen die außenwelt, die "Haut". Menschen-"Haut" ist (metaphorisch gesprochen?) besonders "undurchlässig" für Wahrnehmungen allerart, weshalb Menschen sich gegenseitig mit Sinneseindrücken überschwemmen müssen, um sich überhaupt wahrzunehmen - was sie zur Gefahr für andere Spezies macht.Soweit, so gut. Aber hat das ganze etwas mit dem Konzept des "Verführers" und des "Verführten" zu tun? Kann mir jemand weiterhelfen?2. Kapiert jemand das Konzept der "Rotte"? Clute erklärt im Nachwort, seine Rotte sei eher "metaphysisch" ...3. Wird irgendwann mal deutlich, was genau Sigillums sind? Irgendwelche Repräsentationsformen/Vehikel von Bewusstsein, soviel ist klar. Irgendwie materieller als die offenbar rein "virtuellen" Toons, aber mit virtuellen Anteilen. Oder sind die Ebenen "real" und "virtuell" bei Clute einfach so ineinander vermengt, dass die Farge keinen Sinn macht?Uff, was ein Buch. das zu übersetzen muss wirklich eine ganz eigene Erfahrung gewesen sein. Irgendwo zwischen Transzendenz und Niederhöllen, würde ich mal sagen ...
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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  • (Buch) gerade am lesen:Zachary Jernigan, No Return/James Tiptree Jr., Zu einem Preis
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#2 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 25 November 2003 - 14:39

Hi JakobIch kann zu dem Buch eigentlich nichts sagen, da ich es noch nicht gelesen habe, habe aber die Lesung von Hannes Riffel (dem Übersetzer) besucht, und fand es sehr mutig, nachdem ich den Inhalt mitbekommen hatte, dass er daraus überhaupt einem Nicht-SF-Publikum vorlas. Er las ein paar Seiten ab Anfang. Darin waren schon genug dekorative Sachen, dass es m.E. nur so schwallte...Das mit den 1000 Anleihen hat HR bestätigt. Er hat sich wohl auch bemüht den Übersetzungsauftrag zu bekommen, weil er großer Clute-Fan ist.Immerhin bin ich motiviert das Buch jetzt mal im Original zu lesen. Aber wohl eher nachdem ich meinen aktuellen Berg von Titeln etwas abarbeite... :D (Bin übrigens gespannt auf deinen A6-Abend am Samstag...)Kai

#3 Jakob

Jakob

    Temponaut

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Geschrieben 25 November 2003 - 15:29

(Bin übrigens gespannt auf deinen A6-Abend am Samstag...)

Yipie! Jemand aus dem Forum kommt. Gib dich dann aber irgendwie zu erkennen ...
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#4 Thomas Sebesta

Thomas Sebesta

    Biblionaut

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Geschrieben 21 Dezember 2003 - 13:09

Hat sich schon jemand durch den Roman Sternentanz von John Clute gegraben? ich habe noch dreißig Seiten vor mir und langsam beginnen ein paar Fäden, sich zusammenzufinden und Sinn zu ergeben. Ich habe den Eindruck, dass dieses Buch sprachlich so extrem dicht ist, so dass man damit eigentlich in Klausur gehen müsste: Das ganze ist, als ob Clute auf Basis von Tausenden von Science-Fiction Romanen eine neue Sprache entwickelt hat, und als ob er in dieser Sprache jetzt eine neue Geschichte erzählt, die eigentlich bis hinunter auf die Wortbedeutungs-Ebene entschlüsselt werden will...

Ich habe mit dem Buch angefangen und die ersten 50 Seiten geschafft, aber ich lese zwar die Worte - finde aber überhaupt keinen Einstieg. Die Worte rauschen vorbei und alles ist im Fluß aber es will sich nichts fügen. ES kommt kein Lesefluß zustande, weil man ununterbrochen rätseln muß. Auf deine Rezi bin ich schon neugierig. Ob ich da jemals durchkomme?

Thomas Sebesta/Neunkirchen/Austria

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#5 Ronni

Ronni

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Geschrieben 21 Dezember 2003 - 13:17

Auf deine Rezi bin ich schon neugierig.

dann klick mal bitte hier: John Clute, Sternentanz
Die Schlauheit des Fuchses basiert zu 90% auf der Dummheit der Hühner.

epilog.de

#6 Holger

Holger

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Geschrieben 21 Dezember 2003 - 16:43

Eine sicherlich schwere Aufgabe, diesen Titel zu rezensieren. Kompliment an Jakob für die fundierte Kritik. Ich habe das Werk recht zügig verschlungen (schon allein, weil ich nach einer SF-Zwangspause richtiggehend ausgehungert war). Clute hat mich durch sein Ausdrucksvermögen und durch den Versuch beeindruckt, Dinge in unserer Sprache zu beschreiben, für die es (noch) keine Worte gibt. Und so bastelt er sich seinen eigenen Wortschatz zusammen, den er in seinen bisweilen prosaischen Stil einbettet. Gerade das angesprochene "Verhalten" der Harpen oder die nicht mehr erkennbaren Schnittstellen zwischen Realtität und virtueller Realität lassen den Leser das Geschehen eher erspüren als tatsächlich begreifen. In einigen Kritiken bin ich auf abfällige Bemerkungen gestoßen, und auch Jakob kommt nicht umhin, Parallelen zu Drogeneinflüssen zu bemerken. Offensichtlich muss sich dieser Eindruck aus dem Konzept Clutes ergeben, man denke an die tanzenden Fliesen, Synths, Träne, etc., die sich allesamt auf eine Art manifestieren, die uns heute nicht oder nur aus der virtuellen Realität geläufig sind. Ich hatte häufig den Eindruck, dass Clute auf einer sehr rationalen Ebene sämtliche Ansprüche, die er an eine realistische erzählte Geschichte in ferner Zukunft stellt, in STERNENTANZ vereinigt. Dass er damit den größten Teil seiner Leser kopfschüttelnd oder verärgert zurücklässt nimmt er billigend in Kauf. Insofern würde ich STERNENTANZ als eine Kunstform betrachten, in der zahlreiche Verbesserungsvorschläge eines Kritikers an seine Autorenklientel kulminieren. Aus Jakobs Kritik:

Die Sprache des Romans richtet hohe Barrieren auf - die Mühe, diese zu überwinden, wird allerdings reich entlohnt.

