Patricia Anthony
Heyne
Über dieses Buch bin ich ganz zufällig gestolpert -- ich habe mir bei meinem Schwager drei Bücher als Reiselektüre ausgeliehen, weitgehend ohne genaueres Hinsehen, und bin damit eine Woche durch den Nordwesten Islands gekurvt. Nachdem sich das erste (den Titel habe ich verdrängt, irgendwas von der Sorte "Der Tag, an dem New York gestohlen wurde") als ziemlich blöde und das zweite (Eschbachs "Solarstation") als mainstreamtaugliches Weltraumabenteuer herausgestellt hatte, erwartete ich von dem dritten keine Offenbarung -- und wurde positiv überrascht.
Dabei bedient sich die Autorin bewusst einer sehr unoriginellen Ausgangssituation: Insektoide Ausserirdische haben die Herrschaft über die Welt übernommen. Sie sind genetisch degeneriert und können sich nicht mehr fortpflanzen; ihre einzige Hoffnung besteht darin, Hybride mit der menschlichen Rasse zu züchten, und anschließend die normalen Menschen auszurotten. Es wird aber bald klar, dass Anthony dieses Szenario bewusst gewählt hat, nämlich als subversiv-ironisches Mittel, und nicht etwa aus Einfallslosigkeit.
Die Autorin schafft es überraschenderweise, dieses und noch etliche andere Klischees der SF-Literatur in weiner Weise zu verwenden und zu verweben, dass eine packende Geschichte entsteht, die mich noch Tage nicht losgelassen hat.
Ich weiss nicht, ob es diese Klassifizierung gibt, aber ich worde den Roman als "gesellschaftliche" oder "politische SF" einordnen. Keine Alien-Technologie, keine wüsten Endschlachten, sondern eine nachdenkliche und bissige Vision mit einer auf seltsame Weise sympathischen, tragischen Hauptfigur, dem Ausserirdischen Reen.
-- tichy
Bearbeitet von tichy, 18 Dezember 2003 - 17:38.