An dieser Stelle bin ich mir nicht sicher. Ich habe das Buch mit Interesse und Ehrgeiz gelesen, war bisweilen fasziniert und dachte auch für einige Momente, dass das der neue Ausdruck der SF-Literatur sein könnte. Bis zu dem Punkt, als ich realisierte, dass nur noch 80 Seiten vor mir liegen und Clute im Prinzip "keine befriedigende" Geschichte erzählt. Ist STERNENTANZ am Ende (nur) ein Sprach- und Stilexperiment um seiner selbst willen? Bei allem Lob und Bewunderung, inhaltlich ließe sich der Stoff in einer zwölfseitigen Kurzgeschichte darstellen und bliebe dennoch unspektakulär. Deswegen bin ich mir nach wie vor unschlüssig, ob das Buch nicht doch eine eitle Mogelpackung ist. Ein guter Analytiker und Kritiker muss beileibe kein guter Erzähler oder "Handwerker" sein. Mit STERNENTANZ konnte auch Clute nicht klären, dass er eine Ausnahme darstellt. Grüße, Stinker Holger
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#7 Jakob

Jakob

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Geschrieben 22 Dezember 2003 - 17:18

@Holger:

In einigen Kritiken bin ich auf abfällige Bemerkungen gestoßen, und auch Jakob kommt nicht umhin, Parallelen zu Drogeneinflüssen zu bemerken.

Das war als kompliment an den Autor gemeint. :) Was die Qualität als Geschichte angeht: Da bin ich ein bisschen gespaltener, als ich in der Rezi zugebe. ich finde schon, dass das Buch eine recht befriedigende Auflösung hat - Als Rettende Elemente werden, durchaus nicht unvorbereitet, die "Suche im Inneren" und "Liebe" bzw. "Sex" eingeführt. Das ganze funktioniert meines erachtens schon, und ich denke, dass es vielen, die so weit kommen gefallen wird. Deshalb also das Lob. Ganz persönlich war ich aber ein bisschen enttäuscht von der Auflösung, weil ich das Thema Mann+Frau=HappyEnd ein bisschen abgegessen finde. Sicher, bei Clute ist das ganze ziemlich verrückt, aber es läuft doch auf die gute alte Formel hinaus. Für mich hätte es auch hier gern noch etwas verrückter bleiben können ... Trotzdem, im allgemeinen hat Clute wohl die richtige Entscheidung getroffen, indem er hier eine Rückbindung an üblichere Lesegewohnheiten schafft.
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#8 Dave

Dave

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Geschrieben 10 Januar 2004 - 15:22

Nachdem ich den Roman etwas habe sacken lassen, fragte ich mich, ob er einen besonderen Stellenwert hat b.z.w. haben wird. Ich denke ja. Sicher entfaltet er sich ganz unterschiedlich in den verschiedenen Augen der Betrachter. Für mich ist die Grundaussage philosophischer Natur, weniger der Fortlauf einer Geschichte, als eine Momentaufnahme des Lebens und der physikalischen Struktur, aus der sie hervorgeht. Im Zentrum vereinigen sich zwei Individuen, ein neues Leben entsteht. Die Verschmelzung ist die eines Fiebertraumes, einer verzerrten Anatomie, ekstatischem Tantrismus. Und so wie ein Säugling nicht in der Lage ist, Grenzen wahrzunehmen, es mit der Mutter, der Umwelt eine Einheit bildet, so kennt auch dieser Roman keine wirklichen Grenzen, ob nun physikalisch oder mental.In dem Planeten Schanzer zirkulieren Individuen verschiedenster Herkunft um zu einem Kreislauf zu verschmelzen, von dem auch die künstliche Intelligenz als gleichberechtigte Form des Bewusstseins nicht ausgenommen ist. Ein einzelnes Leben wir zum Fraktal, zur Wiederspiegelung einer emergenten Struktur, die keine Grenzen besitzt. Was geschieht nun, wenn die universelle Entropie löchrig zu werden beginnt, der göttliche Gedanke sozusagen aus den Fugen gerät? Die zugeführten Gasgemische und Nährstoffe den Metabolismus nicht mehr sicher auf dem Grad zwischen Ordnung und Chaos halten kann und die Elektronen nicht mehr zuverlässig den programmierten Pfaden eines Schaltkeises folgen? Im Roman bietet der †šSchimmel†™ die Möglichkeit eines neuen Bickwinkels.So beginnt Freer eine Reise, die eine neue Form der Wahrnehmung zum Ziel hat und letzten Endes zu ihrem Ursprung zurückgelangt, zum Leben selbst.Für was der Roman steht, kann wohl nur John Clute beantworten. Der Roman ist ein geschickter Schachzug, denn er demonstriert eine wahre Explosion der Formulierkunst, ohne dabei inhaltlich angreifbar zu sein. Die Kritiken müssen einfach von seiner surrealistischen Haut abperlen. Ich glaube, 'Earth Bound' ist auch ein Roman von Mr. Clute, kennt den jemand?

Bearbeitet von Dave, 10 Januar 2004 - 19:21.



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